FolkWorld #53 03/2014

CD & DVD Rezensionen

Eva Curth "Nussknacker & Mausekönig"
Eigenverlag, 2013

FolkWorld Xmas

www.evacurth.de

Nachschlag zum Weihnachtsfest 2013: Die in Berlin lebende Harfenfee Eva Curth war Keyboarderin für Musicals wie "Cats", "Die Schöne und das Biest" und "Mamma Mia", sowie bis 2011 Harfenistin am Theater Potsdamer Platz. Seitdem widmet sie sich als Solistin und Kammermusikerin der Konzerttätigkeit und dem Unterricht in der ganzen Welt. Dazu gehört u.a. auch die Reanimation einer alten Tradition: das Storytelling, die Kunst des Erzählens. Hier das literarisch-musikalische Programm "Nussknacker und Mausekönig", ein weihnachtliches Kunstmärchen des romantischen Schriftstellers E.T.A. Hoffmann aus dem Jahre 1816 (nachzulesen im Projekt Gutenberg): Das Mädchen Marie bekommt einen hölzernen Nußknacker geschenkt, der in der Nacht zum Leben erwacht und mit den Zinnsoldaten von Maries Bruder in die Schlacht gegen die Armee des siebenköpfigen Mausekönigs zieht ... Selbst Märchensammler Wilhelm Grimm, dem Hoffmanns Werk mit all seinem Geist und Witz insgesamt widerwärtig war, fand Gefallen an der Erzählung; auf einer Bearbeitung durch den französischen Historienautor Alexandre Dumas basiert Peter Tschaikowskis populäres Ballett "Der Nussknacker".
Zwischen dem gesprochenen Wort interpretiert Eva Curth auf der Konzertharfe Musikstücke wie Mozarts "Adagio für Glasharmonika" und Tschaikowskis "Blumenwalzer", den spätmittelalterlichen "Coventry Carol" (vergleiche Aufnahmen von Loreena McKennit[38] oder den Irrlichtern[44]) und das gälische Weihnachtslied "Tàladh Chrìosda" (dt. Wiegenlied Christi) von den Hebrideninseln. Ich besitze noch eine uralte Musikkassette von Ralf Kleemann,[43] der dieses Stück vor rund 20 Jahren ebenfalls im Repertoire hatte, das besser unter dem Titel "Christ Child Lullaby" bekannt ist.[35][38][41][49] Eva Curth lotet dabei alle Schattierungen und Tönungen aus, zu denen das Zupfinstrument Harfe fähig ist. Irgendwann an den Feiertagen, wenn alles zur Ruhe gekommen ist, werden sich sicherlich meine Wenigkeit und meine Familie am geschmückten Tannenbaum gemütlich machen, um den Worten und Klängen von Hoffmann und Curth zu lauschen. Es gibt kaum Sinnvolleres, um sich an Weihnachten die Zeit zu vertreiben.
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Nua "Head Full of Dreams"
Liekedeler, 2013

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www.nuamusic.de

Aus dem Münsterland kommt das Quartett Nua. Nicht ganz, seit neuestem ist Catriona Price von den weit entfernten Orkney-Inseln die Geigerin des deutschen Irish-Trad-Quartetts. Die uns vom Debütalbum "Both Sides"[44] bekannten Gesichter sind Sängerin und Bodhránistin Michaela Grüß, Flötist Steffen Gabriel und Bouzoukispieler Tobias Kurig (Déirin Dé,[24] Blue,[34] Emily Spiers Band).[43] Als Gast ist Andrew Laking am Kontrabass zu finden.[45] Catriona Price hat einen großen Einfluss auf die Liedauswahl gehabt: "The Great Selkie O' Suleskerry" ist ein bekanntes Lied von den Orkneys, ihr eigenes "Head Full Of Dreams" basiert auf heimischer Folklore (Assipattle and the Muckle Mester Stoor Worm). Dazu kommen Beiträge von Dougie MacLean und Thom Moore, sowie die Child-Ballade (#13) "Who Put The Blood?" (besser bekannt unter dem Namen "Edward"). Am stärksten sind die Instrumentalstücke. Auch hier drückt Catriona Price dem Bandsound ihren schottischen Stempel auf. Drei Tunes stammen aus ihrer Feder (andere Komponisten sind beispielsweise Gordon Duncan, Ivan Drever und Mattheu Watson). Aber auch Steffen Gabriel wird instrumental immer besser, und Tobias Kurig macht mächtigen Druck mit seiner Bass-Bouzouki. Beogas[46] Niamh Dunne[52] lobt denn auch im Klappentext Nuas Sensitivität und Verständnis, und es schmeichelt irgendwie, dass sich nun schon Schotten und Iren (z.B. bei Cara)[52] deutschen Folkgruppen anschließen.
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Stoppok solo "Auf Sendung" [CD & DVD]
Grundsound, 2013

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www.stoppok.de

Unlängst erhielt Stefan Stoppok[41] den Deutschen Musikautorenpreis im Bereich Pop-Text, und wenigstens da war die GEMA mal für etwas gut. Man kennt den Deutschrocker mit Band und Solo. So sagt er selbst: Ich spiele solo, weil ich es kann. Gut solo zu sein, ist Voraussetzung für eine gute Partnerschaft. Wie im normalen Leben. Und so kam es, dass der 57-jährige sich an zwei heißen Augusttagen in das traditionsreiche, 1966 gegründete Studio-Nord-Bremen setzte, um sich herum ein Arsenal an akustischen und elektrisch verstärkten Saiteninstrumenten und eine Bass-Cajon, die er mit dem Fuß schlägt. Die Aufnahmeknöpfe wurden gedrückt (der Ton analog, das Bild digital, aber in schwarz-weiß) und Stoppok musizierte völlig relaxt einfach drauf los. Das Ergebnis kann sich hören und sehen lassen: 17 Stoppok-Klassiker auf der DVD, 13 Stücke davon auf der CD, eine bunte Mischung aus Blues, Folk und Ragtime. Bei der Ballade "Leise" ist er nicht ganz so allein, sondern wird von der Soul-Sängerin Astrid North begleitet; "Schwafel nicht" wird vom Poprocker Ingo Pohlmann unterstützt. Und dann gibt es auch noch einen bislang unveröffentlichte Song ("Alles klar"): Wenn Du mich fragst, röhrt Stoppok, bei mir ist alles klar. Gut zu wissen, wir sind gespannt auf weiteres!
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Dikanda "Live in Zakopane" [DVD Video]
Vertrieb: Jaro Medien, 2013

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www.dikanda.com

Wie oft habe ich eigentlich schon die polnische Weltmusikformation Dikanda,[22][38] die sich auf die Melodien und Rhythmen des Balkans spezialisiert hat, schon live und in Farbe auf einer Bühne gesehen? Erst im Sommer 2013 auf dem Klesmerfestival in Salzgitter, im Jahr davor in der Michaeliskirche in Braunschweig, 2010 im Ostklub in Wien,[41] und 2009 auf dem Hildesheimer Folk'n'Fusion-Festival.[38] Ganz unterschiedliche Örtlichkeiten, die gemeinsam haben, dass die 1997 gegründete Stettiner Band nach einem schweißtreibenden, zwei- bis dreistündigen Konzert ein vor Glück strahlendes Publikum hinterlassen hat. (Und das soll bei Wienern oder Braunschweigern manchmal schon etwas heißen!) Und nun gibt es - zumindest auf Video - ein Konzert vom 1. Februar 2013 aus dem Witkiewicz-Theater im südpolnischen Zakopane, Hauptstadt der Tatra und Winterhauptstadt Polens. Die brilliante, höchst professionelle DVD-Produktion zeigt Frontfrau, Sängerin und Akkordeonistin Anna Witczak hochschwanger über die Bühne toben. Gesangliche Unterstützung erhält sie von Katarzyna Bogusz, die sich seit nicht ganz zehn Jahren ins Ensemble eingefügt und die vokale Bandbreite erheblich erweitert hat, und der Geigerin Katarzyna Dziubak, deren sinnlicher Bauchtanz immer ein Konzerthöhepunkt ist. Dazu kommen Piotr Rejdak (Akustikgitarre), Grzegorz Kolbrecki (Kontrabass) und Daniel Kaczmarczyk (Perkussion), sowie als Gäste Andrzej Jarzabek (Geige, einstige Schwangerschaftsvertretung für Kasia Dziubak), Krzysztof Czech (Geige), Pawel Trebunia-Tutka (Viola) und Szymon Bobrowski (Trompete). Die 19 Stücke auf 2 DVDs bieten einen guten Querschnitt über das bisheriges Schaffen - vom dramatischen Romalied "Ederlezi" über das bekannte serbische Volkslied "Ajde Jano" bis zu schwungvollen Tänzen. Ein paar neue Stücke geben einen Vorgeschmack auf das noch dieses Jahr erscheinende neue Album. Und Dikanda ist das ganze Jahr 2014 über in Deutschland unterwegs, da können wir nur den guten Rat geben: Hingehen! Tanzen! Singen! Abfeiern! Sich die DVD zulegen!
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Väsen "Mindset"
NorthSide, 2013

