Ausgabe 5 7/98

FolkWorld CD-Besprechungen

Lecker Sachen "... und der brennende CD-Brenner"
Label: Eigenverlag; Best. Nr. Vision Science Nr. 5; Spielzeit: 30.51 min
Hier ist sie endlich - die von den Fans lange erwartete erste CD der neuen Kultband Lecker Sachen. Diese CD, die in einer Auflage von nur 150 Exemplaren erschienen ist und somit wahrscheinlich heute schon vergriffen ist, soll aber nur ein Vorgeschmack für die engsten Fans sein auf die erste 'richtige' CD der Sachen.
Selbst nennen sie ihre Musik folkhippop; Lecker Sachen vermengen verschiedenste Musikstile wie Celtic Folk, Pop, Jazz, deutscher Rap und Hiphop - ohne daß sich das ganze beißt! Auf diesem Album finden sich alle Titel, die bisher auf ihren Demo-Cassetten erschienen sind - die Lieder Lecker Sachen, Ich lieb Dich Immer noch, Zurück An diesen Ort, Land in Sicht, Ich Nehm Dich mit. Ergänzt wird das ganze durch zwei spannende Instrumentaltitel, bei der Frontmann Markus Brachtendorf's Flöte in einer modernen und spannenden Arrangierung Erinnerungen an Ian Anderson weckt - dabei aber über den keltisch angehauchten Melodien auch der Klang eines Saxophones liegt.
Ich kenne eigentlich kaum eine deutsche Folkband, die so unverkrampft und ohne Hemmmungen sich an solch verschiedene Musikstile herannähert. Diese Fusionen - keltische Melodien, deutsche Hooklines, dazu ein cooles Saxophone mit viel Groove, dämliche Texte und geniale Instrumentaltitel - machen den großen Reiz von Lecker Sachen aus. Man muß schon musikalisch etwas offen sein, um das zu schätzen, was die Kölner Formation hervorbringt - auf jeden Fall steckt die Musik aber voller interessanter Ideen, und die Umsetzung dieser Ideen ist insgesamt sehr gut gelungen.
Erfreulich ist, daß Markus trotz überraschend großer Erfolge in Pop und Hiphop Wettbewerben (Vize Sieger des WDR Eins Live Hiphop Contest'98; NRW-Landessieger Deutscher Rock- und Poppreis '97) sich immer noch als Folkmusiker fühlt, und schon viele spannende Ideen hat, die Fans, die nichts mit Folk am Hut haben, zur Folkmusik zu brignen. Wir werden berichten...
Markus' Tel. 0221-9624-450 Fax 0221-9624-420
Michael Moll


Hibernians "Live"
Label: 7B Records; 980.401; Spielzeit: 50.13 min
Die neue CD der Hibernians hebt die Band aus der Rhein-Main-Region in die oberen Rangplätze der deutschen Irish Folk Bands. Eine gelungene Mischung aus schnellen und langsamen Liedern und Tunes haben Matthias Jung (Gesang, Gitarre), Marcus Metz (Gesang, Akkordeon, Gitarre, Mandoline, Bodhrán) und Nils Nolte (Gesang, Flöten, Gitarre, Mandoline) bei jenem Konzert am 13.12.97 gespielt und auf Silberling verewigt haben. (Die vierte 'Hibernian' Cordula Kolbe macht im Moment aus gesundheitlichen Gründen eine Pause.)
Unter den Liedern finden sich gut bekannte Folksongs wie 'Home away from Home' (Tommy Sands) und 'The Reason I left Mullingar', dann mit U2's 'Running to Stand Still' und Buffalo Tom's 'Frozen Lake' zwei Lieder, die eigentlich nicht zu Hibernians Bühnenprogramm gehören und an jenem Abend eher aus Versehen gesungen wurden, und schließlich - aha - eine Komposition aus Marcus' eigener Feder. Die vielen schönen Tage in Donegal inspirierten Marcus zu diesem wunderschönen melodischen Lied 'Homecoming'. Bei den Tunes - Airs, Reels, Polkas, Barndances - zeigen die Jungs, daß sie auch auf den Instrumenten allerhand schnelles und schönes zu Stande bringen.
Einziger Kritikpunkt an dieser ansonsten sehr gelungenen Scheibe: Die Ansagen, Geschichten und Scherze zwischen den (gut abgemischten) Liedern wurden nicht herausgeschnitten, und stören irgendwie dann doch den CD-Hörgenuß....
Hibernians' Homepage, Mailto Hiberninas' Marcus
Michael Moll


