Ausgabe 30 01/2005

FolkWorld CD-Besprechungen

Mercedes Peon, photo by The Mollis

V/A "Native American Inspirations"
Label: Heupferd; VLDCD 25234; 2003; Spielzeit: 57:41 min
Die Musik der amerikanischen Ureinwohner hat weitaus mehr zu bieten als nur inniges Flötenspiel und Trommeltanz ums Lagerfeuer. Der auch bei uns etwas bekannter gewordene Floyd Westerman und seine Country-Musik wurden immer etwas scheel angesehen, dabei wissen wir doch spätestens seit dem "Schuh des Manitu", dass Indianer auch rocken können. Natürlich, was soll man denn eigentlich auch sonst anderes erwarten? Das andere, rote Amerika darzustellen ist Sinn des "Native American-Projekts" und ihrer beiden CDs "Native American Inspirations" und "Native American Moods". Die zeitgenössische Musikszene der indigenen Nordamerikaner ist Alter-Native Rock, teils folkloristisch, eine Mischung aus Country, Rock und Chicken Scratch (eine indigene Tanzmusik im Südwesten, die auf Fiddlemusik und europäische Tänze wie die Polka und Schottische zurückgeht): December Wind, Clan/Destine, Medicine Dream, Pima Express und Blackfire (die 2002 auf dem TFF Rudolstadt gespielt haben -> FW#23) heißen die Bands. Abgesehen von den Bandnamen und den Themen der Songs fällt musikalisch ein ethnischer Bezug oft erst beim zweiten Hören auf - abgesehen von dem immer wiederkehrenden Indio-Chant - und die Musik hätte auch von (weltmusikalischen) Bleichgesichtern stammen können. Singer/songwriterinnen wie Sharon Burch, Judy Trejo und Joanne Shenandoah singen dagegen Traditionelles und Eigenkompositionen in ihren indianischen Sprachen. Die Black Lodge Singers haben auf ihrer Platte "Kids' Pow-Wow Songs" populäre Kinderlieder umgearbeitet und tragen eine indianisierte Version von "Twinkle, Twinkle Little Star" (Musik von Mozart) vor. Primeaux, Mike & Attson singen religiöse Peyote-Lieder, verbunden mit der zeremoniellen Zusichnahme des meskalin-haltigen Kaktus. Am Interessantesten ist vielleicht das Duo Burning Sky, das Gitarrenblues und indianische Flöte miteinander verbindet. Zum guten Schluss spielt Carlos Nakai, eigentlich ein bekannter indianischer Flötist, ein Gitarreninstrumental. Fazit: Eine feine Kompilation mit feiner Musik.
Vertrieb: Zweitausendeins
Walkin' T:-)M


V/A "Where Blues Crosses Over - RUF 10th Anniversary Sampler"
Label: Ruf Records; RUf 1104; 2004; Spielzeit: 49:30 min
Das Blueslabel Ruf Records ist das Baby des Schwarzwälders Thomas Ruf. Angeregt von der Bluesgröße Luther Allison, der mit einer Gruppe achtzigjähriger Schwarzwälder Volksmusiker jammte, stieg er als Agent und Manager ins Konzertgeschäft ein. Er merkte schnell, dass viele Künstler von ihren Plattenfirmen frustriert sind, die den notwendigen Enthusiasmus und das Verständnis für die Musik vermissen lassen. Gesagt getan und nun kann Ruf Records bereits auf das 10jährige Bestehen zurückblicken. Die Kompilation zum Fest enthält aktuellen Blues in seiner elektrifizierten Form. Heutzutage ist man weit entfernt vom simplen 12-Takt-Schema des Country Blues, sondern vergnügt sich am Crossover in andere Genres, eben Where Blues Crosses Over. Den Puristen mag das schrecken, aber es sollte Raum genug für alle Facetten und Spielarten da sein: Boogie von Canned Heat oder sogar noch besser von Omar & The Howlers. Ausgezeichnete Beiträge stammen von den Imperial Crowns, Aynsley Lister und Friend'n Fellow. Weiter finden sich Ana Popovic, Walter Trout, Michael Hill's Blues Mob, Candye Kane und Ian Parker. Eine gedeihliche Übersicht und ein guter Einstieg ins Verlagsprogramm.
Ruf Records
Walkin' T:-)M


Marianne Faithfull "Before the Poison"
Label: Naive; 0030025MIN; 2004; Spielzeit: 41:01 min
Kein Folk, kein Trad, keine Roots. Aber vielleicht doch die musikalische Offenbarung des Jahres. Ich habe die fragile und erotische Stimme von Marianne Faithfull immer geliebt, die einem heiß und kalt den Rücken herunterlaufen kann. Aber ich fand auch immer, dass sie sich häufig die falschen, oft faden Lieder zum Singen ausgesucht hat, die dann zudem noch in einem seelenlosen Plastik-Sound erstickt worden sind. Im Jahr 2004 scheint sich nun alles zum Guten zu wenden: großartige Songs, klasse Begleitung, Pop, Folkpop, mal rockiger, großteils aber introspektiv und stoisch, Marianne in Bestform.
Walkin' T:-)M