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www.vasen.se

Das schwedische Trio Väsen[13] hat in bald 25 Jahren ihres Bestehen nach "Linnaeus Väsen"[34] und "Väsen Street"[41] ihr zehntes Album veröffentlicht, und bei Mikael Marin (5-saitige Viola),[35][47][52] Olov Johansson (Nyckelharpa)[33][52] und Roger Tallroth (12-saitige Gitarre) ist keine Spur von Traurigkeit oder Müdigkeit zu entdecken. Im Gegenteil, "Mindset" strotzt vor Energie und enthält eine abwechslungsreiche Kollektion von Polskas, Walzern und Märschen (allesamt vom Trio komponiert): Olov Johansson hat die "Polska for Tom Morrow" für den Dervish-Fiddler verfasst, eine nordisch-keltische Fusion in Moll; Roger Tallroths "Pilvi & Eskos Brudvals" ist ein anmutiger Hochzeitswalzer für den finnischen Geiger Esko Järvelä nebst Gattin.[52] Väsen musiziert virtuos ohne Netz und doppelten Boden. Ein Wall of Sound, der dennoch nicht erschlägt, sondern klar und transparent bleibt.
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Oliver Rajamani "Texas Gypsy Fire"
Jaro Medien, 2013

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www.oliverrajamani.com

Ein bißchen Geschichtskunde zu Beginn: Der Böhme Jaromír Vejvoda komponierte 1927 die "Modřanská Polka", Václav 'Vašek' Zeman schrieb 1932 einen tschechischen Text dazu, Klaus S. Richter verfasste 1934 einen deutschen Text mit dem Titel "Rosamunde". Das Lied wurde zum zweiten Millionenseller der deutschen Musikindustrie nach dem Soldatenlied "Lili Marleen" (z.B. als "Beer Barrel Polka" von den Andrews Sisters) und trat einen weltweiten Siegeszug an. In den USA steht "Rosamunde" für German Gemuetlichkeit par excellence.
Und nun hat sich ausgerechnet ein in Indien geborener Texaner des Stückes angenommen und zu einem Stück indifizierten Americana gemacht. Oliver Rajamani wurde in Tamil Nadu geboren und wuchs in der großen indischen Community in Texas auf. Der Weltmusiker hat bereits eine lange Musikkarriere hinter sich, hier ist er bekannt als musikalischer Begleiter des Kinderbuchautors Paul Maar. Sein "Texas Gypsy Fire" nun ist ein extravaganter Mix aus Bollywood und Country & Western: Balkanmusik, Flamenco der andalusischen Gypsies, und damit schließt sich der Kreis, haben die Sinti und Roma schließlich ihren historischen Urspung in Indien. Rajamani selbst spielt Flamenco-Gitarre, Stromgitarre, Mandoline, Sarod, Sitar, Oud, u.v.m., unterstützt von texanischen Musikern in Cowboyhüten, u.a. Willie Nelson höchstpersönlich,[51] Dale Watson, Slide-Gitarristin Cindy Cashdollar, der deutschen Roma-Sängerin Dotschy Reinhardt[48] und dem ungarischen Cimbalonvirtuosen Kálmán Balogh.[35] All diese musikalischen Einflüsse und alle Mitstreiter verschmelzen zu einer Einheit. Nichts wirkt aufgesetzt oder fehl am Platz. So unaufdringlich Oliver Rajamanis Album daherkommt, ist "Texas Gypsy Fire" eines der großen Weltmusik-Alben des Jahres 2013.
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Various Artists "The Leitrim Equation3"
Leitrim County Council Arts Office, 2013

www.leitrimequation.ie

English CD Review

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Im Jahre 2006 rief das Leitrim County Council Arts Office (Leitrim liegt im Nordwesten Irlands) ein Programm namens "The Leitrim Equation" ins Leben. Die Idee war, eine irische Trad-Band ein Jahr lang durch die Grafschaft reisen zu lassen, lokale Musiker zu treffen und mit ihnen zu musizieren. Am Projektende sollte gemeinsam eine CD aufgenommen werden. Lúnasa[39] war die erste Gruppe, gefolgt von Dervish. Die bislang letzte Formation bestand aus Bouzoukispieler/Produzent Dónal Lunny,[51] Geiger/Banjospieler John Carty und Sänger/Akkordeonist Séamus Begley.[48] Im Unterschied zu früher hatten die Drei nur einmal zuvor zusammengespielt und wurden erst im Laufe des Prozesses zu einer Band. Wie sie selbst sagen: Der Plan war, dass, obwohl wir als individuelle Musiker begannen, die Zeit in Leitrim es uns ermöglichen würde, einen kollektiven Sound hervorzubringen - ein Leitrim Equation3-Sound. Ob dies gelungen ist, muss der Bewertung jeden einzelnen überlassen werden. Jedenfalls enthält "The Leitrim Equation3" eine Auswahl von Melodien, die von Komponisten aus Leitrim (oder irgendwie damit verbunden) verfasst worden sind. Das Spektrum reicht vom Barockharfenisten Turlough O'Carolan[20] ("Sí Bheag Sí Mhór", "O'Carolan’s Dream") bis zu den noch quicklebendigen Geigern Charlie[34] ("Ríl An Spídéil / The Twelve Pins / Kilty Town") und Maurice Lennon[51] ("The Humours Of Glenanniff / A Tribute To Larry Reynolds"). Séamus, John und Donal komponierten "Ava’s Lovely Leitrim Smile", eine Barndance-Version des bekannten Liedes "Lovely Leitrim". Und natürlich ist auch Gesang mit von der Partie, Séamus Begley singt "Kitty From Ballinamore" und das gälisch-sprachige "Plúirín na mBan Donn Óg", Gast Joe Connolly "My Own Leitrim Home". Mehr als ein dutzend weitere Musiker aus Leitrim leisten ihren Beitrag; neben den beiden schon genannten Lennons sind auch Geiger Ben Lennon[37] und Flötist Dave Sheridan[44] keine Unbekannten.
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Mórga "For the Sake of Auld Decency"
Own Label , 2013

English CD Review

www.morga.ie

Die Band Mórga (deutsch: majestätisch) wurde 2008 vom dänischen Banjospieler Jonas Fromseier (Arcady #3),[35] Geiger Danny Diamond und Flötist und Bodhrán Dominic Keogh (Gavin Whelan Band, Niamh Ni Charra Band),[51] ins Leben gerufen. Nach einer Spielpause hat Akkordeonist David Munnelly[48] Barry Brady ersetzt, und das zweite Album der Band knüpft nahtlos an den Vorgänger aus dem Jahre 2009 an.[40] So jung wie die Bandmitglieder auch sind, das musikalische Interesse auf "For the Sake of Auld Decency" liegt beim De Dannan-Sound der 1970er Jahre (Jonas Fromseier wurde durch Alec Finn inspiriert, sich der Griechischen Bouzouki zu widmen) einerseits und den großen irisch-amerikanischen Bands der 1920er Jahre andererseits. Danny Diamond kann einen großen Beitrag dazu leisten, hat er doch fünf Jahre lang im Irish Traditional Music Archive in Dublin an deren Sammlung von Feldaufnahmen gearbeitet. Aber Mórga ist nicht nur im Klangbild rückwärtsgewand, sondern hat auch ein Geschmäckle für ungewöhnliche Melodien: der Slide "The Chicken That Made the Soup", John J. Kimmels "Fitzmaurice’s Polka", der Fling "Up the Hill of Down" von den Flanagan Brothers, der Old-Time-Tune "Birdie", Thomas Moores "Believe Me, If All Those Endearing Young Charms", ein Lament, Schottische ... Also alles da, einzig Jigs und Reels sind unterrepräsentiert. Aber das ist nicht weiter schlimm, Fast Food kann überall konsumiert werden, hier ist doch der Ort für Leckerbissen, die auf der Zunge zergehen.
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Alasdair Fraser and Natalie Haas "Abundance"
Culburnie/Greentrax, 2013

