FolkWorld-Kolumne von Walkin' T:-)M:


T:-)M's Nachtwache

Lieder aus dem Rinnstein und das Beste aus dem Westen

Carl Spitzweg ,Der arme Poet', www.spitzweg.de Zwischen 1903 und 1905 veröffentlichte Hans Ostwald eine dreibändige Lieder- und Gedichtsammlung mit dem Titel "Lieder aus dem Rinnstein", quasi Pionierarbeit auf dem Gebiet der Unterschichtenforschung. Das war's dann erst einmal. Wolfgang Steinitz in seinen "Deutschen Volksliedern demokratischen Charakters" hat solch Liedgut gemieden und nur solche Lieder aufgenommen, die als Ganzes eine eindeutige Stellungnahme für die Unterdrückten, gegen die Unterdrücker zeigen. Unter den Tisch fielen nicht nur Landknechtslieder, sondern auch Rinnsteinlieder und Lieder des Lumpenproletariats, der Bettler, Vagabunden, Dirnen usw., die zwar auch Opfer der Klassengesellschaft sind, aber nicht zum werktätigen Volk gehören. Nun ja, schon Marx hat das Werk seines Schwiegersohnes Paul Lafargue, "Recht auf Faulheit", gestört, und auch Steinitz mochte sich nicht dem Lebensmotto Gregor Gogs (1929) anschließen: Der Kunde, revolutionärer als alle Kämpfer, hat die volle Entscheidung getroffen. Generalstreik das Leben lang!

Weißt du wieviel Kunden laufen auf der Welt und Soruff saufen,
Wieviel Tippelschicksen streichen in dem ganzen deutschen Reiche?
Die Straße als zentrale Begegnungsstätte der Menschen. Veränderungen der Gesellschaft zeigen ihren Reiz gerade an diesem Ort, wo sich alles trifft.
Werner Hinze sammelt seit rund 25 Jahren Lieder sowie Materialien um die musikalischen Ausdrucksformen der Unterschichten. www.tonsplitter.de Lieder der Straße ist die erste Zusammenstellung des gesammelten Stoffes. Hinze hat Ostwalds Werk als Ausgang genommen und ergänzt sowie Noten in singbaren Tonhöhen und mit zugehörigen Begleitakkorden hinzugefügt.

Es geht nicht darum zu romantisieren oder zu verklären, das Schicksal der Vagabunden (Kunden), Handwerksburschen, Räuber, schweren Burschen und leichten Mädchen, Scheeks und Schicksen - und nicht zuletzt der Spielleute:

