FolkWorld #47 03/2012

CD & DVD Reviews

Radio Rumeli "Balkan Stories"
Galileo-Mc, 2011

www.radiorumeli.de

Man ist fasziniert, von der Möglichkeit, mit einer Fähre über den Bosperus die Kontinentalgrenze zu überwinden. Trotdem spielt der europäische Teil nur selten eine Rolle, wenn man von der Türkei spricht. Rumelia, heißt die türkische Provinz oder besser der Teil des Osmanischen Reiches, der sich vom Bosporus über Griechenland, Bulgarien, Teile Rumäniens bis nach Bosnien zog. Ein Gebiet mit einer eigenen Kultur, die gleichermaßen geprägt ist vom Balkan und der Türkei. Radio Rumeli führt den Hörer auf ihrer CD "Balkan Stories" durch diesen multikulturell geprägten Landstrich. Die vier Musiker stammen aus Deutschland, Tschechien und der Türkei, besitzen also selbst vielfältige kulturelle Hintergründe. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Lieder den Bogen von Ungarn, über Bulgarien, Albanien, über das türkische Mutterland bis hinüber nach Armenien schlagen. Die CD beginnt mit einem sehr schönen Liebeslied aus Mazedonien. Ein fröhliches Lied, das nach berechtigter Hoffnung auf Zuspruch klingt. Ein sehr leidenschaftliches traditionelles Lied aus Bulgarien erklingt direkt danach. "RoMaNova" trägt in seinem Titel bereits die Verbindung von Romamusik und modernen Tanzrhythmen. Weitere traditionelle Lieder folgen, so "Ajsino Oro" ein Lied aus Albanien, mit deutlichem jüdischen Anstrich. Die Lieder bleiben bis zum Schluss der Tradition verpflichtet. "Balkan Stories" klingt, als habe Radio Rumeli sie mit großer Leidenschaft und Spielfreude aufgenommen. Schnell fühlt man sich während des Hörens zu diesem Landstrich hingezogen. Anders, als viele neuere Balkanmusiker, versuchen sie nicht mit untergemischten Beats Hörer zu gewinnen, sondern bleiben mit ihren bewusst traditionellen Arrangements erfrischend authentisch.
© Karsten Rube


Cristina Branco "Live in Amsterdam"
ARC Music, 2011

www.cristinabranco.com

April 1997. Amalia Rodrigues weilte noch unter den Lebenden, der Kampf um den Thron der Königin des Fados hatte noch nicht begonnen. Misia konnte man bereits als bekannte Größe bewundern. Marizas Stern hingegen funkelte erst blass. Verschiedene Sänger und Sängerinnen versuchten sich am Fado, doch diese Musikrichtung breitete sich noch nicht so intensiv über die portugiesische Grenze aus, wie es einige Jahre später der Fall sein sollte. Fado war etwas für Insider. Cristina Branco, eine junge Sängerin aus dem Lissabonner Hinterland hatte diese Form des Gesangs für sich entdeckt. Ihre erste CD spielte sie Live ein, bei einem Konzert in verhältnismäßig überschaubarem Kreis in Amsterdam. Die Aufnahmen dieses Debütalbums der großartigen Sängerin liegen nun vor. "Live in Amsterdam" heißt sie schlicht. Cristina Branco widmet sich während des Konzertes zwar ganz dem Fado, doch ist bereits bei diesem Debüt zu spüren, dass sie sich im weiteren Verlauf ihrer Karriere nicht darauf festlegen lassen wird. Ihr Hang zum künstlerischen Ausdruck jenseits des Fados wird bereits deutlich. "Quisera laver o pensamento" macht dies beispielsweise hörbar. Trotzdem bleibt „Live in Amsterdam“ zu allererst eine Aufnahme eines Fadokonzertes, in dem die damals 25-jährige überzeugen konnte. "Maria Lisboa", ein Lied, das die inzwischen berühmte Interpretin Mariza live normalerweise bis an die Schmerzgrenze auskostet, gerät in der Interpretation von Cristina Branco unvermittelt dorthin zurück, wo er herkommt: aus den engen Straßen der portugiesischen Hauptstadt. Unverkrampft und ohne künstlerische Überhöhung singt sie diesen Fadogassenhauer mit souveräner Einfachheit. Ebenso simpel und schön klingen "Verdes são os campos" und "Ausente". Begleitet wurde Cristina Branco auf dieser Liveaufnahme übrigens bereits damals von Custodio Castelo, der zu den großen Künstlern auf der portugiesischen Gitarre zählt und ganz nebenbei das Privileg genießt, Cristina Brancos Ehemann zu sein. Eine Verbindung, die mit "Kronos" und "Ulisses" ein paar der bezauberndsten musikalischen Produktionen Portugals zuwege brachte.
© Karsten Rube


Amorroma "Carrousel" [3 CDs]
Munich Records, 2011

www.amorroma.majesticstudio.be

Selten wird einem akustischer Folk so umfänglich nahegebracht, wie vom belgischen Duo Amorroma. "Carroussel“ heißt ihr Album und kommt als Dreifachalbum mit schön gestaltetem Booklet im Pappkarton daher. Das allein ist schon sehr einladend, wird aber von der Musik der langjährigen Folkmusiker Sarah Ridy und Jowan Merckx noch in den Schatten gestellt. Als Duo spielen sie mit Harfe und Flöte, bzw. Dudelsack. Sie halten sich an die traditionelle Spielweise der europäischen Folkmusik, greifen Themen aus Frankreich, Galizien, Belgien, aber auch aus Bulgarien oder Schweden auf. Das beginnt in der Barockzeit und führt Volkstänze, wie Polka, Jigs und Tarantella zusammen. Die Harmonie zwischen eigentlich gegensätzlichen Stimmungen ist häufig in den Liedern zu spüren. So verwandeln sich anfänglich melancholisch wirkende Melodieführungen allmählich in muntere Tänze. Merckx' Flötenspiel ist von betörender Klarheit, die Melodien, die von Sarah Ridys Harfe perlen, sind zum Hinschmelzen. Doch nicht nur als Duo lassen sie die paneuropäische Folkmusik aufleben. Mit zahlreichen Gastmusikern ergänzen sie ihre eigenen Kompositionen und Adaptionen traditioneller Weisen durch Drehleier, diatonisches Akkordeon, Bandoneon, Mandola und Dudelsäcke verschiedenster Herkunft. Versiert bindet der Multiinstrumentalist Merckx all diese Instrumente in sein ambitioniertes Projekt ein. "Carrousel" ist ein außergewöhnlich kraftvolles Stück europäischer Folkmusik, voller Leidenschaft und Wärme.
© Karsten Rube


