Titlá (tut nur!) war einst die Antwort eines Wirtes auf die Frage, ob man in seiner Gastwirtschaft Musik machen könne.
Seit 20 Jahren nun ist die Gruppe
Titlá [39]
nach Ausflügen in keltische und jiddische Musik
das Aushänge- schild für Neue Volxmusik aus Südtirol: Polka und Landler werden genauso gespielt wie Jodler
und Lieder im Pustertaler Dialekt. Nach Musik von Titlá hat nun die dänisch-schweizerische
Tanzpädagogin Regula Leupold
18 Gemeinschaftstänze zusam- mengestellt, vom einfachen Mitmach-Kreistanz bis zur komplexen Line-Dance-Choreographie.
Traditionelle Tanzelemente finden genauso ihren Platz wie freie Bewegung.
Musikalisch trifft Quadrille auf Sinti-Swing, die irische auf die bairische Polka, Fest-noz auf Shtetl,
abschließend die Südtiroler Version von "Dat du min Leevsten Büst". Tanzen mit Titlá enthält
Musik- und Tanzschemen (in graphischer Tanzdarstellung) mit Noten, Akkorden und ggfs. Texten, sowie
methodischen Tipps und Variationen als einfache Mitmachform und anspruchsvolle Endform.
Der Spaß soll aber immer im Mittelpunkt stehen. Die Tänze sind abwechslungsreich und verständlich und
detailliert beschrieben. Buch und CD sind auch einzeln erhältlich.
Regula Leupold, Tanzen mit Titlá - Tradition meets Invention.
Fidula-Verlag,
2015, ISBN 978-3-87226- 572-2, 135 S, €33,80 (inkl. CD)
Das Duo Cassard [59]
ist fester Bestandteil der deutschen Bordun- und Bal-Folk-Szene.
Christoph Pelgen, die eine Hälfte des Duos, ist bekannt für seine packenden Melodien und Arrangements.
Einige haben sich längst zu Ohrwürmern entwickelt, zu denen landauf landab das Tanzbein geschwungen wird.
Pelgen Tunes Vol. 2 enthält 81 selbst komponierte, oft mehr- stimmige Melodien für alle Bordun-Instrumente.
Musikalisch geht die Reise mit Bourrée und Mazurka, Polka und Polska, Walzer und Zwiefacher
von der Bretagne über den Balkan bis zum Bosporus.
Christoph Pelgen, Pelgen Tunes Vol. 2 - 81 neue Melodien für Dudelsack, Drehleier, Geige, Flöte etc..
Verlag der Spielleute,
2016, ISBN 978-3-927240-89-6, 110 S, €21,90
»Der Vierzeiler« ist die vierteljährliche Zeitschrift des Steirischen Volksliedwerkes.
Aus- gabe 4/2016 beschäftigt sich nach dem Motto Singen bewegt die Menschen, es führt zueinander, es strahlt Wohlbefinden aus!
mit den klingenden Traditionen der Vorweihnachtszeit (»Singen im Advent – Adventsingen«) und sucht einen
starken Gegenakzent zu setzen zum allgegenwärtigen materialistischen Konsumrausch und der jährlich zunehmenden
Kommerzsucht, welche diese Wochen und Tage schon längst vereinnahmt haben.
Der thema- tische Bogen spannt sich vom 100jährigen Bestandsjubiläum der »Hirten- und Krippen- lieder in der Antoniuskirche«
in Graz bis zum populäre Phänomen der Advent- und Weihnachtskonzerte.
»Der Vierzeiler« ist immer wieder für Interessantes und Informativesgut. Ausgabe 3/2016 z.B. war
mit Beiträgen von Sepp Pichler
und Albin Paulus (Hotel Palindrone) [59]
dem Dudelsackspiel in der Alpenrepublik gewidmet.
Der Vierzeiler. Steirisches Volksliedwerk,
Vierteljährlich, €4,-
In den Siebziger Jahren beeinflusste das internationale Folk-Revival den gesamten europäischen Kontinent und führt auch im Westen wie im Osten Deutschlands zu einer Renaissance von Volkslied und Volkstanz.
In der Deutschen Demokratischen Republik hatte sich bereits 1966, angeregt vom in Ost-Berlin lebenden kanadischen Sänger Perry Friedman (1935-1995), die später Oktoberklub genannte Singebewegung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) gegründet. Aber:
Die (zweite) Welle des internationalen Folk-Revivals mit Trink- und Rebellenliedern aus Irland macht auch vor der Mauer nicht halt.
