Ochion Jewell Quartet "Volk"
Eigenverlag, 2015
Der New Yorker Saxofonist Ochion Jewell neigt in seiner Interpretationsweise deutlich zum progressiven Jazz. "Volk" heißt das zweite Album, das er in Quartettbesetzung eingespielt hat. Die Kompositionen besitzen stark erzählenden Charakter, wirken cineastisch, besonders die düsteren Minuten der CD. Neben ausgearbeiteten Melodiestrecken erwecken die improvisiert wirkenden Momente den Eindruck, dass Jewell mit seiner Musik einige persönliche Erfahrungen der unangenehmeren Art verarbeitet. "Pass Fallow; Gallowglass" gehört zu den verstörenden Stücken des Albums. "Gwana Blues" dagegen bewegt sich in eine folkorientierte Richtung. Der Gastgitarrist Lionel Loueke lässt hier einen hypnotischen Afro-Blues von den Saiten tropfen, der sich immer weiter im afrikanischen Treibsand verliert. Die einzelnen Tracks auf der CD sind musikalisch reich verziert, intelligent phrasiert und mit hinreißender Experimentierfreude ausgeführt. "Volk" ist ein faszinierende, komplexes Jazzalbum, das mit brillanten gleichberechtigt agierenden Instrumentalisten besetzt ist und eine Stunde Musik liefert, die man nun wirklich nicht als Allerweltsjazz bezeichnen kann.
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Fuente Agria "Cantos de mi Tierra, Vol. 3"
Trading, 2002
Fuente Agria "Cantos de Navidad"
Several Records, 1998
Die Folklorevereinigung Fuente Agria agiert als Verband zur Pflege der Volksmusik Kastiliens. Sie unterhält einige Musikschulen und Tanzensembles und besteht aus einer bemerkenswerten Anzahl Mitgliedern, die in ganz Kastilien die Folklore an Schulen, auf Messen und mit Festivals am Leben erhält. Drei CD's hat Fuente Agria mittlerweile produziert. "Cantos de Mi Tierra" beinhaltet Lieder und Tänze aus Toledo, Cuenca, Ciudad Real und Albacete und beschränkt sich somit vor allem auf die autonome Region La Mancha. Die Region, die vor allem durch Don Quichote bekannt wurde, ist vor allem vom Weinanbau geprägt. Die Lieder und Tänze beschäftigen sich vornehmlich mit dem Leben auf dem Land, berichten von Brautwerbung und greifen auf religiöse Themen zurück.
Die CD "Cantos de Navidad" ist voller fröhlicher Weihnachtslieder, die von einem Mandolinen- und Gitarrenensemble und einem stimmkräftigen Frauenchor vorgetragen werden. Fuente Agria bietet einen interessanten Einblick in die musikalische Kultur einer im restlichen Europa kaum beachteten Region.
Dunkelbunt "Mountainjumper"
Hoanzl, 2015
Im Album "Mountain Jumper" des Wiener Soundkünstler Ulf Lindemann finden sich viele Strömungen der derzeit angesagtesten Musikstile wieder. Als Dunkelbunt mischt er die Farben des Balkansbeat, mit denen des Elektroswings zusammen und holt sich dazu noch ein paar Impressionen aus Hip-Hop und Country. Diese Mischung ist berauschend. Dunkelbunt ist so flippig wie SEEED, Parov Stellar und Culcha Cundela zusammen. Ähnlich, wie einst im Wilden Westen Menschen aus allen Ländern der Welt versuchten, eine neue Kultur zu mixen, versucht sich Ulf Lindemann als Pionier in der Zusammenführung der Kulturen, die sich in Europa heute finden. Deshalb sieht er in seinem Album die Musik des "Wilden Ostens". Er lässt sich von keltischer Musik ebenso inspirieren, wie von der Musik Skandinaviens, webt eine Erinnerung an Spanien ein und greift auf Naturgeräusche aus Hawaii zurück. Als Grundlage dienen im jedoch Clubmusic, elektronische Soundsamples und basslastige Beats. "Mountain Jumper" ist ein Album, das vor allem Spaß macht.
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Rada Synergica "Beat!"
Neue Welt Records, 2014
Bevor sich Europa wieder in ein Kleinstaatenflickenteppich mit Schlagbäumen und Brückenzoll verwandelt, sollte man noch schnell einen Blick darauf werfen, was ein offenes Europa kulturell möglich macht. Einwanderer aus allen Teilen der Welt bringen nämlich nicht nur politische Orientierungslosigkeit in den Gastländern mit sich, sondern vor allem andere Lebensansichten. Die zeigen sich gerade musikalisch. Das Leipziger Damentrio Rada Synergica verbindet auf ihrer CD "Beat!" ein paar der gängigsten Kulturen, die sich im Herzen des Kontinents seit längerem fest etabliert haben. "Beat!" ist ein tanzfreudiges Album, dessen musikalischer Fokus hauptsächlich auf Klezmer und auf die Musik der Sinti- und Roma gerichtet ist. Doch schweift ihr Blick noch weiter, bis nach Skandinavien, wo sie eine Komposition der schwedischen Gruppe Kraja, ein finnisches Traditional und einen melancholischen Song der dänischen Pianistin Agnes Obel gefunden haben. Die Instrumentierung mit Harfe, Piano, Akkordeon, Klarinette und Cello, die die drei schönen Stimmen begleiten, lässt das Album "Beat!" zu einem harmonischen Gesamthörerlebnis reifen.