Fahrende Musikanten - Aus Angst vor dem Fremden sind die Fahrenden bis heute mit Vorurteilen belegt. Vor der Christianisierung Nordeuropas waren Spielleute und Sänger keineswegs verfemt gewesen, aber im Sinne der Kirche galten sie als Bewahrer heidnischer Tanz- und Musiziertradition. Die kirchlichen Maßnahmen reichten von der Ächtung der Instrumentalmusik und deren Verbannung aus dem Gottesdienstbereich über das Brandmarken der Spielleute als des tiufels messemer bis zur Weigerung, solchen Musikanten die heiligen Sakramente, den Empfang der heiligen Kommunion oder ein ehrliches Begräbnis zu gewähren. Eine Spielmannssaga des 15. Jhs. gab dem Spielmann den Namen Lasterbalg.
Im Zusammenhang mit den Bauernkriegen des 16. Jhs. erschienen des öfteren Berichte von Fiedlern, Pfeifern oder sackpfeifern als Gesinnungsgenossen oder gar Wortführer der Bauern. Die im 17. und 18. Jh. von den absolutistischen Herrschern gegenüber den Fahrenden forcierte Repression reduzierte die Zahl der Wandermusiker stark. Zur Angst der Sesshaften vor ethisch-moralischer Gefährdung kamen verstärkt Ängste vor politisch unliebsamen Gedanken, deren Träger nicht selten unter den fahrenden Spielleuten oder den wandernden Handwerksgesellen zu finden waren. Um den etabliert gewordenen Berufsstand der Musikanten zu stärken, verpachtete die Obrigkeit in zunehmendem Maße das Recht der musikalischen Aufwartung in einer bestimmten Region, was den Fahrenden eine wesentliche Erwerbsmöglichkeit nahm.
Oder die urbane Version - die Bänkelsänger (siehe zu diesem Thema auch den Mayhew-Artikel in der englischen FW-Ausgabe), wenn auch nicht alles wahr ist, was so erzählt wird:
Bänkelsang - Bänkelsänger waren Personen, die auf belebten Plätzen von einer Bank oder einer anderen Erhebung aus Ereignisse erzählten bzw. vorsangen. Charakteristisch für diesen Berufsstand war ein großes, rechteckiges, auf Leinwand oder Wachstuch gemaltes Bild. Auf diesem waren Episoden der jeweils erzählten Geschichte bildlich dargestellt, auf die der Sänger an entsprechender Stelle seines Vortrags mit einem Stab deutete. Während des Vortrags bot ein Begleiter dem Publikum Liederhefte, Lieddrucke und Zeitungen, aber auch andere Waren feil. Während es im 18. Jh. vorwiegend Harfe, Geige, Drehleier, Fiedel und Gitarre waren, kam im 19. Jh. die Drehorgel in Mode. In Wien hatte bereits Maria Theresia diese Erwerbsmöglichkeit für die unteren Schichten institutionalisiert und sich damit ihrer sozialen Verpflichtung entledigt. Kriegsveteranen erhielten als Vergünstigung eine Lizenz, die ihnen das Umherziehen mit eine Drehorgel erlaubte. In Wien wandten sich die Behörden 1812 gegen die regionale Sonderentwicklung der Lieder- oder Fratschlweiber, auch Urteilsweiber genannt: Das Ausrufen und Hausieren mit Liedern, Mordgeschichten und dergleichen Flugblättchen nimmt seit einiger Zeit wieder überhand. Die Pol.P.Dr. wird daher die nötigen Verfügungen trefen, damit diesem Unfuge gesteuert werde. Der Spielmann und Bänkelsänger Augustin ist eine mythenumwobene Gestalt der Wiener Szene. Der Sohn eines Bierwirts sei der erste Volkssänger der Donaustadt gewesen und habe durch seine drolligen Gesänge die Gäste der Wiener Schenken erheitert. Der gewissenhafte Musikgelehrte Wilhelm Tappert berichtet: Ein Wiener Lokalschriftsteller suchte zu beweisen, der liebe Augustin habe existiert. Augustin Marx hieß er, geboren 1643. Im Pestjahre 1679 hatte der allzeit durstige Musikant wieder einmal zu viel getrunken, er fiel in eine Pestgrube und in dieser Situation entstand das Lied: O du lieber Augustin! Der Dichterkomponist sang und spielte seine Weise, wurde gehört, gerettet, lebte noch ein Vierteljahrhundert und starb 1705. Der Verfasser dieser oft kolportierten Geschichte hat mir offenherzig gestanden, sie erfunden zu haben.
Das zweibändige Werk besteht aus einem Liederbuch und einem Lexikon-Lesebuch, in dem man Stichworte von A wie Abendmusiken bis Z wie Zupfgeigenhansel findet und eine Menge weisser Flecken erschlossen werden. Ich möchte einige Biographien hier auszugsweise zitieren:
Rohland, Peter (1933-1966) - Der Veteran der deutschen Folklore-Szene nach 1945. 1933 in Berlin geboren, starb er bereits im Alter von 33 Jahren an einer rätselhaften Gehirnerkrankung. Wie sein Vater versuchte er sich im Jurastudium, brach es aber wie jener ab und wurde Sänger. Um der Einberufung zur Bundeswehr zu entgehen, trampte er 1954 nach Bagdad. Seitdem sammelte er auf seine Touren Lieder. Rohland war 1964 Mitbegründer des Festivals Chanson Folklore International auf der Burg Waldeck im Hunsrück, das zur bedeutendsten Veranstaltung des Genres in den ausgehenden 60er wurde. Pitter, wie er seitdem auf der Waldeck genannt wurde, widmete sich vor allen Dingen vier Themenkreisen: Lieder der 1848er Revolution, jiddische Lieder, Lieder der Vagabunden und eigene Vertonungen der Villon-Gedichte.
      Und dann sitzt er auch noch vor dem Kölner Dom
      Und bläst immerzu so einen tiefen Ton.
      Und dann macht es: Plopp!, und der Dom fällt um,
      Und der Kardinal, der guckt ganz dumm!
Klaus der Geiger (Wrochem, Klaus von) - Der Musiker, Dirigent und Komponist ist seit über 25 Jahren als Straßenmusiker unterwegs und gilt mit seiner Seite als Moralist, Anarchist als einer der herausragenden Teilnehmer der Rotzfrechen Asphaltkultur (RAK). Sehen die einen i ihm eher den Bürgerschreck, sprechen die anderen vom Paganini der Asphaltmusik oder dem Maestro aus der schildergasse. Er selbst nennt sich den Stachel von Köln. Seit seinem achten Lebensjahr spielte er Geige, studierte an der Kölner Hochschule klassische Musik, flog wegen eines Pamphlets gegen die Art des Lehrens drei Tage vor der Prüfung von der Uni. Seitdem war er auf fast jeder Demonstration dabei, die sich gegen Umweltzerstörung oder für Demokratie einsetzt. Und er lebt von seiner Straßenmusik - trotz wiederholten Streits mit der Polizei, die bis zum Gefängnisaufenthalt gehen konnten.
Straßenmusik - ist überall beliebt, wenn es nicht gerade beim Einkaufen ist. Mal darf gespielt oder gesungen werden, mal nicht, mal ist die Laustärke oder die Position des Musikers nicht korrekt usw. In der Regel sind es die Geschäftsleute, die sich teilweise an Straßenfesten beteiligen, aber unkontrollierte Musik nicht hören wollen. [Klaus der Geiger] hatte [1985] auf der Schildergasse musiziert worüber sich ein Geschäftsmann wegen der Ruhestörung bei der Bezirksverwaltungsstelle Innenstadt beschwerte. Diese sah in der Musik einen eindeutigen Verstoß gegen die Sondernutzungsbestimmungen, nach denen Straßenmusikanten ständig den Standort wechseln müssen und nur zu bestimmten Zeiten in Fußgängerzonen spielen dürfen. Über eine Stunde versuchten Verwaltungsbeamte und Polizei, den Geiger zum Aufhören zu bewegen, jedoch erfolglos. Auch im Gefängnis wollte der Geiger nicht einlenken. Daraufhin wurde er bis Geschäftsschluß inhaftiert.
Es gibt bekanntes Liedgut wie "Die Moorsoldaten" (-> -> FW#18,FW#25,FW#25), "Die dunkle Wolk" (-> FW#18), "Sog nit kejnmol, as du gejsst dem letzten Weg" (-> FW#21), "Wenn die Bettelleute tanzen" (-> FW#22) und das "Lumpensammlerlied" (-> FW#19,FW#22). Aber mehr noch Unbekanntes zu entdecken, etwa wenn sich das "Hamburger Dirnenlied" als das deutsche Gegenstück zum "House of the Rising Sun" entpuppt.
Wie's den armen Kunden geht, davon will ich lieber schweigen,
Dass euch die Reiselust nicht vergeht, sonst könnt' ich noch viel erzählen.
In Hinzes "
Archiv für Musik und Sozialgeschichte" findet man auch das Stichwort Kinderlied, drum lasst uns kurz auf kleinen Füßen weiterwandern.
Enter all ye children small, none can come who are too small...
Die Großen können das hier überspringen, müssen aber nicht. Pickadill & Poppadom ist eine weiteres Werk aus der Reihe Weltmusik für Kinder: Alles rund um Großbritannien und die englische Sprache; www.oekotopia-verlag.de Spiele, Geschichten, Infos von John o Groats bis Land's End. Es gibt Kinder- und kindgerechte traditionelle Lieder zu singen und man kann den Highland Fling tanzen. Nicht nur, aber auch als eine erste Heranführung an die englische Sprache tauglich.

