FolkWorld #54 07/2014
© Magnetic Music

Pint of No Return

Irish Folk Festival Logo

Man soll bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Nachdem das Irish Folk Festival (IFF) letztes Jahr mit Pauken und Trompeten ein großartiges 40jähriges Jubiläum gefeiert hat, wurde kurz darüber nachgedacht. Die Entscheidung war ähnlich wie sie Piloten treffen müssen zwischen Umkehren oder Weiterfliegen. Man nennt es den "Point of no return". Passend zur grünen Insel heißt es dann mit einem Augenzwinkern: "Pint of no return".

Der Sprit für ein Irish Folk Konzert ist das irische Dunkelbier und dessen Maßeinheit ist eben das Pint. Ein anderer Treibstoff verleiht aber noch viel größere Flügel: Es ist der Irish Folk selbst. Er sprudelt aus einer nicht zu versiegenden Quelle. Immer wieder entstehen neue kreative Bands und diese brauchen einen Heimatflughafen mit einer gut angelegten Startbahn. Das IFF will genau diese sein, damit die Irish Folk Bands weiterhin gut abheben können.

Niamh Dunne & Sean Óg Graham

Artist Video Niamh Dunne @ FolkWorld:
FW#31, #43, #46, #52

www.niamhdunne.com

Als Beweis für die innovative Kraft des Irish Folk sind an Bord der Flugnummer IFF 2014 so junge Musiker/innen, wie sie bisher kaum dabei waren. Diese Generation an jungen Genies wird dafür sorgen, dass das IFF eine spannende Perspektive hat.

Niamh Dunne & Sean Óg Graham - Sweet Moments in the Making

Niamh Dunne und Sean Óg Graham sind wie zwei gewiefte Chocolatiers. Sie wissen genau wie man erlesene Zutaten miteinander mischen muss, damit diese Momente der Glückseligkeit auslösen. Momente sind aber leider nicht für die Ewigkeit geschaffen. Sie sind einmalig und gerade deswegen wird man sie unbedingt wieder erleben wollen. Suchtgefahr ist also garantiert. Die Musik dieses begnadeten Duos hat aber gegenüber Schokolade einen großen Vorteil. Sie macht glücklich aber nicht dick.

Versuchen wir das Geheimrezept etwas zu entschlüsseln. Die Grundlage ist die Stimme von Niamh. Sie ist wie dunkle Schokolade, die man gerade zum Schmelzen gebracht hat. Kaum zu glauben, dass diese grazile junge Frau eine so voluminöse Stimme hat. Musikalisch wird der köstliche Gesang von Gitarrenbegleitung edel verpackt. Sean Óg ist ein Gitarrist, der die rhythmischen Finessen und Harmonien mit einem Hallo-Wach-Effekt einstreut.

Réalta

Artist Video Réalta @ FolkWorld:
FW#45, #47, #49, #50

www.realtamusic.com

Eine Pralinenschachtel lebt aber von Überraschungen und auch in dieser Hinsicht hat das Duo ein Knallbonbon in Petto. Niamh ist eine Fiddlespielerin und Sean Óg ein Akkordeonist der Extraklasse, die auch die anspruchsvollsten Jigs & Reels mit Leichtigkeit vernaschen. Die zwei Mitglieder der Supergruppe Beoga stellen mit dem Album "Portraits" einen Mix aus Traditionals, amerikanischen Folksongs und einigen Perlen des zeitgenössischen Singer/Songwritings vor.

Réalta - A New Bright Star in Irish Folk

Réalta bedeutet auf Gälisch Stern und das gleichnamige Quartett lässt diesen hell am irischen Firmament leuchten. Die Gitarristin und Sängerin Deirdre Galway singt mit einer lyrischen Stimme die Traditionals der sanfteren Art, die zum Träumen einladen. Ihre Lieder sind vorwiegend auf Gälisch. Mit Dermot Mulholland hat man einen weiteren Sänger, der zudem am Kontrabass und Bouzouki brilliert. Die zwei Sänger und Saiteninstrumentalisten werden von Conor Lamb und Aaron Hagan an Flutes und Tin Whistles ergänzt. Mit ihren auf Harmonie gespielten Koloraturen schmücken und umgarnen sie die Melodien der Lieder.

Das Viergestirn kann auch anders: Plötzlich schnallen sich Aaron und Conor einen irischen Dudelsack - auch Uillean Pipes genannt - um und schon bläst im besten Sinne des Wortes ein fetzig frischer Wind. Uillean Piper werden oft als "schwer traumatisierte Einzelgänger" bezeichnet und wenn sich zwei zusammen tun, ist das außergewöhnlich. Einer übernimmt die erste und der andere die zweite Stimme. Wie bei Violine und Viola erreichen sie das durch die Verwendung von zwei verschieden gestimmten Pipes. Lassen sie sich überraschen…

Dónal Clancy

Artist Video Dónal Clancy @ FolkWorld:
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www.donalclancy.com

Wenn gleich ein Dutzend Rohrblätter miteinander im Gleichklang schwingen, dann kann nur noch eine Orgel dieses Klangerlebnis toppen. Dazu kommt noch die von Deirdre und Dermot in offener Stimmung pulsierend gespielte Gitarre bzw. Bouzouki und schon hat man einen dichten und dynamischen Sound. Diesen kann sich Réalta wirklich patentieren lassen, denn so klingt sonst in Irland wirklich niemand. Das Viergestirn demonstriert, wie man mit Pfiff und Köpfchen aus einem übersichtlichen Angebot an Zutaten ein neues Klangrezept kreieren kann. Réalta - ein neuer Sound und Stern am Firmament des Irish Folk.