Rev Hammer "Freeborn John"
Cooking Vinyl; COOKCD111; 16 Tracks;Spielzeit: 47.51 min
Der englische Songwriter Rev Hammer erzählt - unterstützt von zahlreichen Gastmusikern - die Geschichte von John Lilburne (1615-1657), Wortführer der radikaldemokratischen "Levellers" im England des siebzehnten Jahrhunderts. Bekannt als "Freeborn John" trat er sein Leben lang für Meinungs- und Gewissensfreiheit ein. Dafür wurde er ausgepeitscht und an den Pranger gestellt (Phil Johnstone: "The Whipping Song"), wegen Hochverrats eingekerkert unter Karl I. (Maddy Prior: "Elizabeth's Great Gallop") als auch unter Oliver Cromwell (Eddi Reader: "Bonny Besses") und nach Flandern verbannt (Rev Hammer: "Exile"). Ebenfalls vertreten mit einem Stück ist natürlich auch die englische Folkrockband "The Levellers" ("Burford Stomp"). Musikalisch läßt sich das Werk nirgendwo richtig einordnen, Rev Hammer spielt mit allen musikalischen Genren. Meine Anspieltips sind die Ballade "England's New Chains" und das rockige "Commons of England". Ein Booklet enthält alle Texte sowie weitere Informationen.
Cooking Vinyl
Walkin' T:-)M


Robin Laing "The Angel's Share"
Greentrax; CDTRAX 137; 16 Tracks; Spielzeit: 41.10 min
Eine ganzes Album über Schottland's berühmtesten Exportartikel - Whiskey! Abgesehen davon, daß mir eine Idee geklaut wurde, ist eine nette Zusammenstellung herausgekommen. Robin Laing singt (und rezitiert) von der heilkräftigen Wirkung und den Freuden exzessiven Genusses des schottischen Lebenswassers, kirchlicher Mißbilligung und hohen Alkoholsteuern. Auf dem Album befinden sich altbekannte Lieder ("The Deil's Awa' wi' th' Exciseman"), unbekanntere traditionelle ("The Parish o' Dunkeld") und zeitgenössische Stücke ("Our Glens") als auch originales Material wie das hörenswerte "More Than Just A Dram". Man darf kein alkoholseliges Gegröhle erwarten, die Lieder sind eher ruhig. Robin Laing hat die Arrangements minimal gehalten, meistens nur Gesang und einfache Begleitung auf der Konzertgitarre. Meine Empfehlung: Sich mit einem Glas und der CD einen gemütlichen Abend machen.
Greentrax
Walkin' T:-)M


Leipziger Folksessions Vol.I "18 aus 48 - Das Beste von der Barrikade"
HeiDeck; HD 98-3; 18 Tracks; Spielzeit: 57.26 min
Am Anfang stand die Idee, Leipziger Folkmusiker/innen, die sich ansonsten musikalisch aus dem Wege gehen, zusammenzubringen und gemeinsam einige deutsche Volkslieder aufzunehmen. Und so entstand unter der Leitung von Jürgen Wolff (Duo Sonnenschirm) die erste Folge der Leipziger Folksessions mit - passend zum Jubiläum - Liedern der 1848er Revolution. Beteiligt sind Mitglieder von Bierfiedler, U.L.M.A.N. und anderen Leipziger Folkgruppen. Das Album enthält neben klassischen Stücken auch unbekannteres Material sowie mit neuer Musik versehene Texte. Herausgekommen sind einige hörenswerte Interpretionen - es klingt weniger nach spontaner Session, wie der Titel suggeriert, sondern ist wohl produziert im Studio -, die in verstaubtes deutsches Liedgut neues Leben einhauchen. Eine Fortsetzung der Sessions ist zu begrüßen.
HeiDeck
Walkin' T:-)M


Lunasa "Lunasa"
Lunasa; LSA001; 11 Tracks; Spielzeit: 46.32 min
"Lunasa" ist das Debut-Album der gleichnamigen, hochgejubelten irischen Band - "they remind me of a band I used to play with" (Matt Molloy, Ex-Bothy Band). Neue Gruppe, aber keine unbekannten Gesichter: Flötist Mike McGoldrick spielt bei Capercaille und Flook!, Uilleann-Piper John McSherry ist bekannt von Tamalin und der Donal Lunny Band, Bassist Trevor Hutchinson und Gitarrist Donogh Hennessey sind Mitglieder der Sharon Shannon Band und Fiddler Sean Smyth hat mit Steve Cooney and Donal Lunny gearbeitet. Das Album enthält größtenteils Live-Aufnahmen, die die Variationsbreite der Gruppe zeigen: Solospiel als auch komplexes Zusammenspiel und Improvisation über den Melodien, unterlegt von Gitarre und Bass. Neben den typischen Reels und Jigs finden sich bretonische Melodien, ein Klezmerstück und eine Gavotte. Im Gegensatz zu anderen traditionellen Bands werden die Instrumentalstücke nicht durch gelegentliche Lieder unterbrochen. Von der Hype um Lunasa sollte man sich nicht abschrecken lassen, die Gruppe ist eines der aufregendsten Ensemble derzeit, von dem man sich noch manches zu hören erhofft.
Lunasa's Own Label
Walkin' T:-)M


