Es war ein schönes Fest - 31 Bühnen und Podien, 163 Bands, 1.186 Mitwirkende aus rund 35 Ländern, 87.300 Besucher - das TFF Rudolstadt 2014 vom 3. bis 6. Juli.
Annuluk (DEU)
Die Bandmitglieder kommen aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien und Tschechien und haben sich zum Ziel gesetzt, „ursprüngliche Spiritualität mit technoider Gegenwart zu versöhnen: Von archaischem Schamanismus oder Tempelgesängen dringt die Band langsam bis in die Gegenwart urbaner Rhythmen und elektronischer Klanggestaltung vor und gewinnt dabei immer mehr Fahrt, um schließlich wieder zu ihren meditativen Anfängen zurückzukehren.“
Die Jury der creole Mitteldeutschland befand über das Septett aus Leipzig: „Annuluk begeisterte mit einem dichten, polyrhythmischen Klang-Geflecht einer auf jeder Position exzellent besetzten Band und dem spirituellen, fast schamanisch anmutenden Gesang der Tschechin Michaela ‚Miša’ Holubova, deren faszinierende Stimme und zwingende Bühnenpräsenz alle sofort in ihren Bann zog.“
Exprompt (RUS)
Exprompt, 2008 Gewinner des vom Malzhaus Plauen vergebenen Eisernen Eversteiners, sind weniger berühmt als die erfahreneren Kollegen vom "Terem Kvartet", aber mitnichten weniger virtuos. Davon konnten sich bereits die TFF-Besucher 2009 überzeugen, und daran hat sich auch nach einem zwischenzeitlichen Besetzungswechsel - Alexey Dedyurin ersetzte Michail Totskij am Bajan – nichts geändert. Weiterhin verquicken die vier „Romanzen und Romantik, Klassik und Neues so rasant wie präzise“, wie das Flensburger Tageblatt lobte.
Und die Fellbacher Zeitung fügte an: „Es ist feine Kammermusik auf traditionellen Instrumenten, mit der die vier karelischen Musiker die Zuhörer begeistern. Und glänzende Arrangeure sind die vier offensichtlich auch: Ob sie sich russische Volksweisen vornehmen, traditionelle Tänze und Lieder, ob sie Django Reinhardt oder Gioachino Rossini ihre Reverenz erweisen: Aus jeder Musik formen sie musikalische Perlen, die sie mit sofort aufs Publikum überspringendem Esprit präsentieren."
No Blues (NDL)
Vor zehn Jahren trafen zwei Niederländer mit Vorliebe für nordamerikanische Folk- und Bluestraditionen einen arabischen Musiker – und fanden heraus, dass beide Musikstile sich vorzüglich zum Erzählen von Geschichten eignen. Die amerikanische Herangehensweise ist vielleicht etwas rauer, spröder, die arabische etwas feiner, poetischer. Aber sie gehen zusammen.
Also führten sie zusammen, was sie verband, und herauskam eine Mixtur, die man am ehesten mit „Arabicana“ bezeichnen kann: Musik aus dem Herzen mit wahren Geschichten über die einfachen Leute, ihre Liebe und ihre Sorgen. Dahinter steht ein ebenso einfacher wie ehrlicher Wunsch: Grenzen überwinden, zueinander finden, ohne die eigene Herkunft zu leugnen und die Integrität zu verlieren. Dafür wurden im Laufe der Zeit auch die musikalischen Horizonte erweitert: hier um eine Balkan-Farbe, dort um einen Afrika-Rhythmus.
Vieles an der Musik von NO Blues ist eingängig; der Titelsong ihres Debut-Albums Farewell Shalabiye ist ein richtiger Ohrwurm und swingt gutgelaunt vor sich hin. Und das ist vielleicht auch noch wichtiger bei der Band als alle theoretische Überlegung des Zueinanderfindens. Hier haben Musiker einfach Spaß, an dem was sie tun. Und dieser Spaß ist ansteckend – good time music für die Leute auf und vor der Bühne.
June Tabor & Oysterband (GBR)
"Das Warten darauf hat sich gelohnt", schrieb der englische Guardian, als 2011 nach 20 Jahren das zweite Album der großen englischen Balladensängerin June Tabor mit der Folkrock-Ikone Oysterband erschien. June Tabor, die an Silvester 66 Jahre alt wird, singt wie immer tadellos, während die Oysterband wie eine Unplugged-Variante ihrer selbst klingt, nicht weniger intensiv, aber akustischer, weniger punkig. Zusammen falten sie ein Repertoire auf, das von englischen und schottischen Traditionals bis zu zeitgenössischen Kompositionen von Bob Dylan über Shane McGowan oder Lou Reed zu PJ Harvey und Joy Division reicht.
June Tabor steht seit Jahren auf der Wunschliste des TFF-Teams. Wenn sie also am Sonntag (6.7.) um 17:30 zusammen mit den sechs Musikern der Oysterband auf der Bühne der Heidecksburg stehen wird, werden sicher auch wir und die TFF-Besucher unisono feststellen: Das Warten hat sich gelohnt.
We Banjo 3 (IRL)
Das wird die Puristen wieder ärgern: We Banjo 3 ist eine Gruppe aus Galway mit unüberhörbar amerikanischen Spuren in ihrer Musik. Nun sind die Inselbewohner ja erst in den späten 50ern, frühen 60er Jahren durch den Erfolg der irischen Musiker in den USA wieder auf ihre eigene Tradition aufmerksam geworden; trotzdem gibt es Leute, die solch eine Mischung ablehnen.