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Celenka "Celenka"
KUURecords, 2015
Diese Trio aus Karelien treibt es bunt. Sängerin Emmi Kujanpää genügte das karelische Folkbrauchtum nicht. Sie ging auf Feldforschung nach Bulgarien, wo man sich ja trachtenmäßig auf ähnlich leuchtende Farben versteht und brachte nicht nur eine Handvoll Melodien vom Balkan mit, sondern auch den Einfluss der Trompete. Und so erscheint das Debütalbum des Trios, als karelo-balkaneskes, finno-bulgarisches Crossoverprojekt. Die gipsyhaften Lieder werden in finnischer Sprache vorgetragen, teilweise in einem fast ausgestorbenen Dialekt. Trompeter Jarkko Niemelä ist musikalisch nicht anzumerken, dass er nicht vom Balkan stammt. Eero Grundström fügt mit dem Harmonium ein in der Folkszene eher ungewöhnliches Instrument bei und Emmi Kujanpää bezaubert nicht nur mit ihrem Gesang, sondern weiss das finnische Nationalinstrument Kantele sehr gut zu bedienen. »Celena« ist ein Weltmusikalbum, dem es gelingt, zwei recht verschiedene Kulturen zu verbinden.
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Danny Santos Y Los Bluegrass Vatos "Hogtied"
Brambus Records, 2015
Danny Santos ist ein Songschreiber, der sich in der Tex-Mex-Szene bestens auskennt. Mit dem Album "Hogtied" beschreitet er allerdings einen ganz anderen Weg und arrangiert seine Songs in bester Bluegrass-Manier. Mandolinen, Banjo und Gitarren liefern feurige Bluegrass und Countrymusik. Als Begleitung hat sich der Texaner Musiker zur Seite geholt, die als Akustikband den Songs von Danny Santos beste Unterstützung bietet. "Hogtied" ist ein lebendiges Bluegrassalbum, das keine Langeweile aufkommen lässt.
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Pitho "Pitho"
sowiesound, 2015
Das Quartett Pitho aus Salzburg hat mit ihrem ersten unter eigenen Namen erschienene Album ein kleines solides Songbook aufgenommen, das musikalisch und stilistisch überzeugt. Songwriterkultur mischt sich hier harmonisch mit Popambitionen und folkigen Strukturen. Seitenblicke hin zu Latin und Jazz sorgen zusätzlich für Abwechslung. Meist schwingt eine leichte Melancholie in den Arrangements. "Nothing Else" gehört zu den herausragenden Liedern der CD. Angenehm ist vor allem die Stimme der Sängerin Lena Scheibner und das Violinenspiel von Anna Kinschel. Emotionale Tiefe besitzt auch das Lied "Although I Loved You So". Pithos Album erzeugt eine sentimentale Stimmung, der man sich ungeniert hingeben darf.
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Germán Diaz "Metodo Cardiofonico"
Producciones Efimeras Nube, 2014
Der passionierte Tüftler Germán Diaz, der in seiner Freizeit gern Tabakpfeifen baut, hat sich in der Welt der Drehleierspieler schon vor Jahren einen Namen gemacht. Gelernt hat er das Instrument unter anderem bei solch Koryphäe wie Gilles Chabenat und Patrick Bouffart. Seine Gastspiele bei den Bands von Uxia, Maria Salgado und Laio sind wichtige Markenzeichen in seiner musikalischen Laufbahn. Besucher des Tanz- und Folkfestes Rudolstadt konnten den umtriebigen Musiker mit einer besonderen Darbietung im Jahr 2015 erleben. Er entwickelte eine Drehleier-Musicbox, bei der er Melodien auf eine Art Lochband stanzte und über die Drehwinde seines Instrumentes abspielte. Nennen wir es einfach mittelalterliche Datenverarbeitung. Das ganze Programm mit Zanfonia, Lochkartendrehleier und zahlreichen Loops gibt es auf der CD "Metodo Cardiofonico" zu hören. Das klingt ganz imposant. Man muss aber dieses etwas nölige Instrument lieben, um das Album über die volle Distanz durchzuhalten. Also, eine CD für Liebhaber und Selbstleierer.
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Noëmi Waysfeld & Blik "Alfama"
AWZ Records, 2015
Der portugiesische Fado ist eine Musikform, die relativ eigenständig vor sich hin melancholisiert. Selten gibt es Bestrebungen den Blues der Portugiesen mit anderen Musikformen zu kombinieren. Anders ist da die jüdische Musik drauf. Klezmer und klezmerverwandte Musik werfen sich gern anderen Stilistiken an den Hals. Vielleicht liegt das daran, dass der Fado recht sesshaft ist und das jüdische Volk geschichtsbedingt eher nicht. Die in Paris lebende Sängerin Noëmi Waysfeld hat sich vom Lissabonner Stadtviertel Alfama inspirieren lassen. Dieses alte historische Arbeiterviertel war im Mittelalter ein Stadtteil, in dem viele Juden lebten. Der Fado entwickelte sich erst viel später. Für Noëmi Waysfeld ein guter Aufhänger, jüdische Musik und Fado zusammenzubringen. "Alfama" heißt das Album, das sie in Paris produziert hat. Zwölf Fados hat sie dazu in Jiddisch eingesungen. Lieder, die unter anderem von der Fadoikone Amalia Rodrigues interpretiert wurden. Waysfeld singt bewusst auf jiddisch. Sie ist keine Fadista, betont sie. Deshalb hat sie dem Fado Lissabons auf ihrem Album eine eindeutig jüdische Interpretation verordnet, die nur manchmal die portugiesische Saudade durchklingen lässt. Eine ungewöhnliche Klangkombination, die man eine Weile auf sich wirken lassen muss, um sie zu begreifen.
