FolkWorld #54 07/2014
© Walkin' T:-)M

English Book Reviews

T:-)M's Nachtwache

Spielleute

Klassische wie moderne Romanschriftsteller, die sich mit dem Mittelalter beschäftigten, haben Ritter fahren und Huren wandern lassen, Medici und Pilger als auch Troubadoure und Minnesänger auf die Reise geschickt. Den uns bekannten Protangonisten aus Prosa und Poesie gesellt sich nun ein neuer Held hinzu.

Hanke, Die schönsten Traditionals für Gitarristen Gymnasial- und Gitarrenlehrer Sebastian Hanke hat neben den "schönsten Kinderliedern" [54] auch 65 All-Time-Favourites, sprich Die schönsten Traditionals (Folk, Balladen, Spirituals, Shantys, dt. Volkslieder u.v.m.), für Gitarristen aller Schwierigkeits-Grade vorgelegt. In neuen Arrangements klingen die Stücke (mit Noten, Tabs und ggfs. Texten) originell und zeitgerecht. Sie sind in 5 Kapitel gegliedert: (1) Liedbegleitung mit Basstönen, einfache Begleitung für Anfänger (3 Stücke, z.B. "Auf der schwäbsche Eisenbahne"); (2) Melodiespiel in verschiedenen Lagen, z.T. um zweite und dritte Stimme ergänzt (13 Titel, inkl. "Sailors Hornpipe" und "Tarantella"); (3) kreative Begleitung mit Akkorden, sowohl Strumming als auch Picking (24 Titel von "Alle Vögel sind schon da" bis "Worried Man"); (4) Fingerstyle für mehrstimmigen Solovortrag (22 Titel, wiederum abwechslungsreich, z.B. "Pay Me My Money Down"); (5) vierstimmiges Ensemblespiel (4 Stücke wie "Leise zieht durch mein Gemüt"). Zusätzlich gibt es ein MP3-Playalong als kostenloser Download.
Sebastian Hanke, Die schönsten Traditionals für Gitarristen. Edition Hanke, 2013, ISBN 978-3- 9814820-2-7, 60 S, €12,95


Hit Session Deutsche Song-Poeten Der sechste Band aus der Reihe Hit Session im handlichen DIN-A5-Format mit Spiralbindung bietet abermals aktuelle Hits aus den verschiedensten Genres. Diesmal sind Deutsche Song-Poeten an der Reihe, Klassiker wie Marlene Dietrich ("Sag mir, wo die Blumen sind"), Reinhard Mey [50], Franz Josef Degenhardt [47], Konstantin Wecker und Hannes Wader [48] (z.B. "Heute hier, morgen dort"), Pioniere der deutschsprachigen Rockmusik wie Lindenberg, Gundermann [40], Rio Reiser [44] (mehrere Titel, z.B. "Halt dich an deiner Liebe fest"), junge Liedermacher wie Götz Widmann [46], Judith Holofernes (Wir sind Helden) [36], Dota Kehr [52] und Rainald Grebe [54] ("Brandenburg"). Insgesamt 100 Stücke mit Noten, Akkorden und Texten aus den letzten 50 Jahren des Liedermachens ergeben die Bibel des modernen deutschen Liedguts.
Hit Session 7 - Deutsche Song-Poeten. Bosworth Edition, 2014, ISBN 978-3-86543-813-3, 288 S, €22,50


Hit Session Ukulele Sommer-Hits Sing along with us, dee-dee dee-dee dee ... Und gleich weiter mit noch mehr Hits, diesmal für die Ukulele, dem gitarren-ähnlichen Zupfinstrument aus Hawaii, das via Skiffle, Marilyn Monroe, Stefan Raab und Julia Nunes zu momentan recht hoher Popularität gefunden hat. Die vierte Hit Session Ukulele (Standardstimmung GCEA) widmet sich thematisch dem Sommer, 100 sonnige Songs für Beach Party und Carnaval do Brasil (tiefsinnige Texte sind zumeist nicht zu erwarten): Gipsy Kings "Bamboleo", Mamas & Papas "California Dreaming", Bobby McFerrins "Don't Worry, Be happy", Udo Jürgens "Griechischer Wein", Mungo Jerrys "In the Summertime", Ricky Martins "Livin' La Vida Loca", Scott McKenzies "San Francisco", REM's "Shiny Happy People", Laid Back's "Sunshine Reggae", u.v.m. Und das all summer long bei 36 Grad ... Don't worry, don't hurry, take it easy ...
Hit Session Ukulele Sommer-Hits. Bosworth Edition, 2014, ISBN 978-3-86543-814-0, 250 S, €22,50


