Ausgabe 10 7/99

FolkWorld CD-Besprechungen

Dog

Hednigarna "Karelia Visa"
Label: D:
Westpark Music; 87067; Spielzeit: 40.51 min
Hednigarna eine der führenden Bands aus Skandinavien (z. gr. T. aus Schweden, z.T aus Finnland) hat sich in diesem Album den Karelischen Runengesängen gewidmet. Karelien ist ein Gebiet das sich zum Teil in Finnland, zum Teil in Rußland befindet. Die Kultur des Runengesangs ist über Jahrhunderte lebendig geblieben bis im 17 Jhd auch die Menschen in Karelien sich mehr an den westeuropäischen Traditionen der Reimpaare orientierten. In einigen Teilen Kareliens und gerade auch Russische Kareliens ist diese Tradition noch zu hören. Die Musiker von Hednigarna haben in alten Aufzeichnungen nach solcher Musik gesucht und sind auch an Ort und Stelle (in Russisch Kalrelien) auf die Suche gegangen.
Herausgekommen ist ein überzeugendes Werk, daß diese alte Tradition wiederbelebt. Hednigarna bringen durchaus neue Elemente in die alten Traditionen, aber auf eine erfrischende und nicht störende Weise.
Hednigarna sind die kraftvollen Sängerinnen Sanna Kurki-Suoni und Anita Lehtola, die Multiinstrumentalisten Anders Norudde (Geigen, Schwedischer Dudelsack, etc.) und Hållbus Totte Mattsson (Drehleiher, Lute, Akkordeon, etc) und Bjön Tollin (Perkussion, Sampling, etc.). Hednigarna haben in den letzten Jahren einen eigenen sehr modernen Klang entwickelt, auf diesem Themen-Album ist er gut rauszuhören, wenn er auch etwas traditioneller als gewohnt ausfällt...
Musikalisch exzellent und das schön aufgemachte Booklet erhält noch Sonderpunkte.
D: Westpark Music
Christian Moll


Plommon "Emma - Folk Music From Sweden"
Label:
Akku Disc/Music Contact; ADCD3031; Spielzeit: 50.14 min
So ein wonniges Cover! Rechts ein sattgelbes Rapsfeld, links eine südschwedische Windmühle. Dazwischen rennt ein kleines Mädchen auf einer Straße ohne Autos. Das Mädchen weiß, was es will, wir wissen es nicht. Aber die CD heißt "Emma" und stammt von der fünfköpfigen schwedischen Frauenband Plommon. Das muß wohl eine ziemlich ökofeministische CD sein, denkt man sofort. Aber "Emma" ist nur ein schwedisches Volkslied, das schon im letzten Jahrhundert so hieß. "Weisst Du noch, damals, als nur wir in der mondhellen Nacht zusammen tanzten und Du mir versprachst, immer mein zu sein? Oh Emma, Emma, immer mein zu sein?" Die fünf Schwedinnen machen erfrischende traditionelle Folkmusik. Meist wird gegeigt, oft gesungen und hin und wieder galoppiert ein Harmonium vorbei. Die Musikerinnen sind noch keine 20 Jahre alt und spielen doch schon 6 Jahre zusammen. Ob sie damals schon Plommon (Pflaumen) hießen? Die Jugend würde es entschuldigen.
Akku Disc/Music Contact
Christian Rath


El Reto "Salsa Bavaria"
Label:
Tropical Music; CD 68.494; 4 Stücke; Spielzeit: 14:24 min
"Mein Beruf ist Chauffeur, doch wer mit mir fährt, lebt nicht mehr", so beginnt eine der bemerkenswertesten Produktionen deutschsprachiger Salsamusik: der "Leichenwagenfahrer" des Müncheners "El Reto". Sanft kreist das Piano, schwül sind die Bläser und dann kommt der Refrain: "Mein Leichenwagen von Mercedes-Benz." - Was für ein Kehrvers! Immer wieder: "Mein Leichenwagen von Mercedes-Benz." Nein, El Reto singt nicht über Sommer, Sonne und kubanische Frauen, er liebt die etwas anrüchige Form der Romantik: "Das Leben geht so schnell vorbei, in meinem Wagen ist immer ein Platz für Dich frei." Dabei gibt es noch gar nicht viel deutschsprachige Salsamusik, und man ist eigentlich nicht zum Genie-Sein gezwungen. Der Rest von El Retos 4-Track-Mini-CD fällt auch deutlich ab. Egal, schon der "Leichenwagenfahrer" ist das Geld wert. Die Plattenfirma verriet mir übrigens, echte Salsa-Freunde mögen El Retos Verse nicht so sehr. Komische Menschen sind das.
Tropical Music
Christian Rath