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Dan Weber "What I'm lookin' for"
Highway124 Music, 2015
Heldenverehrung führt ja gern zu den amüsantesten Stilblüten. Auch Amerikas Folkszene ist davor nicht gefeit. Dan Weber hatte zum Beispiel zwei Top-Platzierungen bei der amerikanischen Ausgabe von »Amiland sucht den Next-Woody-Guthrie-Star«, dort schlicht Woody-Guthrie-Songwriting-Contest genannt. Ohne Zweifel gehört Woody Guthrie zu den politisch und musikalisch prägenden Persönlichkeiten. Aber eine gewisse Grundhysterie in der Götterverehrung ist in der amerikanischen Folkszene ebenso deutlich zu beobachten, wie in der deutschen. Dan Weber also macht sich auf, als Songwriter in die Fußstapfen von Guthrie zu treten. Wenn diese noch nicht klar zu erkennen waren, haben sie zahllose Jünger mittlerweile groß und breit ausgelatscht. Weber gelingt es auf seinem Album jedoch, dem Original sehr gut nachzuspüren. Seine Lieder sind gradlinige Folksongs, die mit Countryeinflüssen spielen und dabei witzige, manchmal berührende Geschichten erzählen. "Leaving Texas" berichtet vom Weggehen und davon, dass man sein Zuhause hinter sich lassen kann, es dich aber nie loslassen wird. Das Thema führt er in "I'm coming home" fort. "Spinning my Wheels" ist ein treibendes Lied über die Eigenverantwortung im Leben und darüber, wie man aus Fehlern lernt. "Pretty Good Tonight" spielt mit Pedal Steel herum und bedient etwas zu sehr die Nashvilleschiene, funktioniert aber immer noch besser, als manch Truckermärchen aus dem Radio. Dan Webers Album "What I'm lookin' for" ist ein angenehm erzähltes Folkalbum, das auch ohne die müßige Beschreibung "Guthrie-artig" aus dem Regal geholt werden kann.
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Kimmie Rhodes "Cowgirl Boudoir"
Sunbird Records, 2015
Kimmie Rhodes gehört zu den gefragtesten Countrysängerinnen der Gegenwart. Sie hat mit John Gardner zusammengearbeitet, James Taylor und den Eagles. Ihre Kompositionen für Willie Nelson, Emmylou Harris und Mark Knopfler besitzen Platinstatus. Ihre aktuelle Arbeit heißt "Cowgirl Boudoir" und ist sowas, wie die musikalische Entsprechung zur Zeitschrift "Landliebe". Feine Countrysongs, die leicht vom Wind bewegt werden und eine heimelige Romantik erzeugen. Das Ganze ist nett anzuhören, gefühlvoll umgesetzt und professionell inszeniert. Und doch bleibt bei dieser Heile-Welt-Musik am Ende ein bisschen Langeweile zurück.
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Soapkills "The Best of Soapkills"
Crammed Discs, 2015
Soapkills gehört zur Avantgarde der libanesischen Clubszene. Als eine der ersten Bands im Nachkriegs-Beirut haben sie sich der Elektromusik verschrieben, diese jedoch mit klassischer arabischer Folklore und Dub verbunden. Zwischenzeitlich ging die Sängerin Yasemine Hamdan nach Paris, um sich in anderen Bands und musikalischen Projekten neu auszurichten. Mittlerweile hat sie sich mit ihrem früheren libanesischen Partner, dem Produzenten Zeid Hamdan wieder zusammengefunden und dieses Best Of Album herausgebracht. Darauf sind einige Stücke zu finden, die sie zwischen 2001 und 2015 aufgenommen haben. Musikalisch bewegen sich die Songs von Soapkill auf einem elektroakustischen Neofolkniveau, in dem die Clubmusik der frühen 2000er Jahre dominieren. Der arabische Einfluss ihrer Musik ist auf ein Minimum zurückgedrängt, flüstert aber immer wieder leise hinter den Bassboxen hervor.
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Guldmus "Hvid Nat"
GO' Danish Folk Music, 2015
Die dänische Sängerin Mia Guldhammer steht ganz im Zentrum der CD "Hvid Nat". Guldmus nennt sich die für dieses Projekt zusammengetrommelte Band, deren Musik sich zwischen progressivem Folkrock und Kammerfolk mit Volksmusikanleihen bewegt. Das gelungene Wechselspiel zwischen flinker Gitarre, gelassen gespieltem Cello und der im Vordergrund stehenden klaren Stimme der Sängerin vermittelt eine dunkle, märchenhafte Stimmung. Wohin sich ihre Geschichten, die sie mit den Lieder erzählen, bewegen, lässt sich wegen der fehlenden Textübersetzung aus dem Dänischen leider nicht erkunden.
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Canzioniere Grecanico Salentino "Quaranta"
Ponderosa, 2015
Im Süden Italiens, im Salent, ist die Situation, die Europa derzeit so durchschüttelt, besonders angespannt. Flüchtlinge kommen dort aus Nordafrika übers Mittelmeer geschippert, mit etwas Glück, unversehrt, aber kaum in eine besonders freundliche oder hilfreiche Willkommenskultur. Dass dies kein neues Problem ist, davon können die Musiker des Ensembles Canzoniere Grecanico Salentino mehr als ein Lied singen. Die süditalienische Folkloregruppe singt häufig im Griko-Dialekt, einem Dialekt aus Altgriechisch, Byzantinisch und Italienisch. Diese Sprache hat ihre Entwicklung an dieser südöstlichen Spitze des italienischen Stiefels vor fast dreitausend Jahren begonnen. Griechen wanderten in der Antike ein und besiedelten das Gebiet. Im Mittelalter wanderten wiederum viele Griechen in die Gegend ein. Noch heute gibt es ein paar griechische Gemeinschaften im Salent. Das Ensemble Canzioniere Grecanico Salentino gehört dazu und versucht, die alte Einwandererkultur am Leben zu erhalten, aber sich auch mit den aktuellen Problemen ihrer Heimat zu beschäftigen. So verwundert es nicht, dass das Album neben regionalen Tarantellas, immer wieder auf mittelalterliche Weisen zurückgreift und sich der Musik der neuen Einwanderer nicht verschließt. Arabische Töne gehören so selbstverständlich ins Programm, wie die Zampogna-Sackpfeife, Akkordeon, Bouzouki und Schalmeien. Produziert wurde das Album "Quaranta" von Ian Brennan, der auch schon mit Jovanotti, Bill Frisel und die malische Tuaregband Tinariwen erfolgreich war.
