Detlef Stachetzkis Bericht vom Folk Club Bonn Nr. 74 am 4. November 2016.
“Schmachtfetzen und Kitsch“ war das thematische Motto des Folk Clubs im November. Die Auswahl in diesem Bereich ist riesig, wenn nicht unerschöpflich, und so hatten sich (fast) alle Künstler des heutigen Abends mit großer Wonne aus der herrlichen Kitsch- und Schmachtfetzenkiste bedient.
Nach so viel Gefühl musste Sean Taylor aus England, unser Featured Artist des Abends, erst einmal ankommen. Aber nach wenigen Takten hatte er alle mit seinem unnachahmlichen Gitarrensound eingefangen. Als Einstieg wählte er einen Blues, dessen Titel er uns nicht verriet, der aber das Publikum sofort in seinen Bann schlug. Immerhin verriet er uns soviel, dass das Lied nicht aus seiner Feder stamme. Nun, das störte niemanden. Die Musik, die Gitarrenbegleitung und Seans Stimme bezauberten.
„The Only Good Addiction is Love“ ist ein gefühlvolles Lied über die Liebe mit einer Referenz an Leonhard Cohen, der wenige Tage nach dem Folk Club Abend verstarb. Der Titel des Liedes ist auch gleichzeitig der Titel einer CD. Zudem erzählte uns Sean, dass der Titel ein Zitat von José Mujica („El Pepe“) sei, des früheren Staatspräsidenten von Uruguay, der ein bewusst einfaches Leben geführt habe. Mujica soll den größten Teil seines Einkommens für wohltätige Zwecke zur Verfügung gestellt haben und auch nicht im Palast des Präsidenten, sondern auf seinem Bauernhof gelebt haben. Da er nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt im Jahre 2015 nun einen Sitz im uruguayischen Senat bekleidet, wird er das vermutlich auch weiter tun. In diesem Lied erinnert Seans Stimme an die von Neil Young – berückend.
Bei „Texas Boogie“, der, wie der Titel messerscharf vermuten lässt, von Texas handelt, ging es hernach etwas flotter zu. Sean hatte eine Textpassage mit einer Referenz an den Bonner Folk Club umgedichtet, sehr sympathisch. Über seine Reisen mit dem Zug berichtet das lyrische Lied „Travelling Musician“. Sean berichtete, dass er nie Autofahren gelernt habe. Bei diesem Lied gab es eine schöne Passage zum Mitsingen für das Publikum. Neben seiner wunderbaren Musik war auch die Klarheit von Seans Sprache in den Ansagen und kleinen Geschichten eine besondere Freude, da er verstand, dass sein Publikum (überwiegend) nicht aus englischen Muttersprachlern bestand.
Im zweiten Teil beglückte uns Sean dann mit vier weiteren eigenen Stücken und dreien aus anderer Feder. „Hold On“ ist ein klassischer Blues, den er auf seiner Gitarre in sogenannter offener Stimmung begleitete. „Perfect Candlelight“, ist sanft und lyrisch. Dagegen bemühte er beim Lied „Feel Allright“ seine schmutzige Stimme, denn es geht im Text um „dirty, steamy love“. Von Skip James, einer Bluesgröße aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, stammt das Stück „Hard Time Killing Floor Blues“, bei dem das Publikum wieder mitsingen durfte. Selbst geschrieben hat Sean das Lied „Fare Thee Well“, bei dem er mit einem Gitarrensolo seine wunderbare Virtuosität auf dem Instrument vorführte.
Als erste Zugabe erhielt das Publikum das Lied von Patrick (Paddy) Kavanagh „On Raglan Road“, ein zartes Lied über eine unerfüllte Liebe, das Sean mit ganz sanfter, aber transparentem Gitarrenspiel mit einem eingeschobenen bezaubernden Solo begleitete. So erhielt das Lied einen ganz eigenen Charakter, der es deutlich von der bekannten Version der „Dubliners“ unterscheidet. Sean wurde nicht von der Bühne gelassen ohne eine zweite Zugabe. Diesmal war es ein Country Song in einer „bluesy version“, wie Sean es bezeichnete: „Sixteen Tons“ von Merle Travis aus den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts kennen sicher fast alle, aber Seans Version machte aus dem lockeren, eingängigen Lied ein ganz eigenes Stück – ein Feuerwerk zum Abschluss.
Nun, Sean beschloss zwar den Abend, aber zwischen seinen beiden Sets gab es weitere hörenswerte Musik, die für das Kommen belohnte. Ralf Gogo erinnerte mit einer kleinen Lesung daran, dass soeben eine Ikone der Folkmusik den Literatur-Nobelpreis verliehen bekommen hatte und trug den Text von „Come Ye Masters of War“ von Bob Dylan als Gedicht vor. Ralf läutete damit eine kleine Dylan Session ein. „It’s All Over Now, Baby Blue“ und „Blowing in the Wind“, kräftig unterstützt vom Publikum, waren seine Beiträge. Danach fanden sich Ralf, Steve Perry, Wolfgang Schriefer, Stephan Weidt und Fliege alias Hermann Josef Wolf zusammen, um einige bekannte Lieder des Preisträgers anzustimmen. „Knocking on Heaven’s Door“, „The Times they Are A’Changin’“ und „Mr. Tambourine Man“ waren die Hommagen an den Meister. Wir hoffen, dass er diese Zeilen liest und sich geehrt fühlt. Wenn er das nicht tut, ist es auch nicht schlimm. Musiker und Publikum hatten jedenfalls ihren Spaß.
Das nächste Treffen des Folk Club Bonn findet statt am 3. März 2017 in der Sträters Sports Bar Christian-Miesen-Straße 53129 Bonn (Dottendorf) 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr wie immer: Eintritt frei Das Thema des Abends lautet: „Leidenschaft/Sehnsucht“ Featured Artists: Simon Wahl (Bonn/Linz); TangoMusen (Eitorf) Die weitere Programmplanung für das Jahr 2017 lautet: 7. April, Thema „April, April“ 5. Mai, Thema „Crossover“ 2. Juni, Thema „See/Meer“; Featured Artist: Fil Campbell und Tom McFarland (Nordirland) 7. Juli, Thema „Kreis-/Additionslieder“
Photo Credits:
(1) Folk Club Bonn,
(2)-(3) Sean Taylor,
(4) Tom McFarland & Fil Campbell
(by Folk Club Bonn).