FolkWorld Ausgabe 38 03/2009

FolkWorld CD Kritiken

Uusikuu "Hotelli Untola"
Label:
Peregrina Music; 2008; Spielzeit: 45:35 min
Auf die Frage, wer denn wohl den Tango erfunden hat, könnte man ins Streiten geraten. In Argentinien mag man den leidenschaftlichen Tango bis zum Selbstmord tanzen. Die Finnen, ebenfalls ein zutiefst melancholisches Volk, hatten aber nie Lust die Melancholie eines heißblütigen lateinamerikanischen Volkes zu importieren und erfanden den Tango einfach noch mal. Diesmal nicht für Rotwein und feurige Eifersucht, sondern als Tango für Schnee, Glühwein und sechs Monate Nacht. Der finnische Tango ist bestimmt von Schwermut und Langmut, von akzeptiertem Leiden und einsamer Trauer und ist damit die nordeuropäische Entsprechung der portugiesischen Saudade.
Die Musiker von Uusikuu - vier Finnen, ein Engländer und ein Deutscher - widmen sich auf ihrer CD “Hotelli Untola” ganz der finnischen Salonmusik des 20. Jahrhunderts. Sie interpretieren Klassiker des Tanzteerepertoires und Populärmusik zur Unterhaltung. Uusikuu liefern mit ihrer meist ernsthaften und auf den ersten Blick ironiefreien Interpretation des klassischen finnischen Tangos den idealen Soundtrack zum Nachmittagskeks. Doch wer genau hinhört und sich nicht zum erstenmal dem finnischen Tango aussetzt findet in den nostalgisch verklärten Arrangements mehr als ein musikalisches Augenzwinkern. “Hotelli Untola” ist die schönste musikalische Begleitung zum Konditorn.
www.uusikuu.com
Karsten Rube


Ensemble Fisfüz "Yakamoz"
Label: Eigenverlag; 2007
Das Ensemble Füsfüz vermag es in ihrem Album “Yakamoz” die Stimmung einer Nacht am Rande des Orients einzufangen. Mit traumhaft verspieltem Oriental-Jazz bezaubert dieses türkisch-deutsche Trio den Hörer und lockt ihn aus der nervenaufreibenden Gegenwart in eine sanft wogende Parallelwelt, in der der Orient geheimnisvoll und unergründlich hunderte Kilometer und nicht alltäglich und unspektakulär zwei Bushaltestellen entfernt ist. “Yakamoz” wirkt dabei nicht wie das Klischee einer Tausend-und-eine-Nacht- Schmonzette aus westlichen Filmstudios, sondern besitzt die Authentizität eines Bazars jenseits der ausgetretenen Pfade geführter Pauschalreisen.
www.fisfuez.de
Karsten Rube


Amparanoia "Seguiré Caminando" [2 CD + DVD ]
Label: Via Lactea; 2008; Spielzeit: 121:30 min
Die spanische Band Amparanoia wird neben Manu Chao als einflussreichste Bereicherung der europäischen Weltmusik im letzten Jahrzehnt gehandelt. Der Sound, den diese Weltmusikrebellen kreierten, hat man in Ermangelung besserer Begriffe Mestizosound genannt. Hier wird hemmungslos gemischt, was an Latinostilen so vorhanden ist. Hemmungslos, doch nicht wahllos. Herausgekommen ist eine zum Tanzen zwingende Rumba-Flamenco-Ska-Pop-Mischung, die ein ganzes Jahrzehnt die Weltmusikcharts aufmischte.
Im November 2006 gab die Band ein Konzert in Barcelona bei der sich die Sängerin Amparo Sanchez, die über einen langen Zeitraum Frontfrau der Band war, von der Band und ihren Fans verabschiedete. Viele Songs, die in dieser Zeit entstanden und die die Fans textsicher mitjubeln konnten, sind auf dem Konzertmitschnitt “Seguiré caminando” zu hören. Alles was an Flamenco-Underground-Rock und Gipsy-Punk von Amparanoia bekannt wurde, kann man noch einmal in voller bühnenakustischer Heftigkeit miterleben. Dieses überaus emotionale Konzert ist in CD- und DVD-Form seit Mitte 2008 bei CD- Händlern mit Geschmack erhältlich.
www.amparanoia.com
Karsten Rube


Barbara Thalheim "Herzverloren"
Label:
Pläne Records; 208 ; 2008; Spielzeit: 45:33 min
Aus Barbara Thalheims langjähriger Liebe zum französischen Chanson erwuchs das Bedürfnis ihren Vorbildern zu huldigen. "Herzverloren", die aktuelle CD der einzigen Musikerin, der man bereits in der DDR statt Liedermacherin den Begriff Chanteuse zuwies, ist diese Huldigung. So übernimmt sie Kompositionen französischer Sängerkollegen, wie Renaud Séchan, Gilbert Laffaille und Bernard Lavilliers, um hier nur die Musiker zu nennen, die Freunden der französischen Musik auch hierzulande bekannt sein könnten. Doch auch Künstler, von denen man hier nur gehört haben kann, wenn man ganz tief in die Seele des französischen Chansons getaucht ist, so wie Barbara Thalheim es seit Jahren praktiziert, weist sie via kurzem Umweg über ihr Herz ihre deutsche Stimme zu. Nicht in einer Form der übersetzten Coverversion. Nein, das wäre nicht die Thalheim, die man kennt und wahlweise liebt, fürchtet, fantastisch findet oder anmaßend. Sie stülpt den Chansons, den Dichtungen ihrer Kollegen ihre eigene Weltsicht über, eine Weltsicht, die sich mal aus der eigenen Feder, mal aus der befreundeter Texter, wie Regina Scheer, Michael Wüstefeld oder beim Titelsong "Herzverloren" Richard Pietraß ergießt. Thalheims Texte sind immer typische unnachahmliche Thalheim-Texte. Die eigene Befindlichkeit, die meist eine sehr sensible ist und die Wut auf alles, was selbstgerecht blasiert daher stelzt, das sind seit Jahren ihre Themen. Mit "Herzverloren" zeigt die noch immer einzige maßgebliche deutsche Chanteuse ihre nie heilende Zerrissenheit zwischen polternder Verhöhnung und hingebungsvoller Liebe zum Wunder. "Die arme Schwester der Liebe" mag das am deutlichsten wiedergeben.
Musikalisch wird Frau Thalheim auf dieser CD von ihrem langjährigen musikalischen Begleiter Jean Pacalet unterstützt, der die Arrangements der meisten Lieder noch einmal Thalheimgerecht aufgemöbelt hat und wie immer ein wunderbares Akkordeon zu spielen weiß. Auch auf den fidelen Percussionisten Topo Goia sei hingewiesen, der wie so oft in der Lage ist, aus Instrumenten, die man normalerweise verprügelt, liebevoll sanfte Töne herauszukitzeln.
www.barbara-thalheim.de
Karsten Rube


