Das international besetzte Ensemble Halva um den belgischen Violinisten Nicolaas Cottenie ist in seinen Kompositionen den vielfältigen Verbindungen zwischen traditioneller jiddischer Musik und der Musik Südosteuropas auf der Spur.
Auf dem neuen Album „Dinner In Sofia”, das am 18.06.2021 veröffentlicht wird, stehen dabei vor allem musikalische Inspirationen aus Griechenland, der Türkei, Bulgarien, Rumänien sowie der westeuropäischen Klassik im Mittelpunkt. Neben Cottenies lebenslangen Leidenschaft für die Musik, floss auch langjährige Forschung in das Album mit ein, darunter ein zweijähriges Forschungsprojekt an der Musikhochschule Antwerpen.
Das Ergebnis ist eine energiegeladene, freudenstrahlende und lebendige Musik, die oft zum Tanzen einlädt, aber hin und wieder auch einen ernsteren, in sich gekehrten Ton anschlägt. Sechs Monate arbeitete Cottenie an den Kompositionen, fünf Tage dauerten die Proben mit dem Ensemble und sechs Tage die Aufnahmen in den Number Nine Studios im belgischen Gent. Die Produktion übernahmen Nicolaas Cottenie, Toningenieur Sebastian Omerson und Perkussionist Robbe Kieckens. Es entstand ein für Balkan- oder jiddische Bands eher untypischer Sound, der eher dem eines klassischen Ensembles oder einer akustischen Jazzband entspricht.
Der traditionelle Klang der Violinen (Nicolaas Cottenie & Alina Bauer), Klarinette (Anja Günther), Flöten und Kaval (Marine Goldwaser) erinnert an die poetische Schönheit der prämodernen Welt und an eine Zeit, in der die einzigen repetitiven Klänge Trance-induzierende Rhythmen umherreisender Tanzorchester waren. Getragen werden die Melodien durch eine mitreißende Rhythmusgruppe aus Akkordeon (Ira Shiran), Cello (Eline Duerinck) und Perkussion (Robbe Kieckens).
Wo Halvas erstes Album „The Sweetest Klezmer Orchestra”, erschienen 2019 bei Galileo Music Communication, noch relativ nah am traditionellen Klang jiddischer Musik blieb, sucht Nicolaas Cottenie auf „Dinner In Sofia” den Ort, wo jüdische, bulgarische, rumänische, griechische und nahöstliche Musik zusammentreffen. Dort zwinkert der griechische Syrtos dem arabischen Maqam zu, ukrainischer Kolomeyke und jüdischer Bulgar der rumänischen Musik, ein 7/-8-Takt löst einen 9/8-Takt ab, Trance-Elemente folgen auf feurig-halsbrecherische Tänze.
Wer nach dem letzten Stück noch ein wenig verweilt, wird im Hidden Track „The Budapest Bulgar“ mit einer zwar neuen Komposition empfangen, die aber durch das wohlige Knistern einer abgespielten alten Langspielplatte verfremdet wird. So klingt das Album jazzig aus.
Nicolaas Cottenie ausdrucksstarke Kompositionen, gespielt mit großer Virtuosität und Leidenschaft, ergänzen sich zu einem facettenreichen und packenden Album mit vielen überraschenden Drehungen und Wendungen. Momente ekstatischer Energie kontrastieren mit subtiler Manipulation der Klangfarben in Momenten von Introversion und Reflexion.
Willkommen in einer Welt aus wirbelnder Virtuosität, hypnotisierender Schönheit, betäubender Traurigkeit, unbeschwertem Humor und betörender Trance – willkommen in der Welt von Halva.
Das Ensemble:
Der 1983 in Gent geborene, aber aktuell mit seiner Familie in Leipzig lebende Violinist Nicolaas Cottenie begann im Alter von fünf Jahren mit dem Geigenspiel. Nach seinem Studium in unterschiedlichen Disziplinen, ist er als Musiker und als Musikethnologe tätig. Eines seiner Gebiete ist die jiddische, sowie griechische und rumänische Musik und ihre Schnittpunkte. Seine vielfältigen Projekte umfassen Musik, Film, Tanz, Musiktheater, Stummfilmbegleitung und mehr, und er hat dafür viele Preise gewonnen.
Die gebürtige Darmstädterin Alina Bauer begann im Kindesalter Geige zu spielen und studierte später am Conservatoire Royal in Brüssel Jazz-Geige. Durch die Band Bakad Kapelye kam sie zum Klezmer. Ihre wichtigsten Klezmerprojekte sind Halva, das Duo Azind und ihre Mitarbeit beim Klezmerorchester Erfurt.
Am Cello ist Eline Duerinck zu hören, die in Genres von Klassik über Jazz bis Weltmusik zuhause ist und in vielen unterschiedlichen Projekten vom European Philharmonic Orchestra bis zum Trio Warped Time Ensemble mitarbeitet.
Anja Günther zählt zu den wichtigsten jungen Klarinettist*innen der deutschen Klezmer-Szene. Mit der Band Sher on a Shier sowie dem Klezmerorchester Erfurt widmete sie sich viele Jahre dem Klang der alten Klezmerkapellen und produzierte zwei Alben beim Label Raumer Records.
Robbe Kieckens wuchs in Ruanda auf, wo er seine Liebe zur Perkussion entwickelte. Er hat keine formelle Musikausbildung, aber bei vielen Meistern aus unterschiedlichen Genres studiert. Aktuell ist er Mitglied beim Lâmekân Ensemble, dem Soolmaan Quartet, dem Tristan Driessens-Robbe Kieckens Duo, der Lara Rosseel Band und HiM.
Der israelische Akkordeonist Ira Shiran begann mit acht Jahren sein Instrument zu spielen und studierte später Musik in Jerusalem. Sein Schwerpunkt als Akkordeonist ist die Musik des Balkans und der Sinti und Roma, die er in Workshops vor Ort erlernte. Er hat als Solist und Orchestermitglied in mehreren Sinfonieorchestern in Israel gespielt und lebt seit Oktober 2016 in Berlin.
Marine Goldwaser ist durch das jiddische Theater ihrer Familie stark geprägt worden. Sie spielt unterschiedliche Flöten von der Blockflöte über rumänische Flöten, die Klarinette und Kaval. Ihr Interesse gilt der traditionellen Musik Rumäniens, die sie auf Reisen erforscht hat und in ihrem Trio Le Petit Mish-Mash zum Klingen bringt.
Der Name „Halva“ des Ensembles entstand über eine weitere Leidenschaft neben der Musik, die die unterschiedlichen Kulturen Osteuropas miteinander verbindet: das gute Essen, wie Nicolaas Cottenie ausführt: das Ensemble „hat etwas Leckeres gesucht, eine Speise aus dem südöstlichen Raum, die die Menschen aus den diversen kulturellen Hintergründen über viele Jahrhunderte glücklich gemacht hat. Und so wurde es: Halva“.
Scorebook:
Neben der Musik auf CD und digital erscheinen mit dem Halva Scorebook außerdem die Noten der dreiundzwanzig Kompositionen aus den beiden Alben „The Sweetest Klezmer Orchestra” und „Dinner In Sofia”. Das Album enthält die Noten für C-Instrumente. B-, Es- und Bassschlüsselnoten können über einen individuellen Download-Code als pdf-Dokumente heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Photo Credits:
(1ff) Nicolaas Cottenie /
Halva (unknown/website).