FolkWorld #63 07/2017
© BlankoMusik

Völkerverbindende Musik

Federn Live 2014 – 2016
Es zog Hubert von Goisern in die USA. In die bluesigen Sümpfe von Louisiana, in das flirrende, aufregende New Orleans. Nach Texas, nach Nashville. Überall dorthin, wo das Herz der amerikanischen Countrymusik besonders laut pocht. „Federn“ hieß das Studioalbum, Goiserns eigene, eigenwillige Auseinander- setzung mit der Countrymusik, die so viel mehr mit der alpenländischen Volksmusik gemein hat, als man glaubt. „Federn“ hieß auch die Tournee, die Goisern und seine Band zwei Jahre lang beinahe überall nach Europa gebracht hat. Und über den großen Teich: die Bluegrass- und Countryrhythmen, die auf unsere Tradition passen wie ein leichter, grooviger Handschuh, klangen auf den Bühnen News Yorks, in Washington und auf dem South by Southwest Festival in Austin. „Federn“ war eines der spannendsten musikalischen Projekte von Hubert von Goisern. Weil es uns Gemeinsamkeiten aufgezeigt hat – und Unterschiede. Hochpolitisch, aber unterhaltsam. Live von einer mitreißenden, kraftvollen Dichte, schwärmerisch und lebendig. FEDERN LIVE fängt diese Stimmung ein – und erzählt die Geschichte einer besonderen Reise. Mit FEDERN LIVE endet die Zusammenarbeit von Hubert von Goisern und seiner großartigen Live-Band nach zehn Jahren. Was danach kommt? Wir werden sehen.

CD-Rezension folgt!

Hubert von Goisern "Federn Live 2014 – 2016", Capriola / Sony, 2017

Federn Live 2014-2016 – Hubert von Goisern im Interview.

Die Aufnahmen für Ihr neues Live-Album sind teilweise inspiriert von einer Reise durch die USA. Hierzulande sind Sie ja eine musikalische und auch moralische Instanz. Wie war denn das, als "jodelnder Alien mit Ziehharmonika" in New York zu landen?

Hubert von Goisern: Naja, New York ist sowieso ein eigenes Kapitel. Es ist nochmal was anderes, wenn man als Österreicher mit seiner "alpinen" Version der Volksmusik in Nashville, New Orleans oder Los Angeles landet. Amerika ist ja nicht so monolithisch, wie man sich das manchmal vorstellt. Meine Reise in den sogenannten Bible Belt aber hat mir gereicht, um mein Entsetzen zu wecken. Allerdings sind uns die Leute, die dort musizieren, eigentlich sehr nahe. Deswegen habe ich mir gedacht: Naja, hier findest du vielleicht auch am ehesten Menschen, die Interesse haben, einen musikalischen Brückenschlag mit mir zu machen. Ich wollte ja dieser Entfremdung, die zwischen den Vereinigten Staaten und Europa in den letzten 20 Jahren eingesetzt hat, etwas entgegensetzen. Denn eigentlich darf so eine Entfremdung nicht sein - wir sind ja im Geiste verwandt. Aber: Ich verstehe nach wie vor nicht, wie die Menschen dort ticken. Jetzt, wo ich mich damit beschäftigt habe, sogar noch weniger als vorher. Aber es ist sehr spannend, diese Kluft, aber auch diese Verbindungen zu beobachten.

Bleiben wir doch mal beim Bible Belt: Dort, in den US-Südstaaten, gab es einige Musiker, die partout nicht mit Ihnen spielen wollten. Warum nicht?

Ich glaube, das lag in erster Linie daran, dass sich manche Amerikaner um die Burg nicht vorstellen konnten, dass es irgendeine Bereicherung sein könnte, mit jemandem Musik zu machen, der nicht aus den USA kommt. Natürlich gibt es da auch großartige Ausnahmen, Gottseidank. Aber gemessen an der Anzahl der Musiker sind das eigentlich gar nicht so viele Ausnahmen. Sehr viele Leute haben gesagt: 'Ja, super, das müssen wir unbedingt machen!' - Nur passiert ist dann halt nichts. Das ist überhaupt so eine Sache in den USA: Diese Eigenschaft, immer alles positiv zu bewerten, obwohl man in Wirklichkeit anders darüber denkt. Das ist für mich ein typisches Merkmal der Vereingten Staaten.