Pickadills sind im übrigen Rüschenkragen aus der Zeit Elizabeths I. (die Schneider saßen rund um den heutigen Piccadilly Circus), Poppadom sind Teigblätter aus der britisch-indischen Küche, die gerne mit Minzsoßenkonzentrat gegessen werden. Lauter leckere Gerichte. Ja, die spinnen die Briten, würde Obelix jetzt von sich geben.

Natürlich gibt es auch einen Tonträger (siehe CD-Rezensionen), aufgenommen von dem wee melodie man Pit Budde (-> FW#19,FW#24). Und zuletzt hoffe ich nur, dass es mir nicht so ergeht wie dem Piper's son:

Tom Tom, the piper's son, stole a pig and away he run.
The pig was eat and Tom was beat and Tom went howling down the street.

Bleiben wir noch kurz auf der Insel. Still Growing ist eine Sammlung von traditionellen englischen Folksongs, die der legendäre Cecil Sharp eigenhändig zusammengetragen hat. Mehr dazu in der englischen FW-Ausgabe, aber ein Zitat an dieser Stelle soll doch erfolgen, weil es so schön ist:

To Sharp a folk song was a song made and evolved by the people, as well as sung by them. Sharp places himself firmly within, and draws on, a tradition of romantic thought that stretches back to the eighteenth century - to J.G. Herder, who could be said to have invented the term folk song (Volkslied)); to the brothers Grimm. Sharp's view is a www.efdss.org version of what Jacob Grimm expressed as Das Volk dichtet, the people creates. There is another aspect of romanticism that Sharp picked up on (and I think this may have come via Wagner rather than directly from Herder). The German word Volk (the basis of the anglicised stem folk) can be translated as people or race. To Sharp, the earliest form of music, folk-song, is essentially a communal as well as a racial product. The natural musical idiom of a nation will, therefore, be found in its folk-music. Such ideas of race could easily be manipulated in the sorts of ways that were witnessed in Italy and Germany in the 1920s and 1930s - yet they were common currency in late Victorian and Edwardian England. England had long suffered from the gibe that it was the land without music, the accusation that the English were an unmusical people. Sharp had a complex relationship with German music - awe mixed with jealousy, wonder with a sense of national inadequacy, and delight with feelings of inferiority. Sharp, who had performed and conducted a great deal of German music, thought that we in this country have suffered not a little from the cosmopolitan idea in education. It is not citizens of the world that we should strive to produce [but] citizens distinctively national in type. And that is what we cannot expect to produce if we bring up our children on German Kindergarten games, Swedish dances and foreign music. It is interesting, perhaps ironic, to see the way Sharp uses German ideas to combat the dominance of German music in England. The combination of romanticism and nationalism is a commonplace of nineteenth-century thought, the idea of folk song as a basis for the creation of a national musical idiom was new. (Vic Gammon)
Nun lasst uns weiter gen Westen ziehen. Lunasa (-> FW#5,FW#12,FW#21,FW#24) wurde die heißeste irische Band auf dem Planeten genannt. Möglicherweise völlig www.sgomusic.com berechtigt. Der Gruppe gehörten zu ein oder anderer Zeit die Flötisten Mike McGoldrick (-> FW#14,FW#23), und Kevin Crawford, die Uilleann Piper John McSherry und Cillian Vallely (-> FW#24), Fiddler Sean Smyth, Gitarrist Donogh Hennessy sowie Bassist Trevor Hutchinson (-> FW#20) an.