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Äl Jawala "Hypnophonic"
Jawa Records, 2016
Die Musik der Freiburger Band Äl Jawala umfasst bereits seit knapp 16 Jahren den kulturellen Großraum Europa mit all seinen Facetten. Auf dem neuen Album "Hypnophonic" wollen sie nun versuchen, noch mehr Inhalt zu transportieren. Wieder gibt die dynamische Bläsersektion den Ton vor. Balkan-Brass gepaart mit orientalischen Tönen bleiben auch auf dem neuesten Werk Leitkultur. Die Bässe dröhnen weniger bombastisch, als auf den Vorgängeralben, was ich als Gewinn betrachte. Neu ist die Stimme der Sängerin Bayan, die ein Lied auf arabisch singt. Sängerin Rukie wiederum punktet bei der elektroverswingten Nummer "Voodoo Rag". Das Album profitiert von den Dancegrooves, die sich durch die knapp fünfzig Minuten ziehen. Äl Jawalas "Hypnophonic" erweist sich als extrem tanzbare Platte, die Balkanbeat und Dancefloor auf sehr sympathische Weise verschweißt.
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Amariszi "Nine Balkan Nights"
Music & Words, 2014
Während einer Tournee durch Osteuropa entstand das zweite Album der holländischen Band Amariszi. Die Inspirationen, aber vor allem die Livesessions mit Musikern aus Bulgarien, Ungarn und Mazedonien fließen ein, in die Lieder auf dieser CD. "Nine Balkan Nights" wirkt, als wäre man mit der Band unterwegs und erlebe die heißen Nächte mit Balkanrhythmen mit. Sie verbinden die Balkan- und Gypsymelodien immer wieder mit Swing- und Bigbandelementen, was der ganzen Produktion noch zusätzlich Schwung gibt. Neben den bestens arrangierten Bläsersequenzen, lässt Amariszi auch schon mal kräftig die E-Gitarren heulen und wagen es Dubs einzufügen. Die Bandmitglieder haben sich den Balkanstyle, der als Grundelement ihrer Musik dient über Jahre erarbeitet. Sie stammen aus Island, Deutschland, Holland und den U.S.A., also aus Ländern, in die der Balkan in den letzten zwanzig Jahren Kultur exportiert hat. Dass Amariszi in den Herkunftsländern des Balkanbrass Live Anerkennung erfährt, zeigt, wie intensiv sie sich dieser Musik verschrieben haben.
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Mara "Folha de Rosto"
Eigenverlag, 2014
Wie wenig Appetit normale Plattenfirmen auf Musik jenseits kommerziell ausweidbarer Formate haben, sieht man an der steigenden Zahl von Crowfundingprojekten. Ist man als Künstler nicht in der Lage sein Werk finanziell selbst in die Welt zu begleiten - und die wenigsten Musiker in der Weltmusik sind das - bittet man die Fans um Unterstützung. Mara, eine Sängerin aus dem Alentejo in Portugal hat ihre Debüt-CD "Folha de Rosto" auch durch Unterstützung von außen produzieren können und es hat sich gelohnt. "Folha de Rosto" lässt sich nicht auf die klare Linie des Fado beschränken. Im Alentejo wirken auch die Spuren des andalusischen Flamencos und die der portugiesischen Folklore. Gekonnt verweben sich auf ihrem Album die Fäden der verschiedenen Regionen, so dass sich ein kunstvolles Muster herausbildet. Maras Stimme, ausgebildet für Fado und Jazz, besitzt jene Sehnsuchtstiefe der großen Fadistas, ohne dabei die Leichtigkeit der Folklore verloren zu haben. Komponiert und getextet hat sie die Hälfte der Songs selbst. Der Rest sind Bearbeitungen von bekannten portugiesischen Themen. Begleitet wird sie von Daniel da Silva (Flamenco-Gitarre), Henrique Leitão (portugiesische Gitarre) und Rui Gonçalves (Percussion). Eine angenehm zu hörende Platte aus Portugal, gut genug, um sie auch einem größeren Hörerkreis nahezubringen.
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Fiddlers Green "25 Barney Roses"
Deaf Shepherd Recordings, 2015
Zum 25-jährigen Bandjubiläum spendierte die deutsche Speedfolkkapelle Fiddlers Green sich und seinen Fans eine Compilation-CD mit dem Besten aus der bisherigen Bandgeschichte. Die seit 1990 durch die Lande heizenden Mannen haben darauf aber nicht nur altbekanntes zusammengesucht, sondern auch Songs mit auf das Album genommen, die man bisher nur Live von ihnen hörte. So findet sich nun endlich auch der Song "Rocky Roads to Dublin" auf einem Fiddlers Studio Album. "25 Barney Roses" bietet alles, was man als Fiddler's Fan braucht, ist voll vom gewohnten Tempo und - wie immer bei den Fiddler's - erst laut ein richtiger Genuss.
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Čači Vorba "Šatrika"
Oriente Musik, 2015
Die polnische Gruppe Caci Vorba hat mit ihrem dritten Album "Satrika" einige Melodien der Gypsy mit Elementen polnischer Volksmusik verbunden. Balkan-Pop und ein Hauch mediterraner Stimmung finden sich ebenfalls in den Liedern. Getragen wird das Album vor allem von Maria Natansons warmer Stimme und ihrem virtuosen Geigenspiel. "Satrika" besticht durch die Vielfalt, in der die Gypsymusik schillert. Emotionale Momente werden auf dem Album ebenso deutlich, wie Momente voller Ausgelassenheit.