Lydie Auvray "Pure"
Label: Westpark Music; 2004
Seit ich vor einigen Wochen Stefan Schwieterts Musikfilm "Accordion Tribe" gesehen habe, stoße ich immer wieder auf Akkordeonmusik, egal ob es während den Weihnachtseinkäufen in Bern ist, wo ich einen hervorragenden russischen Akkordeonisten in der Fußgängerzone spielen höre oder ob ich Gudrun Walther von den More Maids Live in Ottikon bei Zürich sehe. Das früher verhasste Instrument - ebenso wie Stefan Schwietert habe ich die Liebe zum Akkordeon erst durch meine Liebe zur Folkmusik entdeckt - steht plötzlich im Mittelpunkt meines Interesses. Und dann erhalte ich Lydie Auvrays neuestes Werk "Pure" zur Besprechung. Das Leben schreibt manchmal ein erstaunliches Drehbuch. Lydie Auvray stammt aus der Normandie und lebt seit ihrem 18. Lebensjahr in Deutschland. Sie hat 2002 ihr 25 jähriges Bühnenjubiläum gefeiert, hat 16 Alben veröffentlicht und mit den unterschiedlichsten Musikern zusammengearbeitet. Neben Senta Berger, Reinhard Mey und Peter Maffay hat sie auch auf einem Album des österreichischen Barden Georg Danzer mitgespielt. Obwohl Lydie nunmehr seit 30 Jahren in Deutschland lebt, kann sie ihre Herkunft nicht verleugnen. Die Stücke klingen allesamt so, als ob sie aus einem französischen Film stammen. Man sieht Bilder von der Uferpromenade an der Seine, dem Studentenviertel an der Rive Gauche, oder dem Künstlerviertel Montmarte in Paris vor seinem geistigen Auge. Walzer in der Tradition der Musettewalzer, langsame Walzer, Tangos wie sie nicht französischer klingen können, Javas (Tanz im ¾ Takt) aber auch traurige, ruhige oder lebhafte und fröhliche Stücke prägen diese CD; dann klingt es aber wieder so ein wenig nach Russland. Zwei Lieder ergänzen das Programm. "Carnaval" wurde ursprünglich für Senta Berger geschrieben. Nun hat Lydie einen französischen Text dazu geschrieben und singt das Lied auf ihre eigene Art. Serge Gainsbourgs Hommage "Accordéon" ist das einzige Stück, das nicht von Lydie geschrieben wurde. Sie spielt und singt es als Liebeserklärung an ihr Instrument. Lydie spielt ein chromatisches Knopfakkordeon von Pigini und durch die hervorragende Surround Aufnahmetechnik von Brigitte Angerhausen klingt es so als ob Lydie in meinem Wohnzimmer sitzt und nur für mich spielt. Wie bei allen guten Akkordeonspielern bewundere ich vor allem die Arbeit mit dem Balg. Wie bei einem Flötenspieler hat man das Gefühl, dass die Musik in der Lunge entsteht; der Balg wird Teil des Spielers, dessen Lunge und Atem. Alle die ein Faible für das Akkordeon haben und den Klang oder soll ich sagen das Flair von Frankreich lieben werden an dieser CD große Freude haben. Und wenn ihr dann auf den Geschmack gekommen seid, versäumt auf keinen Fall den in der Einleitung erwähnten Film "Accordion Tribe". Er sollte demnächst auch in den deutschen Kinos anlaufen. Weitere Informationen über Lydie Auvray findet ihr hier www.lydieauvray.de
Adolf "gorhand" Goriup


Ciarán Ó Maonaigh "Ceol a´Ghleanna - The Music of the Glen"
Label: Eigenverlag; 2004
"Irish Traditional Fiddle Music from Donegal" wird auf der CD Hülle angekündigt und bereits bei den ersten Takten bestätigt sich diese Beschreibung. Ciaráns Irish Fiddle steht absolut im Mittelpunkt und wird nur von John Blake an der Gitarre und der Bouzouki begleitet. Dermot McLaughlin spielt bei zwei Reel Sets ebenfalls Fiddle. Alle Stücke sind Traditionals, nur das erste Reel Set beinhaltet Mairéad Ní Mhaonaighs (Altan) "The High Fiddle Reel".
Ciarán spielt irische und schottische Stücke, Reels, Jigs, Highlands, Strathspeys, Barndances, Hornpipes und eine Slow Air. Die Begleitung von John Blake ist ausgezeichnet, egal ob er die irische Bouzouki oder die Gitarre spielt. Wenn Dermot McLaughlin ein Fiddle Duo mit Ciarán spielt, wie bei "Loughisle Castle" oder "The Pinch of Snuff", wird einem vom Tempo schwindlig. Ciarán ist ein begnadeter Fiddler, bei dem die oft atemberaubend schnell gespielten Reels so einfach wirken als ob er sich nur ein wenig warm spielen möchte. Durch die Präzision und Ciaráns Hang zu Perfektionismus erscheint die CD jedoch manchmal ein wenig zu kühl. Trotz oder vielleicht gerade wegen des technisch einwandfreien Spiels und den stilistisch tadellos vorgetragenen Tunes fehlt der CD für meinen persönlichen Geschmack das gewisse etwas, das aus guter Musik ein unvergessliches Erlebnis macht. Auch bei der von Ciarán solo gespielten Slow Air "Iníon a´Bhaoghailligh" liegt es nicht am technischen Können, dass die Gänsehaut ausbleibt. Wer den Film "Long live Nad Divine" gesehen hat und sich an die Szene erinnert, in der die Dorfbewohner feiern und einer unter ihnen auf der Fiddle spielt, kann vielleicht nachvollziehen was ich meine. Dieses gewisse etwas, das einen entweder mit offenem Mund zuhören lässt, oder das die Beine wie von Zauberhand in einen begeisterten Tanz ausbrechen lässt macht für mich den Unterschied zwischen guter Musik und leidenschaftlicher Genialität aus. Da stört es dann auch nicht wenn die Saite am Ende reißt. Vielleicht liegt es aber auch an mir, dass ich nicht den richtigen Zugang finde. Jemand der die Geige selbst spielt, kann vielleicht mehr mit dieser Musik anfangen. In Anbetracht des Alters von Ciarán (20) können wir auf jeden Fall noch einiges von ihm erwarten. Die Technik und das Können hat er nach meinem Erachten bereits, vielleicht fehlt ihm nur etwas Erfahrung um auch den Ausdruck bei seinem Spiel nicht zu vergessen. Die CD ist bei www.tradmusic.com erhältlich.
Adolf "gorhand" Goriup