Toby "Sleeptalk"
Eigenverlag, 2010

www.tobymusic.com.au

Die Australierin Toby Beard hat mit ihrer Produktion "Sleeptalk" ein eindrucksvolles und vielschichtiges Album produziert, das sich jeder Einordnung in gängige Schubladen entzieht. Die einzelnen Titel lassen sich zwar verschiedenen Genres zuordnen, aber die CD als Gesamtwerk ist so vielseitig, wie wenige Alben von Musikerinnen ihres Alters. Zugegeben, ihr genaues Alter war nicht zu ergoogeln. Sie wirkt auf Fotos recht jung, macht aber richtig erwachsene Musik - was immer der Einzelne auch darunter verstehen mag. Besonders deutlich wird das, wenn sie solch blueslastigen Songs, wie "Won't be A Fool", und "Stay" oder den alten Etta James-Gospel "Rather to be blind" singt. Eine sehr leichtgängige Jazzballade ist ihr mit "If you wont" gelungen. Bei den insgesamt 12 Songs der CD fällt es mir schwer, ausgerechnet diesen als besten zu bezeichnen. Doch ist er zumindest mein Favorit. Klasse ist auch das gleich darauf folgende Lied "Little Man", ein gemächlich dahin plätschernder Reggae, bei dem man leicht ins Schaukeln gerät. Ganz anders kommt sie uns mit dem französisch gesungenen Chanson "C'est L'amour". Das Akkordeon, die später einsetzenden Bläser und der hohe Frauenchor sorgen für eine Stimmung, die an fahrende Künstler erinnert. Toby Beard hat mit ihren vorhergehenden Alben und vor allem mit ein paar Liveauftritten besonders in Kanada zahlreiche Fans gewonnen. Vielleicht ist dies ein kleines Dankeschön an die Fans in Quebec. Über "Smile", eine Nummer, die sich zwischen Country und Gipsyswing bewegt, kann ich mich nicht oft genug freuen. Es ist ein Titel, der bei jedem Hören schon deshalb immer schöner wird, weil er eine ansteckende positive Energie besitzt. Toby Beards gereift klingende Stimme, ihr souveränes Gitarrenspiel, die Qualität ihrer weitgehend selbst geschriebenen Songs und die musikalische Begleitung mit Sopransaxophon, Flügelhorn, Banjo und gelegentlichen Streichersequenzen machen "Sleeptalk" zu einem Album, das alles andere als beliebig wirkt. Man sollte diese Sängerin im Auge und vor allem im Ohr behalten. Von Zeit zu Zeit tourt sie auch in Europa, so wie im vergangenen Herbst. Ein paar kleine Videoschnipsel auf You Tube zeigen, dass man sie beim nächsten Mal nicht verpassen sollte.
© Karsten Rube


Shad Weathersby "The Beaten Path"
Rolling Road Music, 2007

www.shadweathersby.net

Shad Weathersby kommt aus New Orleans, sieht aus wie ein pensionierter Professor für theoretische Betriebswirtschaft und macht Musik wie ein erfahrener Rockveteran. Das biedere Cover einer CD, die auch noch "The Beaten Path" heißt, bereitet einen überhaupt nicht auf die Musik vor, die Shad Weathersby dem Hörer um die Ohren prasseln lässt. Der alte Herr singt mit junger Stimme ein paar selbst komponierte rockige Songs in bester Songwritertradition und kann dabei mühelos mit gestandenen Helden, wie Tom Patty oder selbst Bruce Cockburn mithalten. Lieder, wie "Hallows Eve 1903" besitzen dabei eine Qualität, die ein weiteres Mal überrascht. Es ist eine verhaltene Ballade, die begleitet von Oboe und Bouzouki eine deprimierende Stimmung erzeugt. Doch dabei belässt es Shad Wathersby nicht, den er packt mit "Scatter of Love" einen launigen Ohrwurm hinterher, der ihn erneut als ziemlich ausgeschlafenen Rockmusiker ausweist. Als poetischen Liedermacher beweist er sich später im Lied "Chuckie wrote me a Poem" und in "She is a Song" zeigt er sich als Rocker mit romantischer Seele. "Summer Gecko Night", ein leiser Abgesang auf eine glückliche Kindheit beendet das überraschend stimmungsintensive Album von Shad Weathersby, der hier auf gängigen, aber keineswegs ausgetretenen Pfaden wandelt.
© Karsten Rube


André Charbonneau "Flamenco Andalucia"
Sunset France, 2011

www.myspace.com/andrcharbonneau

Der in Cordoba lebende französische Flamencogitarrist André Charbonneau veröffentlichte 2010 mit "Flamenco-Andalucia" sein jüngstes Album. Der nicht übermäßig originelle Titel der CD weist zumindest darauf hin, womit man es hier zu tun hat: mit Flamenco aus Andalusien. Das Cover zeigt ein Paar tanzende Frauenbeine, über deren Knie der Rock wirbelt. So weit so schlicht könnte man denken und ein eher für Spanientouristen interessantes Mitbringsel hinter der CD vermuten, doch so simpel ist es dann doch nicht. André Charbonneau ist ein Flamencogitarrist, dessen Leitbilder Vicente Amigo und Paco Serrano einen eigenen, sehr strengen Flamencostil entwickelt haben. Die neun Kompositionen André Charbonneaus, die auf der CD zu hören sind, orientieren sich deutlich an dieser Schule. Seine virtuose Handhabung der Flamencogitarre, die Klarheit seiner Kompositionen, die deutliche Betonung der Einflüsse maurischer Kultur in der Musik Andalusiens unterstreicht die Strenge seines Solospiels. André Charbonneau verschreibt sich ganz dem akustischen Flamenco, einem traditionell orientierten Stil, ohne den für die Musikrichtung typischen und für Mitteleuropäer häufig schwierig zu verstehenden Gesang. Die CD "Flamenco Andalucia" von André Charbonneau ist Gitarrenvirtuosität auf sehr hohem Niveau. Somit versteckt sich hinter dem schlichten Cover und dem unspektakulären Namen mehr, als das übliche Souvenier des Spanienurlaubers.
© Karsten Rube


Faela! "Camina"
Flowfish, 2011

www.faela.com

Von Musik aus Schweden erwarte ich normalerweise etwas folkig Unterkühltes, Nordic-Folk ebend. Damit kann die in Malmö entstandene Kapelle Faela! überhaupt nicht dienen. Diese Fusionband besteht aus Musikern aus Argentinien, Chile, Schweden und Bosnien. Beim Musizieren kamen sie auf keinen gemeinsamen Nenner. Also verbanden sie alles, was sie an Musikstilen hervorbrachten zu einem Strauß Feldblumen, farbenfroh und voller Gerüche der großen weiten Welt. Mit "Baila nina baila" - einer Textzeile aus dem als Nuevo Flamenco arrangierten Lied "Nina Bonita" - wird ein Mädchen zum Tanzen aufgefordert. Dies scheint als thematische Überschrift über dem Album "Camina" zu schweben, denn die Musik von Faela! ist nichts anderes als eine Tanzfiesta, in der sich Latinmusic mit Balkanbrass verbinden und Flamenco auf Reggae trifft. Das alles kommt, um es noch einmal zu erwähnen aus Schweden. Sprachlich zeigen sich die Musiker dabei genauso vielseitig, wie als Instrumentalisten. Spanisch ist die am häufigstens zu hörende Sprache, was sicher daran liegt, dass die meisten Kompositionen und Texte von Hugo Coronel stammen. Der Frontmann stellt den argentinischen Teil der Band, spielt Gitarre und eine der beiden häufig zu hörenden Posaunen. Ein weiteres Instrument, das im Verlauf der CD die Virtuosität seines Benutzers beweist, ist das Akkordeon. Das wird gespielt von Edin Bahtijaragic. Der bosnische Musiker lässt sich in Schweden in einer Reihe verschiedener musikalischer Projekte aufspüren. Er bedient die ganze Bandbreite von Balkanmusik über Klezmer bis hin zu den Folkrockklängen der Gruppe Tummel, "Camina " tischt einen gut gemischten musikalischen Eintopf auf. "Ryggel" hört sich nach einer entspannten Reggaenummer an, die auch im schwedischen Winter für wohlige Wärme sorgt. Wilde Swingpartytracks wie "Son tus Ojos" oder "Kamel" sorgen für ausgelassene Partystimmung. "Faela" fängt mit dem Olodumtrommelwirbel an, den Paul Simon auf seinem Album "The Rhythm of the Saints" verwendete. Dass der Song, dann völlig anders weitergeht, als in meinem Kopf, irritiert etwas. Trotzdem besitzt "Faela" dieselbe launige Sommerstimmung, wie Paul Simons "The Obvious Child". "Nina Bonita" ist ein angebremster Flamenco, der gerade durch seine Temporeduzierung verzaubert und wie oben erwähnt die Aufforderung in sich trägt zu tanzen. Die darauf folgende Balkan-Cumbia "Outro Eu" sorgt dafür, dass das Tempo wieder hochgefahren wird und die Hörer nicht so schnell zum Sitzen kommen. Die gelungenste Melange der Kulturen ist allerdings die Ballade "Rosa". Hier hört man, dass die Sentimentalität und Sehnsucht des Menschen in Lateinamerika nicht viel anders klingt, als auf dem Balkan oder beim skandinavischen Tango. "Camina" ist ein stimmungvoller Balkan-Latin-Reggae-Partykracher mit einigen verhalteneren Momenten.
© Karsten Rube


Psychic Ills "Mirror Eye"
The Social Registry, 2009

www.psychicills.com

Als Erik Satie 1920 Klänge mit der Bezeichnung "Musik als Möbel" komponierte, begründete er eine Stilform, die man heute mit dem Begriff Ambient bezeichnet. Hierbei muss man die Musik nicht vordergründig anhören, sondern kann sie als Begleiterscheinung des Tagesablaufs betrachten. In besonders anspruchslosen Fällen purzeln diese Kompositionen aus den versteckten Lautsprecherboxen von Fahrstühlen. Ganz so anspruchslos gibt sich die Ambientmusik von Psychic Ills auf ihrem 2009 erschienen Album "Mirror Eye" nicht. Deren Klangteppich schmückt sich mit Ornamenten aus der Weltmusik und aus der Tranceszene. So leiern an mehreren Stellen Shamanengesänge im Hintergrund, simuliert der Synthesizer Digeridous und klingen Gitarrenriffs nach arabischer Harmonielehre. Anderseits tauchen auch Anleihen aus der Trancedanceszene auf, sodass man dieses Album der New Yorker Experimentalmusiker gut als Psychedelic Chill Out bezeichnen kann. Der Hörer muss sich entscheiden, ob er sich unter Kopfhörer ganz den hypnotisierenden Synthesizer- und Gitarrenklängen hingibt und sich in Trance versetzen lässt oder die CD als Geräuschkulisse zur täglichen Arbeit benutzt. Beides ist möglich. Wie erholsam oder anstrengend das jeweils ist, muss jedoch jeder selbst herausfinden.
© Karsten Rube


Two Dollar Bash "New Adventures"
Cannery Row Records, 2011

www.twodollarbash.net

Two Dollar Bash sind schon in vielen Ländern unterwegs gewesen. Wahlweise lebten und arbeiteten die Musiker in Dublin, Prag oder Grenoble, probierten die unterschiedlichsten musikalischen Stilrichtungen aus. Das reichte vom Swing bis hin zum Punk. Zusammengefunden hat sich Two Dollar Bash schließlich in einer Band, die unkonventionellen alternativen Country spielt. Die drei Musiker haben mittlerweile ihr Basislager in Berlin aufgeschlagen. Hier produzierten sie ihre aktuelle CD "New Adventures". Schon der Titel verspricht mehr, als glattgebügeltes Folk- und Countryallerlei. Davon ist das Trio meilenweit entfernt. Zwar hört man in ihren Songs die klaren Linien des Blues, des Bluegrass, der Countrymusik und des Folk, doch gerade soviel, dass man den Pfad erkennt, den sie beschreiten, aber noch besser die Landschaft sieht, durch den er sie führt. "New Adventures" begleitet den Hörer durch weites schlichtes Land. Einfachheit ist die Grundlage ihrer Songs. Hochglanzpolituren, die die Musik zwangsläufig nach Nashville spülen könnte, verweigern sie sich. Da sitzt nicht immer jeder Ton, aber jeder Ton ist authentisch, geradlinig, ehrlich und damit schön. Das fängt mit dem kurzen romantischen Instrumental "Skunk River Valley" an, in dem Banjo und Geige die Akustikgitarre umspielen, wie ein freundlicher Hund die Füße eines Wanderes. Der Titelsong "New Adventures" erinnert ebenso, wie "San Francisco Morning" an die respektlos genuschelten Songs eines Bob Dylan. In der bodenständigen Bluegrassnummer "Blame it on me" sind die Musiker eindeutig on the road. Hierbei handelt es sich um ein schönes treibendes Musikstück, das ich mir ins Autoradio gepackt habe, weil es die gefühlte Geschwindigkeit erhöht. Der akustische Countryfolk auf Two Dollar Bash's neuem Album "New Adventures" beweist einmal mehr, dass es heute keine Rolle mehr spielt, wo man als Musiker sein Lager aufschlägt. Wichtig ist nur, welche musikalische Heimat man im Herzen mit sich trägt. Im Falle von Two Dollar Bash wurde daraus sehr authentische amerikanische Musik.
© Karsten Rube


Claire Holley "Hush"
Olivia's Attic Music, 2008

www.claireholley.com

Die Songwriterin Claire Holley stammt aus Jackson, Mississippi, lebt seit einiger Zeit allerdings in Californien. So erklärt es sich vielleicht, das "Hush", das 2008 als Erstes ihrer Alben in Los Angeles produziert wurde, etwas weniger rockig klingt, als ihre Vorgängeralben, sondern eher entspannt und sonnig. Muss wohl an der Gegend liegen. "Hush" ist ein sehr freundliches Songwriteralbum, das sich auch in den Texten nicht mit den ganz großen Problemen der Welt herumschlägt, sondern lieber mit romantischeren Themen, wie "Wedding Day" oder "Under the Moon". Sehr gut und für das Album untypisch ist die jazzige Nummer "Stars Fell On Alabama". Das ist fast ein bisschen zu originell für den sonst bis an den Rand der Belanglosigkeit geführten Harmonie predigenden Singsang von Clair Holley. Am Ende der CD wünscht sie noch "Good Night" und ein wenig mehr als eine halbe Stunde unaufdringlicher Unterhaltung nähert sich ihrem Ende.
© Karsten Rube


Elliott Brood "Ambassador"
Six Shooter Records, 2005

www.elliottbrood.com

Elliott Brood ist eine rockig ambitionierte Countryband aus Toronto. "Ambassador" ist eine CD der kanadischen Band, die bereits 2005 entstand. Der Titel des Abums bezeichnet eine Brücke, die von Windsor (Ontario) nach Detroit (Michigan) führt. Die alternative Countrymusik von Elliott Brood hatte diesem ersten Album der Gruppe eine Nomination als bestes Roots- and Traditional Album of the Year 2005 der kanadischen Juno-Awards eingebracht. Dass sie dabei gegen eine Produktion der Dukhs verloren, die denselben Titel trug, ist ein ironisches Schulterzucken, das Preisverleihungen so eigen ist. "Ambassador" klingt schmutzig, wild und einigermaßen wütend. Kein Album zum Entspannen. "Ambassador" macht richtig Dampf. Es erscheint wie eine Reise mit einem Zug der Great Lake Railways. Ständig kreisen die hämmernden Beats auf den Hörnerv. Treibend, immer vorwärtstreibend wird jeder Takt, wie das Poltern über die Schienenschwellen betont. Das Banjo unterstreicht dabei die Weite und das Gefühl ewiger Vorwärtsbewegung. „Ambassador“ ist ein anständiges Einstiegsalbum der Band, der inzwischen zwei weitere, wie das den 1. Weltkrieg thematisierende Album "Days Into Years" folgten.
© Karsten Rube


Klezmer Reloaded "Mahler Reloaded"
Extraplatte, 2011

www.klezmer-reloaded.com

Zum 100. Geburtstag Gustav Mahlers im Jahr 2011 gab es zahlreiche Ehrungen und musikalische Projekte, die an den Komponisten erinnern sollten. Mahler, als Sohn jüdischer Eltern in Böhmen geboren, ging später nach Wien, wo er mit seiner Musik den Übergang zwischen Spätromantik und Moderne vorantrieb. Eine gelungene Ehrung Mahlers ist die CD "Mahler reloaded" des Wiener Duos Klezmer Reloaded. Klezmer Reloaded besteht aus dem russischen Akkordeonisten Alexander Shevchenko und seinem polnischen Musikpartner Maeiej Golebiowski an der Klarinette. Seit über zehn Jahren leben und arbeiten die beiden Musiker in Wien. Nachdem sie 2010 bereits Chopin auf ihre eigenwillig wie faszinierende Weise erfolgreich interpretiert haben, ließen sie es sich nicht nehmen, den großen Komponisten Gustav Mahler neu zu beleben. Mahlers Musik umfasst unter vielen anderen Kompositionen auch verschiedenen Liederzyklen, wie die "Lieder eines fahrenden Gesellen". Klezmer Reloaded sehen sich selbst als fahrende Musiker und können sich Mahlers Thematik gut auf die Fahnen schreiben. Doch so sehr Mahler in seine Kompositionen selbst jüdische Elemente einbrachte, Klezmer Reloaded weben Mahlers Lieder noch viel intensiver hinein in die jüdische Kultur. Schnell wird aus einem Hochzeitslied ein Hochzeits-Frejlach. Auch aus "Des Knaben Wunderhorn" verwendet das Duo Lieder, die sie tief in die jüdische Kultur hineintragen. Ihre brillante Arbeit an Akkordeon und Klarinette wird dabei unterstützt von der Sängerin Agnes Palmisano. Wer Mahler bereits verehrte, wird mit dieser CD sicher einige Überraschungen erleben. Für alle anderen ist es eine gelungene Annäherung an den Komponisten Mahler und ganz nebenbei ein zauberhaftes Klezmeralbum.
© Karsten Rube


Di Fidl-Kapelye "Trumpets for Di Fidl-Kapelye"
Frèa Records, 2007

www.fidlkapelye.com

Das niederländische Frauenensemble Di Fidl Kapelye ist kammermusikalisch besetzt. Zwei Geigen, ein Cello, ein Bass. Hinzu kommt das Cibalom, eine Art Zitter, die auch als Hackbrett bezeichnet wird und sowohl in der Musik der Juden eine Rolle spielte, wie auch in der Kultur der Zigeuner. Di Fidl Kapelye konzentriert sich allerdings in erster Linie auf die Musik der osteuropäischen Juden. "Trumpets for Di Fidl-Kapelye ist das bislang einzige Studioalbum des Ensembles. Dieses ist jedoch konzeptionell, wie musikalisch durchdacht und als gereiftes Werk im Studio eingespielt worden. Ihre Instrumentierung entspricht der der ursprünglichen Klezmerkapellen, die sich auf Streicher und Hackbrett beschränkten. Erst später trat die Klarinette hinzu und verdrängte das Cimbalom schon allein aufgrund ihrer Lautstärke. Die fünf Damen spielen keine Klezmermusik, die sich allein auf die Interpretation traditioneller Stücke beschränkt. Einige neuere Kompositionen finden sich auf diesem Klezmeralbum der besonderen Art. "Trumpets for Di Fidl-Kapelye" beinhaltet bereits im Titel ein Instrument, das zum Klezmer nicht von Anfang an dazugehörte. Die Trompete kommt auf der CD auch nur zwei Mal vor. Doch zahlreiche Lieder wurden von Klezmermusikern geschrieben, deren Hauptinstrument die Trompete ist. Gijs Levelt von der Amsterdam Klezmer Band hat zwei Lieder beigesteuert und spielt auch auf dem Album mit. Außerdem hört man zwei Stücke von Frank London, dem Klezmaticstrompeter und Komponisten zahlloser neuerer jüdischer Lieder. Susan Watts, eine jüngere jüdische Trompeterin aus Philadelphia wird ebenfalls von der Amsterdamer Damenkapelle gespielt. Trotz des Namens dominiert auf "Trumpets for Di Fidl-Kapelye" die Standartbesetzung aus Streichern und Zimbal, was den osteuropäischen Charakter der Musik deutlich hervorhebt. Mit "Trumpets for Di Fidl-Kapelye" ist der Fidl- Kapelye ein stimmungsvolles und atmosphärisches Klezmeralbum gelungen.
© Karsten Rube


David Serby "Poor Man's Poem"
Crocked Mile Music, 2011

www.davidserby.com

Ungezwungener kann American Roots Music kaum klingen, als auf dem Countryalbum "Poor Man's Poem" von David Serby. Die meisten Songs hat er in die Zeit des Wilden Westens angesiedelt, wie "Sugar Creek", "Lay down my Colt" oder "Wild West Show". Dazu will seine sanfte Stimme kaum passen, denn bei waschechten Cowboyliedern wünscht man sich doch das sympathisch unverständliche Nuscheln eines Jeff Bridges. Doch nach kurzer Zeit passt die romantisierende Stimmlage von David Serby zur nostalgischen Western- und Countrystimmung dieses angenehm dahin plätschernden Albums. Die Covergestaltung fügt sich in den sentimentalen Erinnerungsdusel hervorragend ein. Ein alter Colt, eine Dampfeisenbahn und jede Menge Plakate in alten Schwarz-Weiß-Lithografien kann man im Booklet betrachten. Musikalisch sind die zehn Kompositionen von David Serby kein großer Wurf, aber alles in allem ist es ein sympathisches Country- und Folkalbum, das vor allem durch seine Einfachheit überzeugt. Unspektakulär, simpel und schön.
© Karsten Rube


Annis Brander "Glas Peoples in the Wood"
Lonely Roads Records, 2011

www.annisbrander.se

Die schwedische Sängerin Annis Brander fühlt sich besonders von den amerikanischen Folk- und Countrylegenden Emmylou Harris, Dolly Parton, Bob Dylan und Johnny Cash inspiriert. Auf ihrem zweiten Album begleitet sie sich selbst zur Gitarre und spielt teils seichte Balladen, wie zum Beispiel "Grace" oder "You broke my heart". Dass sie darüber hinaus mit ganz reizenden Songs zu bezaubern vermag, hört man vor allem dann, wenn sie ihrer Gitarre einen treibenden Rhythmus verordnet und mittels hinzugefügter Instrumente, wie Slidegitarre und Mundharmonika den Geist großer amerikanischer Songwriter beschwört. "Biggest Betrayal in the World" zeugt davon, dass zu den inspirierenden Stimmen sicher auch Joan Baez zählt.
Gelegentlich liebäugelt Annis Brander mit Popmusik. "Burning Sky" und "I love you more than Icecream" sind solch launige Nummern, die zeigen, warum sich die Schweden hin und wieder mit originellen und vor allem handgefertigten Songs in den Hitparaden behaupten können. Die fröhliche Countrynummer "Oh Darling", die wie fast alle anderen Songs auf dem Album aus ihrer eigenen Feder stammt, ist für mich der musikalische Höhepunkt auf einer insgesamt ganz ordentlichen CD mit Americanamusic aus Schweden.
© Karsten Rube


Sean Riley & The Slowriders "It's been a long night"
Edições, 2011

www.seanrileyandtheslowriders.com

Sean Riley ist Portugiese und heißt eigentlich Alfonso Rodrigues. Doch dieser portugiesische Allerweltsname passte ihm nicht, als er seine Band gründete, die sich in bester angloamerikanischer Roots-Rocktradition auf die Bühne stellen sollte. Unter dem Namen Sean Riley & the Slowriders bringt man das besser rüber, glaubte Herr Rodrigues und der Erfolg muss ihm recht geben. Seit 2007 ist das Quartett jetzt unterwegs. "It's been a long night" ist das dritte Album der Band. Mit jingelnder Orgel, satten Gitarren und rockigen Arrangements kommt die CD ordentlich zur Sache. Die Portugiesen erzeugen einen alternativen Country- und Americanasound, als hätten sie ihn erfunden. Ihre Songs besitzen eine Stimmung, wie sie manchmal nach dem letzten Whiskey vor dem Aufbruch über einen kommt - nicht betrunken, sondern voll energischer Melancholie. "Travelling Fast" ist ein Song, der als Blues beginnt und sich dann allmählich zu einer schrulligen, leicht vom Soul getränkten Rockhymne verwandelt. "Cold River", ein treibender Gitarrenrocksong, der immer mal wieder leisere Popelemente einbindet, wirkt wie ein kurzes akustisches Roadmovie."Lost in Time" greift als finaler Song des Albums schließlich auf romantisierende Töne zurück.
Damit endet die CD als schmackhafte Sahnetorte. Mittlerweile haben es Sean Riley & The Slowriders bis in den Rockpalast geschafft. Allerdings versicherte man mir, dass sie sich in kleineren Clubs mit überschaubarem Publikum auch recht wohlfühlen. Sean Riley & The Slowriders ist eine spannende Band, von der man hoffentlich noch etwas mehr hören wird.
© Karsten Rube


Various Artists "Etno Slovenia: Music
Routes - Highways and Byways" [2 CDs]
SIGIC, 2011

Article: Music of Slovenia

Einen abwechslungsreichen Einblick in die Musikszene Sloweniens verschafft uns die umfangreiche Kompilation "Etno - Music Routes - Highways and Byways". Dass die Slowenen ordentliche Popmusik hervorbringen können, hat man ja schon beim Eurovision Song Contest feststellen können. Die Gruppe Arsov bestreitet die Eröffnungsnummer der ersten CD allerdings recht rockig. Nachdem man sich in den folgenden Songs der ersten CD in alternativen Klangexperimenten verliert, bringt Brina Vogelnik einen angenehmen Song mit traditionellem Hintergrund zu Gehör. Schön ist das Arrangement, das mit Streichern, Akkordeon und Flöten nicht spart. Ebenfalls interessant ist das Essaouira Project, das die Melodik des Balkans mit der Nordafrikas vermischt. Auch die Gruppe Terrafolk kann man als Beispiel für die lebendige Folkszene in Slowenien ansehen. Terrafolk spielt sehr temporeichen Neofolk, zitatenreich geschmückt mit Elementen aus Balkanmusik, Gipsyswing und Celtic. Die Aufnahme ist Live eingespielt und lässt die Dynamik erkennen, mit der die Band auf der Bühne agiert. Erwähnenswert erscheint mir das Fake Orchestra. Der Text zur Aufnahme spricht zwar in einem Atemzug von Latinrhythmen, Oriental und Metallica. Das Lied ist eher ein leichter Schlager mit traditioneller Spielerei, klingt aber ganz angenehm. Dass sich die Bossa Nova in jedem Land der Welt wohlfühlt, wo man ein bisschen was auf Melancholie gibt, ist bekannt. Offensichtlich besitzt auch der Slowene einen versteckten Hang zu dieser Gemütsstimmung, sonst würde der Song der Gruppe Bossa de Novo mit dem klangvollen Titel "The Titmouse's Lament", der in Slowenisch gesungen wird, nicht so gut klingen. Die Gruppe Kurkuma wiederum ist inspiriert von der Weltmusik Asiens und versucht sich an Tablas und Gitarre, was zu einem bescheidenen Avantgardexperiment mutiert. Die letzte Nummer der ersten CD stammt von Dirtmusic. Auch diese Band mischt die Stile bunt durcheinander. Hier trifft das Banjo auf das Balafon, was schon an anderer Stelle angenehme Harmonien erzeugte.
Auf der zweiten CD erwischt den Hörer für den ersten Moment die Kleinkunst. Da diese textlastig ist, wird es für den des Slowenischen nicht mächtigen eher problematisch. Die ersten vier Bands sind allesamt Fernsehtäter, haben also ihre Musik mit dramaturgischer Leitlinie geschrieben. Brenci Banda Lied "Ej, mata, ej" klingt wie ein italienischer Folksong aus dem Piemont. Es ist eines der schönsten Lieder der Sammlung. Orlek wiederum ist eine Spaßkapelle, die es mit Banjo, Saxophon und allerhand Pauken und Posaunen ein wenig übertreibt. Dass es auch in Slowenien gut gespielte Dudelsäcke gibt, beweist die Folkgruppe Vruja mit ihrem temperamentvollen Tanz "Ruj, cupinj, zanestra". Ganz anders erscheint Slowenien, wenn man dem Frauengesang von Katice zuhört. Dieser A-Capella Gesang erinnert auf eindringliche Weise an die Voices of Bulgaria. Zum Schunkeln drollig wird es mit Ursula Ramoves und Fantje z Jazbecove Grabe. In deren Lied ist nicht nur die Musik albern. Auch alle Stimmen befinden jenseits dessen, was man außerhalb von Comedieveranstaltungen anbieten sollte. Über traurig schöne Volksweisen kann man sich freuen, wenn man Marko Banda feat. Regina hört. Zwar tummelt sich Regina auch an den hörbar oberen Grenze ihrer gesanglichen Möglichkeiten, überschreitet diese gnädigerweise jedoch nicht. Interessant wird es noch einmal mit der Gruppe Mlada Beltinska Banda, die sich der fröhlichen Musik der Zigeuner in Slowenien angenommen hat. Vlado Kreslin lässt zum Ende der CD einen schunkelnden Schlagerkasper aus der Tüte. Trotz einiger geschmacklicher Abrutscher zeigt "Etno Slovenia", dass in dem recht kleinen Slowenien eine vielfältige und lebendige Musikszene existiert.
© Karsten Rube


James Hill "Man with a love song"
Borealis Records, 2011

www.jameshillmusic.com

Bewaffnet mit mehreren Ukulelen und in Begleitung von Fiddle und Cello macht sich der Kanadier James Hill auf, über die Liebe zu singen. Wie fast alles, was etwas kleiner ist, wird auch die Ukulele zuerst belächelt, bevor sie als Musikinstrument wahrgenommen wird. Doch James Hill nimmt das Instrument ernst genug, um es als hauptsächlichen Begleiter seiner Songs zu verwenden. Und er tut gut daran, denn die Größe des Instrumentes ist nicht ausschlaggebend, wenn es darum geht, emotional ansprechende Lieder zu spielen. Die CD "Man with a love song" steckt voller poetischer und romantischer Songs, die von der virtuosen Leichtigkeit mit der James Hill seine Ukulele benutzt gleichermaßen leben, wie von der cremig zarten Streichfähigkeit des Geigen- und Cellospiels. Hill hat bereits in der Vergangenheit mit der Cellistin Anne Davison zusammengearbeitet. Diese Zusammenarbeit klingt auf dem aktuellen Album sehr harmonisch. Hinzu kommt sein Umgang mit unverkrampfter Gegenwartspoesie. Mal abgesehen vom etwas seltsam anmutenden Sprechgesang in "Soap and Water", in dem er hauptsächlich auf der Ukulele herumtrommelt und wirr faselt, setzt er immer wieder auf sehr melodische Swingelemente. Besonders seine instrumentalen Stücke sind durchzogen von Spielwitz, wie der "Indecision Rag" beweist, der gut in einen Barbershop passen würde. Der titelgebende Track "Man with a love song“ könnte nicht herzzerreißender sein für ein Liebeslied, auch wenn er in diesem Titel, wie auch in den Texten der meisten anderen Songs nicht alles bierernst zu meinen scheint. Gemütliches Schunkeln mit Schubidu im Titel "Voodoo Forever - Aloha" beendet dieses einfach zu genießende Songwriteralbum mit einer leicht schmalzigen Note. So etwas tut neben den zuweilen überambitionierten musikalischen Neuerscheinungen der Gegenwart mal ganz gut.
© Karsten Rube


Concerto Caledonia et al. "Revenge of the Folksingers"
Delphian Records, 2011

English CD Review

www.concal.org

Unter dem Projektnamen Concerto Caledonia veröffentlicht Delphian Records seit einigen Jahren Musik, die der Idee folgen, auf das reiche gemeinsame Erbe der Musik Schottlands und Englands hinzuweisen. Mit "Revenge of the Folksingers" ist nun eine weitere Ausgabe dieses erstaunlichen Spagats zwischen Folk- und Hofmusik gelungen. Gitarrist Alasdair Roberts, Olivia Chaney am Harmonium und Clare Salaman an Drehleier und Nickelharpa sind deutlich tonangebend. Aber auch Flöte, Cello und Harfe haben ihre Einsätze, wann immer die Musik deutlich in die Renaissance zurückgeht. Mairi Campell und Olivia Chaney überzeugen zudem mit wunderbaren Stimmen. Neben Psalmen und Folksongs finden auch neuere Songs Eingang in dieses faszinierende musikalische Projekt. So sei das Lied "Loosing what you find" zu dem Olivia Chaney den Text schrieb, stellvertretend hervorgehoben. Aus der keltischen Mythologie bedienen sich die Musiker immer wieder und stehen damit in der Tradition des Liedguts der britischen Inseln, wo dieses gang und gäbe ist. "A Scots Tune" greift zwei Themen aus dem keltischen Musikfundus auf. Es ist ein sehr schönes Lied, das vom Gesang Mairi Campells getragen und durch die Stimmen der restlichen Mitglieder des Ensembles gestärkt wird. "Revenge of the Folksingers" ist ein komplexes Werk, das sicher nicht nur bei Musikhistorikern Anklang finden sollte.
© Karsten Rube


Amy Antin "Just for the Record"
Meyer Records, 2012

www.amyantin.de

Die amerikanische Songwriterin Amy Antin hat ihre Zelte schon vor Jahren in Köln aufgeschlagen. Malerei, Literatur und Musik sind die drei Eckpfeiler ihres kreativen Tuns. Aufgewachsen ist sie in New York City. In den Zeiten ihrer Kindheit gehörten Jazz und Soul zum alltäglichen Soundtrack eines Tages. So etwas schüttelt man als kreativer Mensch nicht ab, sondern verinnerlicht es. Amy Antin hat nun ein ganz vorzügliches Jazzalbum aufgelegt, eines dieser Kleinode, die Geschichten und Emotionen auf geschmackvolle Weise mit Melodien verweben, die aufs Herz zielen, ohne den Kopf zu ignorieren. Reduziert auf das Wesentliche eines Jazzquartetts, wird ihr sinnlicher Gesang vom amerikanischen Pianisten Steve Klink, Sascha Delbrouck am Bass und Roland Höppner an den Drums begleitet. Schon der Titelsong "Just for the Records" zeigt, dass alle vier Musiker die Gabe besitzen, mit wenigen Mitteln viel auszudrücken. "Blessing in Disguise" ist ebenfalls ein sehr zurückgenommener Jazzsong, der ohne übertriebene Spielerei ganz wunderbar jene besoffene Stimmung wiedergibt, die den aussichtslos Verliebten taumeln lässt. "Frankie's Back" ist ein unaufgeregter Ausdruck einer Freude, die deutlich und präsent ist und ohne euphorisches Gekreisch auskommt.
Schleichend und lauernd wirkt "Lonely Business", wie das jazzige Thema einer Katze in der Nacht. "Vulnerability" ist von ähnlichem Stil. "Postcard" und "Friday Night" wiederum sind Songs, die sich mit Verletzlichkeit beschäftigen, aber auch der Versöhnung eine Chance lassen. Ähnlich wie "I can't lie" sind diese Songs wesentlich melancholischer als die vorangegangenen Kompositionen. Mit "Love" und "Safe and Sound" endet das Album zart und versöhnlich. Es zieht sich das Gefühl durch das ganze Album, in einer lauen, wenn auch verregneten Nacht allein, aber nicht einsam aus einem Fenster zu schauen und die Lichter der Stadt im Fluss funkeln zu sehen. Lichter die Geschichten erzählen. "Just for the Record" ist geistreich komprimierte Poesie.
© Karsten Rube


Corvus Corax "Sverker"
Beßmokum Records, 2011

www.corvuscorax.de

Die fahrenden Spielleute, die übers Jahr von Mittelaltermarkt zu Mittelaltermarkt ziehen, leben bewusst in einer vergangenen Zeit. Entbehrungen auf der einen Seite ermöglichen Freiheiten auf der anderen. Doch ähnlich der mittelalterlichen Standespyramide verehren die fahrenden Bänkelsänger und Volksbelustiger die Edlen unter ihres Gleichen. Als "Könige der Spielleute" verehrt werden seit Jahren die Musiker von Corvus Corax. Sie sind Wegbereiter und Visionäre einer archaischen Musik, die das Mittelalter mit der Gegenwart verbindet. Der Einfluss kraftstrotzender Energie der Metalszene ist dabei von ebenso großer Bedeutung, wie die närrische Verspieltheit des mittelalterlichen Markttreibens. Corvus Corax aber beschränkt sich nicht auf das begrenzte Weltbild einer Zeit, die zwar anstrengende langsame Reisen von Ort zu Ort kannte, aber nicht derart von Mobilität profitieren konnte, wie die Gegenwart. Während es im Mittelalter Jahre bis Jahrzehnte dauerte, bis fremde Kulturen den regional gefesselten Geist der Menschen vergrößerten (häufig begleiteten Schwerter diese kleinen kulturellen Umbrüche) so kann man sich heute mit viel friedlicheren Mitteln von anderen Kulturen beflügeln lassen. Corvus Corax nutzt diese Gelegenheit auf ihrem neuesten Album "Sverker" auf eindrückliche Weise. Ihr Blick schweift nach Norden. "Sverker", das ist der Name eines schwedischen Königs, der wie so viele Könige seine Krone Zeit Lebens mit dem Schwert gegen seine Widersacher verteidigen musste. Sverker der Zweite verlor sie und kam beim Versuch sie wieder zu erlangen in einer Schlacht um. Das titelgebende Stück des Corvus Corax Albums handelt von dem Versuch des Königs einen Waffenstillstand zu erwirken und mahnt, Frieden zu halten, um sinnloses Leid zu vermeiden. Sich mit der Mystik Skandinaviens zu beschäftigen, zwingt einen dazu, sich den alten Geschichten und Heldengesängen zu widmen. So kommen auch Corvus Corax nicht umhin, sich der Edda und der Legende von Ragnarök zu widmen. „Ragnarök“ ist der imposanteste Titel der CD. Diese Endzeitvision nimmt mit großen Schritten Anlauf aus dem Mittelalter und landet direkt in der Gegenwart. Musikalisch fasziniert dieses Stück durch seinen martialischen, beschwörenden und schließlich hetzenden Rhythmus. Die Drehleiern qualmen und die Perkussion hämmert den Hörer zwingend in Bewegung.
Das Stück ist wie geschaffen, das angeblich letzte Jahr des Planeten vor dem Weltuntergang musikalisch zu begleiten. Man kann förmlich sehen, wie sich die Gottheiten der Mayas, und der nordischen Götterwelt mit Blick auf die ewig gerüchteempfindliche Menschheit vor Lachen auf die hochheiligen Schenkel klopfen. "Sverker" beschränkt sich nicht allein auf den hohen Norden, sondern besucht gleich noch die keltischen Brüder und Schwestern. "Fiach Dubh" leitet einen kurzen Zyklus fröhlicher Tanz- und Sauflieder ein, die auf akute Lebensfreude schließen lassen. "Lebet Jetze und in Fröhlichkeit" hörte ich mal auf einem Markte einen Spielmann skandieren. Ein Motto, das in "Fiach Dubh" noch vom Corvus Corax selbst, dem Rabenvogel untermalt wird, welcher fröhlich sein Lied von einem Grabstein zu krächzen scheint. Ein kurzes humpenschwingendes Sauflied wird gleich im Anschluss daran testosterongesättigt gebrummt. "The Drinking loving Dancers", ebenfalls aus dem Gälischen stammend, folgt darauf. Auch dies Lied passt gut in die späten Abendstunden eines Mittelaltermarktes - also in die Zeit, wenn die Tore für den angereisten Nachmittagsschaulustigen bereits geschlossen sind. Im gälischen Lied „Lá í mbealtaine" lässt sich der Eindruck nicht unterdrücken, dass dort Elemente aus der indischen Musik Einfluss gehabt haben. Deutlich bewegter geht es mit dem aus Dänemark stammende Lied "Havfruh" aus dem 14. Jahrhundert weiter, bevor "Baldr" mit allerlei Gedudel, Geleier und Getrommel den Boden musikalisch für den bereits beschriebenen Weltuntergangssoundtrack "Ragnarök" bereitet und damit den eigentlichen Höhepunkt dieser mitreißenden CD einleitet.
Beendet wird "Sverker" mit einem alten Stück aus Irland, das sanft und rücksichtsvoll den Kater nach der überstandenen Weltuntergangsparty steichelt. Der Sänger Castus hat sich im Laufe der Vorbereitungen für diese CD recht massiv mit den nordischen Sprachen beschäftigt. Das gibt der ohnehin dichten Atmosphäre, die die Musiker von Corvus Corax mit ihren zum Teil selbst entwickelten Instrumenten von jeher beschwören, noch einen zusätzlichen Schub an Ahnengeistern aus der mystischen Nebelmaschine. Mit dem Album "Sverker" beweisen Corvus Corax einmal mehr, warum sie die "Könige der Spielleute " genannt werden.
© Karsten Rube


Various Artists "Legends of Fado"
ARC Music, 2011

Fünfzehn beinahe schon als historisch zu betrachtende Aufnahmen von Künstlern des portugiesischen Fados hat das ARC-Music-Label aufgelegt. Der Sampler unterscheidet zwischen dem Fado Lisboa, zu dem die unvergleichliche Amalia Rodrigues zu zählen ist und dem Fado da Coimbra, der fast ausschließlich von Männern interpretiert wird und im Gegensatz zum dem Herz verpflichteten Fado Lisboa als einigermaßen intellektuell bezeichnet wird. Letztlich besingt auch der Fado Coimbra die Saudade, die Sehnsucht und den Schmerz und ist nicht unbedingt intellektueller, nur weil Coimbra eine Universitätsstadt ist und sich heute vor allem Studenten mit dem Vortrag von Fados einen kleinen Nebenverdienst sichern. Zurück zur Platte. Neben Amalia Rodrigues, die auf Fadosamplern nicht fehlen darf, befinden sich ein paar sehr kuriose Feldaufnahmen auf der CD, wie die von Maria Teresa de Noronha. Sie gilt unter Kennern als die Sängerin mit der schönsten Stimme des Fado. Noronha gehört zur alten Aristokratie der iberischen Halbinsel und konnte bereits als Kind in ihren Kreisen einige Achtungserfolge erzielen. Von ca. 1940 bis 1970 währte ihre Gesangkarriere. Aus der Spätzeit ihrer aktiven Karriere stammt die Aufnahme "Fado de Castanheiro", die nicht nur die wunderschöne Stimme der Noronha wiedergibt, sondern mit dem Rauschen und Ritschen der Schallplattennadel auch ein schönes Zeugnis früherer Aufnahmetechniken ist. Lucilla da Carmo ist ebenfalls zu hören. Einige Jahre lebte die Sängerin in Brasilien, was ihrem Interpretationsstil gegenüber den Traditionalisten unter den Fadistas etwas mehr Lebendigkeit verlieh. Ihr Sohn Carlos da Carmo wurde später zu einem der bekanntesten Fadokünstler Portugals. Den wohl reinsten Fado Lissabons hört man in der Mouraria. Dieser Stadtteil, der seinen Namen von den dort seit dem 12. Jahrhundert siedelnden Mauren herleitet, ist die Heimat von Mariza, der heute wohl bedeutendsten Fadosängerin Portugals. Auf dem Sampler ist jedoch Fernando Mauricio zu hören, der eher zu den einfachen Sängern gehörte und hauptsächlich in Cafés und bei Volksfesten auftrat. Auch das "Schätzchen vom Bairro Alto" Fernanda Peres ist mit einer Aufnahme vertreten. Sie interpretiert den klassischen Fado Lisboa, brachte es aber in den fünfziger und sechziger Jahren fertig, ausgedehnte Tourneen durch die ehemaligen portugiesischen Kolonien Afrikas zu bestreiten. Das Bairro Alto ist heute noch eine Hochburg des Fado, allerdings schielt der Stadtteil deutlich auf den Tourismus. Die Callas des Fado ist Herminia Silva. Ihre Karriere wurde lediglich von der Amalia Rodrigues überragt. Opern, Filme, Shows und eine ausgiebige Beobachtung ihres Lebens in den Zeitschriften des Landes machten den Großteil ihres Lebens aus. Was heute nach erbarmungsloser Paparazzijagd aussehen würde, hatte damals und besonders in ihrem Fall eher etwas von respektvoller Hofberichterstattung. Alle liebten sie und Silvia Herminia liebte ihr Lissabon. Diese wunderbare Feldaufnahme aus der Mitte des letzten Jahrhunderts lässt ihre einzigartige Stimme wieder auferstehen. Das Ende dieses interessanten Blickes in die Vergangenheit des Fado macht wieder die Rodrigues. Doch diesmal nicht Amalia, sondern deren Schwester Celeste. Sie hat Amalia häufig auf deren Tourneen begleitet. Die 1923 geborene jüngere Schwester der Ikone des Fados tritt noch heute zuweilen in größeren Konzertsälen auf. Im Januar 2012 machte sie zusammen mit weiteren Fadokünstlern Station in der Carnegie Hall. Für Freunde dieses sehr speziellen portugiesischen Musikstils ist die CD "Legends of Fado" eine kleine Schatztruhe.
© Karsten Rube


Acetre "Arquitecturas Rayanas"
Karonte, 2011

www.acetre.com

Die Estremadura gehört nicht zu den bekanntesten Regionen Spaniens. Fernab von touristisch vermarktbaren In-Locations ist diese Region an der Grenze zu Portugal ein ziemlich armer Distrikt. Doch die Estremadura ist trotz einiger karger Landstriche ein kulturell sehr bewegliches Land. Der Austausch zum Nachbarn Portugal gestaltet sich so rege, dass der Dialekt der Einwohner von der weichen Klangfarbe des Portugiesischen durchzogen ist. Das ist gut zu hören auf der CD "Arquitecturas Rayanas" der Gruppe Acetre. Seit knapp 30 Jahren musiziert die Kapelle bereits und gilt als kulturelles Aushängeschild der Estremadura. Ihre aktuelle CD klingt nach freundlichem, von traditioneller spanischer und portugiesischer Musik geprägtem Neofolk. Die Gesänge der Frauen von Acetre erinnern ein wenig an die in Spanien wesentlich bekannteren Pandereiteras Galiziens. Ebenso ist der deutliche Einfluss Portugals mit einem Fado zu spüren. Thematisch widmet sich die CD der Architektur. Manchmal klingt die Musik höfisch bis barock, andere Lieder sind für Landhaus und Bauernhof gemacht. Es besitzt wohl jede Architektur auch eine Klangfarbe und Schoppenhauers Satz von der Architektur als gefrorener Musik findet hier seine Entsprechung. Besser wäre jedoch die Formulierung "Architektur ist aus Stein erschaffene Musik". Die Lieder von Acetre gehören zu den eigenwillig schönen Bauwerken.
© Karsten Rube


La Chiva Gantiva "Pelao"
Crammed, 2011

www.lachivagantiva.com

La Chiva Gantiva kommen ursprünglich aus Kolumbien, sind aber im Laufe ihres Tourlebens in Brüssel hängen geblieben. Dort mischte sich das ursprünglich lateinamerikanische Ensemble mit Belgiern; Franzosen und einem Vietnamesen. "Pelao" heißt das Debütalbum, das diese bisher ausschließlich als Liveband agierende Truppe 2011 veröffentlichte. Der Stil ist wild und kaum zu bändigen. Die Afrorhythmen eines Fela Kuti treffen dabei auf Latinbeats und Jazz. Zwischen drin wird das Album ziemlich funky. Die Musik von La Chiva Gantiva klingt nach Musikern, die gut abgestimmt aufeinander reagieren, was nach sieben Jahren Liveauftritten nicht wirklich verwundern muss. La Chiva Gantivas Sound ist eine explosive Mischung aus dem Besten, was zwischen Bogota, Brazzaville und Brüssel tanzbar ist.
© Karsten Rube


Stella & Ma Piroschka "Nakhtike Muzik"
magenta-music, 2011

www.ma-piroschka.de

Die Gedichte der jüdischen Lyrikerin Rajzel Zychlinski sind geprägt vom Leben im Stedl, den Erfahrungen von Flucht und Verfolgung und ihrem Leben in der Neuen Welt. Dieses in Gedichten aufgezeichnete Leben musikalisch umzusetzen erfordert viel Fingerspitzengefühl. Stella & Ma Piroschka haben sich an die Lyrik der Zychlinski herangewagt und unter dem Titel "Nakhtike Muzik" ein feinsinniges Werk zustande gebracht. Klezmer paart sich auf dieser CD mit Jazz. Eine eigenwillige, wie angenehme Mischung, die durch die Alt-Stimme der Sängerin Stella Jürgensen noch aufgewertet wird. "Nakhtike Muzik" - nächtliche Musik, erzählt von Tanzveranstaltungen mit Männermangel, vom Abschied des Sommers, von der Sehnsucht. Stella & Ma Piroschka bauen dabei eine Stimmung auf, die schwer und gemütlich ist, wie dunkler Samt. Selten war Klezmer so bezaubernd.
© Karsten Rube


Mi Solar "Havana - Berlin"
Universal, 2011

www.misolar.de

Hört man sich durch die Berliner Musikszene, bekommt man leicht den Eindruck, in der Stadt würden an allen größeren Straßen Palmen wachsen. Reggae, Brasil und Latin spielt man in den Clubs und den Szenelokalen genauso häufig, wie in den sommerlichen Strandbars an Spree, Dahme und Havel. Vielleicht ist Havanna ja auch nur einen Katzensprung entfernt. Mi Solar scheint die Straßen von Berlin jedenfalls genauso anregend zu finden wie die Hinterhöfe von Havanna. "Havana - Berlin" heißt folgerichtig auch das aktuelle Album der Berliner Latinband und es ist ein Album, das keinen Zweifel daran lässt, dass schlechtes Wetter nur eine sehr faule Ausrede für schlechte Laune ist. Auf "Havana Berlin" lebt das sommerliche Tanzgefühl auf, selbst, wenn der Winter noch eisig braust. Versuchen Sie doch mal Mi Solar unter Kopfhörern zu hören und dabei mit einem Glühwein die Schlittschuhläufer auf dem vereisten Lietzen- oder Müggelsee zu betrachten. Das mag etwas Surreales haben, aber auch etwas ungemein Heizendes. Nun, die Berliner Band Mi Solar tritt natürlich lieber bei strahlendem Sonnenschein auf Straßenbühnen auf. Das passt besser. Die Salsaparty, die sie auf ihrer CD "Havana Berlin" abfeuern, kann live nur eine schweißtreibende Angelegenheit sein, denn wer dabei stillstehen bleibt, ist entweder taub oder ein vergnazter Musikkritiker. Die Songs von Mi Solar erscheinen immer ein bisschen so, als kenne und liebe man sie schon lange, selbst wenn man sie zum ersten Mal hört. Mi Solar sind zitatenfreudige und dabei verspielte Variationskünstler. Man möchte sie beinahe als Reinkarnationsband von Celia Cruz und Tito Puente bezeichnen. Besonders die starke Stimme von Mayelis Guyat erinnert an die besten Zeiten der Cruz. Die Klaviersolos, die Percussions und die kräftigen Töne der Bläser erschienen mir beim letzten Tito Puente Konzert, das ich gesehen habe, wesentlich lascher, als bei Mi Solar. Wem also im Winter die Heizung kaputt geht, sollte sich Mi Solar anhören. Dann kann ihm kaum noch was passieren. Alle anderen freuen sich schon mal auf die kubanischen Nächte des kommenden Sommers.
© Karsten Rube



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