FolkWorld Ausgabe 32 12/2006

FolkWorld CD Kritiken

An Rinn "Coal"
Label: Eigenverlag; 2005; Spielzeit: 51:29 min
Wenn ich auf meinen Balkon trete, kann ich es fast sehen. Ein paar Bäume stehen im Weg, aber es sind nur knapp zehn Kilometer Luftlinie, wo im Jahre 1963 fünfzig Bergleute verschüttet und nur ein gutes Dutzend unter dramatischen Umständen gerettet worden sind. Was dem einen das Wunder von Lengede ist dem anderen das Springhill Mining Disaster. An Rinn (-> FW#19, FW#27) aus Bramsche in Westniedersachsen haben sich auf ihrem neuesten Werk der Kohle gewidmet. Der Kohle im wortwörtlichen Sinne, sprich: den Liedern der Bergarbeiter. Die Lieder von Billy Ed Wheeler, Si Kahn, Ewan MacColl, Ed Pickford, Jean Ritchie, Peg Seeger (-> FW#31, FW#31), Gillian Welch und das "Steigerlied" erzählen von der Ausbeutung der Arbeiter, geringem Lohn, gefährlichen Arbeitsbedingungen, Unfällen - und Liebesdingen. Die einleitenden Sätze im Booklet stammen von Colin Wilkie. Das hat er Jahre zuvor schon mal getan für "The Bonnie Pit Laddie" von den High Level Ranters. M. Malcher textet in "A Miner's Life": Darker than the night, the grave. Once you're going down you'll be working like a slave. Pay your bills on Saturday, Sunday go and pray. All the other days go down, and work your health away. Coal dust in your lungs, a stranger to your wife. Still you hope your son will find a better life. Es gibt zwar nicht mehr viele Bergarbeiter, aber man sage nicht, dies sei nicht mehr aktuell.
www.anrinn.de
Walkin' T:-)M


Apparatschik "Aurora"
Label:
Weltwunder; WW 205; 2004; Spielzeit: 62:08 min
"Aurora" von Apparatschik stammt zwar bereits von 2004, wurde aber in diesem Jahr (wieder) veröffentlicht. Über Sinn und Zweck derartiger Aktionen muss ich mir ja nicht den Kopf zerbrechen und kommentiere das folgerichtig gar nicht erst. Also, um was geht's? Apparatschik spielt rockig aufbereitete traditionell russische und moderne, russisch klingende Musik. Der Rocksound ist rhythmisch und gerade, immer druckvoll und tanzbar. Der Gesang ist schmalzig bis schmetternd. Akkordeon und Balalaika setzen ethnische Akzente. Was dem einen die Russendisko, ist dem anderen die Stones- und Pistols-Version Osteuropas. Die Jungs werden ihren Weg machen. Haben sie ja schon.
Weltwunder
Walkin' T:-)M


Ballycotton "Eyla"
Label: Eigenverlag; 2005; Spielzeit: 53:26 min
Wenn mich meine Erinnerung nicht allzusehr trübt, habe ich eine frühere Inkarnation der Band in Graz in der Steiermark mal in einem Irish Pub gesehen. Mittlerweile tummelt sich die österreichische Gruppe eher auf Mittelalterveranstaltungen. Ballycotton (-> FW#18, FW#26), das Quintett aus St. Pölten, setzt konsequent seinen Weg fort. Ihre dritte CD, "Fairy Folk", präsentiert Experimentalfolk, Fantasy Folk in Fantasy-Sprache, mal keltisch, mal alpin und mal orientalisch. Musikalische Ideen von der irischen Küste bis in die Schluchten des Balkans. Die immer stärker zu Tage tretende Abkehr vom Irish Folk mag auch einer Umbesetzung geschuldet sein. So wurde die zweite Geige gegen ein Akkordeon eingehandelt. Das Ziel, zumindest soweit es sich jetzt abzeichnet, ist aber doch wohl weniger mittelalterliche Musik als atmosphärischer Folk zum Zuhören.
www.ballycotton.at
Walkin' T:-)M


Bilwesz "Spring"
Label:
Emmuty; 571.0004.2; 2006; Playing time: 70:44 min
Bilwesz (-> FW#29, siehe auch Rudolstadt-Bericht in dieser FW-Ausgabe) ist eine gar nicht genug zu lobende Ausnahme im tonalen Einerlei Deutschlands. Für ihr zweites Album "Spring" haben sich Merit Zloch (Hakenharfe, Gesang) und Simon Wascher (Drehleier) mit Matthias Branschke (Schäferpfeife, Flöte) zusammengetan. Das hat eine neue musikalische Dimension eröffnet. Zusätzlich sorgt Schlagzeuger Jörg Mikula für jazz-angehauchten Groove. Agri-Pop nennen sie selbst ihre Musik: Popmusik aus dem ländlichen Raum zwischen Ostsee und Alpen vom 16. bis ins 18. Jahrhundert. Bilwesz haben Manuskripte gewälzt und sind fündig geworden in so verschiedenartigen Quellen wie dem Deutschen Liederhort als auch dem Evangelischen Kirchengesangsbuch. Sie spielen traditionelle Stücke aus dem Public Domain, z.B. gefunden in Recueil De Contre Dances aus der Wolfenbüttler Herzog-August-Bibliothek von 1717, Ludwig van Beethovens "Ecossaise", aber auch Eigenes von Matthias Branschke. Ob als Tanzband oder ob im Konzert, Bilwesz präsentieren Tanzmusik, die mehr ist als das übliche Schottische oder Bourree; Musik, die nicht wirklich in eine Schublade passt.
Emmuty Records
Walkin' T:-)M