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Cobario "Royal"
Eigenverlag, 2014
Das vierte Album der Österreicher Akustikband Cobario wartet mit einer Überraschung auf. Der Gitarrist und Gründer Mario Cherade hat sich aus dem Trio zurückgezogen. Georg Aichberger fungiert nun als vollwertiger Ersatz, der zudem noch ein weiteres Piano in die musikalische Struktur einbindet. Gegründet hatte sich Cobario als Straßenband in Barcelona. Ihre Fähigkeit, kleines Publikum am Weiterlaufen zu hindern, weil es fasziniert zuhören möchte, stellen sie immer wieder beim Tanz- und Folkfest in Rudolstadt unter Beweis, wenn sie beispielsweise am Heinedenkmal aufspielen und an der Fußgängerbrücke einen mittleren Stau provozieren. Das neue Album ist wieder so ein Highlight, ein Hinhörer, der virtuoses musikalisches Können präsentiert. Sie grasen dabei ausgiebig im Fundus der Stile. Flamencojazz kann man hören, aber auch die gute alte Wiener Schrammelmusik, die zum Heurigen passt. Die Zigeunerromantik der Puszta beschwören sie mit langezogenem, schmalzigen Geigenstrich und später wirkt ihre Musik so bildgewaltig, wie ein Soundtrack. Auch bei ihrem vierten Album haben Cobario wieder mit viel Gefühl Klangräume gezaubert, in denen man unbeschwert wandeln kann.
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Hazmat Modine "Extra-Deluxe-Supreme"
Jaro Medien, 2015
Die wohl lauteste Blaskapelle New Yorks holt mit dem Album "Extra-Deluxe-Supreme" zum nächsten akustischen Donnerschlag aus. Mit ihrer radikalen Mischung aus Blues, Klezmer und Latin schaffen sie es erneut, für eine ausgelassene Stimmung zu sorgen. Hazmat Modine beginnen klassisch mit einem fetten, bläserlastigen Memphis-Blues. Kurze Zeit später überraschen sie mit tuvalesischem Kehlkopfgesang, der sich harmonisch in den für die Band typischen Harmoniegesang einfügt. Ein partyfreundlicher Mitjodelsong ist "Up & Rise", der bei mir zum Hit auf dieser CD wurde. Mit "Whiskey Bird" lassen Hazmat Modine einen Song erklingen, der langsam und leise startet und sich dann in einen von dezenten Bläsern unterstützten melodischen Blues verwandelt. "Super-Deluxe-Supreme" übertreibt in seiner Namensgebung nicht. Es ist ein Album, wie ein Rausch.
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Bernd Köhler & EWO 2 "In dieser Straße - Das Waterboarding-Syndrom"
Jump Up Productions, 2015
Bernd Köhler gehört zu der Handvoll Liedermacher, die sich nicht in poetischen, mehrdeutigen Metaphern verlieren. Köhler ist direkt und damit in einer Zeit, in der sich jeder wegen irgendeiner Befindlichkeit diskriminiert fühlen möchte, ein politisch unkorrektes Unding. Dabei muss man sich nur seine Texte anhören um das Wortgeflecht "politisch unkorrekt" zu hinterfragen. Auch auf seiner neuen CD "In dieser Straße" geht Bernd Köhler und sein Elektronisches Weltorchester massiv Schuld an Krieg und Unrecht an. Daran ist wohl kaum was unkorrekt, zumindest aus moralischer Sicht. Aber wer politisch denkt, hat immer mit Gegenwind zu rechnen. Von daher steht Köhler in diesem Land im Sturm. Wer will schon hören, das Flüchtlinge nicht aus Spaß herkommen, sondern aus Not, wer will schon hören, dass die Ursachen des Terrorismus nicht in den Schurkenstaaten zu finden sind. Wer will schon hören, dass man hier lieber die Fenster schließt und dafür den Fernseher anmacht. Köhler wird nicht müde, seine Sicht der Dinge so politisch zu formulieren, wie er es für richtig hält. "In dieser Straße" ist sein Ruf nach mehr Menschenwürde.
© Karsten Rube
Der Schwarze Hahn "Über die Berge"
Ab Dafür Records, 2015
Als Folk von unten bezeichnen die Bandmitglieder vom Schwarzen Hahn ihre Musik. Sie spielen mit Pogo zum Tanz auf, krachledern sich durch Ska und Polka. Ihre neue CD "Über die Berge" will nichts anderes als radikal trösten. Es ist ein Aufruf zu Spaß und Revolte gegen festgestanzte Lebensphilosophien. Tanzen gegen die Ordnung. Das ist hervorragend anzuhören und mit zu hopsen, wenn man sich in einem heruntergekommen ehemaligen Industriebau bei mäßiger Beleuchtung und mangelndem Sauerstoff befindet. Von CD wirkt es, wie eine gepresste Packung Kopfschmerz. Das Lied "Lale" zerbröselt Heines »Lyrisches Intermezzo« aus dem »Buch der Lieder« und tunkt es in den schwarzen Tee eines georgischen Volksliedes. Raus kommt eine schrille Klangbrühe. Das Lied "Über die Berge" jedoch ist leise und hörenswert, wohl auch wegen der Kalimba und dem zurückgenommen Bläsereinsatz. "Misirlou" ein aus Griechenland importiertes Volkslied wiederum, ist mit dem Text von Jens Wirsching sehr poetisch geworden. Zumindest wenn man sich den Text durchliest. Gesanglich versucht Herr Wirsching allerdings, das Treffen von Tönen unbedingt zu vermeiden. Das stört, denn musikalisch wirken die vier Musiker eigentlich nicht wie Dilettanten. Doch beim Schwarzen Hahn scheint sich die alte Punkdirektive: "Mach, dass es hässlich klingt!" am Leben erhalten zu haben.
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Gilmore & Roberts "Conflict Tourism"
GR!Records, 2015
Katriona Gilmore und Jamie Roberts waren als Duo schon für so manchen englischen Folkpreis nominiert. Mit ihrem vierten Album "Conflict Tourism" sollte es ihnen gelingen ein weiteres Mal für Aufmerksamkeit zu sorgen. Provokante Songs finden sich auf der CD, die auf eine unbequeme Weise mitreißen. Keine simplen Lieder zum Mitpfeifen, sondern einfallsreiche Arrangements, die dem Hörer nicht aus dem Kopf gehen. Schon der Opener "Cecillia" klebt den spröden Rhythmus mit starken Harmonien zusammen. "Jack O Lantern" besitzt eine mystische, fast gespenstische Note. Leisere Songs finden sich im mittleren Teil des Albums, wie "Balance", bevor die beiden Musiker dann mit "Peggy Airey" zu einem scharfen Galopp ansetzen. So geht es weiter durch das Album, das klassische Folkstilistik ebenso bedient, wie moderne Popkultur. Sie setzen auf akustische Mittel, wie Fiddle, Mandoline, Gesang und Gitarre ebenso gleichberechtigt, wie auf Drum Programming und Elektrobass. Auch eine Lapsteel ist gelegentlich mit hellem Heulen zu hören. Ein Album, dass danach verlangt, immer wieder auf "Repeat" zu drücken.
© Karsten Rube
Dobrek Bistro "Dobrek Bistro feat. David Krakauer"
Dobrecords/Harmonia Mundi, 2015
Der polnische Akkordeonvirtuose Krzysztof Dobrek hat mit dem russischen Violinisten Aliosha Biz vor Jahren bei einer Inszenierung des Stückes Anatevka am Theater an der Wien mitgewirkt. Ihr harmonisches musikalische Zusammenwirken blieb auch darüber hinaus erhalten und so halfen sie der Gruppe Dobrek Bistro ans Licht der Welt. Eine stimmige Ergänzung der bis dahin russisch-polnischen Allianz hin zur Weltmusik erhielten sie mit Luis Ribeiro, einem brasilianischen Perkussionisten und dem Wiener Jazzkontabassisten Sascha Lackner. Gemeinsam orientierten sie sich am Gypsy-Jazz mit Latin- und Balkaneinflüssen. Mit dieser weltoffenen Sicht trifft Dobrek auf dem vorliegenden Album mit dem Klezmer-Klarinettisten David Krakauer zusammen. Herausgekommen ist ein waghalsiger Tanz auf einer außer Kontrolle zu geratenden Hochzeitsfeier. Klezmer, die Musik, die sich wie keine andere Musikrichtung mit weltmusikalischen Stilen zu verbinden weiß, verwandelt sich hier mal in einen wilden improvisationslastigen Jazz und mal in eine melancholische Bossa-Nova, nimmt russische Züge an und bewegt sich dann wiederum so zackig, wie bei einem Tango. Das in Wien produzierte Album ist eine Art von Melange, die heftig daher kommt und einen mit ihrem Temperament und ihrer radikalen Modernität überrascht.
© Karsten Rube
Lila Downs "Balas & Chocolate"
Sony Music, 2015
Das achte Studioalbum des mexikanischen Stimmwunders Lila Downs heißt "Balas & Chocolate". Inspirieren ließ sie sich dazu von ihren Kindheitserinnerungen. Denn Schokolade gehört so selbstverständlich zum Leben in Mexiko, wie Gewehrkugeln. Süße Verheißung und bitteres Leid stehen in diesem Land so dicht nebeneinander, wie sonst nirgends. Gewalt ist ein täglicher Bestandteil in vielen Gegenden Mexikos. Und doch lassen sich die Mexikaner ihre Lebensfreude nicht austreiben. Das Album stahlt musikalisch Freude aus, ist voller tanzbarer Lieder, die sich dicht an die Cumbia Kolumbiens anlehnen und wurde popig arrangiert. Und doch spielt das Thema Tod immer wieder eine große Rolle. "Viene la muerte echando rasero" (Der Tod kommt mit der Sense), das sie als Cumbia singt und auch "Son de Difuntos" setzen sich mit dem Tod auseinander. "Mano Negra" zeigt eine musikalische Vielfalt der Sängerin, in der sie zum Latinpop ungewohnte Klänge in Klezmerformat hinzufügt. Für die Produktion dieses Albums hat sich Frau Downs auch prominente Gäste an Land gezogen. Allen voran den kolumbianischen Popstar Juanes. "Balas & Chocolate" ist erneut ein großartiges Album geworden. Lila Downs wird über die Jahre kein bisschen langsamer oder verhaltener. Ihre Musik ist selbst in tragischen Stücken gesungene Lebensfreude.
© Karsten Rube
Lüül "Wanderjahre"
Mig Music, 2015
Musikalisch ist Lüül, alias Lutz Graf-Ulbrich seit den 60er Jahren aktiv und damit eine feste Größe in der Entwicklung der deutschen Gesangsszene. Seit den Achtzigern tritt er unter dem Namen Lüül auf. Als Organisator eines Rocktheaters und eines Musikfestivals hat er sich einen Namen gemacht. Und als regelmäßiges Mitglied der 17 Hippies leidet er auch nicht unter Betätigungslosigkeit. Trotzdem liegt ihm sein persönlichstes musikalisches Ausdrucksmittel, die Band Lüül immer sehr am Herzen. "Wanderjahre" ist sein neuestes Album. Vier Jahrzehnte musikalischen Schaffens gilt es dabei zu betrachten. Doch ist diese CD keine sentimentale Rückschau geworden, sondern eine Betrachtung von Lüüls Gegenwart, wie sie nach allem Erlebten aussieht. Seine romantisierende Liebeserklärung an die Zeit im Inselleben Westberlins, ist nur eine Station. Mit "Maria" bringt er einen Song, der schon in den Achtzigern entstanden ist, genauso wie "Morgens in der U-Bahn". Beides sind Lieder der Neuen Deutschen Welle Phase. Wunderbar auch die Bearbeitung von "In der Nachbarschaft". Hier hatte sich Manfred Maurenbrecher mal sehr gelungen an den Tom Waits Songs gemacht. Lüüls Werkschau "Wanderjahre" kommt im besten Gewand eines poporientierten Songwriters rüber, ist dabei voller Intimität und verhaltener Nostalgie. Hörenswert von der ersten bis zur letzten Minute.
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Mario Combo "Dimbambe Identité"
Bright Mon Productions, 2015
Eine der ersten Begegnungen mit der Musik, die ihn prägen sollte, hatte Mario Combo auf den Straßen seiner Heimatstadt Douala. Dort hörte der Kameruner Musiker kongolesischen Blues und später, die Stimme von Al Jarreau. Er produzierte in Douala, der größten Stadt des Kamerun sein erstes Album, wechselte dann nach Paris für die zweite CD. "Dimbambe Identité" ist sein nunmehr viertes Album. Mario Combo hat sich beeinflussen lassen, vom Makossa und der Musik von Blick Bassy. Der hat sich auch als ausführender Produzent des Albums angeboten. "Dimbambe Identité" lebt vom Küstensound Westafrikas. Makossa, Soul, Salsa und verschiedene westafrikanische Rhythmen lassen eine leichtfüßige Tanzmusik entstehen, die von der Sehnsucht an den Ufern Afrikas durchzogen ist.
© Karsten Rube
María Símoglou Ensemble "Minóre Manés"
Buda Musique, 2015
Rebétika Songs of Smyrna:
Rembetiko ist der Blues der Griechen. Einst, in den frühen zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, war sie die Musik der Hafenviertel, voll mit Geschichten von Liebe, Leid, Haschisch und Seefahrerromantik. Die Sängerin Mariá Símoglou aus Thessaloniki hat sich mit ihrem Ensemble einiger alter Rembetika angenommen. Lieder vom östlichen Mittelmeer interpretiert mit dem umfangreichen Instrumentarium der Levante spielt die heute in Marseille lebende Musikerin zusammen mit ihrem hervorragenden Ensemble. Antike Lyra, Saz, Ney-Flöte und Zitter unterstützen die klagenden Gesänge María Símoglous. Ein Album, das sich näher zum Orient hinbewegt, als nach Europa und neben griechischen Grundelementen immer wieder der musikalischen Harmonielehre Kleinasiens folgt. Spannend anzuhören, wenn auch etwas sperrig für das westeuropäische Ohr.
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Trad.Attack "AH!"
Nordic Notes, 2015
Trad.Attack! aus Estland vollziehen das komplette Gegenteil zur Unplugged-Kultur. Bei dieser Kapelle wird handkomponierte Volksmusikhistorie angestöpselt und unter Strom gesetzt. Die drei Musiker, die seit bald zwanzig Jahren in der estnischen Musikszene unterwegs sind, haben sich 2014 als Trio zusammengefunden und bereits mit den ersten gemeinsamen Aufnahmen unter Folkfreunden in dem baltischen Land für Aufsehen gesorgt. Ihr Debütalbum "AH!" ist ein dynamischer Stilmix aus Folklore, schepperndem Rock und Elektrodancefloor. Die in Estland bekannte Folksängerin Anne Vabarna - Urgroßmutter des Gitarristen Jalmar Vabarna - ist mit historischen Aufnahmen auf dieser CD zu hören, mit Stromgitarren und Loops verjüngt. Die Musiker sind allerdings nicht nur elektronisch auf dem Laufenden, sondern spielen selbst ziemlich gut auf allerhand Instrumenten, von der Drehleier und dem Dudelsack, bis zum Saxophon und der 12-saitigen Gitarre. "AH!" Ist ein Album, das Folk und Moderne gelungen zusammenbringt.
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Nasser Kilada "Ranin"
Digga Music@Werkstatt der Kulturen, 2014
Nasser Kilada ist ein ambitioniertes Ethno-Jazz-Projekt, das ägyptische und koptische Themen mit Jazzelementen verbindet."Ranin" das arabische Wort für Klang steht hier als Überbegriff für diese sehr sinnliche Musik. Der Ägypter Nasser Kilada lebt seit 1989 in Berlin. Hier war er bereits mit dem Bandprojekt "Groove of the Nile" sehr rege. Dieses Bandprojekt führt er auf "Ranin" in veränderter Form fort. Die afro-orientale Grundstruktur seiner Stücke findet im westlichen Jazz einen kongenialen Partner. Magische Momente erfährt man jedes Mal, wenn der Oud Kiladas auf die Trompete von Martin Klingeberg trifft. Zurecht gewann "Ranin" auf dem 5. Creole Weltmusik Contest im Jahr 2015 einen der drei Hauptpreise.