Die Wilden Weyber "Unterwegs"
Label: AMI productions; 2004; Spielzeit: 60:59 min
Wer sich gelegentlich auf Folklore-, historischen Stadt- und Mittelalterfesten herumtreibt, stößt immer wieder auf die fahrenden Spielmannskapellen, die sich authentisch gebenden Barden und Bänkelsänger. Meist sieht man dabei schelmische Männergruppen oder gemischt aufspielendes Volk, bei denen die Damen sich häufig mit der Rolle der anmutig tanzenden Begleitung zufrieden geben. Ein Rollenverständnis, das dem Bild der mittelalterlichen Arbeitsteilung durchaus gerecht wird. Doch in der heutigen Zeit ist dieses Bild weder gerecht noch wünschenswert. Die Wilden Weyber, eine fünfköpfige Frauenkapelle aus Sachsen mischt die mittelalterliche Musikszene entsprechend auf. Fahrendes Weibsvolk, das sich mit höfischer und bäuerlicher Musik aus mehreren Jahrhunderten eingehend beschäftigt hat und auf Festen feste zeigt, wie wild und energisch fahrendes Weibsvolk aufzuspielen weiß.
Ihre CD "die Wilden Weyber unterwegs" bindet einen Querschnitt der Musik der Wilden Weyber und führt quer durch die Zeiten und Länder Europas. Vom bretonischen Trinklied, übers neapolitanische und finnische Volkslied, bis hin zu Beethoven und barocker Hofmusik. Die Wilden Weyber fühlen sich als fahrendes Volk der angeblich erst im letzten Jahrhundert geborenen europäischen Idee verpflichtet und beweisen, dass grenzüberschreitende Musik ein ganz alter Hut ist.
www.die-wilden-weyber.de
Karsten Rube


Dance of Joy "Flying Bulgar"
Label: Eigenverlag; 2007; Spielzeit: 58:20 min
Dance of Joy heißt eine Klezmerkapelle aus den Niederlanden, denen es immer wieder gelingt, nach Live-Auftritten euphorischen Applaus zu ernten. Ihr Repertoire traditioneller Klezmerstücke reichen von der Interpretation melancholischer, aber nie hoffnungsloser Stücke bis hin zu schwungvollen Tanzstücken. Selten findet man bei einer Klezmerband eine solche Bandbreite aus der Welt jüdischer Musik. Virtuoses Spiel beherrschen alle vier Bandmitglieder. Das Akkordeon, der Kontrabass und auch die Violine, doch das Herz dieser Musik und hier vor allem dieser CD pulsiert mit dem wie ein musikalischer Derwisch agierenden Klarinettisten und Saxophonspieler Johannes Flamm. “Flying Bulgar” ist ein kurzweilig zu hörendes Album nicht nur für eingefleischte Klezmerliebhaber.
www.dance-of-joy.de
Karsten Rube


Heidenspass "Wer einmal auf dem Besen ritt..."
Label: Iguana Audioproductions; 2005; Spielzeit: 37:39 min
Die Welt des Mittelalters spiegelt sich heute nirgendwo so deutlich wieder, wie in der Musik jener Zeit. Zahlreiche Spielleute durchwandern die Lande, ziehen über die Märkte und Feste und präsentieren ihr lautes und energisches Können. Die Gruppe Heidenspass gehört dazu, ein siebenköpfiger wilder Haufen aus dem Breisgau, der mit Schalmeien und Dudelsäcken, mit Flöten und Trommeln und aufbrausendem Gesang, auch den letzten schlafmützigen Jahrmarkstouristen ins gar nicht so finstere Mittelalterleben zieht. Die CD "Wer einmal auf dem Besen ritt..." ist nicht nur eine wilde mittelalterliche Tanzorgie, sondern großartiger Spaß. Heidenspass eben. Wer sich ihre Website betrachtet erkennt übrigens deutlich, mit wie viel Enthusiasmus sich die Musiker in die Zeit der Minne, der Spielleute und Drachenjäger gestürzt haben.
www.heidenspass.org
Karsten Rube


Verdes Anos "Coimbra Fado"
Label:
ARC Music; EUCD2187; 2008; Spielzeit: 53:27 min
Der Tradition, den portugiesischen Fado zu leben und zu musizieren fühlen sich zahlreiche Musiker Portugals verpflichtet. Es ist ein Stück gesungener Heimat. Das er nicht nur Weltschmerz bedeutet, sondern in seiner Grundeinstellung Lebensliebe dürfte sich in den meisten Köpfen denen diese Musik nicht egal ist inzwischen festgesetzt haben.
Eine Form des Fados ist der Coimbra Fado, ein Stil, der in dieser schönen Universitätsstadt in Central Portugal beheimatet ist und voller Liebe gepflegt wird. Verdes Anos präsentieren diesen Coimbra Fado mit sanftem Gitarrenspiel von zwei guitarras portuguesas und einer klassischen Gitarre. Dazu der Gesang von drei stimmgewaltigen Herren, die wunderbare, seelentief empfundene Poeme interpretieren. Es ist nicht die Künstlichkeit gefeierter Fadodiven, die einem auf der CD "Coimbra Fado" entgegenschwallt, sondern die angenehme Leichtigkeit gepflegter Regionalkultur. Ohne übertriebenen Pathos, aber mit viel Herz.
www.verdesanos.com
Karsten Rube


Banda Comunale "Wer war beim Barbier"
Label: phonector; 2007; Spielzeit: 57:15 min
Dass sich Dresden und New Orleans in einigen Bereichen ähneln (Städte des Südens, interessanter Dialekt, ein Faible für Jazz und Dixie) liegt es Nahe, dass sich irgendwann auch in Dresden Blaskapellen für den Straßengebrauch formieren. Die Banda Comunale ist ein zehnköpfiges Ensemble, das mit Posaunen, Saxophonen, Tuba und Bauchtrommel lautstark Demonstrationen, Stadtfeste und Hochzeiten beschallt. Ein gelungenes Hörbeispiel ist ihre CD "Wer war beim Barbier", die zwar nicht das infernalische Gehupe einer lebendig vollzogenen Vorstellung wiedergeben kann, aber einen Eindruck vom durchaus virtuosen Können der Musiker vermittelt. Eine angenehm zu hörende CD, die weit vom Katzenjammer manch schräger Balkan-inspirierter Rummelplatzblaskapelle entfernt ist. Balkan-Brass ist nur verhalten zu hören. Ein wenig Ska mischt sich hinein, auch ein gelungener Mambo sorgt für Tanzlaune. Überhaupt scheint sich die Kapelle in der lateinamerikanischen Musik sehr wohl zu fühlen. Live wird ihnen allerdings ein mitreißendes Brachiales Marching-Brass-Inferno nachgesagt.
www.bandacomunale.de
Karsten Rube