English CD Review

www.alasdairfraser.com
www.nataliehaas.com

Der schottische Geiger Alasdair Fraser pflegt seit Jahren klanglich eine der ungewöhnlichsten Kombinationen, die in der keltischen Musik denkbar ist. Zusammen mit der amerikanischen Cellistin Nathalie Haas hat er eine Anzahl von Alben aufgenommen.[29][45] Und auch auf Album Nummer 4 gibt es noch Neues zu entdecken; die Möglichkeiten, Geige und Cello zu kombinieren und in der traditionellen irisch-schottischen Musik zum Klingen zu bringen, sind offenbar nahezu unendlich. Wer hätte das vermutet!? Die eine Hälfte der CD ist traditionellen schottischen Reels und Strathspeys gewidmet, sowie dem wunderschönen Slow Air "Braes of Locheil", ursprünglich ein altes gälisches Liebeslied. Die andere Hälfte der Aufnahmen besteht aus Alistairs eigenen Kompositionen, erwähnenswert insbesondere eine fünf-teilige Suite für die tanzbegeisterte Connie Muir, "Connie Suite", deren einzelne Teile jeweils einer anderen Tanzform entspricht: Slow Reel, Jig, Walzer, Strathspey, Reel. Sehr schön auch der Slow Reel "Farley Bridge" aus Duncan Chisholms "Strathglass"-Trilogie.[53] Geige und Cello stehen im Zentrum, Instrumente wie Akkordeon (Donald Shaw),[52] Klavier (Hanneke Cassel)[43] und Perkussion (James MacIntosh),[41] aber auch Posauen und Trompete werden nur sparsam als Farbtupfer eingesetzt. Und so wird wohl noch länger Alistairs Bogen über die vier Saiten seiner Geige tanzen, Nathalies Cello düster und ahnungsvoll streichen und zupfen, bis die Spannung nahezu unerträglich wird und gemeinsam Melodie und Rhythmus angegangen werden und zu neuen musikalischen Ufern aufgebrochen wird.
P.S.: Bei Homespun Tapes (www.homespuntapes.com) ist die DVD "Grooves, Rhythms and Accompaniment Techniques for Celtic Cello" erschienen, auf der Natalie Haas - sekundiert von Alasdair Fraser und Darol Anger - mit Hilfe einer Vielzahl von Übungen und Tunes, Akkorden und Grooves erläutert, wie Cellisten Melodieinstrumente in der keltischen Musik begleiten und unterstützen können.
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Emily Smith "Echoes"
White Fall Records, 2014

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www.emilysmith.org

Als die schottische Sängerin, Pianistin und Akkordeonspielerin Emily Smith ihre musikalische Karriere begann, war ich anfangs schwer begeistert.[27][31][36][41] Zwischendurch kühlte sich die Leidenschaft etwas ab, abgesehen von einzelnen großartigen Titeln enthielten die Alben viel Material, das nicht meinem persönlichen Geschmack entsprach.[45] Im vergangenen Jahr ließ mich ihre Best-Of-Kompilation "Ten Years"[51] wieder aufhorchen und erkennen, mit was für einer großartigen Künstlerin wir es zu tun haben. Auf ihrem neuen und fünften Album "Echoes" hat Emily Smith so gut wie nichts falsch gemacht, vielleicht weil sie ausschließlich auf traditionelles Liedgut setzt. "King Orpheo" (der seine Gattin aus der Hand der Elfen rettet) und "Twa Sisters" (eine Schwester ertränkt die andere) sind populäre Titel, Stücke wie "Reres Hill" (er verführt sie), das einst Mary Black als "Rare's Hill" gesungen hat und von den Old Blind Dogs wiederbelebt wurde,[19] bekommt man seltener zu hören. Zum Schluss kommt noch ein Highlight: eine schlichte Version von "John O'Dreams", Bill Caddicks Sandmännchen-Text auf eine betörende Melodie aus Tschaikowskis 6. Symphonie, die der romantische Komponist selbst der russischen oder italienischen Folklore entlehnt haben soll. Neben ihrer üblichen Begleitband - Geiger Jamie McClennan,[40] Gitarrist Matheu Watson,[50] Bassist Ross Hamilton und Perkussionist Signy Jakobsdottir - haben sich keine Geringeren als Jerry Douglas, Aoife O'Donovan, Kris Drever, Tim Edey und Natalie Haas ins Studio bemüht, was sich wohl darauf zurückführen lässt, dass Emily Smith im vergangenen Jahr mit den Transatlantic Sessions tourte. Applaus, Applaus!
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Pádraig Rynne "Notify"
Eigenverlag, 2013

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www.padraigrynne.com

Pádraig Rynne ist ein junger, ambitionierter Konzertinaspieler aus dem westirischen County Clare, der mit der Gruppe Guidewires spielt,[40] eine CD mit Sylvain Barou und Donal Lunny aufgenommen hat,[51] aber auch vor Jahren schon mit einem Soloalbum glänzte.[32] Im Augenblick stellt er mit Gitarrist Paul McSherry (Lunasa), Piper John McSherry und Keyboarder Graham Henderson (Moving Hearts) eine neue Band namens Dyne auf die Beine.

"Notify" zeigt den Ausnahmekünstler am sechsseitigen Handzuginstrument nun von einer ganz anderen Seite. Alle Melodien wurden von Pádraig selbst komponiert. Die würden sich in jeder Irish Trad Session wohl fühlen, Pádraig hat aber den Focus nicht auf die Konzertina, sondern die Musik, die sie umgibt, gelegt. Und diese wird man eher auf den Tanzflächen in Clubs und Discos finden. Tyler Duncan and Mike Shimmin, die zusammen mit Piper John McSherry in The Olllam spielen,[50] erzeugen allerlei Geräusche und Geräuschkulissen auf Computer, Stromgitarre und Schlagzeug. Joe Dart spielt E-Bass und Jeremy Kittel[42] Geige (letzter ist nur Studiogast und gehört nicht der Tourband an, ist aber zusammen mit Notify und Popsängerin Michelle Chamuel bei dem kommenden Trad/Pop/Funk-Ensemble Atlantic I/O mit von der Partie, die im Juni 2014 auf Tour sein wird). Diejenigen, die schon immer über die Konzertina ihre Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, können ganz neue Klänge entdecken. Für das Instrument ist "Notify" ein revolutionäres Album; es ist interessant, und erreicht sein Ziel öfter als dass es vom Weg abkommt. Puristen seien jedoch gewarnt!

