In der letzten Ausgabe hatten wir unter dem Titel 'Jams' Norddeutsche Traditionen' mit Jo und Wolfgang über plattdeutsche Musiktraditionen geplaudert, jetzt geht es an die Substanz von Jams Musik:

FolkWorld Artikel von Michael & Christian Moll:

Deutschfolk zum Abrocken

Jams und ihr neuer alter Sound


Jo Meyer; photo by The MollisJams ist eine der bekanntesten deutschen Bands, und zurecht. Ihre musikalische Qualität ist und bleibt unbestritten, und in Live gehören sie ohne Zweifel zu den allerbesten, allerlebendigsten, allerfröhlichsten Acts, die die deutsche Folkszene hervorgebracht hat. Es ist schon seltsam, daß dann bei dem Konzert, wo wir dieses Interview geführt haben, im altetablierten Folkclub Iserlohn, gerade mal 15 Leute kamen. Aber das ist nun einmal das Problem vieler Folkbands - das Dasein des Propheten im eigenen Lande...

Aber kommen wir zu Jams' Musik. "Die Idee von Jams ist," denkt sich der relativ neue Jams-ling Wolfgang Meyering, "deutsche Tradition und Musik ein bißchen der volkstümlichen Musik zu entreißen, und eine Musik daraus zu kreieren, die unorthodox ist, aber durchaus tanzbar. Das ist Musik, die nicht für den Kopf gedacht ist, sondern für den Bauch und für die Füße. Aber eben Musik, die sich auf die deutschen Roots bezieht, die wir haben. Bei Jo und mir ist das hauptsächlich Norddeutschland, was aber nicht heißt, daß Jams bis in alle Zeiten wirklich nur Norddeutsche Sachen spielen wird."

Von deutscher Folklore wird oft gesagt, daß sie einfach zu kopflastig ist und sie die Leute nicht richtig dazu bringt, sich mit der Musik zu identifizieren. Jams möchten das vermeiden: "Auch wenn die Texte natürlich Inhalte haben, mit denen wir uns identifizieren, steht das nicht so im Vordergrund wie bei vielen anderen Bands; die Musik und die Live-Tauglichkeit der Musik ist uns unheimlich wichtig. Das liegt natürlich ein Stück weit auch daran, daß Jams schon seit Jahren in Berlin Tanzveranstaltungen macht, also richtig Volkstanz, aber eben nicht in Trachten oder so; die Leute kommen so, als wenn sie in die Disco wollten - und teilweise sehen die Leute auch so aus, als kämen sie gerade aus der Disco - einfach um zu tanzen, um zu schwofen, Leute zu treffen in einer angenehmen Atmosphäre und sich richtig abzutanzen, den Streß ein wenig zu vergessen und vielleicht auch in Bewegung umzusetzen, sich dabei zu entspannen und Spaß zu haben. Und diese Erfahrung von Tanzmusik, Gebrauchsmusik im weitesten Sinne, ist natürlich auch in unser Konzertprogramm eingeflossen: Sie geht tierisch nach vorne los, und ist wirklich dafür gedacht, wie Jo immer so schön sagt, das Publikum dazu zu bringen, den Boden zu verdichten. Es soll richtig abrocken, es soll richtig Spaß machen, es soll witzig sein."

Jams; photo by The MollisImmerhin 18 Jahre gibt es diese Band schon, die ihren Ursprung in der lebendigen Folkszene Ostberlins anfang der 80er Jahre fand. In ihren Anfängen haben Jams in allen möglichen Folk-Stilrichtungen herumexperimentiert: Irish Folk, im Zuge des Deutschfolk-Revivals auch derartiges, "aber eben auch auf der Suche nach Spaß", in allen möglichen Genres rumgewildert - Bluegrass, Klezmer, Balkan, Schwedisch etc.
Jo erinnert sich: "Und dann gab es einen richtigen Zwang für die Kapelle, als es die ersten internationalen Kontakte und Erfolge gab: Was für Jams - ursprünglich aus dem Osten kommend - also die Zäsur war, als die Grenze aufging und man auch woanders hinfahren konnte, da war uns eigentlich ganz klar: Wir konnten natürlich in Schweden nicht Polskas vorspielen, oder wir konnten den Engländern nicht Jigs vorspielen, oder so, also mußten wir anfangen, was Deutsches zu spielen."

