FolkWorld #47 03/2012
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Eine irische Liebesgeschichte

Irish Folk Festival @ Markuskirche, Hannover, 16. November 2011.

Gleich mit den ersten Tönen geht ein Stern auf. Oder Réalta, wie es auf Gälisch heißt. Conor Lamb und Aaron Hagan spielen ein paar fetzige Reels auf Low Whistle und Uilleann Pipes. Anschließend singt Gitarristin Deirdre Galway mit einer hohen, zerbrechlich wirkenden Stimme einen gälischen Song aus dem County Donegal im hohen Norden Irlands, "Siobhán Ní Dhuibhir".

Harry Bradley & Mairéad Ni Mhaonaigh

Altan @ FolkWorld:
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Das Thema Liebe wird sich wie ein roter Faden durch das gesamte Programm ziehen. Hier geht ER zum Markt, aber trinkt unterwegs mit dieser Siobhán anstatt zu kaufen und zu verkaufen. Als ER fragt, ob SIE ihn heiraten will, weist SIE ihn ab, weil ER - wie es so schön heißt - drank the price of his shoes. Reingefallen!

Es folgen abermals Reels, diesmal mit zwei Pipes, und das majestätische Slow Air "Sliabh Geal gCua". Conor und Aaron spielen extravagante Harmonien, was gut in der Markuskirche klingt, während der Sound in dem Gotteshaus ansonsten eher suboptimal ist. Réalta endet etwas unspektakulär mit dem Song "An Trucailín Donn" und dem Jig "The Pretty Brown Girl". Musikalisch ist das alles solide, aber am Gesamtbild muss insgesamt noch etwas gefeilt werden.

Movie
Willy Daly
Matchmaker

Now for something completely different... Beim nächsten Programmpunkt geht es hauptsächlich nicht um Musik, sondern um den kuriosen irischen Brauch des matchmaking. Sprich: Bauer sucht Frau auf Irisch! Willie Daly ist ein solcher matchmaker, ein traditioneller Heiratsvermittler aus dem ländlichen Irland. Ein Dinosaurier, dessen Tätigkeit auszusterben droht, auch wenn unlängst noch die Pop-Sängerin Sinéad O'Connor bei Willie um Rat nachgefragt hat.[24]

Seit über fünfzig Jahren, in der Nachfolge von Vater und Großvater, geht er seiner Berufung nach. Willies Heimatstadt ist Lisdoon-viagra im westirischen County Clare, in dem seit 150 Jahren jeden September ein 30 Tage langes matchmaking festival stattfindet.[40]

Deirdre Galway, Norah Rendell, Mairéad Ni Mhaonaigh

Réalta @ FolkWorld: FW#45

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Mit dem gewaltigen grau-weißen Bart könnte Willie bei den Dubliners einsteigen.[23] Singen kann er jedenfalls. Er gibt vier Songs zum Besten: "All for me Grog" kennt wohl jeder, aber auch "Never Wed an Old Man" (Heirate niemals einen alten Mann!) ist nicht ganz unbekannt. Willie liltet, stepptanzt und deutet ein paar Anekdoten aus seinem Berufsalltag an. Auf Deutsch in seinem Buch "Hochzeit nicht ausgeschlossen" nachzulesen, für all diejenigen, die an Willies Aussprache des Englischen verzweifeln.

Keine Atempause. The Outside Track sind vier Damen und ein Herr. Der irische Gitarrist Cillian Ó Dálaigh macht die Anmoderation in ausgezeichnetem Deutsch und witzelt, dies sei der Grund für sein Engagement gewesen.

Nach einem schottischen Strathspey-&-Reels-Set singt die kanadische Flötistin Norah Rendell den Song "Mountain Road". Ihre wohl tönende Altstimme wird getragen vom Harmoniegesang der Kolleginnen und des Kollegen. Norah lädt zum Mitsingen ein und das Publikum taut langsam auf.

Es folgt ein ruhiger Walzer, brandneu im Repertoire, und ein Reel. Norahs Flöte vereinigt sich mit dem Piano-Akkordeon Fiona Blacks, der Harfe Ailie Robertsons, beide aus Schottland stammend, und der Geige Mairi Rankins aus dem kanadischen Nova Scotia. Die Instrumentalstücke sind gut durcharrangiert und alle instrumentellen Möglichkeiten werden ausgereizt.

Dáithí Sproule

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Harry Bradley @ FolkWorld:
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Ein quasi trans-atlantischer bzw. pan-keltischer Sound. Als nächstes kommt ein kanadischer Song, der auf dem Brauchtum des caoineadh, bzw. keening auf Englisch, beruht, der traditionellen keltischen Totenklage.[32] Wir hören wieder schöne Harmonien.