Bremen Immigrant Orchestra "Home away from home"
Label:
JARO Medien; 4273-2; 2006; Spielzeit: 59:33 min
Willy Schwarz ist ein bekannter Wanderer zwischen den Welten. Schon lange, bevor Weltmusik ein gängiger Begriff wurde, umkreiste er den Planeten, um in den Kulturen der verschiedensten Länder von lokalen Musikern zu lernen. Bereits in Amerika führte er mit dem All American Immigrant Orchestra verschiedenste Kulturen auf einer Bühne zusammen. Jetzt tat er das selbe in Europas kulturreichstem Einwandererland: Deutschland.
Das Immigrant Orchestra, das mit “Home, away from home” seine erste CD vorlegt ist ein sprudelnder Quell kultureller Vielfalt, der mit einer musikalischen Ungeheuerlichkeit beginnt. Ungeheuerlichkeit sei hier aber als positiv überraschend und scheuklappenzerstörend gemeint. Die Sängerin Sema Mutlu singt ein arabesques Liebeslied in der eine bereits reifere Frau einen knackfrischen Jüngling anbaggert und verführerisch umgarnt. Das Ganze zudem in Deutsch. Ein Lied, das in seiner Eindeutigkeit in vielen arabischen Ländern so wohl kaum aufgeführt würde und auch hier die Grenzen bekannter Hörgewohnheiten stark ankratzen dürfte. Weiter geht die Weltreise mit einer zarten Hirtenweise aus China, führt dann zu Uli Simon, dem Chilenen mit den deutschen Wurzeln, der in seinem Lied seine Geschichte und die seiner Ahnen besingt. Über Persien geht es nach Ghana, Mexiko, Ungarn, wieder in den Kashmir. Die Musiker mit den eigenen kulturellen Wurzeln fügen sich in die Melodien ihrer Kollegen ein und so ist die Welt bei Willi Schwarz am Ende eine Silberscheibe, auf der sich Persische Musiker erfolgreich an Lateinamerikanischen Instrumenten versuchen und Chinesische Musiker an einem Lied aus Ungarn mitwirken.
Auf seinen Reisen hat Willi Schwarz den glitzernden Sternenstaub des Planeten eingesammelt, den er uns mit dieser CD sanft in die Ohren wehen lässt.
www.jaro.de
Karsten Rube


Orientation "Orientation Biz"
Label: akuma; 2008; Spielzeit: 44:52 min
Das Berliner Vielvölkergemisch wirkt oft wie eine äußerst fruchtbare Streuobstwiese. Monokulturen haben hier kaum eine Chance, wie die Berliner Musikszene immer wieder eindrucksvoll beweist. Orientation ist eine der Berliner Bands, die sich über stilistische und kulturellen Reviermarkierungen hinwegsetzen und den für die Stadt so eigenen musikalischen Pioniergeist freisetzen.
Die dritte CD der türkisch-persisch-deutschen Band Orientation heißt "Orientation Biz" und ist eine ungewöhnliche Soulplatte geworden. Sanft bis funky agieren die fünf Musiker. Dabei verbinden sie ihren Soul mit einer kräftigen Portion orientalischer Klänge. Es ist feinster Orientalpop oder besser Rhythm&Besque. Dafür sorgt nicht nur der schmeichelnde türkische Gesang von Bekir Karaoglan, sondern auch die Instrumentierung, die neben elektronischen Soundtüfteleien genug Platz lässt für orientalische Authentizität.
Orientation sind keine Unbekannten in der Orientalmusic. Faith Akin ließ sie am Soundtrack seines Filmes "Gegen die Wand" arbeiten. Als Produzent und Songschreiber arbeiteten sie an einigen Musikerkarrieren mit. So an der von Muhabbet, einem der besten deutschsingenden Vertreter des Rhythm&Besque.
"Orientation Biz" wirkt wie ein genussvoller Zug aus einer Shisha in einem orientalischen Caféhaus mitten im Abendland.
www.orientation-music.com
Karsten Rube


Etta Scollo "Il fiore splendente"
Label: Edel Classic; 2008; Spielzeit: 50:57 min
"Die leuchtende Blume" - Il fiore splendente. Mit diesem schmucken Album, schon im Äußeren einem orientalischen Gedichtband ebenbürtig, erweist sich die Sizilianerin als poetische mediterrane Geschichtenerzählerin. Sie folgt den Spuren arabischer Dichter die auf Sizilien lebten, als der Orient bis weit nach Europa hineinreichte und mit Kultur, Bildung und einer heute kaum nachvollziehbaren Toleranz das Leben annektierter Landstriche gestaltete. Etta Scollo schuf für die seelenschmerzenden Poeme, für die zärtlichen Liebesgedichte, für die sehnsuchtsvollen hoffnungsschwangeren Träume aus der ersten Jahrtausendwende Kompositionen, die arabische Klangmuster, süditalienische Canzoni, Kammermusik und sinfonisches Werk verbindet. Es gelingt ihr auf wunderbare Weise, die Stimmung der Dichtung und die ihrer Musik zu einer Harmonie zu verdichten, die das Album zu einem einzigen vertonten Poem werden lässt. Etta Scollo winkt uns mit Grandezza der süßen Bitternis jener verwehten arabischen Dichtkunst zu folgen. Die Schönheit der "Leuchtenden Blume" besteht in ihrer unwiderstehlichen Aufforderung zum Träumen.
www.ettascollo.com
Karsten Rube


Lila Downs "Shake Away"
Label: Manhattenrecords; 2008; Spielzeit: 60:21 min
Mexikos Norden und der Süden der USA. Kulturell gehören diese Gegenden zusammen, auch wenn eine schwer gesicherte Grenze eine schneidende Naht zwischen beiden ziehen will. Lila Downs - Mexikanerin - Tochter einer Mixtekenindianerin und eines Amerikaners schottischer Herkunft kann Lieder singen über die Kluft und die Brücken zwischen den Kulturen. Und das tut sie auch. Ihre Stimme, die ihr in ihrer Jugend eine Ausbildung zur Opernsängerin möglich machte, umfasst eine Bandbreite, die von kraftvollem dunklen Timbre, ungewöhnlich intensiven Hauchen, bis zum schrillen Schrei alles aufzubieten hat.
Auf "Shake away" nutzt sie ihre stimmliche Brillanz um eine Verbindung zwischen popigen Mestizosound, gehauchten, HipHop und indianischen Gesängen zu schaffen. Textlich bleibt sie sich dabei treu. Die Probleme und Lebensweisheiten, die alltäglichen Unzumutbarkeiten und die kleinen Freuden ihrer Landsleute sind die zentralen Punkte, um die sich ihre Musik dreht. "Shake away" ist eine CD, die voll Hoffnung steckt und voll Mut. Sie ist ein wirksamer Gegenpol zu all den gleichklingenden, hübschen, dafür politisch unmotivierten Latinpopstars. Für mich eine der besten Platten des Jahres 2008.
www.liladowns.com
Karsten Rube


Glissando "Impressies"
Label: Eigenverlag; 2008; Spielzeit: 75:35 min
Die Musik von Glissando bewegt sich zwischen den Welten. Jazzige Improvisationen unter Verwendung von Tango, Klezmer, Celtic-Folk und Gipsymusic sind zu hören auf der CD "Impressies". Sich selbst bezeichnet die Kapelle als Klezfolkjazzband. Die CD "Impressis" bewegt sich tatsächlich sehr jazzig ambitioniert durch die Stücke, was sicher auch der Tatsache geschuldet ist, dass die CD weitgehend live eingespielt wurde. Das macht das Hören der CD aus einem herkömmlichen Player nicht immer einfach. Obwohl die Stücke gut arrangiert sind und ich den Musikern ihr spielerisches Können in keiner Weise absprechen möchte, wirkt die CD unterkühlt, was weder an den Kompositionen noch an den Musikern zu liegen scheint. Hier findet sich eines der Phänomene, in denen das Medium nicht zur Musik zu passen scheint. Ich hoffe, Glissando hat mehr Glück beim nächsten Mal.
www.glissando-band.de
Karsten Rube


René Bardet "Vielleicht, weil ich ein Wilder bin"
Label:
Conträr Musik; 1982/2007; Spielzeit: 58:16 min
René Bardet war Musiker und Journalist. Er arbeitete eine Zeit lang mit dem Harfenspieler Andreas Vollenweider zusammen, eine Zeit, in der er sein Konzept "Poesie und Musik" weiterentwickelte. Sphärische Klänge, von poetischen Texten inspirierte Improvisationen, Lyrikvorträge mit Musik waren seine Idee. Er vertont Heine, Villon, Neruda und Worte nordamerikanischer Indianer. 1982 stieß er auf die Antwort des Häuptlings Seattle vom Stamme der Duwamish im Nordwesten der USA auf die Ankündigung des damaligen Präsidenten der USA Franklin Pierce das Land der Duwamish an weiße Siedler zu verkaufen und den Stamm in ein Reservat umzusiedeln. Dem Häuptling erschien das unverständlich, denn, wie konnte man denn Land kaufen, das keinem gehörte. Er richtete seine Antwort an den weißen Häuptling in Worten, die einen tiefen Respekt vor der Schöpfung ausdrücken und eine Mahnung an die Welt wurden, kein Ausverkauf der Natur zu betreiben, sondern immer nur soviel von der Natur abzufordern, wie man selbst bereit ist, ihr wieder zuzugestehen. "Lebe im Einklang, denn wir sind ein Teil der Erde" lautet die Botschaft des Indianervolkes. Eine Botschaft, die wie so viele ähnliche Mahnungen von der sich ausbreitenden modernen Zivilisation in den Wind geschlagen wurde. Das Ergebnis ist jederzeit in Nachrichten und im unmittelbaren Erleben sichtbar.
René Bardet webt die eindringlichen Worte des Häuptlings Seattle in einen Klangteppich, dessen hypnotischer Wirkung man sich kaum entziehen kann. Die CD "Vielleicht, weil ich ein Wilder bin" ist 25 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung neu aufgelegt worden und hat trotz dieses langen Zeitraumes kein bisschen von seiner Aktualität eingebüßt.
www.conträrmusik.de
Karsten Rube


Bandabardo "Tre Passi Avanti"
Label: On The Road Music Factory; 2004; Spielzeit: 53:29 min
"Tre Passi Avanti" ist lange nicht so konzeptbezogen, wie das gefeierte Nachfolgealbum "Ottavio". Es ist im Gegensatz zum Nachfolger viel typischer für diese toskanische Spaßpunkkapelle mit folkloristischer Leitlinie. Wunderbares hantieren mit Stilen, die sich manchmal in neapolitanischen Mandolinenklängen wiederfinden, die aber irgendwie in lateinamerikanische Wehmut getränkt scheinen, was vermutlich am mexikanischen Neuzugang Ramon liegt, der Trompete und Gesang beisteuert. "Tre Passi Avanti" passt zum Stil Manu Chaus, ein Stil anarchistischen Multikulturalismus in der Musik, der das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts maßgeblich prägte. Bandabardo sind Grenzen ebenso unbekannt, wie musikalische Hemmungen. "Tre Passi Avanti" ist eine CD, die auf angenehme Weise Italiens Abkehr von der Schlagernation demonstriert.
www.bandabardo.it
Karsten Rube


Trio Kali Gari "Dos Leben a Tants"
Label:
Löwenzahn-Verlag; 2007; Spielzeit: 57:40 min
Trio Kali Gari "In Adess"
Label: Löwenzahn-Verlag; 2007; Spielzeit: 57:08 min
Das Klezmer-Trio Kali-Gari spielt häufig zum Tanz auf, bei Hochzeiten, auf Märkten, bei Jubiläen. Ihr Repertoire ist schier unerschöpflich. Eine Sammlung von Tänzen, Walzern, Musettes, Tangos und was sich sonst noch zum Tanz eignet findet sch auf ihrer CD "Dos Leben a Tants". Dabei bedienen sie sich an Klassikern, wie Kreislers "Tauben vergiften im Park", wagen einen Schlenker zu Mozarts "Alla Turca" oder spielen Kompositionen von Lydie Auvray. Sie schwelgen in der Musik der Zigeuner und natürlich gehört die jiddische Musik immer dazu. Dabei zitieren sie die bekannten musikalischen Themen nicht ohne Ironie. "Dos Leben a Tants" bittet zum Tanz in der Manier der Caféhäuser des frühen 20. Jahrhunderts.
Ganz der jiddischen Musik in seinen vielen Spielformen ordnet sich das Trio auf der im selben Jahr erschienen CD "In Adess" unter. Bulgar, Freilach, ungarische Tänze, selbst vor griechischen Tänzen machen sie nicht Halt. Überall, wo sich jüdische Traditionen in der Kultur, in Tanz, Musik und Speisen bewahrt haben, spürt das Trio sie auf und integriert sie gekonnt in ihr Repertoire. "In Adess" spannt einen großen Bogen aus Musik der jüdischen Spielleute vom fernen Schwarzen Meer bis tief hinein nach Mitteleuropa und verbindet diese in bester Tradition der Wandermusiker.
www.triokaligari.de
Karsten Rube