»Ich denke, wir nähern uns dem Wellenkamm einer Veränderung in der irischen Musik. Wenn man Gruppen wie The Olllam[50] oder Kan[48] betrachtet, wird man feststellen, dass nur ein Mitglied irisch ist und der Rest aus anderen Regionen und musikalischen Hintergründen stammt. Es ist möglicherweise diese Fusion, die ihnen ihre neue Sounds gegeben hat. Ja, sie benutzen Melodien in ähnlichen Metren wie irische Musik (jedenfalls die meiste Zeit) und die Tonleitern bleiben ähnlich, aber die Arrangements sind nicht vereinbar mit irischer Musik und irischen Bands wie es in der Vergangenheit gewesen ist.« (Pádraig Rynne)

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Duncan Chisholm "Live at Celtic Connections"
Copperfish Records, 2013

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www.duncanchisholm.com

Als ich vergangenes Jahr beim dänischen T&slash;nder Festival gewesen bin,[52] begeisterte mich der Auftritt des schottischen Geigers Duncan Chisholm (Wolfstone, Julie Fowlis Band) am meisten. Es war eine der abwechslungsreichsten Stunden an diesem nicht an Sensationen armen Augustwochenende; Duncan Chisholm führte mit seiner Fiddle, begleitet nur von der akustischen Gitarre, von Melancholie bis Lebenslust durch alle menschlichen Emotionen. Das Programm entstammte seinem dreiteiligen Musikzyklus "Strathglass", ein musikalischer Roadtrip durch das gleichnamige Tal in den schottischen Highlands, in dem die Chisholm-Familie seit 700 Jahren beheimatet ist.[37][42][49] Die sechs-jährige Arbeit an dieser Trilogie verlangte nach einem gebührenden Abschluss, und dieser fand sich mit einer Aufführung in der Glasgower Kelvingrove Art Gallery während des Celtic Connections Festival im Januar 2013. Duncan stand einem sechsköpfigen traditionellen Ensemble vor - Jarlath Henderson (Uilleann Pipes, Whistles),[36] Matheu Watson (Gitarre),[50] Allan Henderson (Piano),[29] Martin O'Neill Bodhran),[50] Ross Hamilton (Bass) -; Greg Lawson dirigierte dazu ein 20-Mann-starkes Orchester bestehend aus Saiten- und Blasinstrumenten, welches den cinematischen Eindruck des ambitionierten Werkes noch verstärkt. Duncan Chisholm und seine Mitstreiter wandeln zwischen eindringlichen, raffinierten Weisen und schmissigen, flotten Nummern. Selbst auf Konserve stellen sich Gänsehaut-erzeugende Momente ein, das Publikum in Glasgow riss es schon in der Mitte des Konzertes von den Sitzen und es gab stehende Ovationen. Respekt!
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Doolin "Live in Lorient"
Own label, 2013

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www.doolin.fr

Ja, auch die Franzosen sind in der Lage, einen entscheidenden Beitrag zur (traditionellen) irischen Musik zu leisten. Das ist keine Neuigkeit, insbesondere bei der Band, die hier besprochen werden soll, Doolin,[45] benannt nach dem musikalischen Mekka im Westen Irlands.[40] Die französische Irish-Trad-Band besteht aus Wilfried Besse (Akkordeon, Gesang), Guilhem Cavaille (Geige), Jacob Fournel (Flöte), Nicolas Besse (Gitarre), Sébastien Saunié (Bass) und Josselin Fournel (Bodhrán). Zur Liedauswahl des Konzertes im August 2012 auf dem 42. Festival Interceltique de Lorient[49] hat Wilfried Besse seine Eigenkomposition "A Night At The Galway" beigesteuert. Dazu kommen bekannte irische Folk-Traditionals wie "When We Will Be Married", "Rocky Road To Dublin" und "As I Roved Out". Letztere gefallen mir besser als Doolins originale Lieder, aber das ist sicherlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Bei den Instrumental-Sets gibt es nichts zu meckern. Neben traditionellen Stücken hat sich das Sextett Gordon Duncans "Pressed for Time" angenommen, Jacob Fournel hat Polkas verfasst, eine Mazurka stammt von Nicolas Besse. Und zu einem guten Livekonzert gehört natürlich auch ein erquickliches Bodhrán-Solo.
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"The Journey So Far – The Best of Loreena McKennitt"
Quinlan Road Music, 2014

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www.quinlanroad.com

Die erfolgreiche kanadische Sängerin und Harfenistin Loreena McKennitt[12][38][39] feiert in 2014 ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum und hat dazu eine Rückschau auf ihr Schaffen veröffentlicht. 12 Stücke - vom allerersten Album "Elemental" (1985) stammt die William-Butler-Yeats-Adaptation "Stolen Child", und mit "Down by the Sally Gardens" vom Album "The Wind that Shakes the Barley" (2010), ein anderer Yeats-Titel, schließt sich der Kreis. Die Auswahl enthält die wichtigsten Titel - von "Dante’s Prayer" und "The Mummers‘ Dance" bis zu "The Mystic’s Dream". Die 1957 geborene Kanadierin mit irischen und schottischen Vorfahren singt mit einem glockenklaren Sopran. Musikalisch trifft keltische Melodik auf orientalische Rhythmik. Sie laviert dabei auf einem schmalen Grat zwischen Mystik und New Age einerseits und Weltmusik und Ethno-Pop andererseits. Die bunte Mischung ist eklektisch, aber durchaus überzeugend und aus einem Guss. Manches mag ich, anderes empfinde ich als zu sehr dem musikalischen Mainstream verpflichtet. Was mich speziell für diese Sammlung einnimmt, ist die Live-Aufnahme von "Dark Night of the Soul". Die Deluxe-Edition von "The Journey So Far" enthält nämlich eine Bonus-CD mit neun Live-Aufnahmen aus der Zitadelle Mainz 2012; die Stadt, in der auch "Troubadours On The Rhine" aufgenommen worden war.[48] "Dark Night" ist das von ihr vertonte Gedicht des spanischen Karmeliters San Juan de la Cruz (1542-1591). Es ist schon immer mein Lieblingsstück von Loreena McKennitt gewesen und befand sich irgendwann in den 1990er-Jahren im Repertoire meiner damaligen Band. Ich hatte es fast vergessen, vielen Dank für die Erinnerung, und genau das ist unter anderem ja auch Sinn und Zweck einer Retrospektive.
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Marga Muzika "Marga Muzika"
Beste! Unterhaltung, 2014

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www.margamuzika.com

Die litauische Weltmusikformation Marga Muzika ist im Jahre 2009 gegründet worden. 2013 war sie Gast auf dem Nürnberger Bardentreffen,[52] und im vergangenen Jahr ist auch ihr gleichnamiges Debütalbum erschienen, das 2014 in Deutschland veröffentlicht wird. Das Quartett bestehend aus Sackpfeife, Flöte, Mandoline und Cello, sowie Gitarre, Bass und Schlagzeug, ist nicht nur Kenner & Könner der archaischen polyphonen Gesänge Litauens,[41] den sogenannten Sutartinės, sie kreieren zudem einen modernen, zeitgemäßen nu folk Sound. Marga Muzika spielt aber nicht nur Musik vom Baltikum, hier das bekannte litauische Volkslied "Raselė" oder der mythische lettische Folksong "Sen Dzirdeju" mit litauischer Polyphonie versehen, sondern - und das erinnert an die polnische Formation Dikanda[53] - sieht sich im gesamten ost- und südost-europäischen Raum um: "Sto i po moru" und "Jurja" sind weissrussische Volkslieder, "Lipka" kommt aus Polen und "Sareri hovin mernem" aus Armenien, "Dyngylday" schließlich ist ein Traditional aus der zur Russischen Föderation gehörenden autonomen Republik Tuwa im südlichen Sibirien, komplett mit Obertongesang. Der Bandname bedeutet im Litauischen so viel wie Abwechslungsreiche Musik, und trefflicher kann man sich kaum benennen.
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Livonia "Runenspiel"
Unit Records, 2014

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www.livonia.cc

Die diesjährige Europäische Kulturhauptstadt ist die lettische Hauptstadt Riga,[53] wo wie in allen drei baltischen Staaten die Kunst des Gesanges gepflegt wird; und der spezifische Musikbeitrag des Baltikums zur europäischen Folklore ist das Runenlied, der archaische Regilaul.[52] Eine andere Musikhauptstadt ist Wien, wohin es die gebürtige Estin, Sängerin und Geigerin Svea Juckum verschlagen hat, und mit österreichischen Musikern - Roland Bentz (2. Geige), Stefanie Zieser (Flöte), Josef Wagner (Bass) und Rainer Deixler (Schlagzeug) - streift sie durch die Welt nordisch-baltischer Klänge. Der Bandname bezieht sich dabei auf das Meistertum Livland (lateinisch Livonia) des Deutschordensstaates im Baltikum. Das Wiener Quintett verbindet traditionelles Liedgut und die einfachen, aber eindringlichen Melodien und Rhythmen mit einer zeitgemäßen und modernen Interpretation - geschuldet den unterschiedlichen musikalischen Backgrounds der Mitmusiker. Das Resultat ist ein Ethno-Pop-Rock, der frisch und unbefangen daherkommt. Die Esten sind ein Volk des Gesanges, und das ist auch im Land der Wiener Klassik, der Schrammelmusik und des Dudlers[53] gut aufgehoben.
© Walkin' T:-)M