Oysterband "Here I Stand"
Label:
Pläne; Nr. 88833 / ARIS CD 216 699 62; 16 Tracks; Spielzeit: 58.58 min
Die Oysterband gehörte zur musikalischen Opposition in Großbritannien. Doch jetzt sind die Konservativen weg vom Fenster und auf Tony Blair hat man sich noch nicht eingeschossen. Entsprechend privat ist das neue Oyster-Album "Here I stand" ausgefallen. Ein Song gegen die Globalisierung, das war's. "Never thought we'd get this far, now we don't know where we are", heißt es in einem Track. Zumindest musikalisch weiß man aber, was man hat: Wieder gibt es abwechslungsreichen Folkpop im Stil der Levellers zu hören. Wobei diese Aussage natürlich etwas absurd ist, denn eigentlich war die Oysterband in den 80er-Jahren eine wichtige Wegbereiterin der Levellers. Richtig altmodisch klingt die Oysterband aber auch nach 14 Alben noch nicht, eher zeitlos. Auf einem Track spielen auch die Anarchopopper von Chumbawamba mit, auf einem anderen findet sich eine nette Anspielung auf den Yardbirds-Hit "For your love". Eine schöne CD voll sauber produziertem Gitarrenpop mit folkigen Saiteninstrumenten.
Pläne Records
Christian Rath


The Two Duos Quartet "Half As Happy As We"
Label:RUF Records; Nr. RUFCD 07; 9 Titel Spielzeit: 43:11 min
Hinter dem merkwürdigen Namen verbergen sich keine geringeren als vier der bedeutsamsten britischen Folkmusiker: Ian Carr, Karen Tweed, Andy Cutting und Chris Wood vereinen ihre sonst eher im Duet ausgeübten musikalischen Kräfte zu einem Quartet. Wer die Duo Projekte kennt, weiß, daß es den Musikern nicht nur um das Abspielen altbekannter Tunes geht, sondern daß immer neue, moderne Elemente miteingewoben werden. So auch hier: Die Tunes werden interpretiert, mal auf für meinen Geschmack angenehme Weise, mal zu sehr ins Moderne, Jazzige abdriftend. Die Musik ist handwerklich auf höchstem Niveau gespielt, auf mich springt jedoch der Funke nicht bei jedem Set über, da es häufig zu perfekt, manchmal etwas zu akademisch klingt. Bei der Tune-Auswahl greifen die Musiker neben Melodien aus England, Irland und Schweden, gerne auf ihr eigenes Material zurück, auch hier gibt es viel Licht, aber auch etwas Schatten, da die Tunes teilweise nicht wirklich eingängig in das traditionsverwöhnte Ohr sind. Aber wenn sie sich an traditionelles Material ranmachen und richtig schwungvoll loslegen, geht auch richtig die Post ab. Hinzu Kommen zwei Songs, die hervorragend von Chris Wood interpretiert werden.
RUF Records, 40 Whitstable Road, Faversham, Kent. ME13 8DL +44 1795 537906
Rolf Wagels