Gai Saber "La Fabrica Occitana"
Label:
Felmay; 2006; Spielzeit: 48:17 min
Die fröhlichen Troubadoure der occitanischen Elektro-Minne lassen achthundert Jahre provencialischer und italienischer Dichtung Occitaniens auferstehen. "La Fabrica Occitana" ist ein weiteres Werk der italienischen Zeitenwanderer, deren Lieder nahtlose Übergänge zwischen der traditionellen Musik Occitaniens, den Minnegesängen der Troubadoure Südfrankreichs und Westitaliens und den elektronisch untermalten Annäherungsversuchen in den Tanzsälen der Gegenwart bilden. Die besondere Verschmelzung von Folkinstrumentierung, wie Drehleier und Dudelsack mit digitaler Programmierung und Drums bringt einen eigenständigen Sound hervor. Einen Sound, den man unter hundert anderen Kapellen mühelos erkennt. Gai Saber. "La Fabrica Occitana" versucht sich nicht als Wiedergänger des Mittelalters, sondern ist modernes Troubadouring. Es will sich keinen zeitlichen Zwängen unterordnen und ist damit zeitlose Musik.
www.gaisaber.it
Karsten Rube


Tinariwen "Amassakoul"
Label: Wrasse Records; 2004; Playing time: 45:55 min
Was erwartet man, wenn man vom Klang der Wüste spricht? Das reißende Geräusch des Windes, wie er Sand an den Ohren vorbei bläst? Das gelegentliche Schreien der Kamele oder völlige Stille? Auch die Menschen der trockenen Sahelzone, der Südsahara haben ihre Musik. Die Tuareg, das Nomadenvolk der Ténéré, jenem sandigsten und trockensten Teil der Sahara haben ihre Feste und ihre Musik. Während Tende und Esele meist Frauengesänge sind, die alten Traditionen folgen gibt es Regionen, in denen es undenkbar ist ein Fest ohne Gitarren zu feiern.
"Amassakoul" ist eine CD aus Mali, die aufmunternd rockig ist. Die Tuareg der Gruppe Tinariwen sind sich bewusst, dass die E-Gitarre hauptsächlich von westlicher Rockmusik beansprucht wird. Doch der Umgang der Musiker von Tinariwen mit dem Instrument des Rock&Roll ist so selbstbewusst afrikanisch, dass man den Eindruck gewinnt, die E- Gitarre sei das traditionelle Instrument der Sahara. Die Arrangements für drei E-Gitarren und eine Bassgitarre verbunden mit Händeklatschen, Djembe und dem typischen Gesang der Tuareg versetzen den Hörer in eine Sahara, die poetisch und rockig zugleich ist.
Tinariwen werden ob ihres eindrucksvollen musikalischen Auftretens auch als die besten Rocker der Wüste oder auch als die Rolling Stones der Sahara bezeichnet. "Amassakoul" erzählt von der Weite, dem Mysterium und der Reinheit des Wüste und von einem Leben, in dem jede Form von überflüssigem Ballast lebensbedrohlich ist. Von den Freunden und Liebsten, die man in der Einsamkeit des Sandes vermisst. "Amassakoul" von Tinariwen ist eine CD mit beeindruckend geradlinigem Nomaden- Blues. Eine richtig heiße Scheibe aus der Sahara.
www.tinariwen.com
Karsten Rube


Viamedina "Viamedina"
Label: Folkclubethnsuoni; ES5353; 2005; Spielzeit: 56:22min
Die Via Medina ist eine nicht sehr lange Straße in Neapel. Sie verbindet parallel zum Hafen zwei sehenswerte Bauten, das Kloster Santa Maria da Nova an einem Ende und das Castel Nuova am anderen. Eine recht lebhafte Straße. Man hört Tarantella, wenn man an Neapel denkt, diesen lebhaften fröhlichen Tanz. Die Nähe der Via Medina zum Hafen inspiriert die italienische Folkgruppe zu ihrer Musik. Es ist zu aller erst neapolitanische Musik. Doch der Hafen bringt vieles von fremden Kulturen mit. Dezent und unaufdringlich lässt Viamedina die mediterranen Gäste in ihren Liedern Platz nehmen, integriert sie und wird so Teil einer umfassenden Kultur des Mittelmeerraumes. So finden sich arabische Nuancen und Klänge des Balkans neben der italienischen Form des Gesangs, spielt der Oud neben der Bouzouki, das Akkordeon neben der Djembe. Der Gesang von Barbara Radi ist von einer großartigen Natürlichkeit, geradlinig und straßentauglich. Viel zu schön für Verstärker und Lautsprecherboxen. Die Lieder sind mal hemmungslose Straßentänze und mal sehnsuchtsvoller Blick auf die ablegenden Schiffe im Hafen. Viamedina ist ein wunderbares Beispiel, dass bei aller Vermengung der Kulturen, bei aller gewollten und ungewollten Globalisierung die Menschen niemals ihre Wurzeln verlieren werden. Sie mögen den Boden ihrer Heimat unter den Füßen verlieren, aber aus dem Herzen verlieren sie sie nie.
www.viamedina.com
Karsten Rube


No Blues "Lumen"
Label: Continental Europa; CD29; 2009; Spielzeit: 50:14 min
Wenn man sich die einschlägigen Geschichten um die Besiedlung und Unterwerfung Amerikas betrachtet, so haben viele Kulturen ihre Spuren hinterlassen. Die USA sind maßgeblich geprägt durch Afrikaner, Chinesen, Indianer und Europäer. Blickt man in die Literatur, so finden sich arabische Einflüsse nur ganz selten. Das ist heute anders, wird aber durch Medien und Politik auch anders instrumentalisiert. No Blues ist zwar keine amerikanische Band, obwohl sie auf ihrer neuen CD “Lumen” diesen ruhelosen Drive einer Band besitzt, die sich zwischen dem mittleren Westen und dem heißen Süden der Staaten wohlfühlen könnten. Doch dann mischen die trockenen Töne eines Instrumentes den Sound auf, das man eben noch für ein Banjo gehalten hat und nun erstaunt als Oud erkennt, jener persischen Kurzhalslaute. Das versetzt die Musik von No Blues, die zunächst auf jeden staubigen Highway gepasst hätte, auf die flirrenden Straßen des Nahen Ostens. Folk-Blues der auf Arabien trifft und von der Band selbst als Arabicana bezeichnet wird. Neben den Stammmusikern von No Blues, dem Gitarristen Ad Van Meurs und dem Oudkünstler Haytam Safia, weitet sich die Kapelle auf der aktuellen CD “Lumen” um ein paar bereichernde Gäste aus. Osama Maleegi, der aus dem Sudan stammt und die Djembe bedient, Sophie Cavez, die Akkordeon spielt und bereits bei der belgischen Folkband Dazibao auffiel, sowie Raphaela Danksagmüller, die mit der Duduk einen kurzen Sprung in die traurige Musik Armeniens wagt. “Lumen” führt weiter, was die Band mit “Ya Dunya” versprach: musikalisches Weltenbummeln.
www.myspace.com/nobluesnl
Karsten Rube


Fabrizio Poggi "Turututela"
Label:
Felmay; 2006; Spielzeit: 64:46 min
Der lombardische Sänger und Mundharmonikaspieler spielt auf seiner CD “Turututela” traditionelle Volksweisen aus Norditalien. Es sind Lieder aus den Bergen. Lieder von der Schönheit Lombardiens, aber auch von der Härte, die das Leben in den Bergen den Menschen abfordert. “Bella Ciao” darf darauf nicht fehlen. Auch ein Lied über das Unglück im Mattmark ist dabei. Es handelt vom Bau des Staudamms am Mattmarksee. Damals, 1965 kamen bei einem Gletscherabsturz über achtzig Bauleute ums Leben. Die meisten davon waren Italiener. Ebenso finden sich Lieder über die Immigration zahlreicher Italiener nach Amerika auf der CD. Alles Themen, die Italiens Menschen im Laufe des letzten Jahrhunderts in Musik gegossen haben. Poggis rauchige Stimme, seine ungekünstelte Art die Hohner-Mundharmonika zu spielen und die einfache Gitarrenbegleitung macht die CD “Turututela” zu einer kleinen Perle, in der die Zeit eingefangen scheint.
www.felmay.it
Karsten Rube


Sofia Jannok "áššogáttis - By the Embers"
Label: Caprice Records; 2009; Spielzeit: 37:59 min
Aus dem hohen Norden Skandinaviens kommt nicht oft Musik bis nach Mitteleuropa. Die bekannteste Vertreterin der Musik der Sami ist immer noch Marie Boine. Sofia Jannok ist ebenfalls eine Vertreterin der Sami, doch ihre Musik ist weit weniger der Traditionspflege verpflichtet, wie die ihrer finnischen Kollegin. Die Schwedin Jannok bringt auf der aktuellen CD “By the Embers” eher Chansons in ihrer Sprache zu Gehör. Feinfühlige Lieder, sentimental und melodiös, die auf überflüssiges verzichten. Ihre schöne Stimme wird von einem Klavier begleitet. Ein kleines Streichensemble verfeinert die Arrangements. Kurz vor Ende der CD wird Sofia Jannok etwas jazziger, was der Platte gut bekommt. Den Abschluss bildet ein sehr beruhigendes Schlaflied, das man aber gern bis zu Ende lauscht. Ein überzeugendes Album, einer jungen Künstlerin, von der man hoffentlich noch mehr hören zu bekommt.
www.sofiajannok.com
Karsten Rube


Accordeon Melancolique "Les Invités"
Label: Eigenverlag; 2008; Spielzeit: 52:23 min
Das Duo Accordeon Melancolique aus den Niederlande hat sich ganz dem Spiel des Akkordeons als Soloinstrument hingegeben. Man kann mit einem Akkordeon hervorragend in Melancholie versinken. Beispiele großer Akkordeonvirtuosen, die das können, gibt es genug. Aber das Akkordeon ist auch ein Volkinstrument, das in Europa oft in Kinderhände gelegt wird, um die Herzen und Hirne der Heranwachsenden mit einem der schönsten Dinge zu bereichern, die der menschliche Geist hervorgebracht hat: die Musik. Ich setze hier einfach voraus, dass es keine typische deutsche Tugend ist, Akkordeon zu lernen, sondern dies in Frankreich, Holland, Polen, Russland und auf dem Balkan ähnlich ist. Und in anderen nicht genannten Staaten. Es gibt einfache musikalische Themen, kompliziertere Kompositionen und traditionelle Tänze, Lieder die mit Freude und Übung zu erlernen sind. Lieder, wie sie sich Jean Pierre Guiran und Cherie de Boer vom Duo Accordeon Melancolique im Laufe der Zeit aneigneten. Beide sind keine studierten Musikspezialisten, sondern Akkordeonspieler aus Leidenschaft. So lassen sie als Duo "Accordeon Melancholic" ihre Finger über die Tasten gleiten, wie verträumte Liebende. Es ist ein angenehmes Gefühl, Liedern zu lauschen, die, selbst wenn sie nicht dafür komponiert wurden, in der auf das Akkordeon reduzierten Variante ihre ganze musikalische Schönheit offenbaren. Ob das Camille Saint-Saens "Schwan" ist, der eigentlich das Lehrstück für Celloschüler darstellt, ein jüdisches Hochzeitslied oder drei Stücke aus dem Soundtrack von "Der Pate". "Les Invités" ist eine angenehme musikalische Begleitung um eine knappe Stunde um ins Leere zu starren und zu träumen.
www.acmel.nl
Karsten Rube


Robin Dean Salmon "Come on Home"
Label: Eigenverlag; 2008; Spielzeit: 53:05 min
Robin Dean Salmons CD “Come On Home” klingt beim ersten Hören nach rockiger Countrymusik. Ganz zufrieden ist man mit dieser Kategorisierung nicht, denn hinter der Musik von Robin Dean Salmon steht eine lange Entwicklung, die sich aus jahrelanger Wanderschaft zwischen Orten und Stilen bewegte. Der gebürtige Südafrikaner, den es 1977 nach Texas verschlug und der sich beeinflusst sah von Musikern wie Johnny Cash, aber auch von The Clash, den Sex Pistols und U2, mochte seine neue CD zwar im Herzen der Countrymusik, in Nashville abmischen lassen, doch von ausgetretenen Countrypfaden lässt sich nichts auf seinem mittlerweile achtem Album vernehmen. Da klingt schon mal ein bisschen Rockabilly durch, erinnern manche Momente an Tom Petty, wagt er sich bis zur Countryballade vor. Es sind elektrifizierende Songs, die poetisch, nie belanglos und mit einer unterschwelligen Melancholie gewürzt sind . Ein exzellentes und zeitgemäß Album eines hervorragenden Songwriters, das in jeder Situation für gute Laune sorgt.
www.robindeansalmon.com
Karsten Rube