Narada Collection Series: "Celtic Legacy - A Global Celtic Journey"
Label: Narada; VNDCD 12 08361-63916-2-5; Spielzeit: 64:46min
Keltische Sampler sind im Augenblick bei verschiedenen Labeln wieder sehr in Mode, als Cover sind mystische Motive aus der Blütezeit der Kelten sehr beliebt - so auch bei Celtic Legacy, hier prangt der Steinkreis von Callanish mit einem bläulich violetten Hintergrund auf der Vorderseite.
Wie der Untertitel 'A Global Celtic Journey' schon aussagt führt uns Narada auf einem Streifzug durch verschiedenen Regionen in denen keltische (oder doch eben irische, schottische, etc.) Musik gespielt wird. So finden sich Gruppen aus Irland (u.a. Maire Breatnach, Deiseal und Altan), Belgien (Orion), Kanada (The Barra MacNeils, Natalie MacMaster), Wales (4 yn y Bar), Galizien (Milladoiro), Schottland (William Jackson, The Poozies), USA (Eileen Ivers) und der Bretagne (Dominig Bouchaud).
Die musikalische Mischung ist recht harmonisch, meist wurden eher ruhigere, sanfte und recht akustische Musik ausgesucht. Neuentdeckungen sind für mich die walisischen '4 yn y Bar' und die belgischen 'Orion'.
Was (wie so oft bei Samplern) etwas fehlt, sind etwas genauere Informationen über die Gruppen...
Christian Moll


Blackmore's Night "Shadow of the Moon"
Label:
Edel Records; edel 0099022WHE; Spielzeit: 62.61 min
Blackmore's Night ist das neueste Projekt von Ritchie Blackmore, einem der Gründungsmitglieder der bekannten Rockband Deep Purple. Ganz so unpassend we es zuerst erscheint, ist es aber nicht, dieses Album in FolkWorld zu besprechen - denn Blackmore's Night ist Ritchies Rennaissance-Hommage. So finden sich an Instrumenten neben (akustischen und elektrischen) Gitarren und Synthies eben auch Mandoline, Tamburin, Blockflöte, Trompete, Cello, sogar Krummhörner wieder.
Die Lieder, die alle von Ritchies Lebensgefährtin Candice Night mit heller, angenehmer Stimme gesungen werden, sind zum Teil aus Ritchies Feder, zum Teil aber auch traditionell, und haben alle irgendwo das 16. Jahrhundert als musikalisches Thema. Ein Folkfan kann auf dieser Scheibe schon etliches nach seinem Geschmacke finden. Die Arrangements sind oft gelungen, Blockflöte, Krummhorn, Trompete etc. geschickt in die eben doch etwas poppig klingenden Lieder eingewoben - einige Stellen haben mich gar an die gute alte Malicorne-Zeit erinnert! Jethro Tull's Ian Anderson hat sich mit seiner Flöte auch für ein Stück 'Play Ministrels Play' ins Studio eingefunden, und - um noch ein paar bekannte Lieder zu nennen - es finden sich u.a. Greensleeves und das aus dem Radio gut bekannte 'Wish You Were Here' auf der Scheibe.
Wenn man bedenkt, daß dieses Rennaissance-Folk-Pop-Album sich ganze 17 Wochen in den deutschen Charts aufhielt, dann ist man Ritchie und Candice dankbar, daß sie so vielen Leuten zumindest ansatzweise einmal gezeigt haben, wie schön doch traditionelle Musik mit traditionellen Instrumenten sein kann. Naja, gut, insgesamt ist die Musik eben doch sehr Radio- und Supermarkt-freundlich, und der normale Hörer wird gar nicht gemerkt haben, daß da irgendwo Folk drin steckt. Trotz allem - eine schöne Sache.
Edel Records; Blackmore's Homepage;
Michael Moll.


Extra Drai MC"Musik aus dem Okzident"
Label: Eigenverlag (Demo-MC)
Extra Drai sind irgendwo für mich schon eine Entdeckung. Die Band aus dem Rhein-Main-Raum spielen spannende Musik, die auf insbesondere französischen Musiktraditionen beruht. Die Instrumente der vier Musiker ergänzen sich wunderbar - Drehleier, diatonisches Akkordeon, Gitarre, Saxophon, Flöte, Dudelsack und mehr. Die Tunes der (leider ein wenig an der Aufnahmequalität leidenen) MC sind alle von Andreas Neumann geschrieben, und sprühen nur so von Energie und Lebensfreude - man merkt an der Musik, daß Extra Drai auch regelmäßig in Fest Noz und ähnlichem zum Tanze aufspielen. Ergänzt wird das Programm durch einige gelungene Lieder. Extra Drai - durchaus ein Name, den man sich merken sollte!
mailto Andreas Neumann
Michael Moll


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 7/98

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