So ein Verhalten könnte man aber auch in Österreich und gerade in Wien finden.

Hubert von Goisern

Artist Video Hubert von Goisern @ FolkWorld:
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www.hubertvongoisern.com

In Wien ja, in Österreich nicht. Im Grunde genommen ist man bei uns schon sehr selbstkritisch - man macht die eigenen Sachen eher nieder, als zu sagen, das alles ganz toll sei. Aber hier geht es ja um Begegnungen von Menschen, die sich vorher noch nie getroffen haben. Begegnungen, wo ich mir dann, meinem kulturellen Selbstverständnis zufolge, nicht auf die Brust schlage und sage: 'Schaut her, was ich alles gemacht habe.' Ich komme da eher auf dem bescheidenen Weg daher und sage: 'Ich würde gerne mit euch Musik machen'. Sollte es jemanden interessieren, was ich bisher so gemacht habe, kann er das ja im Internet nachschauen. Die Menschen in den USA dagegen erzählen dir sofort, was sie in den letzten fünf Jahren alles gemacht haben, und dir wird klar: Das, was die erzählen, ginge sich nicht mal in hundert Jahren aus. Und dann erzählt man dir, was im kommenden Jahr alles ansteht, und ich denke mir: Da hat dein Projekt jetzt aber keinen Platz mehr. Aber dann wartest du mal ein Jahr und schaust nach, welche Projekte denn wirklich durchgeführt wurden, und du stellst fest: Überhaupt keine. Da redet man jedenfalls schon mal ziemlich aneinander vorbei. Mich schüchtern diese Schilderungen ein, und ich beeindrucke den Amerikaner mit meiner zurückhaltenden Herangehensweise überhaupt nicht. Da wird es dann ganz schwer, zusammenzukommen.

Einige Musiker in den US-Südstaaten wollten aus religiösen Gründen nicht mit Ihnen Musik machen. Warum genau, und was hatte das mit dem Song "Amazing Grace" zu tun?

Weit, weit weg

"Weit, weit weg - Die
Welt des Hubert von
Goisern" (FW#39)

Im Süden gibt es einfach eine Spaltung. Nicht nur zwischen schwarz und weiß, sondern auch zwischen Protestanten und Katholiken. Und ich bin auf Leute getroffen, die gesagt haben, sie spielen "Amazing Grace" nicht, weil es eine protestantische Hymne ist - das waren halt Katholiken aus Texas. Andere wollten nicht mit mir spielen, weil ich mit schwarzen Musikern und schwarzem Liedgut auch was anfangen kann und dieses Milieu liebe. Das war in Louisiana.

Wofür standen die USA für den heranwachsenden Hubert von Goisern?

Für großartige Musik, für sehr erfolgreiche Sportler. Amerika stand für mich für Blues, für Jazz. Miles Davis, Louis Armstrong. Ich habe mit 12 Jahren angefangen, Trompete zu lernen, und da war einfach dieser Armstrong, diese Ausstrahlung, das sonnige Wesen. Miles Davis, komplett schräg. Danach kam sehr viel Soul, Aretha Franklin, Motown. Das war diese Aura - die größte, stärkste, positiv besetzte Macht der Welt. Und dann kam der Vietnam-Krieg, und da hat man erstmals gemerkt, dass es innerhalb der USA ein Korrektiv gab. Das war auch neu, dass sich eine Gesellschaft von innen heraus der eigenen Regierung entgegenstellt.

Wenn wir das Amerika von heute betrachten. Sie kennen die dumpfen Niederungen der österreichischen Politik und die der Amerikanischen. Wo liegen die Unterschiede zwischen einem Trump-Wähler und einem Hofer- oder FPÖ-Wähler?