Hiss "Das Gesetz der Prärie"
Eigenverlag, 2013

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www.hiss.net

Ich suchte Gold und grub nach Silber, und was ich fand, hab‘ ich verzockt. Ich klaute Pferde, ich klaute Rinder, und bin in mehr als einem Knast gehockt. Ich hab‘ verprasst, ich hab‘ verschwendet, und ich schlief im Dreck bei dem Vieh. Ja, man kann eine Schwäche für den Wilden Westen haben, ohne gleich in debile Rhythmen & Reime a la Hoppe Reiter zu verfallen (siehe Kurzrezension unten). Stefan Hiss und seine Bande sind jedenfalls meilenweit entfernt von Ballermann und Musikantenstadl unterwegs.[32][38] Vor fünf Jahren waren wir noch "Zeugen des Verfalls",[38] nun ist die mehrjährige Studioabstinenz der schwäbischen Polka-Formation überwunden. Und auch wenn man sich schon mal gefährlich nah auf dem schmalen Grat zum deutschen Schlager bewegt, sind die Herren Hiss, Roth, Grollmus, Schuh und Öhlenschläger nicht auf Koks, sondern gegen achtzig Prozent aller Leiden helfen Bier und Wurst und Tanzmusik. Sie twisten in der Taiga und tanzen die Schleierpolka. Begrabt mich bloß nicht in der Heimat sinnt Stefan Hiss am Ende, und das darf wohl heißen, dass die Reise weitergeht!
© Walkin' T:-)M


Hiss "Das Gesetz der Prärie"
Eigenverlag, 2013

Artist Video

www.hiss.net

Seit Jahren spielt Stefan Hiss Polka für die Welt. Seine Mischung aus freundlicher Polkatanzmusik und derben Texten bringen ihm zwar keine Einladung zum Musikantenstadl ein, dafür aber immerhin verschiedene Kleinkunstpreise bis hin zum Weltmusikpreis "Ruth" beim Tanz und Folkfest in Rudolstadt. Hiss schafft es bei seinen zahlreichen Liveauftritten, beinahe jeden zum Tanzen zu animieren.Hier zählt auch das dynamische Wippen des Knies bei coolen Jungs - schließlich macht er richtige Männermusik. Nach seinem wunderbar dreisten Tex-Mex-Abstecher mit der Band Los Santos, widmet er sich jetzt wieder dem Polk & Roll seiner Stammband. "Das Gesetz der Prärie" setzt konsequent seine Reise durch die Welt der Kerle mit den staubigen Stiefeln fort. Outsider, einsame Reisende, Halunken mit Herz, Resignation an der Theke des Saloons, Entführung arabischer Schönheiten ins Abendland - all diesen Themen, die einem im gewöhnlichen Alltag so vertraut sind, widmet sich Hiss mit romantischer Reimkunst, gurrenden Gitarren und harmonischen Harmonikatönen, meist von einem Rhythmus getragen, der an ein eiliges Dampfross der Union Pacific Railroad auf dem Weg in den Westen denken lässt. Wie so häufig hat er zahlreiche Tipps gegen das Leid, wie in "Bier, Wurst und Tanzmusik" zu hören ist. Auch Dank an das Leben hören wir in seiner Hymne an die "Kinder". Der Liebe frönt er ungeniert mit Liedern, wie "Die schönste aller Plagen" und "Wenn du tanzen willst". Wenn ich eine Band suche, die mir in Deutschland eine Art Wild-West Romantik vermittelt, ohne eine reine Countryband sein zu wollen, dann ist mir Hiss am liebsten. "Sehnsucht" und der Titelsong "Das Gesetz der Prärie" liefern den perfekten Soundtrack für diese Art der Stimmung. Stefan Hiss singt über Leid und Lachen, Sehnsucht und Sauereien. Stefan Hiss bleibt einfach ein sympathisches Rauhbein innerhalb der deutschen Weltmusikszene.
© Karsten Rube


David Buchbinder's Odessa/Havanna "Walk To the Sea"
Tzadik, 2013

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www.odessahavanna.com

Jüdische Musik aus aller Welt sammelt der New Yorker Produzent John Zorn seit einigen Jahren und veröffentlicht sie auf seinem Tzadik Label. Die aktuellste Produktion ist das Odessa/Havana-Projekt des Trompeters David Buchbinder und des kubanischen Pianovirtuosen Hilario Durán. Auf dem Album "Walk to the Sea" treffen sich die jüdischen Wurzeln Buchbinders und die afrokubanischen Rhythmen Duráns. Sie zaubern eine Stimmung, die sich zwischen der Schwermut der Kulturen des östlichen Mittelmeers und der Beschwingtheit der Karibik bewegt. Die Lieder stammen zum großen Teil aus der Tradition der spanischen Juden. Ladino, die Sprache dieser Juden wird heute speziell von jüdischen Kulturprojekten gepflegt. Buchheimers CD weist einige Verweise auf diese Kultur auf. Aber komplett auf traditionelle Gestaltung will sich der Künstler nicht festlegen. So zeigen sich viele musikalischen Variationen auf seiner CD deutlich jazzlastig, was die CD "Walk to the See" zu einer wunderbaren Spielwiese für Crossover macht. Wie fast immer, bei Produktionen des Tzadik-Labels kann man sich auf John Zorns Gespür für interessante Musik mit jüdischem Hintergrund verlassen. Auch mit David Buchbinders Odessa/Havanna Projekt ist ein exzellenter kultureller Grenzübertritt gelungen.
© Karsten Rube


Startijenn "El-TaQa"
Parker Productions, 2013

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www.startijenn.com

Schon der Name der Band ist Programm. "Startijenn" ist bretonisch und bedeutet so viel wie Energie. Man könnte die Musiker also als eine Art bretonische Variante von Kraftwerk ansehen, wären sie in der Wahl ihrer Instrumente nicht wesentlich traditioneller. Startijenn mischen seit Jahren in der Bretagne die Konzerthallen und FezNoz Veranstaltungen auf. Die Bombarde, das bretonische Krummhorn ist dabei ihr Grundelement. Der Dudelsack kommt hinzu und ergänzt wird das Instrumentarium durch E-Gitarre, Schlagzeug, Akkordeon, Bass. Am Ende stehen acht Musiker auf der Bühne, die es auf sehr melodiöse Weise krachen lassen. "El-TaQa" ist ein Livealbum. Wer sich jetzt über den orientalisch anmutenden Titel wundert, dem sei erklärt, dass sich Startijenn zu diesen Liveauftritten, die dieses Album enthält, ein paar Gäste eingeladen hat. Einer ist der Sänger Sofiane Saidi, der bereits mit Natacha Atlas zusammenarbeitete. Saidi fügt der bretonischen Session eine deutliche arabische Note hinzu. Die Kombination aus keltischer und arabischer Kultur ist etwas gewöhnungsbedürftig, funktioniert nach einigen Minuten aber ganz ordentlich, zumal sich die Liveatmosphäre des Albums "El-TaQa" gut auf den Hörer überträgt. Fazit: spannender Crossover!
© Karsten Rube


Sancto Ianne "Trase"
FolkClub Ethnosuoni, 2013

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www.sanctoianne.com

Aus Benevento in der italienischen Region Kampanien kommt Sancto Ianne. Die vierte CD der Neo-Folk Band ist ein erzählerisch anmutendes Album. Die Musiker berichten von ihrer Region, davon, wie die soziale Ungerechtigkeit, die Einwohner entzweit, auch Umweltbelange fließen in die Texte ein. Doch trotzdem die Künstler auch als Autoren arbeiten und deutlich ihre politische Ambitionen vortragen wollen, ist "Trase" kein reines Protestalbum. Die Musik ist mitreißend, tanzbar und trotzdem voll von einer leicht aggressiven Dynamik. Sancto Ianne bleiben musikalisch der traditionellen Folklinie treu. Flöten in jeder Form und Tonart sind zu hören Krummhorn, Gitarre, Violine agieren sehr melodiös, nur gelegentlich lassen sich Sancto Ianne von E-Gitarren und elektronischer Verfeinerung unterstützen. Das Album "Trase" hinterlässt trotz der politischen Problematik einen folkloristischen und freundlichen Gesamteindruck mit süditalienischem Geschmack.
© Karsten Rube


Ellika, Solo, Rafael "Now"
Country & Eastern, 2013

www.ellikasolo.com

Solo Cissokho ist ein Griot, ein Geschichtenerzähler aus dem Senegal. Die Griot haben eine lange Tradition in Westafrika. Cissokho spielt die Kora, eine Kürbisharfe, die mit ihrem perlenden Klang verzaubert. Vor einigen Jahren traf er auf die schwedische Geigerin Ellika Frisell. Frisell ist in der schwedischen Folkszene keine Unbekannte. Nach einem Album als Duo haben sie nun den mexikanischen Percussionisten Rafael Sida Huizar in ihr musikalisches Leben eingeladen. Die aktuelle CD der Musiker heißt "Now". Was man im ersten Augenblick wegen des Titels für eine Momentaufnahme hält, erweist sich beim Zuhören, als eine umfassende Verbindung dreier unterschiedlicher Kulturen. Wenn Afrika auf Skandinavien und auf Lateinamerika trifft, könnte man meinen, dass mindestens eine Kultur auf der Strecke bleibt. Das ist auf dem Album nicht zu erkennen. Harmonisch greift die Kora europäische Klangelemente auf, klingt für einen Moment, als käme es aus den Anden und bleibt dabei dennoch unverkennbar afrikanisch. Ebenso originell verwandelt sich der Rhythmus des Percussionisten. Auch die Geige von Frau Frisell findet schnell den Sprung von der schwedischen Folkgeige zur orientalisch anmutenden Tonalität. Ein ganz hervorragendes Trio hat sich hier zusammengefunden, um die Welt musikalisch auf kürzestem Weg zu umrunden.
© Karsten Rube


Lajkó Félix "Mező"
Fono, 2013

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www.lajkofelix.hu

Wenn man sich in den Weltmusik-Charts der letzten Jahre umsieht, dann sind nicht besonders viele Künstler aus Ungarn darin zu finden. Sieht man von Martha Sebestyen ab, hört man selten Musik aus diesem kleinen Land, die es schafft, mehr zu sein, als folkloristische Unterhaltung für den Reisenden. Mit Lajkó Félix steht nun aber ein Instrumentalist am Start, der die Folkmusik Ungarns auf den Kopf stellt. Félix wirkte bereits bei zahlreichen Alben und musikalischen Projekten mit. So ergänzte er beispielsweise das Boban Markovitz Orchestra. Eigentlich ist die Geige sein Instrument. Doch auf der CD "Mező" greift er zum bekanntesten aller ungarischen Musikinstrumente, der Zither. Sofort denkt man an genau die Folklore, die man von Ungarnreisen her kennt, als Begleitmusik zum Gulasch und zum Tokajer. Laikó Félix bringt jedoch das Hackbrett zum Grooven. Er agiert mit einer Geschwindigkeit auf der Zither, das man an die nicht besonders originelle Formulierung denken muss, die man einst für Galiziens Dudelsackpionier Carlos Nuñez benutze: der Jimi Hendrix der Gaita. Hier wäre dieser Vergleich durchaus treffend, denn immerhin bedient Lajkó Félix ein Saiteninstrument. Tatsächlich schafft man es kaum, der Schnelligkeit, mit der er das Instrument bearbeitet hinterher zu hören. Bass und Viola versuchen, der Zither noch etwas mehr rhythmischen Dampf unterzumischen. Doch ist es nicht allein das Tempo, mit dem Félix spielt, sondern die Musikalität, mit der er die Folklore seines Landes mit Jazz und Groove paart. "Mező" ist ein phänomenales Album, dem vor allem eins gelingt: den Zuhörer aufs spannendste zu überraschen.
© Karsten Rube


Annika Fehling "Rust & Gold"
Good for You Music, 2013

www.annikafehling.com

Die kurze CD der Schwedin Annika Fehling fängt sehr verhalten an. Ein schwedisches Traditionell, auf das ein bisschen der Glanz der Countrystudios abgefärbt hat, in denen die Musikerin einige der Songs einspielte. Danach gibt sich die EP allerdings deutlich mehr dem Americanastil hin. Slidegitarren sind herauszuhören, aber auch die Nickelharpe setzt sich an einer Stelle durch. Offensichtlich hat Annika Fehling einen Fuß in Nashville und den anderen in ihrer Heimat, auf Gotland. Gefühlvoll ist der Song "Lonely Love", ebenso "I know better". Ihre Stimme erinnert mich deutlich an Mary Black, was eine gute Erinnerung ist und mir deshalb sehr sympathisch in die Ohren dringt. Besonders deutlich wird das bei dem Song "Better Learn how to Fly". Hier hätte ich ohne Plattencover in der Hand sofort auf die irische Sängerin getippt. Mit fünfundzwanzig Minuten Laufzeit ist die CD deutlich zu kurz. Hoffentlich ist sie nur ein Ausblick auf Kommendes, denn Annika Fehling ist unbedingt hörenswert.
© Karsten Rube


Ensemble Noisten "Curry auf Oliven"
panOfon, 2013

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Schicken Sie dem Ensemble Noisten Ihr Rezept mit Curry oder Oliven! Das Ensemble verlost unter allen Einsendern eine CD!

www.ensemble-noisten.de

Musik hat ja immer auch was mit Geschmack zu tun. Und Geschmack kann man ebenso in Musik umsetzen. Das geht tatsächlich, wie das Ensemble Noisten mit ihrer gut gewürzten CD "Curry auf Oliven" beweist. Die deftigen Eintöpfe der osteuropäischen Küche werden von der Klarinette des Ensemblechefs Reinald Noisten in Form von Klezmermelodien angerührt. Hinzu gesellt sich die Gitarre von Claus Schmidt, dessen Spiel eher in die mediterranen Pfannen schielt. Während Andreas Kneip mit Kontrabass und Ukulele eher dezent den Fond bereitstellt, würzt Devakuruparan Shanmugalingam mit Tabla, Djembe und seiner Stimme das ganze Gericht mit einer gehörigen Prise Curry. Jüdisch, andalusisch, indisch schmeckt, beziehungsweise klingt das Ergebnis. Da die vier Köche wissen, wie dezent man an diese Zusammenstellung herangehen muss, ist auch keiner der Köche zu viel. Herausgekommen ist eine geschmackvoll abgerundete CD, die einen am Ende nicht satt gemacht, sondern auf den Appetit gebracht hat. Global Klezmer vom Feinsten.
© Karsten Rube


Orchestre International du Vetex "Total Tajine" [2 CDs]
Via Lactea, 2013

www.vetex.org

Sicher kann man vom Balkan kommen, um authentische Balkanmusik zu machen. Notwendig ist es jedoch nicht. Inzwischen hat sich der Balkanbrass so etabliert, dass er von jedem, der eine Tuba halten oder Töne aus der Trompete bekommt, gespielt werden darf, kann und muss. Das Orchestre International du Vetex beispielsweise besteht aus fünfzehn Künstlern aus Belgien und Nordfrankreich. Einer der Namen der Bandmitglieder klingt etwas nach Südosteuropa, der Rest hört sich frankophon an. Aber das macht nichts, man soll den Menschen nicht nach seinem Äußeren und die Musik nicht nach nach der Herkunft der Musiker beurteilen. Was auf diesen zwei CD's zu Gehör gebracht wird, ist die Quintessenz des Balkanbrass. Hier klingt alles nach fröhlicher Ausgelassenheit, nach Fanfaren und nach Marschkapellen. Als hätten die Altmeister der Balkanmusik Markovic und Bregovic ihre Hände im Spiel. Die Covergestaltung erinnert mit ein paar vergilbten Urlaubsbildern an die Staubigkeit der Tourismusregionen an der wahlweise bulgarischen Schwarzmeer- oder jugoslawischen Adriaküste in den frühen Siebzigern. Die Musik des Orchestre International du Vetex jedoch wischt den Grusel dieser Fotos schnell weg. Auf der CD 2 werden die Arrangements deutlich moderner, bis hin zum beinahe groovigen Discosound im Titel "Kookaburra". Die Doppel-CD wird trotz der Gesamtlaufzeit von mehr als eineinhalb Stunden an keiner Stelle langweilig. Das Orchestre International du Vetex bläst ordentlich zum Marsch.
© Karsten Rube