Pauline Cato and Tom McConville "By Land and Sea"
Label: Tomcat Music; Nr. TCCD01 11Titel Spielzeit: 54:26 min
Diese Platte ist für mich eigentlich der Geheimtip der letzten Zeit. Pauline Cato spielt auf virtuose Weise die oft als kleinen Bruder der großen Highlandpipes belächelten Northumberlandpipes und zeigt, daß diese ein Instrument mit großen Möglichkeiten sind. Fiddler und Sänger beweist mit seinem Einfühlungsvermögen bei Tunes und Songs, daß er ein wahrer musician's musician ist, also jemand der seine Talente voll in den Dienst des Mitmusikers stellen kann. Gleiches gilt natürlich auch für den dritten im Bunde, keinen geringeren als Gitarrenkünstler Chris Newman, der neben einer einfühlsamen, unaufdringlichen Begleitung auch eine schöne Produktion der CD abgeliefert hat. Die Auswahl der Tunes, die immer frisch und mit Spielfreude vorgetragen werden, ist außergewöhnlich und gut gelungen. Melodien aus Northumberland und Schottland sind natürlich zahlreich vertreten, wobei hier besonders schöne Kompositionen von James Hill und Scott Skinner im Ohr bleiben. Zusätzlich kommen Tunes aus der Feder der beiden Hauptakteure hinzu, die allesamt sicherlich bald in das traditionelle Repertoire Einzug halten werden. Ergänzt werden diese wunderschönen Tunes durch eine nette Songauswahl, die Tom McConville mit schöner Stimme und häufig auch im northumberländischen Dialekt vorträgt, neben einigen traditionellen Songs auch ein Song aus der Feder von Altmeister Richard Thompson ("Beeswing"). Vor einigen Monaten waren die beiden auf einer kurzen Deutschland Tournee, und wer wie ich das Glück hatte, die beiden zu hören, der wird auch von dieser CD nicht enttäuscht werden, alle, die diese CD hören, werden mit Sicherheit zum nächsten Konzert pilgern.
Tomcat Music, 122 Osgathorpe Road, Sheffield S4 7AS +441484 84761413
Rolf Wagels


Oracle "Pool of Dreams"
Label:
BMG; 09026687962, Spielzeit: 40:46 min
Wieder einmal ein Produkt welches unter dem Wort "Celtic" vorwiegend sphärische Klänge und New-Age angehauchte Musik versteht. Bei Oracle, dessen Kopf Joe Taylor (guitar & synclavier) ist, wird dieser Eindruck noch durch diverse Ausflüge in die keltische Mythologie vertieft. Die vorwiegend englischsprachigen Texte drehen sich um irische oder eben "keltische" Begebenheiten: James Joyce kommt mal drin vor, keltische Gottheiten und Fabelwesen, der ewige Kampf gegen die Briten und weise Sätze wie: "All things in existence are woven of the same fabric". Dazu viel Pop, ein wenig Ethno, hier und da mal etwas Uillean Pipes und fertig ist die Kommerzmusik (oder doch Aufzugsuntermalung ?). Was immer es auch ist, es ist auf jeden Fall nicht Folk, keine traditionelle irische Musik, selbst mit Folk-pop wäre dieses Produkt nicht treffend umschrieben, eher New-Age-Pop mit dünn gesäten Folkelementen....
BMG
Rolf Wagels


The McCalmans "Keepers"
Label:
Greentrax; Nr. CDTRAX 174; 14 Titel, Spielzeit: 51:40 min
Die McCalmans sind schon seit sehr vielen Jahren "on the Road" und gehören neben den Tannhill Weavers und der Battlefield Band zu den Klassikern des Scottish Folk. Im Gegensatz zu den anderen beiden Bands haben sie die McCalmans fast auschließlich dem Gesang verschrieben, den sie vorwiegend mehrstimmig vortragen. Hierbei wechseln sich ernste Themen ("Keepers", ein Song über das automatisieren der Leuchttürme) mit hintergründig-lustigen ("Our Glens" über Malt-Whiskys) Songs ab. Insgesamt neun der Lieder stammen aus der Feder schottischer Songwriter, der Rest ist traditionelles Material. Als Gaststar präsentieren uns die McCalmans keinen geringeren als Davy Steele (leider nur bei dem von ihm verfassten "Here's a health tae the Sauters"), der vielen aus seiner Zeit bei Ceolbeg und seinen Auftritten beim Scottish Folk Festival ein Begriff sein dürfte. Weiterhin fällt das mit allen Texten versehen Booklet positiv auf, da es bei dieser CD doch vor allem auf die Texte ankommt. Ebenfalls gut ins Bild passen die kraftvoll in schottischen Dialekt vorgetragenen Lieder, die dann wieder von langsamen Balladen abgelöst werden. Die Musiker liefern uns ein äußerst solides Werk ab, ohne große Überraschungen, aber auch ohne langweilig zu wirken. Das Prinzip der McCalmans hat sich über Jahre bewährt und warum sollten sie viel daran ändern?
Greentrax, Edinburgh Road, Cockenzie, East Lothian EH32 0HL, Scotland, greentrax@aol.com, Tel: +44 1875814155 Fax: +44 1875813 545
Rolf Wagels