Lunasa - The Music 1996-2001 beinhaltet die Stücke der ersten drei Aufnahmen "Lunasa", "Otherworld", and "The Merry Sisters of Fate". Die Tunes sind in derselben Reihenfolge wie auf Platte. Eine wahre Fundgrube. Fast schon verstaubte Stücke als auch neu Komponiertes. Mehr als nur Jigs & Reels. Genauso wie das Titelbild die Jungs in einer Gondel in Venedig zeigt, finden sich auch Titel aus Galizien, der Bretagne oder ein Klezmerstück. Leider zeigen sich auch einige kleine Fehler: Manche Takte scheinen zu fehlen, manchmal ist das Notenbild schlecht zu lesen. Donogh Hennessy hat Akkorde hinzugefügt (dropped D-Stimmung DADGBD), er spielt aber nie dasselbe zweimal, wie man hören kann.

Nicht ganz so spektakulär sind Irische Melodien für Akustik-Gitarre. Patrick Steinbach ist bereits Autor mehrerer Büchlein zum Thema. Von den 15 Arrangements für Sologitarre sind gut die Hälfte Kompositionen des irischen Harfenisten www.schellmusic.de Turlough O'Carolan (1670-1738 -> FW#20), dessen Mischung aus traditioneller irischer Folklore und zeitgenössischer Barockmusik sich schon immer gut für die Gitarre geeignet hat. Aber es gibt auch jeweils Beispiele für Reel, Jig, Hornpipe und Polka sowie den "Brian Boru March" (-> FW#23). Dargestellt sind die Stücke in Tabulatur und Notenschrift, teilweise wurden die Orginaltonarten in für Gitarre geeignetere transponiert (Standardstimmung). Ein paar launige Infos zu den Stücken ergänzen die Tunes, aber ob die Geschichten immer so stimmen. Auf der beiliegenden CD wurden schließlich alle Titel von Verlagschef Felix Schell höchstpersönlich eingespielt.

Ziehen wir noch weiter gen Westen, über den großen, weiten Atlantik.

Johann Sebastian Bach sagte einmal so etwas wie: es wäre nichts besonderes daran, man müßte nur die richtigen Tasten zur richtigen Zeit treffen und das Instrument spiele sich von selbst. Wenn es mal so einfach wäre, aber Gott-sei-dank gibt es ja Lehrbücher!

In Best in the West widmet sich der Schweizer Gitarist Richard Köchli (-> FW#25) der Country-Musik und schließt damit eine Lücke im deutschsprachigen Lehrbuchsektor. www.ama-verlag.de

Den Begriff Country verstehe ich in erster Linie als Synonym für eine der spannendsten Kulturgeschichten des 20. Jahrhunderts. Im Schmelztiegel USA ist eine an Vielseitigkeit kaum zu überbietende Musik entstanden, die völlig zu Unrecht vielerorts auf das abgedroschene Klischee der Marlboro-Cowboy-Idylle reduziert wird. Geprägt von unzähligen verschiedenen Einflüssen und großartigen Instrumentalisten hat Country dem ambitionierten Gitaristen sehr viel zu bieten.
Über 300 Übungen, Licks und Traditionals, in Tabulatur- und Notensystem. In drei Schwierigkeitsgraden gegliedert, jeweils für Greenhorns, Fortgeschrittene und für alte Hasen. Köchli lehrt beides - Country & Western - und noch einiges mehr: vom Bumm-Tschäg-ä a la Maybelle Carter bis zum G-Run (gehört zum Bluegrass wie der Hut zum Cowboy), Country-Rhyhmusgitarre, Bluegrass-Back-up, Carter-Leadstyle, Bluegrass-Flatpicking-Soli, Fingerpicking, Rockabilly, Nashville-Leadstyles, Western Swing, Cajun (etwas mehr von der französischen Kunst des Savoir vivre kann uns Germanen bestimmt micht schaden).

Jedes der zehn Kapitel beginnt mit einer Lektion Geschichte und enthält Hommagen an die Pioniere dieser Musik, z.B.