Zunächst einmal natürlich zwangsläufig in der Bewaffnung. Aber ansonsten ist da wahrscheinlich kein großer Unterschied. Allerdings gibt es in den USA eine unglaubliche Armut. Das ist auch eine andere Armut als auf den Philippinen oder in Afrika. Bei uns ist das nicht so. Die Leute, die sich selbst als arm bezeichnen oder als arm gelten - das verstehe ich nicht. Es gibt sicher Härtefälle für viele Menschen, aber es sind jetzt nicht so viele, dass es gerechtfertigt wäre, dass 37 Prozent eine solche Partei wählen. Ich verstehe die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation nicht. Ich verstehe die Sorgen vor der Zukunft, aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten - auch nicht mit einer Mauer. In der Politik wird alles schlechtgeredet, und am Ende wählen die Menschen ein paar Hanseln, die keine Ahnung haben, wie man eine Gesellschaft zusammenhält, oder wie man mit den Herausforderungen unserer Zeit umgeht. Mein Vater hat immer gesagt: 'Als ich jung war, hat der Reichste nicht so viel gehabt wie heute der Ärmste.'

Brenna tuat's schon lang

"Hubert von Goisern - Brenna
tuat's schon lang" (FW#58)

Sie haben einen Amadeus Award für völkerverbindende Musik bekommen. Kann denn Musik wirklich zur Völkerverständigung beitragen?

Ich denke schon. Mir geht es auf jeden Fall so. Wenn ich zurückdenke an meine Teenager-Jahre: Der erste echte "Exot", den ich gehört habe, war Ravi Shankar. Da habe ich mich dann in seine Musik und seine Mentalität hineingearbeitet und mich damit auseinandergesetzt, und am Ende eine Zuneigung und Offenheit für diese Kultur gespürt. Auf unserer Schiffsreise durch den Südosten Europas bis zum Schwarzen Meer war es zum Beispiel auch ein Erlebnis, dass sich immer wiederholt hat. Wir sind mit Musikern aus den Ländern auf der Bühne gestanden, und haben diese Offenheit vorgelebt. Da kann oder mag vielleicht nicht jeder mitmachen, aber eine Grundfunktion erfüllt die Musik da schon. Musik hat allerdings auch das Potential, Nationalismen zu unterstützen, zum Beispiel in der Volksmusik, wo die Dinge oft so sein müssen, wie sie eben sein müssen. Das ist auch der Grund, warum ich mich schon sehr lange mit Volksmusik und Traditionen beschäftige. Da muss man diese Denkweisen auch mal aufbrechen, Volksmusik kann auch ohne Humpta Humpta auskommen. Mir gefällt das traditionelle, aber mir gefällt es auch, wenn traditionelle Klänge mit modernen Sounds vermischt werden. Dann denke ich mir: das ist die Musik unserer Zeit. Ich finde es aber auch wichtig, dass es das "Pure" noch gibt. Das sind aber oft auch Fundamentalisten.

Die Volksmusik hierzulande, die ja auch die Basis Ihrer Musik ist: Ist die in erster Linie Ausgrenzung, oder dient sie in erster Linie der Schaffung eines Gruppenbewusstseins?

Die Musik dient in keinem Fall dazu, Leute fernzuhalten. Mich freut es sehr, wenn Menschen mit Migrationshintergrund mich ansprechen und diese Tradition in meiner Musik gut finden. Musik bringt auf der Welt die Menschen zusammen, die die Ohren aufmachen.

Wie war das in den USA? Haben die Leute gedacht: Der kann eigentlich gar kein österreichischer Musiker sein?

Das weiß ich nicht. Ich glaube es aber nicht. Wir waren ja nicht in Oregon, wo die Menschen wie die Familie Trapp rumrennen. A propos: Ich habe mir kürzlich übrigens zwei Mal "Sound Of Music" angesehen, weil ein Nachbar bei mir war, der es im Salzburger Festspielhaus angesehen hat. Ich habe auf der letzten Tour immer wieder über "Sound Of Music" gesprochen und darüber, dass ich den Film noch nie ganz angesehen habe. Ich habe es 1980 in Kanada zum ersten Mal gesehen, und nicht einmal bis zum Ende angeschaut. Und dann kommt der Nachbar und gibt mir die DVD. Ich habe es angesehen und war so begeistert, dass ich es meiner Familie empfohlen habe: Das ist ein tolles Musical, mit toller Musik und tollen Arrangements. Und dieser Film ist eigentlich ein unglaubliches Geschenk, weil wir Österreicher dort eigentlich als Opfer dargestellt werden. Das haben aber nicht Österreicher gemacht, sondern die Amerikaner. In jedem Fall ist der Film toll gemacht, da habe ich wirklich Abbitte geleistet.



Photo Credits: (1)-(4) Hubert von Goisern (unknown/website).


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