Es gab aber noch einen anderen Antrieb: "Wir wollten uns vehement als praktisches Beispiel dagegen wehren, daß bestimmte Leute meinen: Ja die Iren die hätten's ja leicht, weil die hätten ja eine durchgängige Tradition und die müssen sich nur draufsetzen, und mit den Schweden und mit den Spaniern und mit den Italienern ist es ja ganz ähnlich - aber der Insider weiß: Es ist Quatsch, die haben alle genauso mühselig versucht, das, was irgendwo noch da war, zu greifen und mit Leben zu erfüllen." Nun wollten Jams es denen im Ausland nachmachen; aus einer gewissen Verantwortung heraus als Deutsche meinten sie, daß sie sich auch um deutsche Sachen kümmern müßten. Und wenn sie so etwas schon spielten, sollte Jams auch einen ganz eigenen, typischen Sound haben, und den hat Jams schon ziemlich lange - trotz diverser Line-Up-Umbesetzungen.

Jo Meyer; photo by The MollisDie neue Jams-Besetzung hat den Sound zwar durchaus verändert, aber ist sich doch treu geblieben. "Jams war ja eigentlich in den letzten Jahren dadurch bekannt geworden, daß es eine Instrumentalband war", erzählt Wolfgang. "Und als wir nun die ersten Songs aufgenommen haben, riefen Leute bei Jo an und haben gesagt: Sag mal, ich hab da ein Stück gehört, das klang wie Jams, aber da sangen welche - das kann doch nicht Jams gewesen sein! Das heißt, sie haben den Sound wiedererkannt, konnten ihn aber nicht zuordnen, weil die Texte dabei waren."

Daß Jams nun auch viele Lieder im Repertoire haben, liegt vor allem an dem Hinzutreffen von Wolfgang zur Band. Wolfgang singt schon seit einigen Jahren in anderen Bands - z.B. in der hervorragende Emdener Band Spillwark. Und für die anderen Jams-Mitglieder war klar, daß sie eigentlich singen wollten. "Das hat auch die jetzige Jamsformation zusammengeschweißt. Wir wollen den Jams-Sound, wir wollen zwar weiter diesen Weg gehen, aber wir wollen singen und das sogar auf Teufel komm raus. Und das brauchen wir heutzutage auch, um die Leute zu befriedigen."

Jams; photo by The Mollis"Fakt ist, daß wir wissen, daß wir Instrumentalmusik machen können, und daß die Leute uns auch deswegen mögen - und wir das ja auch weiterhin tun, weil wir Tanzmusik machen, aber für uns war ganz klar, wenn wir Konzerte spielen, wollen wir singen, und das tun wir und das tun wir vermehrt. Und das neue Programm wird von Liedern nur so wackeln, da könnt ihr einen drauf lassen."

Und daß es kein gutes deutsches Material gäbe, weisen Jams weit von sich: "Es gibt tolle Sachen, es gibt tolle Melodien, tolle Texte, man muß nur gucken. Genau wie die Schweden oder die Italiener das gemacht haben, die geforscht haben, archiviert haben. Es gibt in Deutschland auch Archive für Volkslieder und Volkstänze noch und nöcher, nur man muß was daraus machen, man muß Ideen haben. Man kann den Leuten das nicht mehr präsentieren wie vor 100 Jahren, man muß das modern und innovativ aufbereiten, und dann wollen die Leute das auch hören. Wenn wir bei Festivals spielen, kommen immer die Leute an: Wie - das geht auch? Viele Leute denken einfach: Das funktioniert nicht, aber es funktioniert!"


Line-Up:
Jo Meyer: Melodeon, Mandola, Vocals - Wolfgang Meyering: Mandola, Mandolin, Mandocaster, Vocals - Andreas Wieczorek: Sax, Percussion, Vocals - Holger Lattke: Sax, Clarinetes, Vocals - Michael 'Wki' Waterstradt: Double-Bass, Vocals - Snorre Schwartz: Drums, Vocals


Photo Credit: Alle Fotos The Mollis


Jams' letzte CD: Fisch
Auch empfohlen: Spillwark's neue Scheibe (mit Wolfgang Meyering) 'Sien Kurs' - in Englisch rezensiert in dieser Ausgabe

Weitere Infos/Kontakt für Buchungen: Jams' Website e-mail Jo Meyer.

Und - falls noch nicht geschehen - lese auch Teil 1 der Jams-Reihe, 'Jams' Norddeutsche Traditionen'


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