Eingefleischte Countryfreunde verehren ziemlich einhellig den weißen Sänger und Gitarristen Jimmie Rodgers [1897-1933] als einen ihrer größten Helden. Rodgers, The Singing Brakeman, war der erste echte Country-Superstar. Als Kind einer armen Familie aus dem Mississippi-Delta wurde Jimmie schon sehr früh vom Blues seiner schwarzen Nachbarn inspiriert. Später brachte ihm eine Emigrantenfamilie aus Böhmen das Jodeln bei. Doch nicht nur seine blue yodels wurden zur Legende, auch sein eigenwilliges Gitarrenspiel hinterließ bleibende Spuren: Jimmie spielte mit den Fingern. Die ternär gespielten Achtelnoten-Bassläufe gaben Rodgers' Songs Bewegung und den rollenden blue touch. Seine Gitarrenparts waren unregelmäßig, weder geplant noch konstruiert; er passte sie spontan seinem Gesang bzw. der jeweiligen Textzeile an.
Im zarten Teenageralter von 15 Jahren gründete Clarence White [1944-1973] zusammen mit seinem Bruder Roland und drei weiteren Musikern eine der ersten und wichtigsten Bluegrass-Formationen der Westküste, die legendären Kentucky Colonels. Er zeigte der Flatpicker-Gemeinde mit einem Schlag, wo der Bartli den Most holt und trug wesentlich dazu bei, die Akustikgitarre als heißes Soloinstrument zu etablieren! Der bärtige Junge wurde schnell ein gefragter Studiomusiker und spielte für Größen wie Rick Nelson oder die Everly Brothers. Mit seiner eigenen Band Nashville West und als Mitglied der Byrds wurde Clarence zu einem der wichtigsten Katalysatoren im Entstehungsprozess eines neuen Stils, des Country Rock. Zusammen mit seinem Drummer Gene Parsons entwickelte White die sagenumwobene Stringbender-Gitarre; eine Telecaster, mit welcher er - dank spezieller Vorrichtung zur Erhöhung der B-Saiten-Stimmung - raffinierte Pedalsteel-Licks spielen konnte.
Als Gitarrist und Produzent von Dwight Yoakam war Pete Anderson wesentlich an der Entwicklung des modernen Americana-Sounds beteiligt. Mit seiner Vision Muddy Waters [-> FW#25] meets Bill Monroe [-> FW#23] vermischt Pete Rock mit Country und Blues. Anderson produziert großartige Alben (Meat Puppets, Jackson Browne, Michelle Shocked [-> FW#24, FW#24], Blue Rodeo, Steve Forbert u.a.), tourt mit seiner eigenen Band Gun Dog. Pete, der sich mehr als Composer denn als Leadgitarrist fühlt, geht mit vielen seiner Kollegen hart ins Gericht: Gitarristen haben zu Recht den schlechten Ruf, nicht zuzuhören! Wer irgendwelche verrückten Dinge beweisen will, liegt völlig falsch. Im technischen Sine sind unzählige Gitarristen überqualifiziert. Gute Musiker werden vor allem für die Noten bezahlt, die sie weglassen.
In Countrykreisen ist auch das Bottleneck-Spiel beliebt. Die Slideguitar ist ein ganz eigenständiges Instrument und Köchlis www.ama-verlag.de Slide Guitar Styles vermittelt alle Facetten und natürlich auch ein Kapitel speziell über Country- und Folk-Slide. (Eine weitere empfindliche Lücke, die geschlossen wird, auch wenn es, glaube ich, irgendwo schon eine deutsche Übertragung eines amerikanischen Werkes gibt.)
Wenn man der Legende glaubt, so war es ein gewisser Joseph Kekuku, der 1889 auf Hawaii als erster diese neue Instrumentaltechnik eingeführt hat. Sein Kamm fiel versehentlich auf das Griffbrett seiner Gitarre - und erzeugte einen Effekt, der ihn hellhörig werden ließ... Die Grundidee der freien und stufenlosen Intonation war schon lange vor Kekukus Erfindung ein Bestandteil der afroamerikanischen Musik. Für die schwarzen Musiker aus dem Mississippi-Delta war es wichtig, ihren intensiven Gesang, ihr ureigenes afrikanisches Tongefühl (Zwischentöne, Blue-Notes, starkes Vibrato) auch auf die Gitare übertragen zu können. Die Slide-Technik kam ihnen dabei sehr gelegen. Die Hawaii-Musiker spielten sitzend, ihr Instrument flach auf die Oberschenkel gelegt. Sie verwendeten einen Metallstab als Slide. Die Blueser hingegen behielten die herkömmliche Haltung der Gitarre meistens bei und verwendeten als Slide ein Glas, ein Taschenmesser oder eine Flasche.
Einige Gitarristen, die an der Flasche hängen, präparierten sich ihren eigenen Flaschenhals. Aber vorsicht, schon Bluesman Son House hat sich mehrmals die Finger blutig geschnitten. Köchli lehrt die Grundlagen des Sliding, wie alles Materielle (welche Gitarre, Saiten, ec.), Picking, Open Tunings. Über 200 Riffs, Licks und Übungen aus den Bereichen Folk, Blues, Country, Rock und Pop.