Was uns wiederum nicht stört, denn Mike Kamps Frage im Folker, „Wer bringt diese Band endlich nach Deutschland“, war Rainer Zellner von MusicContact Befehl und fand auch bei uns Gehör. „Diese Band“ besteht aus zwei Brüderpaaren, ist aber trotzdem irgendwie ein Trio, weil nämlich drei Mitglieder Banjo spielen. Weswegen die Band manchmal als We Banjo 3(+1) betitelt wird.
Untereinander haben die vier Mitglieder Wettbewerbe im Dutzend billiger gewonnen. Seit rund zwei Jahrzehnten sind die Männer in der irischen Folkszene aktiv, haben mit den Chieftains, Frankie Gavin, Martin O’Connor oder Ricky Skaggs gespielt; Martin Howley war sogar der erste irische Banjo-Spieler, der im altehrwürdigen Country-Tempel, der Grand Ol Opry in Nashville, aufgetreten ist.
Als Quartett agieren sie erst seit wenigen Jahren. Seither mischen sie die Irish- und Banjo-Szene auf. Ihr Debüt-Album wurde von der Irish Times zum „Traditional Album of the Year 2012“ gekürt; die Lobeshymnen überschlagen sich. „Diese ultra-talentierten irischen Musiker interpretieren die heiligen Traditionen aus Irland und den USA mit einer Frische, die ans Magische grenzt.“ (Earle Hitchner, The Wall Street Journal)
Catch-Pop String-Strong (AUT)
Manchmal entscheiden Jurys doch richtig: Das Duo mit dem sperrigen Namen und der manchmal auch sperrigen, oft augenzwinkernden und immer virtuosen Musik – beide Künstlerinnen sind klassische ausgebildet – hat bereits einige Auszeichnungen eingeheimst: Förderpreis der Austrian World Music Awards 2011, Pasticchio-Album-Preis von Radio Ö1/ORF und der Tageszeitung Der Standard 2012, Fraunhofer Volksmusikpreis in München 2013.
Alles hochverdient für eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Kombination. Bratsche und Cello. Serbien und Kosovo. Geht eigentlich nicht zusammen. Geht aber doch, wenn die serbische Bratschistin und Sängerin Jelena Popržan und die Cellistin Rina Kaçinari aus dem Kosovo sich in Wien zusammentun und aus Balken-Tanzrhythmen, klassischen Musiken, schottischen Galgenliedern, Wiener Lied, Pop, Punk, Schlager, Brecht/Weill sowie einer Vielzahl bemerkenswerter Eigenkompositionen eine wundervolle Melange brauen.
Stellvertretend für viele brachte es Michael Ternai von Mica – Music Austria auf den Punkt: „Fesselnde und über alle Maße begeisternde Musik, die deutlich mehr ‚Rock’ in sich hat als viele Rockveröffentlichungen, die erfrischend verspielter erklingt als vieles im Jazz, der schlicht mehr Seele und Sanftheit inne ist als manches im Soul. Die Kompositionen der beiden Musikerinnen sind ein umwerfendes Beispiel dafür, was Wunderbares und Spannendes entstehen kann, befreit man sich erst einmal von allem musikalischen Scheuklappendenken.“
„Hört uns! Dann geht es Euch besser!“ Fordert Rina Kaçinari ihr potentielles Publikum auf. Man sollte sie beim Wort nehmen.
Que Passa (POL) präsentiert eine Musikmischung stark in der Flamenco- , Worldmusik-, Jazz-, Latin-und Tangotradition verwurzelt und ist mit der Individualität jeder Musiker gekennzeichnet. Ihren Stil definieren sie als FLAMENCO FUSION. www.quepassa.pl |
Wirbeley (DEU): Erkentrud, Oda und Siegmunda, dazu Ali alias Bjarnhard, der Schläfer von Konstantinopel, sowie Doktor Liborius blasen alle musikalische Grenzen fort. „Hochkultur mischen die studierten Virtuosen mit Marktmusik, Tradition mit Experiment. Musizierfreude trifft Folklore, kammermusikalischer Feinsinn das Gesellige der Volksmusik – und alles den Nerv unserer wirbelnden Zeit.“ www.wirbeley.de |
De Strawanza (AUT/POL): Es gibt nichts, was es nicht gibt – so auch eine sehr eigensinnige Formation aus den drei Instrumenten Saxofon, Drehorgel und Kontrabass. Passt aber, denn die drei Musiker aus Österreich und Polen präsentieren mit viel Experimentier- und Spielfreude bekannte Swingklassiker, Tangos und Chansons, aber auch eigene Kompositionen. www.music-in-motion.at |
Kaum vorbei, wartet das nächste Festival: Nr. 25, eine Jubiläumsausgabe also vom 2. bis 5. Juli 2015.
Das magische Instrument ist die Cister. Der Länderschwerpunkt ist Norwegen.
Entsprechend gewählt wurde der Tanzschwerpunkt: Halling und andere norwegische Tänze.
Photo Credits:
(1) Annuluk,
(3) No Blues,
(4) June Tabor,
(5) We Banjo 3,
(7) Que Passa,
(8) Wirbeley
(by Karsten Rube);
(2) Exprompt,
(6) Catch-Pop String-Strong,
(9) De Strawanza
(by Christian Moll).