Mario Dompkes Bericht vom Folk Club Bonn Nr. Nr. 73 am 7. Oktober 2016.
Bonn liegt im Rheinland – das Rheinland ist bekannt für seinen Karneval – und wer kennt im Karneval nicht den Ausruf „Kamelle“? Und da liegt natürlich der Schluss recht nahe, dass eine „olle Kamelle“ etwas auf der Straße liegen Gebliebenes ist (sei es nun Bonbon, oder Mensch, welcher anstelle von Kamellen denn doch den kleinen Schnapsfläschchen zugesprochen hat). Aber weit gefehlt. Olle Kamellen gibt es nämlich nicht nur im Rheinland, sondern überall und, wer hätte das gedacht, bezeichnen sie eine Kamille (Heilpflanze), die durch zu langes liegen ihre Heilkräfte ganz oder teilweise eingebüßt hat.
Nicht so in der Musik, dort sind olle Kamellen oft gerade die, die durch langes Liegen (hoffentlich meist auf dem Plattenteller), einen Bekanntheitsgrad erreicht haben, der es Jedem erlaubt mitzusingen. Da aber jedes Land eigene olle Kamellen hat und ebenso jede Region in den verschiedenen Ländern, sind olle Kamellen auch immer wieder Quellen, um Neues kennenzulernen.
Was macht Musik so interessant – selbst innerhalb nur eines Liedes. Es sind die Breaks, die unerwartetes bringen und Spannungen immer wieder neu aufbauen. So auch beim Folk Club. Mit Tom Kannmacher kam ein Break der es in sich hatte. Volkslieder in reinster Kultur zu einem alten Instrument, welches als Kreuzung der deutschen Laute mit Harfe und weiteren Instrumenten vorgestellt wurde, erinnerten uns alle an Zeiten, in denen noch kein TV den Abend verkurzweilte und die Menschen noch gezwungen waren sich gegenseitig Geschichten zu erzählen und/ oder bei gemeinsamen Liedern zu träumen.
Mit dem Auswanderungslied „Nun ist die Zeit und Stunde da“ aus der Eifel griff Tom ein brandaktuelles Thema auf. Nur, dass heute aus unserer Sicht die Auswanderung eine Einwanderung anderer zu uns ist. Aber gleich bleibt, dass die Vorstellung vom besseren Leben oft anders als die Realität ist. Mit dem Stück „Ich steh' auf hohem Berge“ kehrte er sich wieder dem ebenso emotionalen wie auch am meisten in der Musik genutztem Thema, der Liebe, zu. Wie martialisch so manches Liebeswerben zuging beschreibt in diesem Lied die Zeile „und schickst du die Nonne nicht heraus, so brenne ich das Kloster ab, dann kommen alle raus“ (na ja, ist nicht genau der Text, aber sinngemäß schon).
„Es hat ein Frost gedrücket“ ist ein Wanderlied, dass, wie Tom erläuterte, voller Symbole der deutschen Liedkunst steckt. Die Eiche, der kühle Brunnen oder der singende Vogel, alles Metaphern für Bedeutungen, die einerseits Liebe andererseits Gemeinschaft oder Ehre beschreiben. Das Lied hat in seiner Überlieferung keine Melodie, weshalb Tom eine Moritat hernahm, auf die der Text passte. Mit der gesungenen Geschichte „Es reiste eine Jungfrau“ beendete Tom die erste Hälfte des Folk Cclubs und entließ das Publikum für eine Pause an die frische Luft.
Angefangen hat Tom seinen zweiten Teil mit der „Ballade vom Wassermann“, die es in vielen Versionen über ganz Deutschland verteilt gibt. Doch immer ist es das gleiche Thema, nämlich, wie ein Wassermann eine Sterbliche freit und die Liebesgeschichte in der Tragödie des Ertrinkens der Maid endet. Ähnlich fatal der Inhalt des nächsten Liedes in dem der „König und Marquise“ zusammentreffen und dem König die wunderschöne Frau des Marquises gefällt, dieser, da nur Marquise, dem König selbige zur Verfügung stellt. Na ja, ob das das richtige Frauen- oder Obrigkeitsbild ist? „Ich will mich umschauen nach Tint und Papier“ beschrieb als nächstes Lied den nicht sehr diplomatisch gestalteten Abschied eines Mannes von seinem Schatz. Einfach einen Abschied aufs Papier geschrieben und an die Tür geheftet, ist ja nun nicht die feine Art, sich zu trennen. Ob das wohl der Marquise gewesen ist, der nun seine eigene Frau verschmähte?
Ebenfalls vom Abschied – aber nur vorübergehend - berichtet die Ballade „Schönster Schatz auf dieser Erde“, beschrieben auch als „Abschied mit Versicherung der Treue“. Ja, damit wollte Tom von der Bühne gehen, jedoch wie sehr er Profi ist und es verstand das Publikum nach Bluegrass wieder zurück zu gewinnen, zeigte der vehemente Wunsch nach einer Zugabe. Diese gab Tom auch mit einem seiner Lieblingslieder „Das Mädchen, das ich liebe“. Wenn ein Abend von soviel Liebe erzählt, dann fragt man sich schon manchmal, warum die Welt oft nur grausam ist. Versinken wir also immer wieder in die Umarmung von Musik und versuchen wenigsten eine kurze Zeit allem Kummer zu entfliehen.
Das nächste Treffen des Folk Club Bonn findet statt am 3. März 2017 in der Sträters Sports Bar Christian-Miesen-Straße 53129 Bonn (Dottendorf) 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr wie immer: Eintritt frei Das Thema des Abends lautet: „Leidenschaft/Sehnsucht“ Featured Artists: Simon Wahl (Bonn/Linz); TangoMusen (Eitorf) Die weitere Programmplanung für das Jahr 2017 lautet: 7. April, Thema „April, April“ 5. Mai, Thema „Crossover“ 2. Juni, Thema „See/Meer“; Featured Artist: Fil Campbell und Tom McFarland (Nordirland) 7. Juli, Thema „Kreis-/Additionslieder“
Photo Credits:
(1)-(2) Folk Club Bonn,
(3) Tom Kannmacher,
(4) Tom McFarland & Fil Campbell
(by Folk Club Bonn).