Lismore "Ach so"
Label:
Verlag der Spielleute
Folk-CDs rezensieren macht Spaß. Man bekommt neue CDs, lernt nette Bands und Musikrichtungen kennen. Manchmal wird es aber teuer. Nämlich dann, wenn eine CD so gut gefällt, daß man schnurstracks in den nächsten CD-Laden gehen *muß,* um auch die übrigen CDs der Band zu kaufen. „Ach so" von Lismore ist so ein Fall.
Leben und Werk von Francois Villion hat Lismore ihre dritte CD gewidmet: Der lebte im Mittelalter und schrieb erstaunlich kritische Gedichte, wenn er nicht auf der Flucht vor der verärgerten Obrigkeit war. Vertont finden sich einige der Gedichte auf „Ach so", quasi mittelalterliches politisches Lied also. Hinzu kommen französische, britische und deutsche Tanzstücke, mitreißend interpretiert mit einem riesigen Instrumentenarsenal: Vom Hackbrett über Gitarre, Schalmei bis zum Dudelsack reicht die Palette. Heraus kommt ein abwechslungsreicher Mix aus ruhigen, traditionellen Melodien und fast modern-rockigen Songs. Dabei verliert „Ach so" nie den Kontakt zur mittelalterlichen Basis ihrer Musik.
Fazit: Wer gerne Musik á la „Antiqua"  oder die frühen „Cochise"-Aufnahmen hört, sollte in diese CD durchaus einmal hereinhören.
Hinweis für Spar-und-Folkfans: Auf der Band-Homepage gibt es die erste CD der Band zum Schnäppchenpreis.
Label: Verlag der Spielleute
Band-Homepage (mit CD-Verkauf): http://www.mueller-schoenbrunn.de (> Links)

Dorthe Luebbert


Adaro "Words never spoken"
Label:
akku disk; 3030 (Music Contact Musikverlag)
Stellen wir uns vor, es hätte im Mittelalter eine Disco gegeben. Stellen wir uns vor, „Adaro" hätte damals die neue Maxi-CD „Words never spoken" veröffentlicht. Sicherlich hätte die CD ganz weit oben in der Mittelalter-Hitparade gestanden. „Mystic Rock" nennen die fünf Musiker ihre Musikrichtung, das Etikett „Mittelalter-Mystic-Dancefloor" könnte man alternativ auf die zweite Veröffentlichung der Band kleben.  Historische Instrumente (Dudelsack, Bombarde, Krummhorn...) treffen auf Midi-Gitarre, Keyboard und Drums. Da wird der klassisch anmutende Gesang von Lead-Sängerin Konstanze Kulinsky mit  Drum-Rhythmen unterlegt, den historischen Text begleitetet Keyboard-Sound.
Kein Wunder also, daß Vorzeige-Mystikerin Loreena McKennit die CD als „faszinierenden Mix von Musikrichtungen" lobte.
Auf „Words never spoken" zeigt sich Adaro noch stärker als auf ihrer ersten CD als kompromißlose Band, die sich in vielen  Musikwelten zu Hause fühlt und sich nicht in musikalische Schubladen pressen lassen will.
akku disk; Band-Homepage
Dorthe Luebbert


Zur ersten CD-Seite
Zum Inhalt der FolkWorld CD Besprechungen

Zum Inhalt des FolkWorld online magazins Nr. 10

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 7/99

All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission.


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Home
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld