Detlef Stachetzkis Bericht vom Folk Club Bonn Nr. 64 am 4. Dezember 2015.
Ja, Scheiden und Trennung, das ist ein gutes Thema für einen Folk Club Abend, sind doch die schmerzlichen Erfahrungen ohnehin die besten und ergiebigsten Initialzündungen für Musikstücke. Lieder in Moll gehen nun einmal tiefer unter die Haut als die in zackigen Durtonarten. Um uns das Scheiden aus dem alten Jahr zu versüßen, hatte sich ferner erneut Simon Kempston aus Edinburgh angesagt – mittlerweile schon eine sehr schöne Tradition.
Simon Kempston aus Edinburgh hält dem Folk Club seit Jahren die Treue und stellt alljährlich seine neuesten Kompositionen vor. An diesem Tage war gerade in direkter Autofahrt durch die Nacht aus Sheffield in England angereist. Von den Strapazen der Reise war ihm allerdings nichts anzumerken. Sein erstes Lied hieß „Tell Me What True Love Is“ Simon hatte ganz gegen seine Gewohnheit hierfür die normale Gitarrenstimmung gewählt. Aus seinem neuen Album „The Last Car“ präsentierte er das Lied „The Consequences of a Kiss“, dem er ein instrumental gespieltes Gitarrenstück, einen „Jam“ vorangehen ließ. „Flotterstone Jam“ heißt das Stück, nach dem Pub außerhalb von Edinburgh, in dem das Stück entstanden ist.
Auf Simons Frage nach der hässlichsten Stadt Deutschlands nannte das Publikum viele Orte, Cottbus war allerdings nicht dabei. Vielleicht war von den Zuhörern noch nie jemand in dieser Stadt gewesen. Offenbar hatte Simon hier die Kulmination hässlicher deutscher Städte lokalisiert. Somit nannte er seine Heimatstadt Dundee das Cottbus von Schottland. In Dundee war aber nicht der Krieg und hässliche Nachkriegsarchitektur sondern ein chaotisch verlaufendes Stadtentwicklungsprojekt ohne Kriegseinfluss schuld an einer nun verkorksten Stadt. „A City Beautiful“ ist Simons satirisch, wehmütiger musikalischer Beitrag zu dieser Entwicklung. Mit einer sphärisch schwebenden Melodie begleitet Simon seine Ballade über den gescheiterten Stadtentwicklungsplan.
„Hot Lady in My Bedroom, I Need a Whisky“ – welcher Mann wünschte sich das nicht – ist der Titel eines zarten Instrumentalstückes, dessen Melodie Simon mit dem Ringfinger spielt und mit der übrigen Hand kunstvoll begleitet – berückend! „Down From the Dock“ besingt das Schicksal zweier Krimineller aus Edinburg, die wegen der Feigheit des Einen letztendlich gefasst werden.
Ebenfalls eine Geschichte über das Scheitern erzählt das Lied „She Saw it Coming“ über einen berühmten französischen Rugbyspieler, der sich nicht mit dem Leben in Berühmtheit einrichten konnte und letztendlich unter Alkoholeinfluss seine Frau erschoss. „You And I Must Remember Them“, ebenfalls aus dem jüngsten Album, erzählt über die Trauer der Hinterbliebenen der Opfer einer Explosion auf einer Ölbohrinsel. Die Stimmung wird wunderbar durch die immer wiederkehrenden Tonartwechsel wiedergegeben. Weitere Stücke waren „Underdog Soldier“ und „Ladies Lookout“. Zum Schluss seines Auftritts wartete Simon noch mit zwei wunderbar gespielten und gesungenen Coversongs auf: „I Can’t Turn Back the Years“ von Phil Collins und „Caledonia“ von Dougie McLean – Riesenapplaus für eine beeindruckende und bewegende Darbietung.
Simons wortgewaltige Lyrik kombiniert mit genialen Kompositionen, virtuosem Gitarrenspiel und grandioser Stimmbeherrschung machen ihn zu einem wirklich großen Musiker dieser Tage. Wir können uns glücklich schätzen, ihn mittlerweile zum Freundeskreis zu zählen.
Das nächste Treffen des Folk Club Bonn findet statt am 4. März 2015 im Haus Müllestumpe, An der Rheindorfer Burg 22, 53117 Bonn (Graurheindorf) ab 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr wie immer: Eintritt frei Thema: „Himmelskörper“ Die Programmplanung für die nächsten Termine des Folk Club lautet wie folgt: 1. April, Thema: „April, April“ 6. Mai, Thema: „Pflanzen und Tiere“ 3. Juni, Thema: „Wiegenlieder“
Photo Credits:
(1) Folk Club Bonn,
(2) Simon Kempston
(by Folk Club Bonn).