Matilde Politi e Compagnia Bella "Vacanti sugnu china"
Felmay, 2013

www.matildepoliti.com

Das italienische Felmay-Label schaut sich mit der CD "Vacanti sugnu china" der Sängerin Matilde Politi in der Folkloristik Siziliens um. Die Insel im Süden Europas befindet sich seit Jahrhunderten im Zentrum der mediterranen Welt und ist den Einflüssen und Strömungen seiner Nachbarn ausgesetzt. Ein Ort, an dem sich Afrika, der Nahe Osten, Flüchtlinge, Zigeuner, aber auch Italiener aus dem Süden der Halbinsel, von Neapel bis Syrakus niedergelassen haben. Die sizilianische Folklore der Matilde Politi ist zunächst von der traditionellen Form geprägt. Häufig klingt die Tarantella durch, die in dieser Region gern gespielt und getanzt wird. Auch eigene Kompositionen hören wir auf der CD. Ihre Lieder beschränken sich aber nicht auf Liebe, Eifersucht und ähnliche Dramen. Politi kämpft den Kampf ihres Geschlechtes für Gleichberechtigung und Eigenständigkeit mit den Waffen der Musik. Die Mulitinstrumentalistin greift auf alle die Instrumente zurück, die über die Jahrhunderte einen Weg auf die Insel fanden, wie die Gitarre, das Balafon, das Akkordeon, Tambourin und Maultrommel. Die Begleitung ist ebenso multikulturell. Violine, Banjo, Djembe und Oud finden sich zu einem folkloristischen Fest zwischen Tanzparty und politischer Demonstration zusammen.
© Karsten Rube


Ryuichi Sakamoto "Three"
Decca, 2013

www.sitesakamoto.com

Es ist eine der spannendsten Neuerscheinungen des letzten Jahres. Allerdings muss man schon ein Freund dieser Musik sein. Der japanische Pianovirtuose Ryuichi Sakamoto hat sich nach seinem sommerlichen Ausflug ins Orchesterwerk wieder ganz auf die Zurückgezogenheit des Klavierspiels konzentriert. Nun, nicht ganz. Sein alter Weggefährte Jaques Morelenbaum, einer der besten Cellisten der Welt wie ich finde, und die Violinisten Judy Kang begleiten ihn bei der Neuinterpretierung seiner Kompositionen. Das erinnert an sein 1996 aufgenommenes Trio Album, das selbst in der Covergestaltung ähnlich aussah. Sakamoto ist der Meister der verhaltenen Töne. Sein Spiel liebt es den Klang lang zu halten, Melodien zur Ruhe zu zwingen. Für die beiden Streichinstrumente eine Herausforderung, dem Tempo des Klaviers nicht vorauszueilen. Die Platte enthält solche bekannten Sakamotokompositionen, wie "Merry Christmas Mr. Lawrence", ein Thema, das er zum gleichnamigen japanischen Kriegsfilm schrieb, sowie aus anderen Soundtracks, natürlich auch aus "Der Letzte Kaiser". "Three" ist eine wunderbare CD für die Freunde der Stille. Musik, die man ganz für sich haben muss. Mit diesem Album kann man sich für eine Weile von der Gegenwart zurückziehen, denn solange Sakamoto spielt, ist der Rest der Welt uninteressant.
© Karsten Rube


Sofia Ekberg "All the small Details"
Trickleheart Music, 2013

www.sofiaekberg.com

Tief in den Wäldern Smålands, da wo Michel aus Lönneberga sein Unwesen trieb und Astrid Lindgren aufwuchs, wurde auch Sofia Ekberg geboren. Hier fand sie ihre Liebe zur Gitarre und zum Lied und all die Ruhe, die man braucht, um sich zu suchen und zu finden. Mit Instrument und Stimme lässt uns Sofia Ekberg an ihrer inneren Gemütsverfassung teilhaben und die ist zu allererst eine entspannte. Die Songwriterin gibt mit dieser kurzen EP ihren musikalischen Einstand, ohne damit besonders aufzufallen. Er endet mit einem Schlaflied, das den Titel "Good Night Sally" trägt. Danach ist man als Hörer geneigt, ihrer Aufforderung zu folgen, ob man nun Sally heißt oder nicht.
© Karsten Rube


Samy Daussat/Tchavolo Schmitt "Nouvelle Vague"
Label Ouest, 2013

samydaussat.canalblog.com

Wenn man einen kurzen Blick auf die Diskografie von Samy Daussat wirft, wird einem schnell schwindelig. Der 1972 geborene Jazzgitarrist spielte häufig mit Raphael Fays, einem der besten Romagitarristen der Gegenwart. Er spielte mit David Reinhardt zusammen und immer wieder mit seinem eigenen Trio. Django Reinhardt hat den Gitarren-Jazz maßgeblich geprägt und so auch die Spielweise von Samy Daussat. Für sein Album "Nouvelle Vague" hat er sich eine Jazzlegende ins Studio geholt, der bisher hauptsächlich als Livemusiker in Erscheinung trat: Tchavolo Schmitt. Der hatte sich einst beim Hot Club da Sinti einen Namen gemacht. Bei ihrem Zusammentreffen im Studio haben die beiden exzellenten Musiker eine ganze Menge Coverversionen eingespielt. Im schönsten Sintiswing hören wir Songs von Burt Bacharach, Elvis Presley, Gene Vincent, Serge Gainsbourg. Zwischenzeitlich streuen sie immer wieder eigene Kompositionen ins Gesamtbild. Um es kurz zu machen: die CD ist einfach ein ganz cooler Geniestreich. Brillant arrangiert, mitreißend gespielt, hervorragend zum immer wieder hören. Samy Daussats "Nouvelle Vague" macht einfach Spaß.
© Karsten Rube


Klô Pelgag "L'Alchemie des Monstres"
Abuzive Music, 2013

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www.klopelgag.com

Musik aus Quèbec ist immer etwas eigenwillig, was sich auch bei diesem ungewöhnlichen Album zeigt. Der Sound der frankokanadischen Musikerin Klô Pelgag ist einzigartig, ihre Stimme wirkt zerbrechlich, strahlt allerdings gleichzeitig eine souveräne Stärke aus. Die Arrangements ihrer Lieder schwimmen zwischen Avantgard und Kammermusik hin und her. Verträumt und poetisch ist das erste Album “L’Alchemie des Monstres” nur auf den ersten Blick. Kaum verhallt das Album, klingen alle Lieder im Kopf nach. Etwas erinnert an die französische Sängerin Camille, doch ist Chloe Pelgag und ihr Ensemble in ihren Arrangements weniger verstörend. Klô Pegag beherrschen das Chanson ebenso wie die eingängige Melodie, zaubern aus kleinen Songlines Orchesterwerke, verwandeln sich auf kurzer Distanz aus schlagerhafter Einfachheit zum komplizierten Kunstlied und bleiben dennoch immer auf spannende Weise hörenswert. Die Musik Klô Pelgags ist ein Maskenspiel. Eben noch kleines Mädchen, schon großes Monster, eben feine Dame, plötzlich Clown. Selten habe ich eine so spannende musikalische Kneipkur genießen dürfen. Faszinierend.
© Karsten Rube


Holland K. Smith "Cobalt"
Eller Soul Records, 2013

www.hollandksmith.com

Die Musik der CD "Cobalt" von Holland K. Smith könnte man am ehesten als rauchiger Blues mit Soulattitüden bezeichnen. Der Texaner greift ordentlich in die Saiten seiner halbakustischen Gitarre und lässt neben geradlinigen Bluesriffs auch mal Jazzharmonien hören. Selbst Latinelemente sind ihm nicht fremd. Bluespuristen dürfte er vermutlich nicht gefallen. Aber sein Umgang mit der Gitarre ist gewitzt und ideenreich, seine Stimme klar und doch charaktervoll, die Songs alle lässig vorgetragen. "Cobalt" ist nicht geprägt von Problembewältigung, sondern reichlich gefüllt mit gut gelauntem Southern Rhythm & Blues.
© Karsten Rube


Aoife O'Donovan "Fossils"
Yep Roc, 2013

www.aoifeodonovan.com

Bis zu deren Auflösung gehörte Aoife O'Donovan zur Bluegrass-Band Crooked Still. Ein Soloalbum wollte die Sängerin schon immer mal machen, jetzt blieb ihr nichts weiter übrig. Aoife O'Donovan wurde seit ihrer Kindheit vom Folk beeinflusst. Der Countrystil ihrer Crocked Still Zeit hinterließ ebenfalls seine Spuren. So ist ihr Debütalbum als Solistin, das den Titel "Fossils" trägt, ein gefälliges Americana-Album geworden, auf dem Country und Folk gleichmäßig ineinanderfließen. Leider wird die CD auch bei mehrmaligem Hören nicht richtig interessant. Kein Aufhorchen an besonders auffälligen Melodien oder stilistischen Besonderheiten bringt sie hervor. Zu sehr will Aoife O'Donovan gefallen. Und verpasst damit die Chance, aufzufallen.
© Karsten Rube


Rachelle Garniez "Greetings from Dreamsville"
Jaro Medien GmbH, 2013

English CD Review

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www.rachellegarniez.com

Wenn einen die New York Times mit Tom Waits vergleicht, muss man musikalisch schon ganz schön etwas auf dem Kerbholz haben. So leicht geht selbst die NYT nicht mit Superlativen um. Rachelle Garniez ist aber in ihre Interpretationsweise tatsächlich so ungebunden und verwegen wie Waits. "Greetings from Dreamland" heißt ihre CD. Auf dieser hat sie Songs gesammelt, die zwischen 1997 und 2012 entstanden sind und auch auf verschiedenen Alben veröffentlicht wurden. Einige hat sie neu entdeckt. Garniez zieht es auch mal auf die Straße, wo sie eine eigene Form der Straßenmusik entwickelt hat. Sie spielt nicht einfach ihre Songs runter, sondern versucht auf die Stimmungen der vorbeieilenden oder verweilenden Passanten einzugehen, Rhythmus und Text anzupassen. Der CD "Greetings from Dreamland" hört man das an. Eine einheitliche Linie ist nicht zu erkennen, eher eine ständige Veränderung. Garniez ist eher Songwriterin mit Kleinkunstallüren, als eine Popmusikerin.
© Karsten Rube


Psaltron "Polykratia"
TMK, 2009

www.psaltron.de

Psaltron ist eine Band, die einen beim Hören ein bisschen an der Nase herumführt. Ganz wunderbar greifen sie in den Fundus der Musik des Balkans, spielen Flöten,Baglamá, Bouzuki und das Hackbrett. Authentischer kann es sich gar nicht anhören. Ein Blick in die Biografien der Künstler zeigt, die Leute kommen aus Thüringen und aus München. Griechische Vorfahren besitzt bestenfalls Philippos Thönes. Aber, nicht die Herkunft entscheidet über die Qualität der Musik, sondern die Leidenschaft. Psaltron gelingt es, spielerisch die Klänge des Balkans angenehm im Ohr klingen zu lassen. Schnell ist man damit beschäftigt, sich zum Klang der Lieder zu bewegen. Dabei kann man Bekanntes wieder, wie Eigenkompositionen neu entdecken. "Devojko Mome" das mir noch von Martha Sebestyen im Ohr klingt, wir vom Hackbrett auf ganz wunderbare Weise neu interpretiert. Das nur wegen des Wortes Gipsy ganz am Rande mit dem Balkan kommunizierende Lied "Sarah" ist ebenso eingängig, wie mitreißend. Es ist eine Komposition der Gipsy Kings. Psaltron liefert den Beweis, dass die Musik vom Balkan nicht immer nur von den gleichen Rummelplatzblaskapellenarrangements beherrscht werden muss.
© Karsten Rube


Enrique Ugarte "Café Musette"
ARC Music, 2013

www.enriqueugarte.com

Wie erklärt man die Musette? Ein Akkordeonspieler spielt in den Gassen und Straßen, in den Kneipen und Ballhäusern zur Unterhaltung und zum Tanz auf. Meist bleibt es instrumental, selten singt er dazu. Für einen geringen Betrag spielt er auch noch länger. Musette, die Musik der kleinen Leute in Paris. Vergleicht man das mit der Straßenmusik in Deutschland, so fällt mir dabei spontan die Drehorgel ein, sieht man mal davon ab, dass zum Akkordeon spielen eine musikalische Ausbildung notwendig ist. Musette ist bis heute populär geblieben. Vielleicht nicht in jeder Altersgruppe, aber ein gut gespielter Walzer am Straßenrand ist mir dann doch lieber, als ein Drehorgelsolo. Das ARC-Label, das vor allem anderen für seine ausgesucht gelungenen Zusammenstellungen regionaler Musik aus unterschiedlichen Kulturkreisen der Welt bekannt ist, sammelte verschiedene Walzer des baskischen Akkordeonspielers Enrique Ugarte. Seine musikalische Vielfalt brachte ihm nicht nur zahlreiche CD-Veröffentlichungen ein, sondern auch den Europameistertitel im Akkordeon spielen. Bei der Weltmeisterschaft errang er immerhin noch den zweiten Rang. Er ist Komponist, Orchesterleiter, Dirigent, aber vor allem leidenschaftlicher Akkordeonist. Selbst die einfachen Musettekompositionen widmet er sich mit großer Hingabe. "Café Musette" könnte in jedem Touristengeschäft in Paris stehen, als hundertste Zusammenstellung der Musik der Einheimischen. Die Gestaltung weist jedenfalls auf solches Vermarktungsansinnen. Doch wenn man sich in die Virtuosität des Akkordeonspiels Ugartes hineinhört, bemerkt man schnell, dass es sich dabei um ein hervorragendes Kleinod des Genres handelt.
© Karsten Rube


Gwennyn "Beo"
Coop Breizh, 2013

www.gwennyn.com

Gwennyn balanciert mit ihrem Album "Beo" geschickt auf der Waage, die ein Bretone halten muss. Einerseits im keltischen Kulturkreis eingebunden, ist man dort den Briten, Schotten, Walisern und Iren näher, als den Franzosen. Andererseits gehört die Bretagne zu Frankreich. Gwennyn hat keine Probleme damit, diese verschiedenen Identitäten in ihrer Musik zu verbinden. Auf "Beo" singt sie so selbstverständlich Bretonisch, wie Englisch und Französisch. Die Stimme der Sängerin lässt ebenso die Nähe zur keltischen Musik von Clannad und Enya erahnen, wie die Musik. Ihre CD "Beo" lädt ein zum Sinnieren und Träumen. Sie ist dem Meer verbunden und den Mythen, die an den Küsten treiben. Die Geschichten von "Tristan & Isolde", von Merlin und den Feen von Avalon besitzen einen deutlichen Bezug zur Bretagne. Gwennyn weiß diese Mythen in ihrer Musik zu vereinnahmen. Zwischen Pop, Chanson, dem Einsatz traditioneller bretonischer Instrumente und gerade in esoterisch beeinflussten Kreisen gern benutzten sphärischen Klängen treibt sie hin und her und vermag mit ihren Liedern vor allem eins: zu beruhigen. "Boe" ist auf unaufdringliche Weise schön.
© Karsten Rube



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