Wolfgang Buck "Flusszigeuner"
Label:
C.A.B. Records; CAB 514; 2006; Spielzeit: 61:30 min
Weil der Zidronenfalder in ganzn Dooch Zidronen falded, do hockd der Geigerzähler wu im Orchester di Geicher zähld, und der Gablstapler dääd lieber wos anders wi Gabln stabln, und der Rasnsprenger will im Rasn in echd keinen Grashalm krümmen und er sähe di Zündschnur lieber in einer Konzernzentrale glimmen. Su is a jeder unzufriedn mid seim Lehm und froochd nachm Sinn. Und Wolfgang Buck (-> FW#30) treibt als Flusszigeuner - Flusszigeiner mechdi sei, alles fließd an mier verbei - durchs fränkische und nicht-fränkische Leben und schaut sich um im Schwarzarbeiderbaradies und anderswo, derwalls die nächsde Sau durchs Dorf johng. Künstler-Tragik: Samsdooch frieh um sechs kummers mid der Flex und sie schneidn Gaddnbladdn zur Umrandung der Rabaddn. Samsdooch frieh um siema gehd di Mördlmaschina und im ganzn Verdl mischns etz ihrn Mördl. Aber Künstler's Rache: Samsdooch ohmd um siema fängd der Buck zum ühm oo, ohmds do wern di Fauln fleissisch. Fleißig war er, das beweist diese CD. Und bei Wolfgang Buck gibt's nicht "Di Soss" (schon auf der Solo-Live-CD enthalten): Musikmoleküln vuller Glück su warm wi Schlick, doch dünn und lau, weich wie Lenor. Schöne Sache das.
C.A.B. Records
Walkin' T:-)M


Liz Carroll & John Doyle "In Play"
Label:
Compass; 744182; 2005; Spielzeit: 50:15 min
"In Play" ist das dritte gemeinsame Album der irisch-amerikanischen Fiddlerin Liz Carroll (-> FW#24) und des ehemaligen Solas-Gitarristen John Doyle. Weitere Gäste hat man nicht nötig. Liz komponiert seit ihrer Jugend, hundert Tunes können es mitlerweile schon sein. Sie hat einmal gesagt: Ich glaube, der Grund ist, dass wir in meiner Jugend kaum neue LPs bekamen. Wir waren wild auf neue Tunes, drum machten wir sie selber. Glücklicherweise kommt bei ihren Tunes keine Langeweile auf, dazu ist sie zu begabt. Die schnellen Tanzstücke sind rasant bis fetzig, die ruhigen Slow Airs elegant und ausdrucksvoll. Ihr Fiddle-Spiel selbst ist kraftvoll, swingend und lyrisch - wie es gerade die Stimmung erfordert. In John hat Liz einen kongenialen Partner gefunden. Seine Gitarrenbegleitung ist schwungvoll und lebhaft und bietet dennoch komplexe Akkordmuster. 21 Tunes sind aus Liz eigener Feder, ein Walzer stammt von John, ein paar wurden zusammen geschrieben. Damit wäre ein neuer Pfad eingeschlagen, auf dem vielleicht noch interessante Entdeckungen zu machen sind. Ich bin jedenfalls gespannt auf weitere Abenteuer der Mystery Writers (so ein Tune-Titel).
Dt. Vertrieb von Compass Records: Sunny Moon
Walkin' T:-)M


The Cheeks "Raw Countryside"
Label:
Beyond Your Mind/Cargo; BYMR 70010CD; 2006; Spielzeit: 50:56 min
Come on, it's a perfect day, listen to the choir singing ... So hieß es am 1. Dezember in Braunschweig-Dibbesdorf, als die alte-neue Kult-Kneipe Roter Korsar das Nachtleben enterte. Konzerte von Jazz bis Rock, Lesungen und Filme als auch wöchentliche Sonderveranstaltungen sollen dem Kulturinteressierten jenseits des Mainstreams das Herz höher schlagen lassen. Am Eröffnungsabend standen The Cheeks live auf der Reeling. Das junge Quintett ist weniger auf hoher See zuhause (trotz des schwankenden Mikrofon-Ständers), in der dörflichen Rock-Disko aber bestens aufgehoben. Und so kämpften vier musikalische Freibeuter und eine Freibeuterin (am Schlagzeug) gegen die Tücken der Technik und das stoffelige und klatschfaule Publikum an. Na, das wäre ja fast eine Konzert-Rezension geworden. Fast. Denn: was live punk-rockig daherkommt und diffus und undifferenziert erscheinen mag, klingt im Studio nach Americana und Retro-Rock im Stil der Byrds. Perfekter, besser ausgesteuert, die raw countryside ist gar nicht so rauh. Bläser hier, eine Flamenco-Gitarre da, bringen Abwechslung ins Spiel. Das Album enthält jede Menge guter Ideen und die Band klingt 10 Jahre älter und reifer als sie tatsächlich sind. Und nicht nur um dies zu erfahren, hat sich der Konzert-Besuch für den Rezensenten schon gelohnt. Climb up a wall of magical pop sounds and catch its cynical echo from the other side.
Beyond Your Mind/Cargo
Walkin' T:-)M


Collective Soul "Youth"
Label:
India; 471027-2; 2005; Spielzeit: 37:53 min
Na, da bin ich mir jetzt nicht sicher, ob diese CD wirklich für die FolkWorld-Redaktion bestimmt war. Keine schlechte Musik, ganz im Gegenteil, aber sicherlich nicht die tägliche Kost für den durchschnittlichen FolkWorld-Leser. (Ich unterstelle mal, dass es diesen gibt, aber wer weiss, wer sich alles auf diese Seiten verirrt.) Wie auch immer, diese CD will rezensiert werden. Die amerikanische Rockband Collective Soul war in den 1990ern auf der anderen Seite des großen Teiches einigermaßen bekannt. Nach vierjähriger Pause hat sich die Gruppe einer Verjüngungskur unterzogen und einen neuen Lebensabschnitt eröffnet. Und ich muss sagen: mir gefällt's. Die Melodien sind so griffig, da kann Rockmusik fast schon wieder Spaß machen.
India Records
Walkin' T:-)M


Paul F. Cowlan "Whispers on the Turning Ground"
Label:
Brambus; 200507-2; Playing time: 62:15 min
1976 gab Paul F. Cowlan den Lehrerberuf auf: I had the wanderlust, and a ticket to ride over the globe and down the other side. 2005 zelebriert er das Ereignis als 30 Jahre on the road: Now, when you hit fifty you tend to find less road ahead and more behind. Der in Frankfurt am Main lebende Brite erzählt mit seiner Akustik-Gitarre kleine Geschichten und bläst ein wenig die Mundharmonika. Die überwiegend politischen Statements der ersten Hälfte (welcome to the world of the greedy and the free, consumerism and dysfunction) gehen in bemerkenswerte Texte über die 3 L's über: leben, lieben, lachen! Zum guten Schluss erfahren wir sogar noch, what the blues is for. Und der allgemeine Ratschlag heißt sowieso: Stand aside and let the sunlight in, take a break from the T.V., open to the weather, start living from your skin ... Eine Mischung aus Folk, Blues und sanftem Folk-Rock, ein bißchen Chanson-mäßig wie Landsmann Robb Johnson (-> FW#30), und überhaupt: very British!
Brambus Records
Walkin' T:-)M


Cruachan "The Morrigan's Call"
Label:
AFM Records; AFM 139-2; 2006; Spielzeit: 47:52 min
Morrigan ist die archetypische weibliche Gottheit der alten Iren und wird vor allem mit dem Krieg assoziiert. Blutrünstig und mannstoll kämpfte sie an der Seite der mythologischen Tuatha de Danaan gegen die keltischen Eindringlinge und prophezeite die Verwüstung der Welt und den Zusammenbruch der Moral. Was für ein treffender Album-Titel für die Dubliner Band Cruachan, die sich selbst nach der antiken Hauptstadt von Connacht, der nordwestlichen Provinz Irlands, benannt haben. Cruachan sind Metal-Freaks. Man sagt, ursprünglich vom Black Metal beeinflusst, dieser Tage wird aber eher ein konventioneller Stil gepflegt. Nicht gerade alltäglich macht die irische Band ihre Hingabe zu keltischer Musik, keltischer Geschichte und Mythologie. Das zusammen wurde wohl noch nie so kompromisslos zusammengemixt wie bei dieser Band. Cruachan sind streitlustig und hammerhart, ein very wild rover. Die deutschen Folk-Rock-Gruppen sind dagegen nur Kasperle-Theater. Folk-Rock? Nein, Cruachan spielen keinen Folk-Rock. Reinster Metal (welcher Couleur auch immer?), textlich, ideologisch und musikalisch angehaucht mit irisch-folkloristischen und keltisch-mythologischen Ingredenzien. Cruachan wird man lieben oder hassen, ein dazwischen gibt es nicht. Aber das ist ja auch schon mal was.
AFM Records
Walkin' T:-)M


Georg Danzer "Persönlich"
Label: BMG Ariola; 82876 576922; 2004; Spielzeit: 53:10 min
Eine intime, entspannte Atmosphäre umgibt den Hörer bald, wenn er das Album von Georg Danzer [-> FW#20] auflegt. „Alles kommt zur Ruh / Alles glättet sich“, singt er in einem der Titel und der Sänger wie die Musik strahlen wirklich Ruhe aus, obgleich die Mehrzahl der Stücke mit relativ großer Besetzung und meist auch mit Bass und Schlagzeug eingespielt sind. Die Stücke des Liedermachers tragen verschiedene Gewänder mit Elementen der Pop- wie der Folk- und Weltmusik. Schön sind die Balladen 'Weil du nur so bist ...' (klingt etwas nach Spanien bzw. nach Latinopop) und das tieftraurige 'Sie' über eine einsame Städterin. 'Über meine Seele' führt mein Weg (mit Klaus-Perez Salado) hat nicht nur einiges an Flamencogefühl sondern leider auch synthetische Keybordklänge zu bieten. Das erste Stück, 'Es ist leicht', ist U2 auf gemütlich, komplett mit message. Vor allem in der zweiten Hälfte des Albums bestimmt Pop mit Keybord, aber auch elektrischer Gitarre ('Verrückt') das Klangbild. Durchaus bewegend: 'Für eine Ewigkeit', ein Lied über das Leben und seine Vergänglichkeit, getragen vom E-Piano und sicher an eines seiner Kinder gerichtet. Erst am Schluß ('Kein Thema') wird der Liedermacher etwas bissiger, nimmt die Jet-Set-Prominenz von heute aufs Korn. Als Gäste mit von der Partie sind bei jeweils einem Stück Katja Riemann und Zabine. Das Album ist sehr ruhig, doch den geglätteten Wogen meint man immer wieder anzuhören, dass sie einmal höher schlugen.
www.georgdanzer.at
Ansgar Hillner