© Karsten Rube
Konstantin Wecker "Ohne Warum"
Sturm und Klang, 2015
Der Münchener Revolutionspoet Konstantin Wecker wird auch nach vierzig Bühnenjahren nicht müde, seine Utopien von der friedlichen Welt zu teilen. Das Leben ist besser geworden, so klingt es auch bei Wecker - aber es ist noch lange nicht gut. Wecker schafft es mit seinen Liedern, die Utopie vom Leben in Friede und Würde weiterzureichen, denn Utopien erfüllen sich nie in einer Generation. "Ohne Warum" ist ein streitbares Album, mit vielen versöhnlichen Momenten. So ist er einerseits voller Liebe in "An meine Kinder", romantisch-poetisch in "Novalis" und unversöhnlich in "Der Krieg" und in "Die Mordnacht von Kundus". In letzterem Werk spielt er stilistisch mit den Moritaten der zwanziger Jahre. Den Klassiker des Revolutionsgedanken zitiert er mit seiner Interpretation von "Die Gedanken sind frei". Großkonzerne, Banken und rechte Pöbler bekommen wie immer ihr Fett weg und in einer Liveaufnahme dankt er seinem Publikum und ruft er unter tosendem Applaus poppig zur "Revolution" auf. Konstantin Weckers Album "Ohne Warum" ist ein weiterer aufrechter Ruf nach Gerechtigkeit. Musikalisch stimmig und politisch kompromisslos.
© Karsten Rube
Michi Marchner "13 Lieder"
BSC Music, 2014
Liedermacher, Dichter, Denker und Wortverrenker, so bezeichnet sich der Bayer Michi Marchner. Seit einem Vierteljahrhundert unterwegs, bleibt er ruhelos und getrieben. Sein Album "13 Lieder", eine CD, die über 14 Titel verfügt, gibt die Gedankenwelt des Poeten und Querdenkers wieder. Im Liedermachergewand begleitet er sich selbst an Klavier und Gitarre. Das ist manchmal sehr leise und liebevoll, aber oft auch böse und pietätlos. Tod, Abschied, Liebesende sind in seinen Liedern ebenso vertreten, wie der Liebesakt. Und manchmal ist er einfach nur seltsam orientierungslos, wie in "Olpe". Sarkasmus gehört zu seinem Standardwerkzeug, wie sich im Song "Die Besten sterben jung" manifestiert. "13 Lieder" sind vierzehn Lieder, die man sich anhören kann, aber nicht muss.
© Karsten Rube
Suli Puschban "Regen und Meer"
Hoanzl, 2015
Suli Puschbans Lieder leben zu allererst von der Zugewandtheit. Die Melodien auf dem Album "Regen und Meer" sind harmonisch, fast schon schlagerweich, nie experimentell kratzig. Auch in ihren Texten lässt sich beinahe ausnahmslos Optimismus herauslesen, ohne dass sie dabei weltfremd wirken. Frau Puschban ist häufig als Liedersängerin für Kinder unterwegs. Vielleicht kommt daher ihr Optimismus. Kindern braucht man nicht mit Abgeklärtheit kommen. Der Optimismus schwindet mit dem Älterwerden. Dass ihre Stimme auf dem Album nicht immer den Ton perfekt hält, könnte einen stören, wenn man zu viel Perfektionismus erwartet. Braucht man bei Suli Puschban aber nicht. Die Ecken, die ihr Gesang manchmal reißt, unterstreichen ihre Glaubwürdigkeit als Liedermacherin. Suli Puschban hat für dieses Album Lieder aus fünfzehn Jahren Liederschaffens zusammengetragen. In Wien eingespielt, schlägt sie Brücken bis nach Berlin und sehnt sich nach dem für Österreich so fernen Meer. "Regen und Meer" ist ein freundlicher Seelenstriptease aus unserem Nachbarland.
© Karsten Rube
Preßburger Klezmer Band "Tsvantsik Yorn"
Real Music House, 2015
Die bekannteste Klezmer Band der Slowakei turnt seit zwanzig Jahren über die Weltmusikbühnen Europas. Ihr aktuelles Album widmet sie diesem Jubiläum. Bunt durchmischt ist die Zusammenstellung der quirligen Truppe aus Bratislava. Klezmer ist der Grundtenor ihrer Interpretationen, doch die Einflüsse Osteuropas, Romamusik, Balkanklänge, orientalische Harmonien und eine überraschende Prise Samba, wo sie gerade hineinpasst, ergänzen die Musiker je nach Spiellaune. Ihre Sprachvielfalt ist bemerkenswert. Auf Slowakisch, Englisch, Armenisch, Jiddisch und Ungarisch singen sie ihre Lieder, die im Wesentlichen auf traditionellen Weisen beruhen. Einzelne Kompositionen, wie der Abschlusstitel "Tsvantsik" und "Yabada diba" fallen durch ihren ungezwungenen Umgang mit Jazzimprovisationen auf. Die Preßburger Klezmer Band feiert mit ihrem Jubiläumsalbum eine Geburtstagsparty und lädt alle Hörer ein, mit ihnen mitzufeiern.
© Karsten Rube
Louise Gold "Terra Caprice"
Edel, 2015
Schon ihr Debütalbum mit dem bezeichnenden Titel "Debut"[51] ließ mich aufhorchen. So angenehm zeitlos und ungezwungen wie die Berliner Sängerin bewegte sich im Jazz lange niemand. Ihr zweites Album "Terra Caprice" nahm sie unter dem Eindruck einer Reise durch den Mittleren Westen der U.S.A. auf. Und wieder gelingt ihr ein Gang durch den Timetunnel. Diesmal aber mit anderen musikalischen Mitteln. "Terra Caprice" wartet mit einem Stilmix aus siebziger Jahre Carpenters-Romantik auf (The Morning There is meaning"), mit dynamischer Roadmusic ("Icy Cobweb" und "Venus and Mars"), mit Westcoastfunk ("Delta Baby") und mit dem Titelsong "Terra Caprice" in Form eines deftigen Rock der Sorte "mein Vater hörte immer Suzi Quatro". Ihre Stimme verwandelt sich von träumerisch und warm zu hart und heftig. Dynamk und Träumerei liegen auf diesem Album auf engem Raum. Ein langsam trabendes Instrumental beendet diese wunderbare Scheibe. Louise Gold beweist mit dem zweiten Album erneut, dass in ihr eine hoffnungsvolle Romantikerin schlummert.
© Karsten Rube