Jez Lowe & The Bad Pennies "Doolally"
Label: Lowe Life Music; 2004
Das neueste Werk von Jez Lowe, einem Singer/Songwriter aus Durham, der nunmehr seit 24 Jahren im Geschäft ist, wurde im Juli zum 15 jährigen Jubiläum der Bad Pennies lanciert. Die momentane Besetzung wird von der Szene hoch gelobt und umfasst neben Jez an der Gitarre, der Cister, der Mandoline, der Dulcimer und der Mundharmonika drei hervorragende Musiker aus dem Nordosten Englands. Kate Bramley aus York spielt die fünfsaitigen Geige, Percussions und singt die Lead Vocals bei "Regina Inside". Sean Taylor hat mit seinem fünfsaitigen Bass, den Percussions und seinen Backing Vocals zum Gelingen der CD beigetragen. Der ebenfalls aus Northumberland stammende Andy May ist ein Meister des kleinen Northumbrian Dudelsacks; aber auch am Akkordeon, auf den Whistles und dem Piano brilliert er mit seinem Können. Als Gäste wurden Jez langjähriger Freund Bob Fox (Begleitstimme) und der Toningenieur Peter Boyle (Begleitstimme und Percussions) eingeladen. Die 12 Lieder stammen ausnahmslos aus der Feder Jez Lowes und erzählen meist Geschichten aus dessen Heimat. Sie glänzen mit ihrer lyrischen Musikalität, der abwechslungsreichen und gekonnten Instrumentierung wie auch mit dem entspannten und swingenden Sound. Der Klang der Northumbrian Pipes und der Geige dominieren die traditionell angehauchten Songs "You and your Golden Vanity" und "Sugar Water Sunday". Mit dem unverwechselbaren Gesang und der wunderschönen Begleitung haben sich diese beiden Lieder zu meinen absoluten Favoriten gemausert. Langsame und etwas melancholisch angehauchte Lieder wie die Geschichte des jüngsten britischen Soldaten im 2. Weltkrieg, "Donnini Doolally", oder dem spärlich instrumentierten "The Fan Dancer's Daughter" haben ebenfalls ihren eigenen Charme. Besonders hervorheben möchte ich hier das Liebeslied "A Penitent's Lent", bei dem Jez die Dulcimer und Andy die selbst gebauten irischen Uilleann Pipes spielt. Aber auch das A Kapella vorgetragene "Gull's Eye" oder Kates Gesang bei "Regina Inside", der neben der Low Whistle von Gitarre, Piano und Bass auf das Vortrefflichste begleitet wird, gehören zu den Highlights. Melodien, die zum Tanzen einladen prägen den satirischen Song "Vikings" ebenso wie das Friedenslied "Bloodstained". Endlich wurde auch das bereits jahrelang im Live Programm auftauchende "Hoi Polloi" auf CD veröffentlicht.
Inspiriert von einem Besuch des Calico Goldmienen Museums hat Jez die wunderschöne Ballade ?Calico? geschrieben. Zuletzt möchte ich noch auf das außergewöhnliche Arrangement von "Keep them Bairns away" hinweisen, Jazz, Klassik und Popmusik haben hier ihre Spuren hinterlassen. Mit dieser CD hat Jez Lowe ein wunderbares Werk geschaffen und mindestens einen neuen Bewunderer gewonnen. Ich bin überzeugt, wenn ihr diese CD kauft, wird es nicht bei diesem einen bleiben.
Adolf "gorhand" Goriup


Various Artists "The music of Wales - The Folk Collection"
Label: Sain; 2004
Meine ersten Erfahrungen mit Musik aus Wales hatte ich diesen Sommer beim Festival de Cornuaille in Quimper gemacht, wo Julie Murphy als eine der vier "Voix de la terre" auftrat. Als ich nun diese Folk Collection mit Musik aus Wales in meinem Paket von Folkworld entdeckte, machte ich beinahe einen Freudensprung. Endlich hatte ich die Gelegenheit ein wenig mehr über die Musik dieses oft vergessenen Teils der keltischen Welt zu erfahren. Nachdem ich die CD mehrmals gehört hatte, begann ich das Booklet durch zu blättern und ein wenig im Internet zu suchen. Es fällt einem dabei sofort auf, dass die Welsche Sprache wohl eine der am meisten benutzten keltischen Sprachen ist. Die CD ist eine Mischung aus instrumentaler Musik und Songs, traditionelle Lieder und Melodien reihen sich an zeitgenössische Kompositionen, Stille Chorgesänge und Balladen wechseln sich ab mit tollen rhythmischen Songs und wunderschöne slow airs wie auch rassige dance tunes komplettieren die Auswahl. Auffallend ist, dass eigentlich alle Titel in der welschen Sprache sind. Manchmal gibt es dann eine Übersetzung, meist jedoch nicht. Ein sehr positiver Aspekt ist, dass jeweils die originalen CDs abgebildet sind und ein kurzer Kommentar in Englisch wie auch in Welsch den Stücken beigefügt sind. Die Musik zeigt zwar gewisse Ähnlichkeiten zu irischem und schottischem Folk wie auch zu bretonischer Musik, hat aber trotzdem einen sehr eigenständigen Klang. Neben der welschen Harfe, den verschiedenen Whistles und Flutes spielt die Fiddle und die Gitarre eine große Rolle. Auch der welsche Dudelsack, der Dulcimer (Griffbrettzither), das Akkordeon (squeezebox) und das Bodhrán sind zu hören. Die sechs instrumentalen Stücke und die 10 Lieder zeigen uns die breite Bandbreite welscher Musik. Oft sind die Stücke mit Einflüssen aus anderen Kulturkreisen angereichert, wie zum Beispiel Ar Log's "Jigolo/Harri Morgan", das ein wenig wie eine karibische Polka klingt. Es würde zu weit führen alle 16 Titel aufzuführen also werde ich eine Auswahl meiner Lieblingsstücke vorstellen. Die Harfenspielerin Siân James eröffnet den Reigen mit dem wunderschönen "Pan ddoi adre'n ôl". Siâns zauberhafter Gesang wird von der Whistle und dem Bodhrán begleitet. Das Schlagzeug und das orchestrale Arrangement unterstützen das verspielte Ambiente dieses Lieds. Robin Huw Bowen kommt sogar dreimal zum Zug. Einerseits bei einem Hornpipe mit seiner Band Crasdant, andererseits mit einer solo gespielten Eigenkomposition wie auch mit einer traditionellen welschen Melodie gespielt von dem Harfenquartett Rhes Ganol. Gwenno eine Sängerin mit welschen wie auch kornischen Wurzeln singt das atemberaubende Lied "Tryweryn". Ein Lied von Meic Stevens und Heather Jones zum Andenken an das in den 60er Jahren geflutete Tryweryn Tal. Beide Komponisten tragen auch eigene Lieder bei. Heather Jones "Lisa Lân" ist ein wunderschönes traditionelles Liebeslied und Meic Stevens "Ysbryd Solva" ist ein Lied über sein Heimatdorf im Pembrokshire. Die sehr innovative Band Pigyn Clust singt und spielt "Ffair y Borth/Hoffeld Menna", ein Lied das ein wenig an Julie Murphys Fernhill erinnert. Nicht umsonst spielt auch derselbe Fiddler mit, Cass Meurig. Zuletzt möchte ich noch das rhythmische "Profiad" von Carreg Lafar hervorheben, welches am ehesten an irisch schottischen Folk anknüpft. Diese Cd schenkt einen tollen Einblick in die vielseitige Musik aus Wales und ist daher ein idealer Einsteiger in diesen faszinierenden Teil der keltischen Welt.
Adolf "gorhand" Goriup