Dragseth Duo "The Promised Shore"
Label: Selbstverlag; 2006; Spielzeit: 53:22 min
Nach den ersten Takten fühlte ich mich an Johnny Cash (-> FW#26, FW#27, FW#29) in seiner American Recordings-Phase erinnert: dunkles Gesangstimbre, Gitarrenpicking, schleppender Country-Rhythmus. Und tatsächlich kommt irgendwann "Give My Love to Rose" aus der Feder des Meisters persönlich. Die Künstler hier kommen jedoch nicht aus Übersee, sondern aus Husum, und sind auch keine in Dschermänie stationierten GIs, sondern waschechte Friesen. Das Dragseth Duo besteht aus Kalle Johannsen und Manuel Knortz plus Frank Bossert und einer Vielzahl von Gästen wie beispielsweise dem Uilleann Piper Stefan Markus. Sie haben sich nach ihrer Stammkneipe, Dragseths Gasthof, benannt, das sich seit 1584 an der Husumer Zingelschleuse befindet. Ende der 1980er entstanden zwei plattdeutsche Schallplatten, zu Anfang der 1990er trennte man sich, fand aber 2003 wieder zusammen. Es kam zur Zusammenarbeit mit den dänischen Drones & Bellows (-> FW#30). "The Promised Shore" ist eine Homage an die anglo-amerikanische Folksong-Tradition, die das Duo (und ihre Generation) geprägt und auch ihr plattdeutsches Werk beeinflusst hat. Der Inhalt: 3 eigene Lieder auf Englisch, 1 Plattdeutsches, 1 x Brel, 1 x Knopfler, 1 x Springsteen, 2 englische Traditionals, sowie 1 x Cash. Das Dragseth Duo covert aber nicht einfach nur, sondern macht sich die Titel zueigen. Und so entsteht ein kleines, unaufgeregtes Kleinod anglo-amerikanischer Balladentradition. Ein Sammelsurium zwischen Cash und Wader (-> FW#22) - plus Pipes und so. Wie heißt es in "Out of Roseville": He said he wrote some new songs, simple tunes and rhymes, and still they sound like this old-time music from the Roseville times. They sat until the moon came out, her singing touched the air. His strings brought out the good old sound to songs that they could share.
www.atelier-knortz.de
Walkin' T:-)M


Dreher Bügel "Jadeboob Gump - Can Garriga"
Label: Eigenverlag; 2005; Spielzeit: 40:42 min
Das Deutsch-Schweizer Trio Dreher Bügel - zwei Gitarren und Schlagwerk plus Lap Steel, 5-String-Banjo, Mandoline, Bass bisweilen und auch mal ein Glockenspiel - spielt nach eigenen Angaben Musik mit folgendem Inhalt: Ein bisschen Old Time Country, eine Prise Pop, ein Sandkorn Wüstenstaub, ein Achtzehntel Alternative, 250 Meilen Roadmovie, 180 Gramm Spaghetti-Western, ein Halm Bluegrass, ein Teelöffel TexMex, 62 Milliliter Lounge und eine gehörige Portion subtiler Ingredenzien. Damit wäre eigentlich schon fast alles gesagt. Um es noch mal in meinen eigenen Worten etwas prosaischer zusammenzufassen: eine Mischung aus Old Time, Country, Pop und Alternative. Die Aufnahmen entstammen von zwei verschiedenen Sessions im August 2003 und im Juni 2004. (Schade, dass es keine Schallplatten mehr gibt, die man umdrehen könnte.) Die Texte sind auf Englisch, neben den Eigenkompositionen hat man Johnny Cash's (-> FW#26, FW#27, FW#29) "Take Your Time" eingespielt. Mir persönlich gefallen die drei atmosphärischen Instrumentalstücke am Besten. "Jadeboob Gump - Can Garriga" ist bisweilen ein seltsames Werk, aber nicht von schlechten Eltern.
www.dreher-buegel.com
Walkin' T:-)M


Tommy Emmanuel "Live at Her Majesty's Theatre" [DVD Video]
Label:
Favored Nations; FNA5120-9; 2006; Spielzeit: ca. 70 min + Extras
Tommy Emmanuel "The Mystery"
Label: Favored Nations Acoustic; FNA5130-2; 2006; Spielzeit: 39:10 min
Der australische, in Nashville/Tennessee lebende Gitarrist Tommy Emmanuel (-> FW#29) ist möglicherweise das, was man allgemein einen musician's musician nennt: Die Gitarren-Kollegen himmeln ihn an (oder sollten es zumindest), das breite Publikum kann mit dem Namen wenig anfangen. Das aber sollte sich dringend ändern. Tommy's Fingerstyle-Gitarre wurde durch Chet Atkins inspiriert, dem wichtigsten Country-Gitarristen und Meister des Western Swing, mit einer starken Affinität zum Jazz. Tommy's Virtuosität auf den sechs Saiten hat Chet so beeindruckt, dass er Tommy als certified guitar player bezeichnet hat. Tommy Emmanuel spielt kein Folk, kein Jazz, kein Country, sondern befindet sich irgendwo mittenmang.
"Live at Her Majesty's Theatre" ist ein DVD-Mitschnitt eines Konzerts im australischen Ballarat, Victoria, vom November 2005. Tommy Emmanuel spielt originale Kompositionen, als auch Dinge wie Merle Travis' "Ninepound Hammer" und den "Cannonball Rag". Und er singt, allein als auch mit seiner amerikanischen Partnerin Elizabeth Watkins (im Leben und in der Musik): "Dream a Little Dream", "Somewhere Over the Rainbow". Zwischen den Songs diskutiert Tommy Emmanuel seine Musik und sein Leben. Es wird niemals langweilig, ih zuzusehen. Kraftvoll, virtuos, mit Drive holt er alle Klänge heraus, die man aus einem Stück Holz herausholen kann. Sein Studio-Album "The Mystery" wurde inspiriert durch Reisen mit Elizabeth Watkins. Beinahe jede Komposition steht für einen Ort: die "Cantina Sense" befindet sich in der Toskana, mit "Lewis & Clarke" ist man in den amerikanischen Plains. Eine Vielzahl von Stimmungen in einer Vielzahl von Musikstilen. Eine Platte für die audiophilen Fingerpicking-Liebhaber, ich persönlich ziehe es aber vor, Tommy auch zuzusehen. Insbesondere auf die Finger.
Favored Nations Acoustic
Walkin' T:-)M


Faschings Kuchlradio "Live - Der König von Amstetten"
Label: Selbstverlag; 2004; Spielzeit: 67:56 min
Er arbeitet nicht gern als Hazdecknmaun, sondern wäre lieber König. I moch an auf Kunst und lärmt mit Rabauken in Probekellern - bei ana Band aus der Provinz. König Andreas Fasching singt und spielt Gitarre, sein Gefolge bestehend aus Peter Strutzenberger, der den Bass zupft, Gottfried Gfrerer an der Dobro und Martin Burböck am Knopfharmonika. Faschings Kuchlradio ist die sprichwörtliche Band aus der Provinz und spielt irgendwo zwischen Innsbruck und Wien, Klagenfurt und Linz. Austro-Rock'n'Roll und natürliche Beisl-Polyphonie, mit trockenem Witz: Heit laund't da erste Mensch am Mars, doch i woat no imma drauf, dass da erste Mensch in Mistelbach laund't. In Mayerling hat sich einmal ein erfolgloser österreichischer Kronprinz selbst ein Ende gesetzt, dem Versuch, in Amstetten eine Monarchie einzurichten, wünsche ich mehr Erfolg.
www.kuchlradio.at
Walkin' T:-)M


Fraunhofer Saitenmusik "Klangräume"
Label:
Trikont; US-0344; 2005; Spielzeit: 56:31 min
"Klangräume" ist bereits das 12. Album der Fraunhofer Saitenmusik. Seit 1978 zelebrieren Richard Kurländer (Harfe, Hackbrett), Heidi Zink (Hackbrett, Flöte) und Gerhard Zink (Kontrabass) - sowie hier Gast-Gitarrist Michael Klein - ihre Interpretation von bayerischer Stubenmusik. Europäische Volksweisen aus der Schweiz, Dänemark, Irland (Turlough O'Carolan -> FW#20) und Böhmen. Klassiche Werke von Beethoven und Händel. Was dabei herauskommt, ist weder klassische Musik, noch Folk oder Volksmusik (volkstümliche Musik schon mal gar nicht), sondern folkloristisch-romantische Kammermusik. Der Name des Münchner Trios hat im übrigen nichts mit dem Münchner Optiker und Physiker gleichen Namens zu tun, sondern entstammt der Gaststätte, in der die Idee Fraunhofer Saitenmusik einmal geboren wurde und das Laufen gelernt hat. Aber so wie Herr Fraunhofer den Absorptionslinien im Sonnenspektrum den Namen gab, so setzt die Fraunhofer Saitenmusik das i-Tüpfelchen auf die Volks-, Folk-, Welt- und Roots-Musik in Bayern.
www.trikont.de
Walkin' T:-)M


Gigi "Gold & Wax"
Label:
Palm; PALMCD2128; 2006; Spielzeit: 66:15 min
Ejigayehu 'Gigi' Shibabaw ist nahe dem Ardi-Fluss in Äthiopien aufgewachsen, wo ihre Familie Kaffeepflanzen anbaute. Sie schau-spielte in einer französischen Produktion von "Salomon und die Königin von Sheba", tourte den afrikanischen Kontinent und landete schließlich in Paris und Amerika. Und die ganze Zeit über machte sie Musik. Auf ihrem zweiten Album "Gold & Wax" nach dem Debüt von 2001 singt Gigi in amharischer Sprache traditionelle und nicht-so-traditionelle äthiopische Lieder. Verpackt in einem Klangkosmos aus Jazz, Elektronik und Dub. Da diese Genres sich auch aus afrikanischen Wurzeln entwickelt haben (wenn auch über einen längeren Zeitraum und einige Umwege), ist das hübsch anzuhören. Mindestens so hübsch wie die afrikanische Sängerin selbst; zumindest wenn das Coverbild nicht lügt. Aber Augen können sich täuschen, Ohren weniger.
Palm Pictures
Walkin' T:-)M


Die Grenzgänger & Frank Baier "März 1920"
Label:
Müller-Lüdenscheidt-Verlag; 2005; Spielzeit: 75:05 min
März 1920: Kapp-Putsch, ein rechtsradikaler Klüngel will die junge Weimarer Republik beseitigen, die sozialdemokratische Regierung flieht, die Arbeiter generalstreiken, der Militärputsch bricht zusammen, die Regierung kehrt zurück und schickt die Reichswehr gegen den andauernden Arbeiteraufstand im Ruhrgebiet. O-Ton eines Freikorpssoldaten: Pardon gibt es überhaupt nicht. Selbst die Verwundeten erschießen wir noch. Alles, was uns in die Hände kommt, wird mit dem Gewehrkolben zuerst abgefertigt und dann noch eine Kugel. Wir haben auch zehn Rote-Kreuz-Schwestern erschossen. Wie diese geweint und gebetet haben. Gegen die Franzosen waren wir im Felde viel edler. In Bottrop gibt es immer noch eine Loewenfeldstraße und einen Gedenkstein für das gleichnamige Freikorps. Aber auch der Arbeiteraufstand hat wie viele historischen Ereignisse (-> FW#5, FW#7, FW#13, FW#23, FW#24, FW#25, FW#25, FW#26, FW#30) seine Spuren und seine (Arbeiter)Lieder hinterlassen. Die Grenzgänger Michael Zachcial und Jörg Fröse (-> FW#21, FW#31) sowie Ruhrpottbarde Frank Baier (-> FW#27) haben sich auf die Spurensuche begeben. Frank Baier: Außer längst vergriffenen Bänden erzählt davon kein dickes Buch: ein Tabu-Thema, bis heute! Michael Zachcial: Wir kamen wieder auf den Riß in der Geschichte und daß keiner mehr die alten Lieder singt. Wir fangen wieder an. Grenzgänger und Baier verpacken den Agitprop in eingängige Musik mit Ohrwurm-Qualitäten, mal frech und ironisch, mal sentimental und melodramatisch. Zumeist unbekannte Volkslieder und Arbeiterssangeskunst, Texte von Erich Mühsam und Ferdinand Freiligrath sowie Songs von Rio Reiser und Rap (Hut ab, auch wenn ich diesem Genre nun überhaupt nichts abgewinnen kann). Wen geht das etwas an? Alle, meint Michael Zachcial: Menschen, die das ganz deutliche Gefühl haben, daß ihre Wirklichkeit nicht vorkommt in den Medien, daß ihre Geschichten dort nicht erzählt und ihre Lieder nicht gesungen werden: das ist die Hausfrau, der Punk, der Müllmann, die Kassiererin bei Aldi, Opa Weber und Erika Mustermann, die Kinder der Einwanderer, die wissen wollen, in was für einem Land sie eigentlich leben.
Siehe auch das Interview mit Michael Zachcial in dieser FolkWorld-Ausgabe.
Müller-Lüdenscheidt-Verlag
Walkin' T:-)M


Arlo Guthrie "Live in Sydney"
Label:
Conträr (Rising Son); Do-CD 83065-2 (RSR 1125-2); 2005; Spielzeit: 49:11 + 50:17 min
Arlo Guthrie trug immer die Bürde, im Schatten seines Vaters Woody (-> FW#31) zu stehen. Dabei hat er mit "Alice's Restaurant" und "Coming to Los Angeles" selber Hit-Geschichte geschrieben (vielleicht sind diese sogar allgemein bekannter als Woodys Lieder). Auf der aktuellen Doppel-CD "Live in Sydney" singt und erzählt Arlo mit heiserer Stimme, spielt Gitarre und Piano. Arlos Sohn Abe Guthrie bedient die Keyboards und Gordon Titcomb ergänzt mit Pedal Steel und Mandoline. Arlo präsentiert Evergreens, neues Material und alte Songs. Das traditionelle "St James Infirmary", Woody's "Oklahoma Hills" und "This Land is your Land". Lieder von Dylan, Adams, Goodman und Kristofferson. Er spielt "Coming to Los Angeles"; "Alice's Restaurant" gibt es nicht, dafür aber "Remembering Alice". Die Hälfte des Konzerts ist dabei nicht musikalischer Natur, sondern besteht aus launigen Bemerkungen und Ansagen. Das Booklet enthält alle Texten der Lieder und - das ist erstaunlich - den vollständigem Text der Ansagen und Zwischenbemerkungen.
Bei Conträr sind auch weitere CDs von Arlo Guthries Rising Son Records erschienen, von "Running Down the Hill" (1969) bis "Mystic Journey" und "Alice's Restaurant: The Massacre Revisited" (1996). Weitere Titel sind in Vorbereitung.
Conträr Musik
Walkin' T:-)M


Hiss "10 Jahre Hiss - Live in der Scala" [DVD Video]
Eigenverlag; 2005; Spielzeit: ca. 140 min
So so, zehn Jahre ist die schwäbische Kapelle unseres Herzens also schon unterwegs (mittlerweile ja eigentlich schon elf). Hiss (-> FW#18, FW#20, FW#25, FW#28, FW#31) wurde 1995 gegründet. Weitere Stationen der Reise: 1997 Förderpreis der Liederbestenliste, 1998 "Komm, tanz mit mir" wird Platz 3 der ZDF-Hitparade, 2001 "Negerpolka" wird Unterrichtseinheit gegen Fremdenhass im Schulbuch "Durchstarten", 2004 Deutscher Weltmusikpreis RUTH (-> FW#29). Wer kann das alles schon von sich behaupten. Auf der Jubel-DVD werden wir Zeugen des Verfalls (so einer der nicht enthaltenen, aber ganz neuen Songs; gehört beim Bardentreffen 2006). Ein Zwei-Stunden-Konzert vom April 2005. Stefan Hiss spielt abermals Akkordeon und den lakonischen und zynischen Entertainer. Die Texte sind wie gehabt selbstgerecht, witzig und böse. Musikalisch gibt es Polka und Verwandtes von Stuttgart bis Texas, Finnland bis Timbuktu. Als Gäste sind dabei die Geigerin Katharina Wibmer und die rumänische Sängerin Elena Cringanu. Das Bonusmaterial gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen und on the road, zudem gibt es eine sechs-minütige Version vom "Begräbnis". Für Hiss ist es allerdings noch nicht soweit. Also lobet und preiset den Herrn, auf dass uns dieser Tag noch lange erspart bleibe.
"10 Jahre Hiss - Live in der Scala" ist auch auf CD erhältlich. Siehe auch den Live-Bericht in dieser FW-Ausgabe vom Hiss-Konzert im Maschinenhaus der Berliner Kulturbrauerei im Oktober 2006.
www.hiss.net
Walkin' T:-)M


Heike Kellermann & Wolfgang Rieck "Was solln wir noch beginnen..."
Label: Eigenverlag; 2006; Spielzeit: 64:31 min
Theodor Kramer (1897-1958) scheint wieder stark im kommen zu sein. Zupfgeigenhansel (-> FW#21) hat sich mit dem österreichischen Juden und Sozialdemokraten auseinandergesetzt, in jüngster Zeit der Berliner Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel und die Holländer Wiet van de Loost und Rheidun Schlesinger. Zu seiner Zeit war Kramer ein erfolgreicher Lyriker. Durch seine Emigration nach dem Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland geriet sein Werk allerdings in Vergessenheit. Der Dichter starb einsam und wenig beachtet. Zwölftausend Gedichte soll Theodor Kramer geschrieben haben. Ein gewaltiges Opus und eine prächtige Goldmine, die sich auszubeuten lohnt. Wolfgang Rieck (-> FW#30, FW#31) hat schon auf seinem letztem Album Gedichte Kramers vertont, zusammen mit Heike Kellermann präsentiert er nun einen ganzes Kramer-Programm unter dem Titel "Rote Tropfen streut der Mohn". Beide haben vor allem Liebeslieder aus dem Opus Magnum ausgewählt. Dementsprechend melancholisch geht es zu. Dennoch ist Kramers Poesie realistisch und kraftvoll (nach dem Vorbild von Bert Brecht und Georg Trakl) und die liedhafte Lyrik sehr schön vertont. Ich vermag gar nicht zu zitieren, man kann keine einzelnen Stellen aus dem Zusammenhang reißen. Theodor Kramer hat selbst gesagt: Nicht fürs Süße, nur fürs Scharfe und fürs Bittre bin ich da; schlag, ihr Leute, nicht die Harfe, spiel die Ziehharmonika. Zum guten Schluss gibt es dann aber auch noch einmal ein bißchen Abwechslung und Heiterkeit, das deftig-derbe Lied "Von den Furzen".
www.kramerprogramm.de
Walkin' T:-)M


Klaus der Geiger & Salossi "Wer sich nicht wehrt..."
Label: Eigenverlag; 2004; Spielzeit: 73:36 min
Wer sich nicht wehrt..., so sagt sich die Kölner Musikantenlegende Klaus der Geiger (-> FW#26, FW#29). Jahrgang 1940, schmiss Klaus von Wrochem, so mit bürgerlichem Namen, den Sinfoniegeiger-Job, um auf der Straße zu fiedeln, und hat seitdem keinen Blick zurückgeworfen, sondern sich dem Projekt Zukunft gewidmet. Salossi (Sascha Loss), Jahrgang 1971, stammt vom Niederrhein, kam vom Blues und Rock zum Bluegrass, von der Strom- zur Akustikgitarre, und ist seit 1997 musikalischer Begleiter von Klaus. Die beiden liefern bissige Kommentare zum Zeitgeschehen ab, garniert mit schrägen Fiedeltönen. Wenn Klaus und Sascha sich zum Beispiel im Garten ein Atomkraftwerk bauen. (Natürlich GAU-los; nukleare Unfälle gibt es ja bei uns nicht und kann nur den schwedischen Hallodris passieren.) Ob sie auf Montagsdemo gehen oder ihren Kampfhund spazierenführen. Ob Kriegstreiber oder Drückeberger. Das ist verdammt einzigartig, verdammt witzig, verdammt unvergesslich, verdammt gut und - wer sich nicht wehrt, der lebt verdammt nochmal verkehrt!!!
www.klausdergeiger.de
Walkin' T:-)M


Christine Lavin & Friends "One Meat Ball"
Label:
Appleseed; APR CD 1096; 2006; Playing time: 69:31 min
"Love" heißt das neues Beatles-Album, das auf den Markt geschmissen wurde, weil Paule McCartney Geld für seine Scheidung benötigt. Aber die Fab Four haben Unrecht: love isn't all you need. Man kann zur Not auch ohne (selbst wenn's schwerfallen mag). Aber eins braucht jeder Mensch unbedingt: Nahrung! Christine Lavin hat ihre Leidenschaften für Lieder, Liedermacher und Leibspeisen unter einen Hut gebracht und ein ganzes Album mit Vitamin- und Kohlehydrat-reichen Titeln zusammengestellt. Dave Van Ronk (siehe Beitrag in den englischen CD-Rezensionen) verspeist den einen Fleischklops, für Pete Seeger (-> FW#29) ist die "Maple Syrup Time" angesagt, Mary Liz McNamara isst am liebsten Schinken, Debi Smith Pastete, Sally Fingerett und Jonathan Edwards Zehn-Pfund-Barsch, Cathy Fink & Marcy Marxer Kokoskuchen, Jeff Daniels eine mir unvorstellbare Kulinarität, Megon McDonough Butter und Robin Hopper Toffee. Ein Übergewicht an Süßspeisen, mh? Also empfiehlt Julie Gold die Herzbrecher-Diät. Tom Paxton (-> FW#20, FW#24, FW#28) trinkt lieber eine Flasche Wein, Vance Gilbert Wurzel-Bier zum Frühstück, und Marcy Heisler & Zina Goldrich machen einen Boxenstopp bei Starbucks, mehr mit Lust und Leidenschaft als mit Kaffee beschäftigt. Auch Ray Jessel denkt lieber an Sex und offeriert damit mal eine alternative Fixierung. Das wunderschöne 96-seitige, spiralgebundene Cookbooklet enthält 27 leckere Rezepte. Tja, wer sagt, dass die Amis nur Burger & Cola konsumieren?
Appleseed Recordings
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Liederjan "Spielen Sie auch Gitarre?"
Label:
pläne; 88927; 2005; Spielzeit: 56:42 min
Spielen Sie auch Gitarre? Und extra für ihn kaufte sie so ein Teil, unten eher knapp und auch oben ganz gei...stvoll verziert. Aha, aber hörn Sie mal, dieser Rhythmus ist aber seltsam. Wir sind hier doch in Deutschland und nicht da im Orient. Außerdem kann man dazu nicht richtig laufen, wie bei einer guten Marschmusik. Aber was denn sonst, vielleicht der Schrebergarten, wie er singt und steppt. Vom diskreten Charme einer Sendepause, nach dem Motto: Die Folter kommt zu Ihnen nach Hause. Mit Musik zwischen Musical, Schlager und Ländler. Schön, wie einfach Rezensieren heutzutage so geht. Die soundsovielte Inkarnation der Erfolgs-Folker Liederjan (-> FW#12, FW#17, FW#17, FW#18, FW#24) ist sarkastisch und humorvoll wie eh und je. Und das alles in dreistimmigen Harmonien, jetzt mit Frauenstimme. Liederjan besteht nämlich jetzt aus Hanne Balzer neben Jörg Ermisch und Klaus Irmscher. Neben der Comedy-Folklore gibt es noch ein bißchen trades Platt, ja Sächsisches sogar, von Degenhardt (-> FW#32) "So sind hier die Leute", sowie eine Homage an die Insel der Lieder, der Flöten und Geigen, Insel der Gelassenheit, Insel der Heiligen und Rebellen, Insel mit viel, viel Zeit, Insel der Dichter und des schwarzen Bieres mit dem festen weißbraunen Schaum, wo es auch mit Liederjan mal angefangen hat. Spielen Sie auch Gitarre? Ja, tue ich! Aber eine Antwort ist gar nicht erwünscht, der Titel ist nämlich eine Anspielung auf den berühmt-berüchtigten Wortwechsel zwischen Queen Lizzie und Eric Klapperton: "Spielen Sie auch Gitarre?" "Ja." "Schon länger?" "Müssen jetzt so um die 45 Jahre sein."
pläne
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Liederlicher Unfug "Schlenkerschläuz"
Label: Eigenverlag; 2005; Spielzeit: 42:55 min
Liederlicher Unfug ist eine mittlerweile dauerhafte Gruppierung, die sich aus einer Schulband des Gellert-Gymnasiums in Hainichen (Sachsen) entwickelt hat. Der mittelalterliche Minnesang und Spielmannsklang ist sauber gespielt und abwechslungsreich interpretiert. Die Instrumentierung des Sextetts besteht aus Trommeln, Drehleier, Flöten, Klarinette, Gitarre, Mandola sowie Klimmbimmgebimsel und Starausdemkirschbaumvertreiber. Es erklingen Tänze wie Schottische, Branle, Saltarello, Bourree, sowie die Merseburger Zaubersprüche, die Carmina Burana, und Walter Vogelweides "Unter den Linden". Unter dem Titel "Horo" verbirgt sich nichts Rumänisches, sondern es ist ein Stück gälische Mouth Music, das seit der Bothy Band (-> FW#30) jede zweite deutsche Irish-Folk-Band umhertreibt. Letzteres ist der einzige liederliche Unfug, den ich entdecken konnte. Fazit: Ich finde, dass es mehr solcher Schulbands oder Ex-Schulbands geben sollte.
www.liederlicher-unfug.de
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Lou Dalfin "L'oste del diau"
Label: Eigenverlag; LOUD 001; Spielzeit: 59:50 min
Seit Beginn der 1980er haucht die italienische Folk-Rock-Band Lou Dalfin der traditionellen okzitanischen Musik neues Leben ein. Die sechs-köpfige Gruppe aus dem äußersten Westen des Piemonts beinhaltet die übliche Rock-Besetzung plus dem Folk-Instrumentarium Fiedel, Flöte, Akkordeon und Trompete. Lou Dalfin klingen mal mediterran, mal keltisch (aber nicht nach den Pogues -> FW#22, FW#30), mal mittelalterlich, mal nach Polka wie bei den Schwaben Hiss (siehe CD-Rezension oben) - aber immer rockig und funkig. Die eingängigen Melodien laden zur Party ein und die Band dürfte ein Abräumer auf Konzerten und Festivals sein. Die Musik ist aber differenziert genug, dass man einfach nur gut zuhören kann.
Lou Dalfin
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Eleanor McEvoy "Out There"
Label: MoscoDisc; MOSCD303; 2006; Playing time: 49:53 min
Eleanor McEvoy "Non Smoking Single Female"
Label: MoscoDisc; MOSCD203; 2006; Playing time: 7:02 min
Die Irin Eleanor McEvoy (-> FW#21) war einmal eine professionelle Violinistin in einem Sinfonie-Orchester. In den Kneipen im heimatlichen County Wexford spielte sie traditionelle Fiddle-Melodien und auf ihrer neuen CD befindet sich auch eine kurze Weise, die sie zur Unterstützung des lokalen Rape Crisis Centre komponiert hat. Aber Eleanors Liebe galt offenbar immer mehr der Liedermacherei. Dem Himmel sei Dank sind die düsteren, aus weiblicher Perspektive geschriebenen Texte nicht autobiographisch. Witzig ist noch die "Non Smoking Single Female", die per Kontaktanzeige ihr Glück sucht. "Fields of Dublin 4" hinterfragt den Keltischen Tiger, den Konsumentenwahn und Rassismus, der mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Irland eingezogen ist. (Die beiden genannten Lieder befinden sich auch auf der Single-EP.) Musikalisch ist es (eher fröhlicher) Pop, mit den einschlägigen Blues-Flexionen. Allerdings nennt sich Eleanor selbst lieber eine Folk-Sängerin: Ich könnte Lieder über eine Frau singen, die eine Aussteuer von drei Kühen und einen Bauernhof erhält. Aber so leben wir heute nicht mehr: wir schieben wie wahnsinig Überstunden, emailen unseren Freunden, weil wir sie nicht mehr treffen können, vergeuden unsere Zeit im Pendelverkehr...
www.eleanormcevoy.com
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Martin Moro "Hambrug"
Label:
Extraplatte; EX 728-2; 2006; Spielzeit: 57:22 min
Nein, Martin Moro stammt nicht von der Küste! Nein, der Titel ist auch nicht falsch von mir geschrieben worden, weil ich nach der fünfzigsten CD-Rezension nicht mehr die Augen aufhalten kann! Martin ist ein waschechter Grazer. Wenn er sich nicht auf Solo-Pfaden bewegt, spielt er in der österreichischen Irish-Folk-Formation Squadune (-> FW#25) und begleitet den deutschen Kabarettisten Martin Buchholz. Auf seinem dritten Solo-Album gibt Martin exzellentes Fingerpicking - instrumental und als Liedbegleitung - zum Besten. Dazu eine Reihe von poppig-folkigen Songs in englischer Sprache. Sowohl eigene Texte (eine starke christliche Überzeugung lässt sich nicht verleugnen) als auch Vertonungen von John Milton und Edmund Waller aus dem 17. Jahrhundert. Und da Martin auch Irish Folk macht, klingt es zwischendurch auch mal etwas Keltisch. Das ist insgesamt schön anzuhören. Und der seltsame Titel? Hambrug ist eine alternative Schreibweise des Namens einer nicht ganz unbekannten norddeutschen Hafenstadt. Aus dem Tippfehler ist Kult geworden; Fanartikel mit Hambrug-Aufdruck wie Mützen und T-Shirts sind der letzte Renner. Ob auch aus Martin Moro einmal Kult wird? Wir werden sehen, er gibt sich jedenfalls Mühe!
Extraplatte; Dt. Vertrieb: Sunny Moon
Walkin' T:-)M


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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