RUTH - Der deutsche Weltmusikpreis wird von MDR Kultur (federführend für weitere öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten der ARD), dem Trägerkreis creole und dem Rudolstadt-Festival ausgelobt. Verliehen wird der Preis jährlich am ersten Juli-Samstag anlässlich des Festivals in Rudolstadt. Mit RUTH werden Spitzenleistungen herausragender Protagonisten des Genres honoriert. Damit kommt dem Preis eine wichtige Rolle für das Selbstverständnis und die öffentliche Wahrnehmung von Weltmusik in Deutschland zu. RUTH trägt dazu bei, den besonderen Qualitäten des Genres auch im Vergleich mit Pop, Rock, Jazz oder Klassik Geltung zu verschaffen. So stärkt RUTH die in- und ausländische Reputation der Preisträger und darüber hinaus die der gesamten deutschen Folk-, Lied- und Weltmusik-Szene.
Zur Jurysitzung 2017
Hatte die Jury doch in diesem Jahr glatt einen Preisträger gekürt, der nicht in der Lage war, den Preis anzunehmen! Zwar könne er am Samstag spielen, aber auf Grund von Verpflichtungen am Vorabend unmöglich zur geplanten Zeit für den Soundcheck in Rudolstadt sein. Was tun? Verschieben? Ja, aber nicht ihn als Preisträger, sondern das Konzert wieder auf den Abend. Denn bevor Herr Dr. Georg Ringsgwandl einen Herzkasper bekommt ob einer allzu hektischen Anreise und sich gar noch selbst therapieren muss - er ist ja Kardiologe -, sorgen wir lieber für zeitliche Variabilität am Samstag. Heuer also mal wieder die RUTH-Preisverleihung am Abend, mit dem Ringsgwandl-Konzert als krönendem Abschluss.
Leicht fiel uns das auch deswegen, weil in der RUTH-Jury die Entscheidung für den Mann aus Bad Reichenhall so eindeutig war, dass sich hinterher schon niemand mehr an einen etwaigen Kandidaten auf Platz 2 erinnern konnte. Bei den anderen Preisträgern waren solch Alzheimer-testende Maßnahmen gar nicht erst nötig. So hatte sich die Banda Internationale das Wochenende eh freigehalten, weil sie sich für die Straßenmusik beworben hatte. Jetzt bekommt das Orchester aus Dresden sogar einen Preis, die Förder-RUTH, primär für die Musik, aber so nebenbei auch für ihr (kultur-)politisches Engagement gegen Pegida und ähnliche Auswüchse in der Stadt an der Elbe.
Die komplexeste Kandidatenschar steht immer auf der Liste für die Ehren-RUTH. Da muss die Jury Journalist gegen Veranstalter gegen Agenten gegen Workshopleiter gegen – ach, gegen alle möglichen Menschen wägen, die auf ihrem jeweiligen Feld über Jahre hinweg Bedeutendes geleistet haben bzw. immer noch leisten und doch so gar nicht zu vergleichen sind. Erstmals traf es in diesem Jahr einen Vertreter der Wissenschaft, was allein schon vom Arbeitsbereich her überfällig war. Max Peter Baumann hat in Lehre wie Forschung wie Publikation deutliche Spuren hinterlassen – nicht zuletzt auch beim Festival, denn die bewährten Gesangs-Workshop-Leiter Christoph Lambertz und David Saam haben bei ihm studiert.
Mit diesen Vorgaben saß nun das Festivalteam zusammen, um seinen Preisträger zu bestimmen – und tat sich bemerkenswert schwer. Nicht, dass es keine KandidatInnen gegeben hätte, aber für das Festival spielen neben der Eignung auch noch andere Fragen eine Rolle. War der Kandidat schon mal auf dem Festival? Wenn ja, wann? Gibt es mittlerweile ein neues Repertoire, bspw. ein Projekt? Und auch Fragen der Umsetzung in ein Konzert sind wichtig: Wenn man mit der Banda Internationale schon eine große Gruppe hat, sollte man nicht noch einen technisch aufwändigen Künstler dazusetzen. Und so wanderten nach und nach die Namenszettel in den Papierkorb, bis das österreichische Quintett Alma übrig blieb. Musikalisch unangreifbar, Rudolstadt-Neulinge, jung, 4/5tel Frauen – die Kästchen, die man bei Alma ankreuzen konnte, nahmen schier kein Ende mehr. Und damit war die Wahl der RUTH-Preisträger 2017 erfolgreich beendet.
RUTH 2017: Ringsgwandl
Georg Ringsgwandl ist ein Paradiesvogel mit bayrischem Idiom. Einer, der behauptet, er singe „mehr oder weniger grausam“ – was nicht allein auf die Stimme gemünzt sein dürfte. Ringsgwandl ist ein Seismograph mitmenschlicher Befindlichkeiten und Abgründe. Seit er vor über zwanzig Jahren seinen Brotberuf als Arzt gänzlich an den Nagel hing, provoziert der Musikkabarettist mit schrillem Outfit und bissigen Texten. Zwar ist er mittlerweile milder geworden – schließlich „trinke auch der wildeste Hund irgendwann Kamillentee“ -, doch bequem gemacht hat er es weder sich noch anderen.
Sein Blick bleibt scharf, seine Feder schwarzhumorig, seine Songs angriffslustig und offenbarend. Schließlich gibt es eine ganze Menge zu vermelden über unsere Wohlstandskultur und unser Streben nach immer mehr. Und wer wenn nicht Ringsgwandl berichtet uns über die Absurditäten, die es nur in der bayerischen Provinz gibt und die Auswirkungen haben landesweit. Für die Fähigkeit, seine Heimat Bayern künstlerisch ganz und gar zu erfassen, ihre Eigenheiten seinen Landsleuten vor Augen zu führen und sie den anderen – den Nichtbayern – verständlich zu machen, erhält Ringsgwandl die RUTH 2017.
Förder-RUTH: Banda Internationale
„WIR sind das Volk!“ Seit der Jahrtausendwende bläst die Dresdener Banda Comunale ihren Stilmix mit Musik aus Osteuropa, Südamerika und Nordafrika und hat sich zwischenzeitlich mit Sachsen aus Syrien, Iran, Irak und Burkina Faso zu einer vielköpfigen Banda Internationale erweitert. Der kann man Preise umhängen für das sozial- und kulturpolitische Engagement gegen Fremdenphobie und für Mitmenschlichkeit, oder für die musikalische Qualität und Vielfalt. Oder für beides, so wie das die Jury mit der Förder-RUTH intendiert.
Bei der Banda Internationale wird menschliche Hilfe gelebt und gleichzeitig eine musikalische Vision entwickelt, die den Musikern aus Dresden neue Horizonte und den Musikern aus anderen Kulturen Wertschätzung entgegenbringt und notwendige künstlerische Perspektiven aufzeigt. Über Integration, Identität oder Heimat wird lautstark debattiert. Die Banda Internationale lässt mindestens ebenso lautstark Taten sprechen. Neue Heimat-Musik fürs Volk.
Ehren-RUTH: Max Peter Baumann
Wie entwickelt sich (traditionelle) Musik in Zeiten der Globalisierung? Dies ist eine der Kernfragen, mit denen sich der Schweizer Musikethnologe Max Peter Baumann seit Jahren beschäftigt. Das war so während seiner Lehrtätigkeiten in Bamberg (später: Würzburg) und Berlin, und das spiegelt sich in zahlreichen Vorträgen und Publikationen wider. Den Diskurs über damit zusammenhängende Fragen hat er immer wieder belebt und vorangetrieben; damit hat er Kollegen wissenschaftlich herausgefordert und ungezählt viele StudentInnen für ihren späteren Lebensweg geprägt.
„Wir gehen die Wege ohne Grenzen“ heißt eine seiner Publikationen (über die Musik der Sinti und Roma). Es könnte auch als Motto über Max Peter Baumanns eigenem (beruflichen) Leben stehen. Eine große Persönlichkeit der internationalen Musikethnologie erhält sehr verdient die Ehren-RUTH 2017.
Rudolstadt-Festival RUTH: Alma
Flieg, Seele, flieg. Fünf Musiker aus Österreich, vier Frauen und ein Mann, lassen ihre Seelen (span.: almas) fliegen und musikalische Grenzen überwinden. Eigene Grundierungen in Jazz, Volksmusik und Klassik werden so zu Ausgangspunkten lustvollen Experimentierens. „Verwurzelt sein und Improvisieren gehört zusammen“, behaupten sie und spielen eine Musik, die alpin und transalpin ist, lyrisch und lebendig, intelligent und unterhaltend.
Damit verleihen sie der mitteleuropäischen (Geigen-)Musik einen wunderbaren und frischen Strich. Musica con alma y vida, Musik mit Leib und Seele. In jeder Musiksprache absolut preiswürdig.
Photo Credits:
(1) RUTH - Der deutsche Weltmusikpreis,
(2) Ringsgwandl,
(3) Banda Internationale,
(4) Alma
(unknown/from website).