Du herzliabe Schneeålm Aniada Mensch deucht mir so årm, der d' Schneeeålm nia håt gesegn... Die Schneealpe an der steirisch-niederösterreichischen Grenze inkludiert das UNESCO-Welt- kulturerbe Semmering-Bahn. Dort wurde vor 160 Jahren die erste europäische Gebirgsbahn mit Normal-Spur eröffnet. Das Steirische Volksliedwerk hat mit einer Feldforschung in der Region begonnen, als erstes Ergebnis liegt ein Liederheft der Reihe "meine Lieder – deine Lieder" vor, das sechs Lieder und ein Gedicht der Sängerin und Komponistin Maria Anninger (1888–1950) aus der Gemeinde Spital am Semmering beinhaltet. Du herzliabe Schneeålm enthält typische Heimatlieder (über Berge und Ortschaften) sowie ein Lied zum 100. Geburtstag des steirischen Heimatdichters Peter Rosegger [51] im Jahre 1943. Außer Maria Anningers bekanntestem Text und Komposition, dem "Schneeålm-Lied", wurden alle Stücke zum ersten Mal publiziert. (Das Heft liegt dem Vierzeiler 02.2014 bei, der Zeitschrift des Steirischen Volksliedwerks.)
„Du herzliabe Schneeålm“ - Lieder von Maria Anninger. Steirisches Volksliedwerk, meine Lieder – deine Lieder 14/1, 2014, 16 S, €2



Ulrich Joosten, Der Weg des Spielmanns. Christian Ludwig Verlag, 2014, ISBN 978-3- 935943-09-3, 492 S, €14,90 (der-weg-des-spielmanns.de)

In einer Burg auf der Fränkischen Alb anno 1350 lebt der 14jährige Grafensohn Lorenz von Rabenhorst.

Musikanten, das war für Lorenz ein Zauberwort. Wenn sie den Weg zur Rabenhorstburg hinauf fanden, wurde es jedes Mal ein Fest für alle Burgbewohner. Endlich hörte man Nachrichten aus fernen Ländern und erfuhr, was in der Welt in den vergangenen Monaten passiert war. Ein Spielmann, der etwas auf sich hielt, vermochte stets die neuesten Heldengedichte vorzutragen. Blutrünstige, gruselige Geschichten von Riesen und Drachentötern, von Kreuzrittern und dem Sultan Saladin. Sie trugen poetische Lieder vor, von ritterlicher Liebe und hoher Minne, berichteten von Artus und seinen Tafelrittern. Bisweilen brachten die Spielleute Instrumente mit, merkwürdige Geräte mit Saiten, Fell und Firlefanz, denen sie die wundersamsten Klänge zu entlocken vermochten.

Und so finden sich eines Tages im Winter zwei Spielleute auf der Burg ein.

Der maskierte Spielmann nahm den Kurbelkasten, setzte sich auf den Hocker und legte sich das merkwürdige Instrument auf den Schoß. Als der größere Musiker zur Laute zu singen begann, legte der kleine Spielmann die Linke auf den Kastenrand und drückte die Tasten, während seine rechte Hand die Kurbel drehte. Es erscholl ein feiner Klang, wie von einer Geige, die im Dauertonakkord erklung. Dazu ertönte eine wunderschöne Melodie. Lorenz war völlig hingerissen. Er lauschte und gaffte mit offenem Munde. »Vater«, flüsterte Lorenz, »ich will Spielmann werden!«

Rabenhorst Senior hört es allerdings nicht gerne, dass sein einziger Sohn nicht das Schwert schwingen will und von den ritterlichen Künsten nur für die Verskunst etwas übrig hat.