Israel "Naranjas sobre la Nieve"
Label: Nuba Records; 2008; Spielzeit: 46:28 min
Der junge Flamenco-Künstler Israel ist gerade 19 Jahre alt. Kaum zu glauben, wenn man seine CD "Naranjas sobre la Nieve" hört. Denn auf dieser CD hört man nicht nur die sehr lebendige Tradition des Flamenco sondern auch dessen Zukunft. Israel ist ein musikalisches Wunderkind des Flamenco Nuevo. Seine CD"Naranjas sobre la Nieve" spielt mit den Elementen, hebt die Strenge des klassischen Flamenco mit der Inspiration des Jazz auf, lässt die Leidenschaft des Tangos einfließen und die Anzüglichkeit der Rumba. Ein sprudelndes Klavier glättet die Kanten der zackigen Handschläge des rhythmischen Klatschens der Flamencotänzer. Und doch ist alles an dieser CD purer Flamenco.
www.karonte.com
Karsten Rube


Martina Eisenreich/Andreas Hinterseher "Andima"
Label:
GLM Music; 2007; Spielzeit: 57:06 min
Der Untertitel "Weltmusik aus dem alten Europa" kann es nicht besser treffen, was da auf der CD "Andima" von Martina Eisenreich und Andreas Hinterseher zu hören ist. Die Klänge eines Kontinents, dessen Kultur so alt und vielfältig ist, dessen Jahrhunderte gefüllt sind von tragischer Geschichte und tragischen Geschichten, in deren Verlauf die Menschen jedoch jeden Untergang zum Anlass nahmen, wieder aufzustehen. Ein Kontinent, der seine Leidenschaften und Gefühle immer wieder in Stein, Bildern, Worten oder Musik zum Ausdruck brachte und nicht aufhören kann damit.Mal dreht man sich zur ihrer Musik in einem Hochzeitswalzer, dann schreitet man energisch zum Tango, kreischt sich durch einen Klezmer, um schließlich in Stille dem Thema des Filmes "Schindlers Liste" zu lauschen. Gut, diese Komposition hat ein Amerikaner gemacht und "La Cumparsita" stammt auch aus Uruguay. Aber "Schindlers Liste" berührt ein Thema, das bedauerlicherweise deutscher nicht sein kann und "La Cumparsita" - nun, hier fällt mir leider keine Deutung ein, die auf das alte Europa hinweist. Martina Eisenreich - beworben als "Shootingstar der bayrischen Violinenszene" spielt hinreißend und temperamentvoll. Schwebend leicht gleitet der Bogen über die Saiten, so dass man bei manchen Tönen nur noch die Berührung ahnt. Kraftvoll und passioniert setzt Hinterseher sein Akkordeon dagegen. "Andima" ist voller musikalischer Bilder, die zeigen wollen, dass das Alte Europa alt sein mag. Aber Altbacken? Keineswegs. So frisch, wie im Zusammenspiel von Eisenreich und Hinterseher klingt der musikalische Querschnitt durch die europäischen Befindlichkeiten selten.
www.andima.eu
Karsten Rube


Paul Schwartz "State of Grace III"
Label: Kochrecords; 2006; Spielzeit: 49:25 min
Paul Schwartz hat schon früh die Gabe der komplexen Komposition mitbekommen. Immerhin war sein Vater niemand geringeres als Arthur Schwartz, Komponist von Filmmusiken und Musicals, und enger Freund von Ira Gerschwin. Sein größter Hit "That's Entertainment" ist der Showschlager schlechthin. Ganz so temperamentvoll, wie die Lieder seines Vaters, sind die Kompositionen von Paul Schwartz nicht. "State of Grace III" zeigt seine Vorliebe zum Mystic-Sound, zur esotherisch verklärten Soundmelange, die begleitet von der Stimme Lisbeth Scotts an Loreena McKennit und Enya erinnert. Fast wie ein Requiem erscheint "State of Grace III". Die Covergestaltung bringt einem von dieser Idee auch nicht ab. Es fällt ein bisschen schwer, während des Hörens wach zu bleiben, aber vielleicht hat Paul Schwartz das auch nicht beabsichtigt. Für transzendentale Erfahrungen jedoch, ist es die gelungene akustische Untermalung.
"State of Grace III" ist wie ein Soundtrack ohne Film. Den muss man im Kopf ablaufen lassen.
www.paulschwartz.com
Karsten Rube


Kalamu "Cultura Populare"
Label: Sana Records; 2006; Spielzeit: 42:39 min
Auf der Stiefelspitze Italiens liegt Kalabrien. Ein schroffes Land mit hohen Gebirgszügen,mild im Winter und heiß im Sommer. Kalabrien ist das Land der Bergamotte, der kalabresischen Mafia und der ausgelassenen Tarantella. Die Folkkapelle Kalamu stammt aus diesem Teil Italiens. Mit ihrer "Cultura Populare" sind sie die ausschweifend herumspringenden fröhlichen Botschafter Kalabriens. Fast bedrohlich fröhlich produzieren sie sich auf ihrer CD “Cultura Populare”, inszenieren sich als Spaßkapelle zwischen traditioneller Musik und Heimatpunk. Das klingt überwiegend gut gelaunt, nach Dorffest und Jahrmarkt und erinnert in bester Tradition an die berühmte Commedia dell’arte. Eine CD die immer besser wird, je öfter man sie hört.
www.kalamu.it
Karsten Rube


Amsterdam Klezmer Band "Son"
Label:
Essay Recordings; 2005; Spielzeit: 68:04 min
Amsterdam Klezmer Band "Connecting Cultures"
Label: Essay Recordings; 2006; Spielzeit: 67:00 min
Das reichhaltige Repertoire der Amsterdam-Klezmer-Band wurde 2005 kurz vor ihrem zehnjährigen Bestehen um die CD "Son" erweitert. Die exzentrische Klezmer-Kapelle aus den Niederlanden, lässt auch auf dieser CD keinen Hinweis unerwähnt, wie weit sich ihre musikalischen Wurzeln innerhalb der Klezmermusik erstrecken. Die ganze europäische Palette der Stetl-Musik ist hier auf bunte, bis experimentelle Weise zu erkennen. Bulgar und Taksim werden dabei wild verspielt, verschnitten und neu geordnet, so dass am Ende ein sehr eigener Klezmer-Kosmos entsteht, der den Stil der Amsterdam-Klezmer-Band so unverwechselbar macht. Besonders feurig geht es zu, wenn die Kapelle mit DJ Shantel vom Bucovina Club zusammenarbeiten. Einen deutlichen Eindruck haben sie mit ihrem Album "Remixes" hinterlassen, dass 2006 erschienen ist und den ausgelassenen Mix aus Klezmer, Balkan-Pop, Dub-Beats und Partizanendisco zu einem schweißtreibenden Tanzereignis werden ließ.
www.amsterdamklezmerband.nl
Karsten Rube