Dónal Clancy - Voice of the Next Generation

Als Dónal Clancy bei einem Interview gefragt wurde, was sein Selbstverständnis als Musiker sei, sagte er: "Take a delight in every note you play." Diese gefühlvolle Hinwendung zu jedem einzelnen Ton hört man seiner Musik an. Jede einzelne Note strahlt und beseelt den Zuhörer. Dónal ist keiner der Gitarristen, die Aufmerksamkeit durch rasend schnelle, technisch vertrackte Passagen oder Extremschrammeln auf sich lenken. Ganz im Gegenteil. Er ist die Gelassenheit an sich. Mit der Transzendenz eines Zen Meisters vertieft er sich in Melodie für Melodie und zelebriert ihre Schönheit. Nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Sänger.

Wer mit dem "Who is Who" des Irish Folk vertraut ist, wird bei dem Namen Clancy vielleicht schon einen gewissen Verdacht geschöpft haben. Ja, wir haben hier in der Tat den jüngsten Spross einer der großen irischen Familien, die untrennbar mit der Geschichte des Irish Folk verbunden sind - den Clancy Brothers. Sie entfachten in den 50er Jahren in den USA einen Irish Folk Boom und wurden zu Ikonen der irischen Kultur. Dónals Onkel Bobby war 1974 dabei als das IFF aus der Taufe gehoben wurde! Toll, 41 Jahre später die nächste Generation des Clancy Clans dabei zu haben.

Dónal passt als Künstler bestens zum aktuellen Tourmotto "Pint of no return". Obwohl er sich in der ruhmreichen Vergangenheit seiner Familie sonnen könnte, schaut er lieber nach vorn und tüftelt an einer zeitgemäßen Umsetzung des ihm anvertrauten Erbes. Was hinter dem Horizont auf ihn wartet, ist ihm genau so wichtig. Für einen Musiker Ende Dreißig hat er schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Nachdem er von klein auf mit seinem Vater Liam tourte, wurde er Gitarrist der Supergruppen Solas und Danú. Die Chieftains holten ihm für eine ihrer Tourneen in ihren erlauchten Kreis und auch die Fiddle-Virtuosin Eileen Ivers oder die Sängerin Karan Casey ließen sich auf ihren CDs von ihm begleiten.

Goitse

Artist Video Goitse @ FolkWorld:
FW#47, #49

www.goitse.ie

Alle waren sie süchtig nach diesem besonderen Gitarrenspiel und seinem edlem Ton. Dabei kam Dónals besondere Stimme eindeutig zu kurz. Er sagt: "Erst als Liam starb, fing ich mit dem Singen richtig an. Plötzlich waren all die Lieder da, die ich von ihm kannte. Sie spukten in meinem Kopf umher wie Geister in einem verwunschenem Haus. Sie konnten erst ihren Frieden finden als ich ihnen eine Stimme gab." Das Resultat ist nachzuhören auf Dónal's zweiter solo CD "The songs of a roving blade". Der Herausgeber des Irish Music Magazines Sean Laffey hat dieses Album als einen der Anwärter auf die beste CD des Jahres 2014 dick in seinem Notizblock angestrichen…

Goitse - Irish Tradition: A Fresh Take

Diese Band ist nicht nur unglaublich jung, sondern auch unglaublich gut. Hie und da taucht in der Musikszene ein Talent auf, das man als Wunderkind bezeichnen könnte. Wenn aber gleich fünf davon eine Band gründen, dann ist das auf gut Deutsch "der Hammer".

Natürlich wird überall auf der Welt gerne übertrieben, aber sehen wir doch den Tatsachen nüchtern ins Auge: Jeder der fünf war schon mindestens einmal "All Ireland Champion" auf einem, oder sogar mehren Instrumenten! Die einzige junge Dame hört auf den Namen Áine McGeeney und sie spielt nicht nur virtuos Fiddle sondern hat auch eine süße Stimme, welche die irische Presse an die junge Kate Rusby erinnert. Am Akkordeon und Piano hören wir Tadhg Ó Meachair, am Banjo und Mandoline James Harvey, an der Gitarre Conal O'Kane und am Bodhran Colm Phelan, der ab und zu auch eine rasante Stepptanzeinlage einstreut.

Das Irish Music Magazine hat das Quintett mit folgenden Zeilen gewürdigt: "Goitse's music possesses a strength power and maturity that is well beyond their years. This one new band is definitively to look out for." 2012 wurden Goitse bei den Live Ireland Awards gar als beste Newcomer ausgezeichnet: "great sound, a fresh take on the tradition, …. Goitse has it all. Great, great stuff in song and tune."

Goitse haben die Tür zur Weltmusik, die bereits Beoga einige Jahre zuvor aufgestoßen haben, jetzt noch einen Spalt weiter geöffnet und das ist gut für Irland. Goitse ist übrigens Gälisch, wird als "gwi-cha" ausgesprochen und heißt "komm her!"


Photo Credits: (1) Irish Folk Festival Logo, (2) Niamh Dunne & Sean Óg Graham, (3) Réalta (4) Dónal Clancy, (5) Goitse (by Magnetic Music).


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