Zu Beginn spielten die Folkies (wie im Westen etwa Liederjan auch)[43] vor allem Folksongs aus Irland und Schottland. Ab 1977/78 folgte eine derb-deftige deutsche Phase mit Liedern über trinkfeste und aufmüpfige Handwerksgesellen, edle Räuber (Schinderhannes), heuchlerische Pfaffen und geschundene Soldaten. Fündig wurde man in den zwei dicken, vom Volkskundler Wolfgang Steinitz zusammengetragenen Wälzern "Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten".[33]
Anfang der 80er-Jahre war das Potenzial demokratischer Volkslieder erschöpft. Nach Fallersleben, Glaßbrenner und Heine gerieten nun Autoren des 20. Jahrhunderts ins Blickfeld und viele Folkies beschritten den Weg zum Liedermacher.
Außerdem rückte tanzbare Musik und Volkstanz zum Mitmachen in den Vordergrund. Die Ungarn hatten das Tanzhaus genannte gemeinsame dörfliche Tanzvergnügen erfunden und in die Bruderländer exportiert. In der DDR war seit 1986 der Höhepunkt des Jahres das Leipziger Tanzhausfest, das noch heute jedes Jahr zu Himmelfahrt stattfindet (www.tanzvolk-leipzig.de).[56] Frühe Gäste waren die schwedische Formation Groupa und die englische Oysterband, die nach der Wende zurückkehren und das Live-Album "Little Rock to Leipzig" aufnehmen sollten.
Die allermeisten Folk-Bands nutzten das Volksliederbe zur Kritik an den Zuständen im real existierenden Sozialismus, wie etwa der eingeschränkten Reisefreiheit oder dem Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee. Der SED-Funktionär Jürgen Morgenstern sah klar, dass sich die Musikfolkoregruppen nicht als Bestandteil der Folklorepflege im künstlerischen Volksschaffen fühlen, sondern daß sie ihre Bezüge zum Volkslied ausschließlich aus gegenwärtigen Einstellungen und Interessen formulieren, unbekümmert um historische Sachverhalte.
Volkes Lied und Vater Staat ist die erste umfassende Darstellung der DDR-Folkszene in den Jahren 1976-1990, gleichermaßen verdienstvoll wie unterhaltsam. Autor Wolfgang Leyn, der heute bei MDR Figaro tätig ist, hatte 1976 in Leipzig mit Jürgen Wolff (Grafiker des Rudolstadt Festivals) und Ulrich Doberenz (Festivaldirektor Rudolstadt) die Band Folkländer gegründet. 1997 und 2016 hatte er Ausstellungen zum Thema "Folk in der DDR" konzipiert.
Wolfgang Leyn referiert über Volkslieder und die Steinitz-Bibel, Instrumentierung und selbstgebaute Musikinstrumente, Folkwerkstätten und die Folkoper, die niemals aufgeführt werden durfte, das ambivalente Verhältnis zu Behörden und Funktionären, die wenigen LPs auf dem volkseigenen Plattenlabel AMIGA und die von Bands wie Wacholder herausgebrachten Liederhefte.
Der Schweriner Volkskundler und Dudelsackspieler Ralf Gehler (Kwart, Malbrook)[36] stellt in einem eigenen Kapitel die Marktsackpfeife in A vor, das prägendste Attribut der erwachenden Mittelalter-Szene, deren charakteristischer Klang sich nach der Grenzöffnung, insbesondere durch die Popularität von Gruppen wie Corvus Corax,[54] in ganz Europa verbreitete.
Wacholder (Jörg Kokott, Scarlett Seeboldt, Matthias Kießling) @ FW: FW#28, #38, #46, #49 www.wacholder.de |
Den Überblicksartikeln und Themenbeiträge folgen neun ausgewählte Interviews, eine Chronologie mit Bandgründungen, Auftrittsverboten, Festivals, Werkstätten, Tourneen und Platteneinspielungen 1976-1990, sowie ein Sach- und Personenregister. Ein Szene-Lexikon (siehe www.folkszene-ddr.de) klärt Begriffe wie Profi-Pappe, Brummtopf oder die im Osten weit verbreitete Thüringer Waldzither (die gerade wieder von der Gruppe Hüsch popularisiert wird).[60] Eine Begleit-CD enthält 20 hörenswerte und repräsentative Titel aus den Jahren 1979-1999.
Reinhard 'Pfeffi' Ständer (Organisator des Hoyschrecke-Liederfests[61] und ständiger Mitarbeiter bei der Zeitschrift Folker!)[34] stellt 74 Folk-Formationen vor, u.a.:
Viele der Protagonisten sind nun in einem ganz anderen sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Umfeld unterwegs und üben immer noch ihre Kunst aus. Alte Schlachtrösser wie Aufwind oder Horch beispielsweise sind unverwüstlich, Wolfgang Rieck und Matthias Kießling sind jetzt solistisch tätig, andere Veteranen der DDR-Folk-Szene haben neue Formationen wie etwa Polkaholix gegründet.
Im thüringischen Städtchen Rudolstadt wurde 1991 von ost- und westdeutschen Folk-AKtivisten das Tanz- und Folkfest (TFF) aus der Taufe gehoben (www.rudolstadt-festival.de). Davor war Rudolstadt Schauplatz eines folkloristischen Tanzfestes, einer Leistungsschau der heimischen Amatuer-Bühnentänzer und ihren Gästen aus den Bruderländern. Heute findet an der Saale mit einem weitgefächerten Programmangebot das größte Folk-, Welt- und Roots-Musik-Festal seiner Art in Deutschland statt.[61]
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Die Szene der DDR-Folkies, die als mobil, trinkfreudig und nicht gerade staatskonform bekannt waren, unterschied sich äußerlich nur wenig von denen der sogenannten "Kunden" und "Tramper" - und der ostdeutschen Blues-Fans.
Im real existierenden Sozialismus mischte der Blues
Während die DDR-Presse die Musik des anderen Amerika von Harry Belafonte und Paul Robeson medial inszenierte, wurde der Blues der Soundtrack des stillen Widerstands und das Motto einer Jugendkultur. Einzigartig waren beispielsweise die von Rainer Eppelmann (oppositioneller Pfarrer, CDU-Politiker und Minister für Abrüstung und Verteidigung in der letzten DDR-Regierung) veranstalteten Bluesmessen.
Michael Rauhut war Teil dieser Jugendkultur, die sich Blueser nannte - wir mieden den Mainstream und entzogen uns, so gut es ging, den Verlockungen und Zwängen des Systems - und blieb der Bluesmusik auch noch nach der Wende als Journalist und Radiomoderator treu. In Ein Klang – zwei Welten versucht Rauhut Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Blues-Szenen in Ost und West in den Jahren 1945 bis 1990 zu beschreiben: hier Mangel und Event-Orientierung, da Schallplatten, Konzerte und Glaubenskriege.
Das Diskussions-Verhältnis BRD : DDR neigt sich aber deutlich zu ersterem. Breiten Raum nehmen etwa die Aktivitäten der Konzertveranstalter Lippelt und Rau ein.
Nach Kriegsende hatte sich in Westdeutschland nach dem Vorbild des 1932 gegründeten Hot Club de France eine vitale Bewegung mit der Dachorganisation Deutsche-Jazz-Föderation (DJF) formiert. Sie warb um die gesellschaftliche Anerkennung des Jazz,
Dabei rückte auch die Bluesmusik als volksmusikalische Wurzel des Jazz auf die Tagesordnung, ganz besonders die ursprünglichen ländlichen Country-Blues-Spielweisen und der klassische urbane Blues des frühen 20. Jahrhunderts. Rhythm&Blues und elektrischer Chikago-Blues hingegen galten als kommerzielle Deformation.
Große Aufmerksamkeit als Kaiserin des Blues und Mutter des Jazz genoss Bessie Smith. Die Bild-Zeitung schilderte 1956 ausführlich, wie sie nach einem Verkehrsunfall vermeintlich ums Leben gekommen war, weil das Krankenhaus die schwarze Musikerin nicht zügig genug behandelte. Günter Boas sammelte Geld für einen Gedenkstein auf ihrem Grab.
Günter Boas, scherzhaft Blues Overseas American Service genannt, gründete die Two Beat Stompers, die 1953 Big Bill Broonzy auf seiner Deutschland-Tour begleiteten. 1958 initiierte er dann eine Benefizaktion für den erkrankten Musiker. In der DDR gehörte Jens Gerlachs Gedicht "Bessie Smith" zum Lehrstoff des Faches Literatur:
Ich starb vor einem Krankenhaus, vor seinem weißen Tor. Sie sahn mich an wie ein Stück vieh, als ich mein Blut verlor. Es war ein weißes Krankenhaus, und ich starb schwarz davor.
Im Osten galt die Jazzmusik im politischen Diskurs zunächst als Instrument der Kriegsvorbereitung des Klassenfeindes und lediglich der Ur-Jazz als Abkömmling der Negerfolklore erhielt Absolution. Schritt für Schritt erkämpfte sich der Jazz Anerkennung und die Beatmusik gelangte ins Kreuzfeuer der staatlichen Kritik.
Zurück in den Westen. Horst Lippmann veranstaltete 1953 im Frankfurter Amerika-Haus das Erste Deutsche Jazzfestival, auf dem auch Big Bill Broonzy vertreten war. Zu diesem Zeitpunkt waren Blues-Konzerte noch recht dünn gesät; einzelne Gastspiele gaben u.a. Sonny Terry & Brownie McGhee und Champion Jack Dupree.