Einstürzende Heuschober "[tong]"
Label: Eigenverlag; 2004
Die CD kommt in einer Kartonverpackung daher und neben den Titeln der einzelnen Lieder, der musikalischen Besetzung und ein paar rudimentären Informationen über Aufnahme, Produktion und Coverdesign (?) findet man darauf nichts. Die CD ins Laufwerk und ab geht die Post. Dann schallt es da aus den Lautsprechern, dass es eine Freude ist. Es ist laut, es ist aus vollem Herzen gespielt und es ist meist sogar ziemlich musikalisch. Traditionelle Lieder aus Tschechien, Frankreich, Lettland, Deutschland, Schweden und Holland wie auch selbst geschriebene Lieder von Shilo Kappes und ein traditioneller An Dros aus der Bretagne sowie eine Polka und ein Schottisch aus Schweden sind auf dem Programm. Die Freude am Singen und am Spiel wiegt vieles auf wie beim tschechischen Lied "Ja, ked' sa Janosko". Dennoch bleibt bei manchen Liedern ein bitterer Beigeschmack. Macht man sich hier über Folklore lustig oder ist es einfach schlechter Geschmack? Eines ist sicher die Rhythmen sind dann am schneidigsten wenn das Schlagzeug schweigt oder zumindest nur leise im Hintergrund agiert. Die Bläser, die Ziehharmonikas, die Geigen und die Stimmen machen den Schwung und das Schlagzeug stolpert nach. Heavy Metal Einlagen wie bei dem sonst schön interpretierten Lettischen Lied "Div' Balozi" oder bei "Bärentanz" sind vollkommen deplaziert für meinen Geschmack. Beim "An Dros" stolpert der Schlagzeuger im Rhythmus nach wie ein Neuling am Tanzparkett und bei "User Nobbesch Pitter" kann einem die Freude an Volksmusik wirklich vergehen.
Ein positives Beispiel ist das traditionelle Lied aus Frankreich "Tourdion", hier macht sich das moderne Arrangement recht gut. Bei "Schottis efter Pal Olle fran Boda" wirkt das Schlagzeug dann für einmal nicht störend. Shilo Kappes' Eigenkompositionen (Deididei und Der Primat) sind nicht wirklich mein Geschmack. "Voici le Printemps" klingt zwischendurch so als ob man das Lied so schnell wie möglich fertig spielen möchte und bei "Bodil Bensons Polka" drängen sich mir Bilder von Winnetou auf; ich kann am Ende des Stücks nicht mitlachen. Mit dem "Maibritt", einer sehr schönen Melodie, kommt es dann doch noch zu einem versöhnlichen Ende. Alles in Allem bevorzuge ich eine seriösere Art sich mit Folklore zu befassen. Diese wird durch die Hitparade der Volksmusik bereits zur genüge verunglimpft. Hörproben und weitere Informationen hier www.heuschober.com
Adolf "gorhand" Goriup


Various Artists "Sing along with Putumayo"
Label: Putumayo-Kids; No.Put 222-2 ; 2004; Spielzeit: 39.06 min
Das Putumayo-Label veröffentlicht seit Jahren die Welt auf CD. Mit knallbunten Samplern reflektieren sie die musikalischen Eigenheiten der Weltbevölkerung sortiert nach regionalen oder stilistischen Gemeinsamkeiten. Jede einzelne CD leuchtet als farbenfrohes Kunstwerk aus den CD-Regalen gut sortierter Musikalienhandlungen hervor. Man muss schon ausgesprochen mies drauf sein, um mit einer Putumayo-Platte im Gepäck nicht anzuerkennen, dass es eventuell doch ein oder zwei Dinge im Leben geben muss, die Spaß machen. Putumayo- CD's zu hören gehört dazu. Der Nachwuchspflege widmet sich Putumayo mit den speziell für Kinder zusammengesuchten Kompilationen. Die bereits sechste erschienene Ausgabe unter dem Sub-Label Putumayo-Kids nennt sich "Sing along with Putumayo". Sie versammelt ein paar gutgelaunte Klassiker des Mitsingefolks von Arlo Guthrie, Taj Mahal, Rosie Flores und noch einigen anderen bekannten Folk-, Blues- bzw. Bluegrassbarden. Die meisten Lieder hat man auch als Erwachsener schon mal gepfiffen. Im Booklet kann man endlich auf die Texte zurückgreifen und muss nicht immer dass singen, was man jahrelang falsch verstanden hat. Zu allen Liedern gibt es noch eine kurze Erläuterung in Englisch, Französisch und Spanisch. Man sollte sich nicht scheuen, diese CD zu besitzen, ob man nun mit Kindern zusammen singen will oder nicht. Die Altersfreigabe ist nach oben offen, die Musik stimmungserhellend und in jeder Hinsicht gesundheitsfördernd.
Karsten Rube


Fênix "Marfim"
Label: Traumton Records; No. 4475; Brasilien; 2004; Spielzeit: 46.04 min
Es ist erstaunlich, dass ein Land, in dem der alltägliche Machismo wie eine schlechte Tradition gepflegt wird, so viele schmelzige Männerstimmen mit sentimentalen Streichelliedern hervorbringt. Sei es die schmeichelnde Stimme Caetano Velosos, die grelle Wandelbarkeit des Exoten Edson Cordeiro oder, das jüngste Beispiel, der Countertenor Fênix. Mit hoher, weiblich erscheinender Stimme, klingt er zunächst wie die Sängerin Marisa Monte. Typische brasilianische Musik, will man meinen, doch beim Zuhören erweist sich, dass den Liedern das Klischee der brasilianischen Musik - die Samba der brasilianischen Karnevalsgesellschaft - völlig fehlt. Fênix stammt aus dem Norden Brasiliens, aus Pernambuco. Dort sticht die Sonne heiß herab, Trockenheit bestimmt das Klima und die Landarbeiter müssen dem kargen Boden unter herben Enttäuschungen die Frucht abringen. Aberglauben herrscht mit genau so eindringlicher Präsenz, wie Glauben. Die Familien sind groß, wie Clans und das Zusammengehörigkeitsgefühl mächtiger, als in den sozial zerfasernden Städten. Fênix lebt mit diesen Wurzeln seine musikalische Leidenschaft. Fênix, dass ist der Vogel Phönix, der an sich selbst verbrennt, um aus seiner Asche wiederzuerstehen. Für den jungen Sänger bedeutet dieser Name aus seinen Wurzel heraus Neues zu erschaffen. Auf der CD "Marfim" zeigt er, was er damit meint. Poppig bis melancholisch sind die Songs, die Melancholie aber nie mit Bitternis, sondern mit Sehnsucht vermengt, jener gelassenen Sehnsucht, die der Zukunft entgegenträumt. Fênix ist ein Beispiel dafür, dass die Musica Popular do Brasil über die Jahre fruchtbar geblieben ist.
Band/Musiker-Homepage: www.jfenix.com
Karsten Rube


Bunt “Man gehört einfach dazu...”
Label: LBT-Records; No.LC05509; 2004; Deutschland; Spielzeit: 45.29 min
Bodenständigen Polkarock liefert die pfälzische Formation Bunt mit ihrer bislang fünften Studio-CD "Man gehört einfach dazu..." ab. Gnädigerweise haben sie den Anteil an Mundartgesängen auf ein erträgliches Maß reduziert. Das führt zum Verstehen der Texte. Der Sänger artikuliert deutlich, auch wenn nicht immer klar wird, was er eigentlich sagen will. Bunt gibt sich redlich Mühe nicht allzu moralinsauer daherzudichten, was prinzipiell zu begrüßen ist, in diesem Fall das Album aber bedauerlicherweise textlich richtungslos erscheinen lässt. Ein gescheiterter Versuch wie "Du bist nicht da", der sich am Falcohit "Jeanny" orientieren will, lässt die Frage offen, ob man Lieder, die sich als Gesänge auf Kindermörder verstehen, überhaupt schreiben muss oder sollte. Ähnlich dürftig durchdacht ist "Penner in Berlin", in dem sich das Leben eines Obdachlosen, wie das eines Glückskindes auf der Sonnenseite des Lebens darstellt. Angesichts der sozialen Entwicklung im Land wäre es tragisch, wenn so etwas zu einer Hymne für eine Bevölkerungsmehrheit würde. Musikalisch jedoch ist die CD überaus schmissig zu nennen. Sie erinnert an die Polkeskapaden von Erich Schmeckenbecker und Stefan Hiss, fröhlicher Folkrock mit gelungenem Einsatz verschiedenster Akkustikinstrumente, von der Flöte, bis zur Geige des Inchtabokatables-Derwisches Robert Beckmann. Die Produzenten Ritchie Barton und Uwe Hassbecker, die bereits in der DDR zur Führungsriege der Rock-Elite Ost zählten, haben mit der Produktion der Band "Bunt" ein funktionierendes Ost-West Produkt gebacken, dass ausbaufähig ist. Trotz aller eigenen Bemühungen der Kapelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass es am Ende die Huldigung an den leider viel zu früh verstorbenen ostdeutschen Liedermacher Gerhard Gundermann ist, die aus dem gesamten Album heraussticht. Bunt covert Gundermanns Lied "Gras", ein zeitloses Stück über die endlose Zeitschleife, in der der Mensch sein Werden und Vergehen verbringt. Dies ist zweifellos das einfühlsamste aller Lieder auf der CD und auch das einzige, das poetisch über jeden Zweifel erhaben ist.
Kontakt: vip-productions@gmx.de
Karsten Rube


Jan Degenhardt “Stimmen hinterm Spiegel”
Label: Pläne Verlag; No. 88905; 2004; Deutschland; Spielzeit: 51.13 min
Mit großer Genugtuung beobachte ich gelegentlich, wie mir die eigenen Vorurteile dermaßen im Weg sind, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als sie über Bord zu werfen. Jan Degenhardt hatte ich einst beim Tanz & Folkfest in Rudolstadt für einen müden Moment beobachtet, mich etwas gelangweilt und mich aus diesem Grunde höflich vom Platz getrollt. Danach lag er in einer mit dem Aktenvermerk "unbedeutend" bestückten Schublade meines Unterbewusstseins. Vielleicht lag das auch an der Erinnerung an die Musik seines Vaters, die ich nie so recht mochte. Nun flatterte mir seine CD "Stimmen hinterm Spiegel" ins Haus, mit der Bitte, sie anzuhören und was darüber zu schreiben. Pflichtschuldig legte ich sie in den Player und erwartete die Befindlichkeitsvertonung des deutschen Liedermachertums. Ich hatte mich gründlich geirrt. Jan Degenhardts CD erweist sich als eine überaus sympathische. Sein Hang zur Musik Lateinamerikas lässt er deutlich genug hervorquellen, so dass aus den meisten Liedern Sonne hervorstrahlt. Tangorhythmen und Stimmungen, die nach Tanztee klingen, werden mit einfallsreichen Texten ergänzt. Bevor ich das Booklet und den Pressetext las, musste ich unwillkürlich an den Berliner Barden Klaus Hoffmann denken. Die selbe hohe Heiserkeit in der Stimme, die selbe Mentalität, die eindringlich Geschichten erzählt, Geschichten, die entweder alltäglich sind oder skurril oder beides in einem. So war es nicht verwunderlich "Mein Hund ist schwul" zu hören, ein schon betagtes Lied von Klaus Hoffmann, das auch bei Jan Degenhardt seinen Witz nicht verloren hat. Degenhardts Umgang mit der Sprache, sein poetisches Vermögen tragisches und humorvolles zu verbinden ist besonders im Lied "Tango" zu bemerken, einem Lied über die alten Damen im Altersheim, die ihrer verlorener Vergangenheit sehnsuchtsvoll hinterhertrauern. Ein Lied, dass junge Leute vielleicht amüsiert, das aber tragisch ist, weil es deutlich zu verstehen gibt, wie die Zeit ein Menschenleben mit Runzeln und Sorgenfalten überzieht und wie Hoffnungen plötzlich unerfüllte Wünsche aus der Vergangenheit sind, wie rücksichtslos doch die Zeit der Menschen Träume zerscherbelt. "Schnee über Nürnberg" gehört zu den schönsten Liedern auf der CD. Wärmend, wie eine Schneedecke oder ein Kaffee bei erfrorenen Füßen. Der ideale Soundtrack zu einem von der Sonne vergessenem Wintertag. Was Degenhardt mit "Stimmen hinterm Spiegel" abliefert, ist selbst noch im recht bemüht wirkenden "Und hätt ich Flügel" glaubwürdiger, als bei den Betroffenheitssoaps von Biermann und Niedecken. Seine Arrangements sind phantasievoll instrumentiert mit einem leichtem Hang zum Jazzbetontem. Eine liebenswürdige CD, klug aber unaufdringlich. Vielen Dank für diese Lektion.
Kontakt zum Label: info@plaene-records.de
Karsten Rube


La Bottine Souriante - “J’ai jamais tant ri”
Label: Mille Pattes; No. HF2003; 2003; Québec; Spielzeit: 56.56 min
Produziert eine Band über Jahre hinaus gleichbleibend gute Musik, kann es passieren, dass man für die selben Ideen, die vor zehn Jahren restlos begeisterten in der Gegenwart nur noch ein freundliches Kopfnicken übrig hat. Die kanadische Band La Bottine Souriante existiert seit knapp 30 Jahren und und hat Anfang der 90'ger Jahre die internationale Folkszene massiv aufgemischt. Ihre franco- keltischen Wurzeln durchtränkten sie mit satten Bläserarrangements, die sie von zurückhaltender Hintergrundbegleitung allmählich steigerten, bis sie gelegentlich in eine wahre Kakophonie ausarteten. Leute, die wegen der Dubliners einst zum Folk-Festival ins dänische Tønder anreisten und das Zelt noch nicht verlassen hatten, als La Bottine startete, schreckten hoch und flüchteten mit den Worten, das wäre ja Jazz. Mittlerweile hat La Bottine die Bläser wieder etwas gezähmt. Der Zeremonienmeister Yves Lambert, der mit rollendem "R" und saftigen Akkordeonklängen die Formation dirigierte, verließ die Kapelle. Die letzte CD "Cordial", war ein guter Aufguss ihrer langjährigen Qualitäten, aber leider nicht mehr. Nun hat sich die Band verjüngt. Nachdem bereits Michel Bordelaire vor geraumer Zeit sein Tätigkeitsfeld wechselte und mit den "Charbonniers de l'Enfer" erfolgreich Männergesang durch die Welt trägt, musste jemand anderes den Part des unermüdlichen Fußpercussionisten übernehmen. Hierfür fand sich Sandy Silva, die erste Frau in der langjährigen Bandgeschichte. Das Akkordeon spielt nun ein junger Mann namens Pierre Luc Dupuis. Das tut er voller Inbrunst, er singt auch dazu und das Fehlen von Yves Lambert ist lediglich am dezenteren "R" zu bemerken. "J’ai jamais tant ri" klingt gegenüber seinem Vorgänger "Cordial" tatsächlich frischer. Der Titelsong wirkt wie aus der Zeit ihres großen Erfolges "La Mistrine", versetzt mit einem Schuss Lateinamerika. "Le bon curé" wartet bei simpler Melodie mit einfachem Wechsel von Vorsänger und Chor auf und lässt die Bläser gewohnt dezent im Hintergrund agieren, was dem Song jene verspielte und kraftvolle Freude verpasst, die der Fan an La Bottine so schätzt . "Ma femme est morte" ist ein Song vom typischen Witz quebecsoise und "Si l'hiver peut pendre" wirkt wie eine fröhliche, leicht alkoholisierte Familienfeier, bei der alle mal mitsingen dürfen, ob sie es nun können oder nicht. Dass das Lied den beginnenden Winter besingt, bemerkt man bestenfalls an der Ahnung der Getränke, die ihnen über diese Jahreszeit zu helfen scheinen. Ohne Zweifel hat La Bottine Souriante - der lachende Stiefel - wieder an Qualität gewonnen. Der Generationswechsel hat begonnen und das Album zeigt, dass sie auch in Zukunft für gute Laune und einen gehörigen Schuss Esprit in der Folkmusik sorgen wollen.
Karsten Rube


Mercedes Peón "Ajrú"
Label: Contratacion; 2004; Galicia; Spielzeit: 43.07 min
In Mercedes Péon findet sich eine akribische Sammlerin galicischer Volksmusik. Seit ihrer Jugend zieht sie durch die Dörfer ihrer Heimatprovinz im Nordwesten Spaniens und dokumentiert das Liedgut ihrer Landsleute, das sich in der Gefahr befand, selbst im eigenen Land in Vergessenheit zu geraten. Nach und nach veröffentlichte sie Teile ihrer umfangreichen Studien auf CD. Dank ihrer aufmerksamen Sammelleidenschaft gehört Mercedes Péon neben Carlos Nuñez zu den Vorreitern der derzeit großen Beliebtheit galicischer Musik in der Welt- und Folkszene. Nachdem sich Mercedes Peón als Volksmusikmoderatorin im galicischen Fernsehen versuchte und dort auf die Musik ihrer Landsleute hinwies, verdingte sie sich anschließend als Gastmusikerin bei zahllosen heimischen Produktionen, um schließlich 2000 mit dem Album "Isué" ihrer Solokarriere ein beachtenswertes Debüt voranzustellen. 2004 gelang ihr mit "Ajrú" ein qualitativ ebenbürtiger Nachfolger. Mercedes Peón inszeniert sich als kahlköpfiger Punk. Die Zeit in der sie brav ihr langes Haar durch die galicische Landwirtschaft trug, um in den Dörfern nach Vergangenheit zu forschen, sind vorbei. Selbstbewusst experimentiert sie intelligent mit dem angeeigneten musikalischen Wissen. Autodidaktisch erworbenes Dudelsackspiel vermischt sie mit Elektrobeats. Ihr Stimmpotential ist so enorm, dass sie vom angsteinflössenden Schrei zum zerbrechlich klingenden Balladengesang mühelos hin und her fliegt. Auf der CD "Ajrú" lässt sie den Gesang der Pandereitas auf E-Gitarren und Synthesizer krachen, singt einen beschwingten Walzer, spielt mit Fernando Abreus Klarinettenbegleitung und Pancho Alvarez’ Violine , wagt sich an percussive Klangexperimente und präsentiert einen beeindruckend simplen Reggae, den man auf "nana" prima mitsingen kann, weshalb sie ihn einfach "Nanareggae" nannte. Mercedes Péon zerrt den Hörer an den Ohren hin und her, sie verstört und schmeichelt mühelos. "Ajrú" ist ein Album, so folkloristisch, wie das Land, dass sie durchreiste und so modern und multikulturell geprägt, wie ihre Heimatstadt A Coruna. Mercedes Peón ist die Meisterin des gefangen nehmenden Elektrofolks.
Kontakt zum Label: discmedi@discmedi.com
Karsten Rube


Paris Combo “Motifs”
Label: Polydor; No.LC00309; 2004; Frankreich; Spielzeit: 50.24 min
Der Name Paris Combo klingt zunächst wie der inspirationsarme Einfall eines Beamten im Pariser Fremdenverkehrsamt. Man sieht sie förmlich vor sich, die Kulturklischees der französischen Hauptstadt: Stadtrundfahrt mit Eiffelturmbummel und Lidobesuch, arrogante Kellner, die einem schon beim Aperitif ausrauben. Doch glücklicherweise besteht Paris aus mehr, als diesen bekannten Katalogsujets. Paris ist eher ein Konglomerat aus Klischee und Einfallsreichtum, Oberflächlichkeit und Witz. Die Paris Combo scheint ein perfektes Auffangbecken, dass in sich alle Facetten der Stadt plätschern lässt, aufgewühlt, wie die Seine unter den Touristenbooten, die alles aufwirbeln, was da so drin schwimmt. Im Jahr 2005 besteht die Combo bereits 10 Jahre. In ihrer Heimat sind sie recht erfolgreich, während sie im deutschen Nachbarland weitestgehend unbemerkt geblieben sind. In diesen zehn Jahren hat sich ihre Musik zu einem musikalischen Stadtplan der Pariser Befindlichkeit entwickelt. Das multikulturelle Treiben der Stadt findet sich in ihren Liedern wieder, aber auch die altbackene Pariser Straßenmusik der Chansoniers und Chansonetten. Eine Mischung, die so unkonventionell ist, als würde eine deutsch-türkische Kapelle aus Neukölln den Schlager "Berliner Luft" als Klezmer neu vertonen. Also nicht nur Multikulti, sondern Multi-Generations-Kulti. Auf den Cd's der Paris Combo finden sich jazzig-coole Lieder neben Revuelastigem, Gipsy-Swing mischt sich mit arabischen Klängen und Latin-Groove. Die CD "Motifs" fügt noch einen Schuss Easy- Listening dazu. Hier kling ein Lied nach einer unterkühlten Vernissage, blasiert und nach Sesseln, in denen man nicht Sitzen kann. Dann wieder lässt "Discordance" den Enthusiasmus einer Zeit aufleben, in der man für den Bau großzügiger Glashochhäuser neuer Stadtteile ganze Wälder rodete. Etwas von Tatis "Modernen Zeiten" steckt in diesem Lied. Ein anderes Mal fühlt man sich beim Hören, wie an einem Donnerstagnachmittag an der Metro-Station Paris- Barbés. Umwuselt von in bunten Tüchern gehüllten und sehr geschäftigen Emigranten. Außer bei "Discordance" dominiert die Chansonettenstimme der Sängerin Belle de Berry die Musik der Paris Combo, eine Stimme, die immer etwas zickig wirkt und dabei dem spröden Charme dieser widersprüchlichen Stadt mehr als nur gerecht wird. Die CD "Motifs" erscheint wie das ziellose Objektiv einer nervösen Kamera, dass immer auf der Suche nach dem passenden Motiv überraschende Schnappschüsse einfängt.
E-Mail: über Management Marie Rebaud - marie.rebaud@free.fr
Karsten Rube


Xosé Manuel Budiño “Zume de Terra”
Label: Boa/Do Fol; 2004; Spielzeit: 56.37min
Anders als die schottischen Highlandpipes, deren Ursprung ein militärischer ist und die auch heute noch in der Lage sind größere Menschenmengen in die Flucht zu schlagen, erweist sich das galicische Pendant, die Gaita, als gefällig und zum Tanz animierend. Zwar ist auch Spaniens Dudelsack ein lauter, doch die Musiker, die ihn beherrschen, scheinen friedliebende Menschen zu sein. Xosé Manuel Budiño besitzt nicht nur einen äußerst sanften und friedfertigen Gesichtsausdruck, auch die Gaita, die er spielt klingt fröhlich und entspannt. Die dritte CD des Galiciers heißt "Zumé de Terra", was soviel wie "Saft der Erde" bedeutet. Seine Heimatverbundenheit findet sich in der Auswahl seiner Instrumente, den Klangcollagen aus den frühen vierziger Jahren und seinen Anleihen an traditionelle Weisen, die er in die Kompositionen seiner Stücke einfließen lässt, wieder. Der verstärkte Einsatz elektronischer Klangelemente verzerrt die traditionellen Elemente, wie Dudelsack, Bouzouki oder den Gesang Xesus de Vilardemouros' zu modernen Tanzstücken. Sara Taveres Gesang wiederum gelingt es, die nervöse Spannung einiger elektronisch überladener Momente zu brechen. Dann wird das Album nahezu handzahm und warmherzig. Die Vermischung von poppigen Soundexperimenten, Slowsongs fürs Herz und traditionell anmutenden Weisen, lässt den Hörer in eine Art Trance fallen, aus der er entspannt wieder auftaucht. Spaß hatten alle Musiker bei der Aufnahme der CD, wie sich beim Hören leicht feststellen lässt. Zum Beweis haben sie einen Bonustrack nachgeschoben, auf dem alle beteiligten Musiker und noch ein paar Freunde mitwirken. Es sind erstaunlich, wie viele bekannte Musiker zu hören sind. Die Schottin Karen Matheson gehört dazu, ebenso der galicische Gitarrist Marcos Teira, die Sängerin Uxia Senlle sowie Budiños langjährige musikalische Seelenverwandte Mercedes Peón. "Zumé de terra" ist ein Album, das beweist, dass in der galicischen Erde noch eine Menge Energie steckt, die musikalisch freigesetzt werden will.
Karsten Rube


Tunefish "... from Texas to Tipperary"
Label: Own; 2004; Spielzeit: 53.05 min
Der musikalische Schwerpunkt Tunefish's liegt in amerkanischem Cajun und Country-Blues, und das ist auch, wo der Gesang Ekhart Topps am meisten zu Hause ist. Neben diesen finden sich auf der CD auch englische und amerikanische Folksongs, bei der Gesang etwas schwach ist, und die irgendwie nicht auf die CD passen - das Album wäre konsistenter und überzeugender mit ausschliesslich Musik aus dem weiten Cajun-Feld, und würde sich auch besser absetzen von der Masse an Irish Folk CDs eingespielt von Deutschen.
Nebenbei findet sich auch ein etwas verloren wirkendes, jedoch hervorragend gespieltes Set irischer Tunes, das daran erinnert, dass Tunefish Anke Dammann am Akkordeon schon seit langer Zeit in der Wuppertaler irischen Folkszene aktiv ist. Dritter Tunefish ist Fiddlerin Bernadette Mullane.
Auch wenn das Album als gesamtes unzusammenhängend wirkt, ist doch klar, dass die Auswahl der Stücke sich ausschliesslich nach dem vielfältigen Geschmack der Tunefische richtet, und der Spass am Spielen ist offensichtlich.
Band/Musiker-Homepage: www.tunefish.org, Kontakt: info@tunefish.org
Michael Moll


Kaikai "Lebenszeichen"
Label: Trend Records; No. TCD0200469; 2004; Spielzeit: 67.11 min
Kaikai gehören zu den interessanten deutschen Folkbands. Ihre letzte CD, "Das Kalte Herz", ist vor vier Jahren erschienen, und von FolkWorld hoch gepriesen worden. Das Nachfolgewerk beitet wiederum ausschliesslich Stücke, die von Kaikai's Jochen Eßrich (plus ein Stück von Sven Puchelt) komponiert worden sind. Die Einflüsse der Musik kommen hauptsächlich aus Frankreich, mit Stücken wie Bourrée, An Dro oder Sercle Circassion, doch finden sich auch Stücke wie Zwiefacher, Mazurka, Polka und Walzer. Verglichen zur letzten CD hat "Lebenszeiche" kein Thema als solches, und ist bei weitem nicht so sehr ein Gesamtwerk, sondern eher eine Sammlung an Tanzmelodien. Ganze 13 Leute sind in Kaikai involviert, und sie bringen eine interessante Auswahl an Instrumenten zusammen - herauszuheben sind vor allem Drehleier, Uilleann Pipes, Akkordeon, Harfe, Hackbrett, Krummhorn, Flöten, Fiddle. Alle Stücke sind gut gespielt und angenehm anzuhören.
Band/Musiker-Homepage: www.kaikai-music.de, Kontakt: kaikai-music@web.de
Michael Moll


Drones & Bellows und Dragseth Duo "Hiimstoun"
Label: Go Danish Folk Music; No. GO0804; 2004; Spielzeit: 66.03 min
Eine Region, in der noch heute 5 verschiedene Sprachen gesprochen werden - wer hätte da an die deutsch-dänische Grenzregion gedacht? Inder Tat gibt es dort in einem Radius von 50km ganze fünf verschiedene Sprachen: Hochdänisch, Sønderjysk, Hochdeutsch, Friesisch und Plattdeutsch. Und trotz dieser babylonischen Sprachvielfalt leben die Leute friedlichzusammen, und können sich ohne Probleme verständigen.
Was für ein hervorragende Idee, diese fünf Sprachen zusammen auf einer CD zu verewigen. Mit diesem Ziel haben sich Drones & Bellows aus der deutsch-dänischen Grenzregion, eigentlich mehr bekannt durch deren schottische Musik, und das Dragseth Duo zusammengefunden. Die Lieder, in allen fünf Sprachen, sind zu einem grossen Teil geschrieben von den Musikern, meist mit typischen Themen der Region, teils basiert auf traditionellen norddeutsch-dänischen Melodien, aber teilweise auch auf Melodien aus dem anglo-irischen Raum. Ausserdem finden sich auch drei traditionelle Lieder wieder, z.B. das Anti-Kriegslied "Reise nach Jütland". Einige der Lieder haben Chanty-Charakter, es finden sich wunderschöne Adaptionen von Gedichten (z.B. Ströntistel). Einige wenige Balladen klingen vielleicht ein bisschen zu sehr nach Kinderliedern, rein vom Gesangsstil und Arrangierung her.
Nebenher finden sich auch einige schöne Instrumentalstücke mit viel Charakter. Die Instrumentierung ist interessant - Flöten, Konzertina, Geige, Akkordeon, selbst den Deutschen Dudelsack.
Alle Stücke dieses Albums haben eine hohe Qualität, einige sind wirkliche Juwelen. Ein sehr lohnenswertes Projekt, nicht nur kulturell interessant und einzigartig, aber auch eine höchst willkommene musikalische Ergänzung für jede Sammlung deutscher und dänischer Folkmusik.
Band/Musiker-Homepage: www.atelier-knortz.de/folkmusik.html
Michael Moll


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Zum Inhalt der FolkWorld Nr. 30

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 01/2005

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