Robert Johnson soll seine Seele dem Teufel verkauft haben. Bekanntlich fällt kein Meister vom Himmel. Wir haben aber, wenn nicht sogar schon einen Vorsprung, viel Zeit:

Mississippi Fred McDowell [1904-1972] war in jeder Hinsicht ein Spätzünder. Mit 36 Jahren kaufte er sich seine erste Gitarre. Sein hypnotisierender Delta-Blues wird unvergeßlich bleiben. Seine Stimme war Ausdruck nackter Gefühle. Sein Gitarrenspiel - er benutzte einen sehr kurzen Bottleneck auf seinem kleinen Finger - überzeugte durch markante (oft auf nur einer Saite gespielte) Licks. Internationaler Erfolg und Anerkennung kamne erst Anfangs der 60er Jahre. Sogar die Rolling Stones spielten einen seiner Songs (You Got To Move) und unter seinen ehrgeizigen Schülern waren Leute wie Ry Cooder oder Bonnie Raitt.
Zwei Bücher, die mich fast schwärmen lassen und die mich sicherlich noch eine Weile beschäftigen werden, genauso wie Christian Veiths Mandolineschule.

Eine alte Mandoline kneipte er mit magern Fingern; schriller Mißlaut, der verhöhnend www.schellmusic.de aus den Klüften... (Heinrich Heine) Veith kam zur Mandoline wie die Jungfrau zum Kind bzw. der Gitarrist zum Bass. Als sich 1977 ein Bluegrasstrio gründete und Gitarre und Banjo schon vergeben ware, blieb eben nur der kleine Achtsaiter.

Es ist zwar nicht das erste nicht-klassische Werk für Mandoline im deutschsprachigen Raum; ich erinnere hier nur an Rainer Zellners "Mandolinenbuch", das vor allem Bluegrass und Keltisches abgedeckt hat. Aber auch hier ist immer noch viel Pionierarbeit zu tun und Veith geht musikalisch noch ein gutes Stück weiter, hinführend auf das ganze Spektrum internationaler Folk- und Pop-Stile. Beginnend bei einfachen Übungen wird man rasch auf Folksongs und Fiddletunes getrimmt. Nicht nur aus dem keltisch/angelsächsischem Raum oder ein Ländler, sondern auch schon mal Melodien aus Russland oder der Türkei. Der absolute Höhepunkt, wie sollte es anders ein, ist "O sole mio" - mit maximalem Tremolo!

Und so mag man auf den Pfaden Lord Byrons wandeln, oder Hölderlins; denn der konnte sich wochenlang zurückziehen, und er unterhält sich alsdann fast einzig mit seiner Mandoline. So sagt man.

Ich verabschiede mich mit Gedanken Köchlis:

Die Musik kann nur so gut sein wie der Mensch, der sie spielt. Nun, die ganze Welt setzt auf Technik, Präzision, Fortschritt, Kontrolle, Macht und Konsum. Ist sie dadurch besser geworden? Natürlich sollte man üben, und natürlich ist es cool, mit technischer Fingerfertigkeit zu überzeugen. Willst du hingegen als Musiker/in wirklich etwas zu sagen haben und echte Fortschritte erzielen, dan tust du gut daran, einen großen Teil deiner Energie auch in die tägliche Arbeit an dir als Mensch zu investieren. Genauso wie wir etwa antisemitische Äußerungen, korrupte Politiker oder dekadente Reiche verurteilen, sollten wir auch arrogante, selbstverliebte, egoistische oder dekadente Musiker verpönen. Wenn wir wollen, daß unsere Slidegitarren menschlich und intensiv klingen, dann müssen wir nicht nur die Spieltechniken, sondern eben auch die Techniken des Menschwerdens erlernen. Die Musikerin bzw. der Musiker der Zukunft wird nur dann glaubhaft sein, wenn sie/er mehr zu bieten hat als grenzenlosen Narzißmus und das Produzieren von mechanischen leblosen Schwingungen! Sonny Landreth formuliert es sehr schön: Wichtig ist das Interesse, wirklich Musik zu machen und nicht nur irgend jemanden beeindrucken zu wollen.
Lass dein Instrument beiseite und nimm dir einen freien Abend, um ein Rock 'n' Roll-Konzert zu besuchen. Nicht eine aus arbeitslosen Spitzenmusikern bestehende Top-40-Band. Nein, ich rede von einer richtigen Rockabilly-Band. Und jetzt hör dir diesen Gitaristen an. Spürst du seinen Groove, sein Feuer? Vermutlich ist diese Typ ein blutiger Amateur. Du könntest ihn belächeln, denn er spelt einfach und ordinär. Von all diesen alterierten, mixophrygodorischen Erungenschaften hat dieser ungebildete Junge keine Ahnung. Er kennt nur ein par abgedroschene Licks. Abgedroschen? Mmh, irgendiwe klingt's cool. Die Riffs kommen rüber, sie tönen lebendig und echt. Wenn du die verdammte Größe hast, diesen Typen wenigstens für einen Augenblick zu bewundern, dann kannst du vom Abend profitieren. Du wirst einen Funken Inspiration mit nach Hause nehmen und mit der Erkenntnis zu Bett gehen, dass dir diese Greenhorn mehr gegeben hat als 20 harte Übungsstunden! Ein gutes Gefühl. Good night.

Hennessy, Donogh. Lunasa - The Music 1996-2001. SGO Ltd., London, 59 S, £12.
Hinze, Werner. Lieder der Straße - Liederbuch + Lexikon-Lesebuch. Hinz&Kunzt/Tonsplitter, Hamburg, 2002, ISBN 3-936743-01-0, 368 S, 32,80 € (2 Bände).
Köchli, Richard. Best in the West - Geschichte, Interpreten und Spieltechniken der Countrygitarre. Ama Verlag, Brühl, 2000, ISBN 3-932587-35-9, 276 S, 26,80 € (inkl. CD).
Köchli, Richard. Slide Guitar Styles. Ama Verlag, Brühl, 1997, ISBN 3-927190-90-X, 241 S, 26,80 € (inkl. CD).
Rosenbaum, Monika, Pickadill & Poppadom - Kinder erleben Kultur und Sprache Großbritanniens in Spielen, Bastelaktionen, Liedern, Reimen und Geschichten. Ökotopia, Münster, 2003, ISBN 3-936286-11-6, 141 S, 18,90 € (CD: ISBN 3-936286-12-4, 13,90 €).
Roud, Steve et al. (ed). Still Growing - English Traditional Songs and Singers from the Cecil Sharp Collection. English Folk Dance & Song Society, London, 2003, ISBN 0-85418-187-3, 121 S, £12.99.
Steinbach, Patrick, Irische Melodien für Akustik-Gitarre. Schell Music, Hamburg, 2000, SM 6300, SM 6300, ISMNM-700114-10-7, 36 S, 18,90 € (inkl. CD).
Veith, Christian, Mandolinenschule. Schell Music, Hamburg, 2002, SM 6500, ISMNM-700114-16-9, 104 S, 26,95 € (inkl. CD).

T:-)M's Nachtwache, FW#25


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/03

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