Nach einer Stepptanzeinlage von Mairi und Cillian (er wurde also nicht nur wegen seiner Deutschkenntnisse eingestellt), folgt das mitreissende Piratenlied "The Turkish Revery". Norah erklärt, sie habe es von Dáithí Sproule gelernt, der es wiederum von einer Burl-Ives-LP seiner Mutter habe.

Dáithí Sproule selbst begegnen wir nach der Pause als Gitarristen von Altan. Der im nordirischen Derry geborene Sänger und Gitarrist hat zu Beginn der siebziger Jahre mit den Dhomhnaill-Geschwistern Pionierarbeit geleistet, als es darum ging, die alten irisch-sprachigen Lieder zeitgemäß zu adaptieren.[5]

Viele Lieder aus seinem Repertoire hat Dáithí in der Gaeltacht, den irisch-sprachigen Gebieten, des County Donegals erlernt, der Gegend also, aus der auch Altan insgesamt ihre Inspiration bezieht. Auch die musikalischen Botschafter aus dem irischen Nordwesten beginnen ihr Programm mit einem Strathspey, bzw. einem Highland, wie man diese Gattung hier nennt.

Letztes Jahr hat Altan noch das 25jährige Bestehen gefeiert, indem sie mit dem Orchester des irischen Rundfunks die Klassiker ihrer Karriere neu eingespielt haben.[42] Heute abend spielen sie wieder die Jigs & Reels wie es in den Kneipen und Küchen des ländlichen Irlands üblich ist - ohne viel Federlesen direkt zur Sache kommend. "Mickey Doherty's Jigs" und "Dinky's Reels" sind Party-Tunes und die Band wird durch die Tänzerinnen belohnt, die sich am Rand der Stuhlreihen im irischen Stepptanz versuchen.

Einfach nur schön ist Cathal McConnells und Séamus Quinns "Sunset", ein langsamer Reel, den Geigerin Mairéad Ni Mhaonaigh und (der verstorbene) Flötist Frankie Kennedy bereits auf dem 1987er Album "Altan" aufgenommen haben, benannt nach dem dunklen See in den Bergen Donegals, der der späteren Formation den Namen gegeben hat.

Mairi Rankin & Mairéad Ni Mhaonaigh

The Outside Track@FolkWorld:
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Dáithís Gitarre zusammen mit Ciaran Currans Bouzouki umspielen die Tanzmelodien und stellen das rhythmische Rückgrat bereit für die Geigen von Mairéad Ni Mhaonaigh und Ciaran Tourish. Letzterer experimentiert lustvoll mit Harmonie- und Gegenstimmen. Überraschung: statt dem Akkordeonisten Dermot Byrne ist der Belfaster Flötist Harry Bradley mit von der Partie, der auf Altans 2002er Album "The Blue Idol" ein Gastspiel gegeben hatte[22] und als Duo mit dem ehemaligen Altan-Fiddler Paul O'Shaughnessy aufgetreten ist.[31]

Bei Altan wird aber auch etwas für's Herz getan! Mairéad singt mit ihrer hellen Gänsehaut-Stimme ein gälisches Liebeslied, gewidmet dem jung-verheirateten Cara-Perkussionisten Rolf Wagels, der sich im Publikum befindet.[46] Dáithí gibt ein gälisches Lied über die heilige Brigid zum Besten, und unter Mairéads Anleitung stimmt das ganze Publikum ein, um "Green Grow the Rushes O" des schottischen Nationaldichters Robert Burns zu singen.[40]

Nach einem fulminanten Abschluss mit weiteren Reels, Reels und abermals Reels kommt schon der Zugabenteil. Mairead singt nur zur Begleitung von Dáithís Gitarrenspiel ein Wiegenland , "Dún do Shúil": Schließ die Augen. mein Herz, meine Freude, mein Schatz ... Die ganze Band spielt zwei weitere Highlands und zwei Reels, dann heißt es: Session!

Movie
Finale

Der aufblasbare Plastikhund von Mairi Rankins Tochter wacht darüber, dass alles seinen geregelten Gang geht. Nach einem gemeinsamen Instrumentalstück singen alle drei Bands "Paddy's Green Shamrock Shore", wobei Mairéad Ni Mhaonaigh gälische Strophen vorträgt, die ihr Vater vor fünfzig Jahren zu dieser Melodie geschrieben hat ("Gleanntain Ghlas Ghaoth Dobhair").

Zum Grande Finale kommt Willie Daly mit der Bodhrán, der irischen Rahmentrommel, dazu und wagt einen gemeinsamen Tanz mit der Outside-Track-Geigerin. Und während man selbst die Hände rhythmisch gegeneinander schlägt und die Füße nicht still stehen können, denkt man sich, dass das Irish Folk Festival es in den nächsten Jahren schwer haben wird, einen drauf zu setzen und das Programm von 2011 zu toppen.


Photo Credits: (1)-(3) Altan, Réalta, The Outside Track (by Walkin' T:-)M).


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