FolkWorld #46 11/2011
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The Future of Bluegrass



Bluegrass Jamboree 2010

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Bluegrass Jamboree! - 3. Festival of Bluegrass and Americana Music, 1. bis 18. Dezember 2011.

Im 100. Geburtsjahr von Bill Monroe, dem "Vater" der Bluegrass Music, weist Festival-Veranstalter Rainer Zellner mit drei jungen innovativen Formationen in die Zukunft des immer wieder aktuellen Genres. Die spannendsten Entwicklungen finden zur Zeit abseits der Ursprungsregionen im Südosten der USA statt. Auf die gleiche Weise wie Bill Monroe mit seiner Band in den späten 40er Jahren aus Blues, Jazz, Irish und Scottish Folk sowie Gospel und Spirituals in Kentucky die "Arme-Leute Musik" Bluegrass erfand, erneuert sich die Musik Generation für Generation: Jede trägt die Fackel ein Stück weiter, neugierig in neue Nischen leuchtend.

Auf dem Jamboree 2011 wird dieser Entwicklung Raum gegeben, alle Künstler leben im Norden, dort wo Bluegrass fast genauso ein Fremdwort ist wie außerhalb der USA, sich aber dennoch hochkarätige Bands finden. Ihr Sound ist so authentisch, da fällt es meist nur den Experten auf, dass die meisten der aufgeführten Stücke des Konzerts neu geschrieben sind und sich nicht aus dem Repertoire von sechzig Jahren Bluegrass bedienen, sondern einen wichtigen Beitrag zur lebendigen Weiterentwicklung leisten.

Cahalen & Eli



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An­ders als auf einem her­kömm­li­chen Atlas fin­det man auf der mu­si­ka­li­schen Blu­e­grass Land­kar­te immer wie­der un­ent­deck­te Ge­gen­den und un­be­kann­te Be­woh­ner. Mo­men­tan über­schla­gen sich die Me­di­en über ein Duo, das noch nicht ein­mal ent­fernt aus dem "Blu­e­grass Gür­tel" der süd­öst­li­chen USA Bun­des­staa­ten stammt, son­dern aus Se­at­tle an der West­küs­te. Weit­ab vom An­pas­sungs­druck des Hill­bil­ly Pu­bli­kums ent­wi­ckel­ten sie in ihrem Teil der USA einen un­dog­ma­ti­schen, ei­gen­stän­di­gen ak­tu­el­len Duo-​Klang, der den­noch in vie­len As­pek­ten klingt, als wäre er di­rekt den 40er Jah­ren ent­lehnt. Einer Zeit, in der harte Ar­beit und Über­le­bens­kampf der De­pres­si­ons­jah­re in der Berg­re­gi­on der Ap­pa­la­chen eine Musik ent­ste­hen ließ, die sich mit den exis­ten­ti­el­len Din­gen des Le­bens be­schäf­tig­te: tief, spi­ri­tu­ell, offen und ehr­lich...der Blues der Wei­ßen, im Laufe der Ge­schich­te und Po­pu­la­ri­sie­rung mit Namen wie Old­ti­me, Folk, Coun­try oder Hill­bil­ly be­zeich­net.

Der Songwri­ter des Duos, Caha­len Mor­ri­son be­kennt sich zu der In­spi­ra­ti­on die­ser alten Lie­der. Er ver­ar­bei­tet The­men von Land­schaft, Natur, Liebe, Leid, Trau­er, Freu­de, Tod und Ehr­furcht; seine Spra­che, seine Bil­der klin­gen so au­then­tisch, dass sich Tra­di­tio­nals von den Ori­gi­nal­kom­po­si­tio­nen kaum un­ter­schei­den. Das "Feuer" von Caha­len und Eli liegt in der Kom­bi­na­ti­on die­ses Songwri­tings mit der In­ten­si­tät des Blu­e­grass, wun­der­bar ge­spiel­ten In­stru­men­ten und ex­trem in­ten­si­vem, oft kom­plex ver­wo­be­nem zwei­stim­mi­gem Ge­sang. Hier kommt Eli West ins Spiel: Er­fah­ren in vie­len Mu­sik-​Sti­len er­wisch­te ihn mit 15 Jah­ren der (prak­tisch un­heil­ba­re) Blu­e­grass Virus, seit­dem sind Sai­ten­in­stru­men­te seine große Lei­den­schaft. Elis be­son­de­re Art Gi­tar­re zu spie­len, ver­eint Solo und Rhyth­mus­auf­ga­ben, bei­des auf atem­be­rau­ben­dem Ni­veau. Er schreibt die Ge­sangs­ar­ran­ge­ments, mit Liebe zu rhyth­mi­scher wie har­mo­ni­scher Ver­trackt­heit - genau mit der Frei­heit, die sich die Mu­si­ker des Gen­res da­mals in der Früh­zeit des 20. Jahr­hun­derts schon er­laub­ten. Roots Le­gen­de Tim O'Brien sagt kom­men­tiert das neu­es­te Album "...music that the world needs!"

Deadly Gentlemen

Wenn Folk-​Pro­test­sän­ger und Dy­lan-​Vor­bild Woody Gu­thrie das noch er­lebt hätte: Sein "Tal­king Blues" Stil gilt als eines der Ur­sprungs­ele­men­te des wei­ßen Hip-​Hop, den Rap­per und El­tern-​Schreck Emi­nem schließ­lich zum welt­wei­ten Er­folg führ­te. Und nun kom­men mit den Dead­ly Gent­le­men fünf der wohl fä­higs­ten jun­gen Blu­e­grass Mu­si­ker aus Bos­ton mit einem akus­ti­schen Ex­pe­ri­ment daher, das eben­falls in Gu­thries Stil einen sei­ner Ur­sprün­ge hat: ge­rapp­te Vo­kal­sät­ze, punk­tiert und mit deut­li­cher, der­ber Lyrik ver­se­hen, ein­ge­bet­tet in in­stru­men­ta­le Erup­tio­nen, die ohne Scheu den alten In­stru­men­ten alles ab­ver­lan­gen, um die Blu­e­grass-​Scheu­ne zum Beben zu­brin­gen.Mit viel Humor und Lei­den­schaft bre­chen sie mit den Kon­ven­tio­nen des Gen­res, mi­schen un­ver­blümt Rap mit Jazz und Acoustic-​Rock und rich­ten den­noch ihre Kom­pass­na­del immer wie­der auf New­grass und Blu­e­grass aus, um zu zei­gen wo alles be­gann.



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Mas­ter-​Gent­le­man und Dok­tor der Mo­le­ku­lar-​Bio­lo­gie Greg Liszt spiel­te mit Bruce Springs­teen auf CD und Tour­ne­en, ist Grün­dungs­mit­glied der pro­gres­si­ven Folk Roots Band "Crooked Still" und gilt als einer der we­ni­gen ech­ten Banjo Er­neue­rer. Sein Spiel ist sehr "funky", es ver­bin­det tra­di­tio­nel­les 3-​Fin­ger Pi­cking mit einem ei­ge­nen "Touch", der vor allem von rhyth­mi­schen Ex­zes­sen und kraft­vol­len me­lo­di­schen Li­ni­en ge­prägt ist.

Die wei­te­re Be­set­zung liest sich wie das „Who's Who“ der ganz jun­gen Stars der Szene: Sam Gris­man, Sohn des New Acoustic Ge­nies David Gris­man legt am Kon­tra­bass das hef­ti­ge Fun­da­ment so­wohl der tie­fen Töne als auch den pul­sie­ren­den Beat. Recht­zei­tig tausch­te Stash Wys­louch seine lär­men­de Heavy Metal E-​Gi­tar­re gegen eine akus­ti­sche Blu­e­grass Gi­tar­re. Er ist rast­los auf sei­ner Mis­si­on, die Ve­bin­dung zwi­schen Trash Metal und Blu­e­grass zu fin­den, in bei­den For­men spielt sein Kön­nen, laut und hoch zu sin­gen, eine wich­ti­ger Rolle. Mit drei Jah­ren war die Ukul­e­le Do­mi­nick Les­lies Lieb­lings­spiel­zeug und nun mit zwan­zig Jah­ren gilt er als einer der wich­tigs­ten Man­do­li­nen­spie­ler sei­ner Ge­ne­ra­ti­on. In sei­nen erup­ti­ven Im­pro­vi­sa­tio­nen ver­wi­schen sich die Gren­zen zwi­schen Folk, Pop, Klas­sik und Jazz. Erst im Stu­dio ent­deck­te man die Ge­sangs­stim­me von Mike Bar­nett, bis dahin ver­neig­ten sich alle vor sei­nem gran­dio­sen Gei­gen­spiel. Mike ab­sol­vier­te seine Blu­e­grass Lehr­stun­den mit 15 Jah­ren in der Band von Jesse McReyn­olds, Blu­e­grass Pio­nier der ers­ten Ge­ne­ra­ti­on. Er wurde dabei in der Grand Ole Opry, der "Ka­the­dra­le der Coun­try Music" in Nash­ville mit ech­tem "Moons­hi­ne" (schwarz ge­brann­ter Schnaps) als Blu­e­gras­ser so­zu­sa­gen „ge­tauft“. Mitt­ler­wei­le knapp 20 Jahre alt, wird er als "the hot­test new fidd­ler" in den USA ge­prie­sen.

Della Mae

Ganz frü­her hät­ten Sie wohl Auf­tritts­ver­bot ge­habt, heut­zu­ta­ge wer­den sie zu­min­dest im Süden im­mer­hin noch arg­wöh­nisch be­äugt. Die Rede ist von der ein­zi­gen pro­fes­sio­nel­len, rein weib­lich be­setz­ten Blu­e­grass Band der USA, Della Mae. Im re­lax­te­ren Old­ti­me haben sich Frau­en wie z.B. Uncle Earl mitt­ler­wei­le gut in Szene set­zen kön­nen, im Blu­e­grass je­doch, des­sen Sound von ge­press­tem hohem männ­li­chem Ge­sang und kraft­vol­lem in­stru­men­ta­lem Spiel de­fi­niert wurde, spiel­ten sie lange Zeit keine große Rolle. Erst mit der sanf­ten Sän­ge­rin Ali­son Krauss wur­den (brave) Frau­en-​Stim­men ak­zep­tiert. Um so span­nen­der, dass sich in Della Mae (be­nannt nach einer an­spruchs­vol­len Frau in einem Blu­e­grass Hit der Os­bor­ne Bro­thers) ei­ni­ge der an­ge­sag­tes­ten So­lis­tin­nen in einer Art Frau­en-​Su­per­group zu­sam­men­fan­den, mit dem kla­ren Ziel, männ­li­che Bas­tio­ne zu schlei­fen. Ob in ihren ei­ge­nen Songs oder die Lie­der frem­der Au­to­rin­nen, immer be­trach­ten sie The­men wie Mühen, Tri­um­phe, Nie­der­la­gen, Ab­schied, Mut, Rei­sen, Liebe und Ver­lust aus weib­li­chem Blick­win­kel. Nie ver­ges­sen sie dabei den Pio­nie­rin­nen ihrer Zunft Tri­but zu zol­len, wie etwa der le­gen­dä­ren Cou­sin Emma oder der kürz­lich ge­stor­be­nen Ikone Hazel Di­ckens.



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Die Stim­me der Band ist Celia Woods­mith. Mit vol­ler Kraft rei­tet sie auf den Wel­len von Blu­e­grass, Coun­try Soul, Blues und Folk. Mit ihrer kom­pe­ten­ten Rhyth­mus­gi­tar­re hält Celia auf der Bühne alle Fäden des Blu­e­grass-​Net­zes zu­sam­men. Mit drei Jah­ren gab ihr der Groß­va­ter die ers­ten Gei­gen­stun­den und mit An­fang 20 ist sie be­reits zwei­ma­li­ge Grand Na­tio­nal Fidd­le Cham­pi­on, eine groß­ar­ti­ge Leis­tung, auch wenn man aus einer alten "Fidd­ler" Fa­mi­lie stammt: Kim­ber Lu­di­ker gilt als zen­tra­le Künst­le­rin ihrer Ge­ne­ra­ti­on, ihr fu­rio­ses Spiel auf der au­ßer­ge­wöhn­li­chen 5-​string Geige ver­eint Blu­e­grass Old­ti­me und Wes­tern Swing - mitt­ler­wei­le gas­tiert sie sogar bei Blu­e­grass Stars wie Lau­rie Lewis.

Court­ney Hart­man hat sich an das wohl am männ­lichs­ten be­setz­te Blu­e­grass So­lo­in­stru­ment ge­traut - die Flat­pi­cking So­lo-​Gi­tar­re, ein In­stru­ment das an­fangs kaum im Blu­e­grass Kon­zept vor­han­den war und erst in den 60ern einen eben­bür­ti­gen Platz neben Man­do­li­ne, Fidd­le und Banjo er­hielt. Noch bevor sie die Schul­bank drück­te, lern­te sie Geige, Man­do­li­ne und Gi­tar­re und tour­te früh mit ihrer Fa­mi­li­en­band The Hart­mans. Ihre Soli sor­gen mitt­ler­wei­le re­gel­mä­ßig für Ova­tio­nen. Heute stu­diert sie neben ihren Band­ak­ti­vi­tä­ten "ernst­haf­te Musik" im re­nom­mier­ten Ber­klee Col­le­ge of Music in Bos­ton, der Ort an dem mo­men­tan die span­nends­te neue Blu­e­grass Ent­wick­lung der USA zu fin­den ist.

Man­do­li­nis­tin Jenni Lyn Gard­ner ist sozsua­gen die "Snare Drum" der Band und sorgt für den ty­pi­schen Blu­e­grass Off-​Beat. Im tra­di­to­nel­len Blu­e­grass gibt es keine Per­kus­si­on, diese Auf­ga­be tei­len sich die In­stru­men­te un­ter­ein­an­der auf. Rich­tig span­nend wird es, wenn sie immer wie­der an­ge­trie­ben von ihrer Band für fun­keln­de, wilde Man­do­li­nen-​So­li an das Mikro tritt. Jen­nis Vor­na­men sind einem alten be­kann­ten Fidd­le Tune ent­lehnt, auch sie tourt re­gel­mä­ßig mit Grö­ßen der Szene über­all in der Welt. Eine wahre Le­gen­de am gro­ßen akus­ti­schen Kon­tra­bass ist Aman­da Ko­wal­ski - seit Jah­ren be­rei­chert sie aus­ge­fal­le­ne Pro­jek­te, etwa mit den Banjo Kö­ni­gen Tony Trish­ka, Bela Fleck und Abi­ga­il Wa­sh­burn. Ihre mu­si­ka­li­sche Rei­se­rou­te führ­te die im Hill­bil­ly Staat West Vir­gi­nia ge­bo­re­ne Aman­da in die "Grand Ole Opry in Nash­ville eben­so wie ins ehr­wür­di­ge Opera House von Sid­ney


Photo Credits: (1) Bluegrass Jamboree Logo (by Music Contact); (2) Cahalen and Eli, (3) Deadly Gentlemen, (4) Della Mae (unknown).


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