FolkWorld #46 11/2011
© Walkin' T:-)M

Holladihi, Holladio

Die morgendliche Bergwanderung auf den Kulm[37] hat auf den Länderschwerpunkt Schweiz des TFF 2011 eingestimmt. Nach dem Gipfel folgt die Krönung: die Kummerbuben auf der Großen Bühne im Rudolstädter Heinepark.

Aus Bern kommt das umtriebige Sextett, benannt nach einem 1942 erschienenen Jugendroman der Schweizer Autorin Elisabeth Müller, und spielt krachende Karnevals- und Zirkusmusik im Stil französischer Bands wie Les Hurlements d'Leo[45] oder Les Yeux d’la Tête,[44] eine wilde Mischung aus Chanson und Punk.



Kummerbuben @ FolkWorld: FW#46

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Die Stromgitarren hämmern, Saxofon und Klarinette setzen jazzige Akzente, das Schlagwerk liefert den passenden Rumpelbeat. Der Sänger und ehemalige Rapper Simon Jäggli knarzt mit heiserer Stimme erst alte Schweizer Volkslieder, dann die zukünftigen Lieder des Volkes.

Simon Jäggli trägt zwar einen auf einem Jodelfest erstandenen Hut, aber dieser erweist sich als äußerst unpraktisch. Jodler machen eben nicht dauernd Headbanging. Holladihi, holladijoho ist auch nur Jodeln für Anfänger; Schweizer Klischees werden von diesem Berner Sextett nur als ironisches Zitat bedient.

Dereinst hat die Tagelöhnerfamilie Kummer ihr Vergnügen in alten, depressiv stimmenden Balladen gefunden. In die dunklen Täler fällt kein Sonnenstrahl. Da geht es nicht um Schokolade und Käse, sondern um gebrochene Herzen, und Schmerz und Pein werden in Absinth ertrunken. Schweizer Liebeslieder sind entweder kitschig oder gut, so Simon Jäggli, und wenn letzteres dann kommt mindestens ein Toter vor.

Passenderweise zu den musikalischen Anklängen an die oben erwähnten Bands wird nicht nur Schwyzerdütsch, sondern auch Französisch gesungen. Mit dem traditionellen "La Marie" wird die sprachliche Verbindung hergestellt. In der Schweiz liegt eben alles eng beieinander.

P.S.: Es gab noch mehr Musik aus der Schweiz an diesem Wochenende zu hören: Stiller Has mit dem charismatischen Bluusmän Endo Anaconda definierte das amerikanische Genre in europäischem Sinne neu; Doppelbock spielte unterfordert als Trio im Tanzzelt,[42] dabei wäre auch ihre Gesangspartnerin Christine Lauterburg in der Nähe gewesen;[46] Erika Stuckys Jimi-Hendrix-Revue geriet überraschenderweise weniger originell als von der schrägen Diva zu erwarten gewesen war.[35] Insgesamt betrachtet aber war es einer der besten Länderschwerpunkte in der 21jährigen Geschichte des Rudolstädter Tanz- und Folk-Festes. Wird auch nicht nach urdemokratischem Schweizer Vorbild verfahren, so findet die Auswahl 2011 immerhin meine vollste Billigung. Weiter so!


Photo Credits: (1) TFF Logo 2011 (by TFF Rudolstadt); (2)-(3) Kummerbuben (by Walkin' Tom).


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