Amsterdam Klezmer Band "Zaraza"
Label:
Essay Recordings; 2008
1996 gründete Saxophonist und Sänger Job Chajes die Amsterdam Klezmer Band, ein siebenköpfiges Ensemble mit jüdischem und punkigem Hintergrund. Bald stellte sich der Erfolg ein und heute ist die Band fest in der Klezmer Szene etabliert. Auf ihrem neuen Album „Zaraza“ (in den slawischen Sprachen für ansteckend, infektiös) stellen sie uns 15 Eigenkompositionen im Stile von russischer und osteuropäischer Zigeunermusik vor.
Neben Chajes gehören Jasper de Beer (Kontrabass, Banjo, Gesang), Alec Kopyt (Gesang, Perkussion), Gijs Levelt (Trompete), Joop van der Linden (Posaune, Perkussion), Janfie van Strien (Klarinette, Gesang) und Theo van Tol (Akkordeon) zum Line-up.
Infektiös ist die CD auf jeden Fall, von Levelts in atemberaubenden Rhythmus gespieltem Instrumentalstück „Banat“, das die musikalische Reise durch die jüdische Zigeunermusik eröffnet, bis hin zu „Gde“, einem Lied von van der Linden (Musik) und Kopyt, der die meisten Texte schreibt. Irgendwann im Laufe der 57 Minuten packen die mitreißenden Rhythmen, die hervorragende musikalische Begleitung und die Gesänge den Zuhörer. Manchmal klingt das Ganze schon sehr jazzig wie bei den instrumentalen „Alles kann Beter“ (van Tol) oder „Kesikköprü“ (de Beer), dann wieder beherrscht Sprechgesang und Polkarhythmus Chajes’ Lied „Op een Goppe“. Van der Linden schrieb das traurige in schleppendem Rhythmus gespielte „Netty“ und de Beer „Doina Banjo“, bei dem er seine Virtuosität auf besagtem Instrument beweist. Der Titelsong ist eine Komposition von Levelt/Kopyt und entspringt eindeutig der slawisch-jüdischen Zigeunermusik.
Das Album bietet dem Zuhörer zehn instrumentale Klezmer Stücke und fünf Lieder in verschiedenen Sprachen. Obwohl immer der typische Klezmer Sound gespielt wird, sind die Stücke sehr abwechslungsreich gespielt und arrangiert. Die vier Bläser sind zwar in der Überzahl dennoch setzt sich das Akkordeon durch und der feurige Rhythmus wird mit Bass und einfachen Perkussionsinstrumenten unterstützt. Mir gefällt das Album außerordentlich gut.
www.amsterdamklezmerband.nl
Adolf 'gorhand' Goriup


Stanley Samuelsen "Tieðen Rennur"
Label: Eigenverlag; 2008; Spielzeit: 41:38 min
Obwohl Samuelsen von den Faröerinseln stammt und weitgehend auf faröerisch singt, kann man seine Musik dem Americana-Stil zuordnen, einem Stil, der mit Folk, Country, Blues und Roots-Rock all das zusammenfasst, was die amerikanische Songwritergemeinde derzeit auffährt. Samuelsens CD „Tieðen Rennur“ reiht sich dort nahtlos ein, unterscheidet sich lediglich durch die Sprache. Sie klingt wie ein Unplugged- Album von Stephen Stills, den er auch als einen seiner Vorbilder angibt. Gemütlicher Altherren-Folk, launisch, wehmütig und mit einer gehörigen Portion Selbstmitleid gefüllt. Das kann man angesichts der grauen, windigen und baumlosen Inseln sogar nachvollziehen. Samuelsen musste sich auf der CD nicht einmal seinen eigenen Kummer von der Seele singen, sondern bediente sich bei den Vorfahren, die auf den Inseln schon lange vor ihm griesgrämig herummurmelten. Wichtig ist ihm dabei der Balladendichter Jens Christian Djurhuus, den er gleich vier Mal bemüht. So beklagen die Lieder, die zum Grossteil aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stammen all den widrigen Unbill, dem man ausgesetzt ist. Dingen, wie Sturm, Winter und dass die Zeit vergeht. Musikalisch lässt sich die CD „Tieðen Rennur“ von Stanley Samuelsen gut nebenbei hören, während draußen der Regen an die Scheibe prasselt. Aber aufregend ist sie nicht.
www.stanleysamuelsen.dk
Karsten Rube


Stanley Samuelsen "Um eg kundi kvödid…"
Label:
Tutl; 1999
Stanley Samuelsen wurde auf den Färöer Inseln geboren, verließ diese aber bald nachdem sich erste musikalische Erfolge einstellten, um nach Kopenhagen zu ziehen. „Um eg kundi kvödid…“ war sein Debüt Soloalbum mit elf Liedern, Vertonungen färöischer Dichter, meist von den Gebrüder Hans A. und Janus H. O. Djurhuus. Samuelsen ist Singer/Songwriter und Gitarrist und hat das Album gemeinsam mit einigen wenigen Gastmusikern aufgenommen.
Als erstes fällt auf, dass nicht nur der Albumtitel, sondern auch sämtliche Texte und Informationen auf dem CD Booklet in der färöischen Sprache sind. Dann klingen Samuelsens meist melancholische Balladen aus den Lautsprechern. Er hat eine schöne Singstimme und sein Gitarrenspiel ist hervorragend. Dazu kommt eine wohl dosierte musikalische Begleitung mit Keyboards von Klavier bis Hammondorgel (Klaus Bjerregard), Sologitarre (Anders Roland), Bass (Samuelsen, Bjerregard) und verschiedenen Perkussionsinstrumenten (Gert Smedegard). Die Sprache klingt in meinen Ohren fast ein wenig wie das walisische Gälisch, obwohl es ja eine germanische und keine keltische Sprache ist, und auch die Musik erinnert teilweise an walisische Songwriter. Neben dem balladenhaften Titelsong, bei dem Bjerregard den Kontrabass streicht, haben mir das bluesige „Min Sorg“ mit Bill Gross an der Mundharmonika und „Atlantis“ am besten gefallen. Vor allem letzteres sticht mit Bjerregards wunderschönem Flötenspiel, Samuelsens großartigem Gitarrenspiel und Smedegards rhythmischer Begleitung hervor.
Mir hat das Album sehr gut gefallen, leider fehlen mir die Geschichten zu den Songs und etwas Hintergrundinformation, denn auch die Webseite von Samuelsen ist einsprachig in Färöisch.
www.stanleysamuelsen.dk
Adolf 'gorhand' Goriup


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 03/2009

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