1962 eröffnete John Lee Hooker das erste von Horst Lippmann und Fritz Rau ins Leben gerufene American Folk Blues Festival (AFBF), eine Konzertserie und Dokumentation des authentischen Blues, die bis ins Jahr 1985 veranstaltet werden sollte.
Willie Dixon stellte zunächst vorwiegend Künstler aus dem Hause Chess zusammen. Die Kneipenmusiker aus den USA füllten deutsche Konzerthallen und Philharmonien mit Country-Blues, Chicago-Sound als auch Spuren von Soul-Musik: Memphis Slim, T-Bone Walker, Lightnin' Hopkins, Son House, Buddy Guy, Big Mama Thornton, ...
Louisiana Red übersiedelte 1981 tatsächlich nach Hannover, wo er 2012 verstarb. Im Laufe der Zeit entwickelte sich auch eine blühende deutsch-sprachige Blues-Szene. Die Charly Schreckschuss Band und Das Dritte Ohr waren einst populäre und kommerziell erfolgreiche Formationen, und noch heute sind die Bajuwaren Willy Michl und Williams Wetsox aktiv, wenn auch nur noch einem überschaubaren Publikum bekannt.
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Nur kurz zuvor hatte ich lustlos in der Sting-Autobiographie geblättert. Lustlos - vielleicht weil so wenig von Musik die Rede war. Dass es auch anders geht, beweist die kurzweilige Autobiographie von John Fogerty, Mein Leben – Meine Musik, da geht es auf jeder einzelnen Seite um Töne, Klänge, Rhythmen, Riffs. Man spürt einen Menschen, der für seine Kunst lebt.
John Fogerty ist Mr. Creedence Clearwater Revival, seines Zeichens eine der beliebtesten Rockbands in der Geschichte dieses Genres. In seiner Kindheit und Jugend saugte Fogerty alles auf: Blues, Rock, Country, Folk. Im Rückblick gibt er zu: Auch wenn es mir damals nicht bewusst war, hat mich Pete [Seeger][61] mehr beeinflusst als die ganzen Rock'n'Roller.
Als Golliwogs u.a. war John Fogerty zunächst nur mäßig erfolgreich. Ende 1967 erstand seine Formation unter dem neuen, schmissigen Bandnamen Creedence Clearwater Revival und veröffentlichte im Mai 1968 das Debütalbum.
Die Stärke von Creedence Clearwater Revival waren Midtempo-Songs mit Lead- und gelegentlichem Harmoniegesang. Das Debüt- und das Folgealbum schlugen ein wie eine Bombe; jeder kennt das Cover von "Suzie Q" als auch Fogertys Songs wie "Proud Mary", "Born on the Bayou", "Bad Moon Rising", denen später noch Titel wie "Have You Ever Seen the Rain" und "Who'll Stop the Rain" folgen sollten.
John Fogerty selbst nennt seine Lebensbeichte die Geschichte eines Jungen aus El Cerrito und seines musikalischen Traums. Der Traum wurde zunächst wahr, verwandelte sich dann aber innerhalb weniger Jahre in einen Albtraum: die Plattenfirma hatte sich die Rechte an Fogertys Songs angeeignet, die Zwistigkeiten innerhalb der Band nahmen aberwitzige Ausmaße an.
Nach der Auflösung von Creedence Clearwater Revival im Jahr 1972 verschwindet John Fogerty mehr oder weniger aus dem Scheinwerferlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Es braucht einen denkwürdigen Ausflug an das Grab von Robert Johnson in Moorhead, Mississippi, dass er den Kampf um sein musikalisches Werk wieder aufnimmt.
1997 veröffentlicht John Fogerty sein Solo-Album "Blue Moon Swamp", das als bestes Rock-Album für einen Grammy nominiert wird und tatsächlich die Auszeichnung gewinnt. Der bescheidene und bodenständige Typ im Flanellhemd ist dabei immer auf dem Boden geblieben, woran man erkennen kann, wie sich doch die Zeiten geändert haben:
Photo Credits:
(1ff) Book Covers,
(7) Titlá,
(8) Duo Cassard (ft. Christoph Pelgen),
(10) Wolfgang Steinitz,
(12) Wacholder,
(14) Wolfgang Rieck,
(15) Wenzel,
(17) Williams Wetsox,
(18) Willy Michl,
(19)-(24) American Folk Blues Festival,
(25) John Fogerty
(from website/author/publishers);
(9) Hotel Palindrone (ft. Albin Paulus),
(11) Ralf Gehler,
(13) Jürgen B. Wolff
(by Walkin' Tom);
(16) Jo Meyer (JAMS)
(by The Mollies).