Lorenz büxt aus und macht sich mit einem der beiden Spielleute, dem schwarzhäutigen, mauretanischen Mädchen Kamaria Malaika, auf die Reise, um der berühmteste und beste aller Minnesänger werden. Der Weg des Spielmanns führt ihn ins heilige Coellen am Rhein, wo ihm der namhafte Instrumentenbaumeister Volker eine magische Ferkesfidel (d.i. eine Drehleier, der Klappdeckel zeigt ein solches Instrument nach Hieronymus Boschs Triptychon "Der Garten der Lüste")[53] aus dem Horn eines Einhorns anfertigt.

Geschwind schlägt der Historienroman in ein Fantasy-Abenteuer um. Lorenz und Kamaria begegnen einem Nöck (Kelpie),[34] einem Faun und der Nymphe Loreley. Desweiteren spielen Siegfrieds Tarnkappe und der Schatz der Nibelungen eine bedeutende Rolle.

Autor ist Ulrich Joosten, langjähriger Redakteur der Zeitschriften Folk-Michel und Folker sowie Drehleierspieler der Gruppe Gambrinus[41] (deren neues Programm am 23. August 2014 im Forsthaus Steinhaus bei Bergisch-Gladbach Premiere hat). Seit langem trug er sich mit dem Gedanken, ein Buch über Drehleier, Bordunmusik und Minnesang zu schreiben, das im Dunklen Zeitalter der Musikinstrumentengeschichte angesiedelt ist:[30][36][39] Die Drehleier ist in Texten ab dem 10. Jahrhundert belegt, die frühesten bekannten Darstellungen stammen aus dem 12. Jahrhundert.

Ulrich Joosten

Artist Video Gambrinus @ FolkWorld:
FW#41

www.gambrinus-folk.de

Die nach Verlagsangabe für junge und jung gebliebene Leser ab zwölf Jahren geschriebene Erzählung kommt weitgehend ohne Sex & Drugs & Rock'n'Roll aus. Von leichter Hand verfasst, ist die Mär zwar nicht besonders nobelpreis-verdächtig, bietet aber ein kurzweiliges Lesevergnügen. Persönlich mag ich allerdings eher das Historische als das Fantastische.

Joosten hat den Schalk im Nacken: der militärische Ausbilder ist Herr Arnold von Schwarzeneck, die Pferde heißen Hein und Oss (sicherlich nicht Welfenherzog Heinrich der Löwe und der gälische Sänger Ossian).[37] Vom niederen Rhein kommt der Minnesänger Günter vom Ossenberg[54] und die Rede ist von einem singenden Zimmermann namens Robert, der auf der Laute nur drei Akkorde schlagen kann und eine Stimme hat wie ein rostiger Hufnagel. Doch seine Lieder singt er einfach nur großartig, und er schlägt alle Zuhörer in seinen Bann.[45]

Eine Fortsetzung erfährt die Erzählung in Joostens Kurzgeschichte "Der Harfner auf Hardenstein". Dort verschlägt es Kamaria Malaika mit dem Faun Malkolpes zu einem verzauberten, die Harfe spielenden Kobold namens Goldemar auf die Burg Hardenstein an der Ruhr:

Aus der langsamen, melancholischen Weise entwickelte sich eine immer schwungvoller werdende Tonfolge im Sechs-Achtel-Rhythmus, die nur so von den Saiten perlte und kein bißchen mehr traurig war. Kamaria kam nicht dagegen an, dass ihre Beine sich verselbständigten und ihre Füße im Takt der Melodie mitwippten.

Dort muss Kamaria erfahren, dass das Geheimnis nicht in dem Instrument liegt, das man spielt (ein Musiker ist immer nur so gut wie sein Instrument, sagt Goldemar), sondern die wertvollsten Instrumente nicht immer die am schönsten verzierten sind.

Kamarias Erlebnis entstammt der Kurzgeschichtensammlung Chinesische Transvestiten und andere irische Stories, die inspiriert wurde von Mick Fitzgeralds erfolgreicher Storysammlung "Session".[43] Die Idee ist es gewesen, weitere schreibende irische Musiker (im weitesten Sinne) bzw. Geschichten zum Thema irische Musik zu finden.

In den 14 Geschichten erzählt beispielsweise die Kieler Autorin Karin Braun von der Punkband Kotzende Kobolde, die nicht nur dem Lied "Molly Malone" Gewalt antun, sondern zudem einen Bürgermeister zu Fall bringen. Mick Fitzgerald,[48] selbst gelegentlicher Schauspieler, lässt in der Titelgeschichte ein Filmteam in O'Donoghues Pub in Dublin drehen.[9]

Evelyn Conlon versucht, den Titel einer Tanzmelodie herauszufinden:

»Ich sage dir, es ist Gannons Scheunentanz.«
»Nein, das ist es nicht, es ist einer von Ed Reaveys Tänzen in Kinvara.«
»Glaub ich nicht, ich glaube es ist Fred Finns, diese komische Polka.«
»Oder es könnte Kafoozolum sein?«
»Hol doch mal den Breathnach herunter.«
»Nein, da steht es sicher nicht drin, aber wenn du die Aufnahme von Andy finden kannst, ich glaube, es war dort drauf.«
»Nein, das hat er nie gespielt.«
»Doch, zwar nicht diese Version, sondern die, die so geht ...«



Haefs (Hg.), Chinesische Transvestiten und andere irische Stories. Songdog, 2014, ISBN 978-3-9503557 -3-4, 145 S, €14,80

Bei Kerstin Flenter vermischt sich Fact und Fiction, Dichtung und Wahrheit. Der Geschichtentitel "We're all gone, gone in the years, babe" entstammt Pogues-Frontmann Shane MacGowan's Lied "Broad Majestic Shannon".[30]

Der Typ war eine atmende Leiche, aber konserviert durch unzählige Liter reinen Alkohols. Es wollte mir nicht in den Kopf, wie ein so unzurechnungsfähiger Saufkopp all diese Worte und Melodien finden konnte.

Doch wie heißt es so schön:

Aber, zum Glück, anders als in Dissertationen und anderen sich wissenschaftlich gerierenden Texten ist es ja hier völlig Wurst, ob der Satz, den Sie gerade lesen, gelogen ist oder einen halbwegs realen Hintergrund hat.

Eher den Tatsachen verhaftet sind Pádraig Pearse (der 1916 nach dem Dubliner Osteraufstand hingerichtet wurde) und Ralf Sotscheck (Irland-Korrespondent der TAZ). Singer-Songwriter Andy Irvine[53] beschreibt eine typische After-Show-Party: Wir aßen und tranken so einiges, und dann tranken wir noch mehr und dann gingen wir in eine andere Kneipe.

Gabriele Haefs erinnert sich an Pádraig Ó Carra, Zitherspieler und Onkel von Niamh Ní Charra,[51] der 1975 mit Maire Ní Chathasaigh und Maírtín O'Connor auf dem 2. Irish Folk Festival aufgetreten ist. Petr Pandula, der heute die Agentur Magnetic Music und das Irish Folk Festival[54] leitet, war ein Jahr darauf zu Gast:

Es gibt Begegnungen, die das Leben eines Menschen verändern. In meinem Fall war es 1976, als einer meiner Mitschüler darauf bestand, dass ich mit ihm das Irish Folk Festival besuchte. Auf der Bühne erschienen Gestalten wie aus einer anderen Welt. Der Flötenspieler Micho Russell sah aus, als wenn er kurz vor dem Konzert noch Torf gestochen oder Heu gemäht hätte.

Pandula trampte Richtung Irland und lernte in dem west-irischen Weiler namens Doolin[40] Tunes von Micho Russell höchstpersönlich. Der Rest ist Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes.


Mick Fitzgerald

Artist Video Mick Fitzgerald
@ FW:
FW#39,
#47, #48, #48

www.mickafitzgerald.com

Andy Irvine

Artist Video Andy Irvine @ FolkWorld:
FW#5, #11, #23, #30,
#35, #36, #44, 48, #53

www.andyirvine.com

Micho Russell

Artist Video Micho Russell
@ FW:

FW#11, #40

michorussellweekend.ie


Photo Credits: (1ff) Book Covers, (7) Ulrich Joosten (Gambrinus), (8) Mick Fitzgerald, (10) Micho Russell (from website/author/publishers); (9) Andy Irvine (by Walkin' Tom).


Previous Book Reviews
Next Book Reviews
FolkWorld Homepage German Content English Content Editorial & Commentary News & Gossip Letters to the Editors CD & DVD Reviews Book Reviews Folk for Children Folk & Roots Online Guide - Archives & External Links Search FolkWorld Info & Contact


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Homepage
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld