Mit 47 Jahren ist das Irish Folk Festival (IFF) Europas älteste Tournee mit jährlicher Kontinuität. Wie schafft man es, so viele musikalische Trends und wirtschaftliche Aufs und Abs zu überdauern?
„Überdauern“ ist eigentlich das falsche Wort, weil das IFF gerade wieder an Popularität gewinnt. Und das trotz eines negativen Medienumfelds. So haben z.B. Radios und TV-Sender mit hohen Einschaltquoten alle Arten von Weltmusik verbannt. Trotzdem finden die Menschen ihren Weg zum IFF. Die Fans haben verblüffende Ähnlichkeit mit Zugvögeln, die über größte Entfernungen immer wieder an den Ort zurückfinden, an dem sie flügge geworden sind. Was macht diese starke Bindung zwischen Fans und IFF aus?
Es lässt sich auf einen ganz einfachen Satz bringen: Come as a visitor – leave as a friend. Diese Philosophie steht hinter der Metamorphose, die den Käufer einer Konzertkarte zum Freund werden lässt. Das IFF ist mehr als nur ein Konzert. Es ist eine Community. Die Besucher kommen nicht nur, weil sie spannende Musik hören werden. Sie kommen, weil sie an den Festivalabenden auch Gleichgesinnte treffen, mit denen sie sich austauschen können.
Durch das Festival sind viele Freundschaften entstanden. Zwischen Musikern und Fans, Musikern und Musikern (viele tolle CDs sind der Beweis dafür), den Machern des Festivals und den Fans, aber auch zwischen Fans und Fans. Man wird ein Teil einer ganz feinen Community und sieht sich nicht nur einmal im Jahr beim Festival, sondern auch über das Jahr. In einer Welt, die leider immer mehr in fragwürdige Social Media abwandert und in der Freundschaften virtuell gepflegt werden, machen wir es beim IFF immer noch persönlich. Das ist ein Teil unserer Lebensqualität.
Mit „Come as a visitor – leave as a friend“ ist aber auch das Gefühl im Herzen sehr gut beschrieben, mit dem man als Tourist die grüne Insel verlässt.
Billow Wood - Neo Folk from the West of Ireland
„Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es aus ihm heraus“, ist ein gutes altes Sprichwort. Sprichworte sind immer gut, um über unsere Welt reflektieren zu können. Versuchen wir es damit in Bezug auf die Musik der jungen irischen Neo-Folk Band BILLOW WOOD.
Die irische Tradition kann man sehr gut mit einem über Jahrhunderte gewachsenem Wald vergleichen. Sie hat tiefe Wurzeln und ruht in sich. Dank jungen Bands wie BILLOW WOOD tritt sie aber nicht auf der Stelle, sondern wächst in alle Richtungen. So bleibt sie frisch, lebendig und für die Zuhörer interessant.
BILLOW WOOD lieben nicht nur die Tradition, sondern auch die Innovation. Sie schreiben den überwiegenden Teil Ihrer Songs selbst, aber sie interpretieren diese auf traditionellen Instrumenten wie Harfe, Fiddle, Tin Whistle, Bodhrán, Akkordeon. Aber auch Schlagzeug und Gitarre. So haben neue musikalische Ideen trotzdem eine Anbindung an den Sound, den man vom Irish Folk her kennt.
Aber auch die Inhalte der Lieder sind am Irland von heute orientiert und an dem, was junge Iren aktuell umtreibt. Eine reine traditionelle Irish Folk Band wird leider Dank unseren verkrusteten Medienlandschaft nie einen Hit haben, aber Singer/Songwriter vom Kaliber wie BILLOW WOOD können es schaffen.
Brid, Ciara, Mark O’Donnell, Harry Lawler und Andy Dempsey kommen alle aus der nord-westlichen Grafschaft Mayo. Sie sind nicht nur virtuose Musiker/-innen, sondern harmonieren auch wunderbar mit ihrem Gesang. Selten hat man eine so schöne und geschmeidige Mehrstimmigkeit gehört. Die einzelnen Stimmen haben ein so großes Charisma und Timbre, dass jeder von ihnen auch der Frontmann oder die Frontfrau einer Top-Band sein könnte. Gemeinsam ist ihnen der Spaß an der Sache und der Schalk im Nacken. BILLOW WOOD Auftritte sind eine sehr ausgelassene und witzige Angelegenheit. Sie haben nicht nur eine überragende Bühnenpräsenz, sondern können auch die guten alten Jigs & Reels locker aus dem Ärmel schütteln und die Fans zum Mitklatschen bringen.
Aus „BILLOW WOOD“ schallt es eindeutig nach „BILLOW WOOD“. Diese Songs, Arrangements und Stimmen sind einmalig. Sie haben einen teils poppigen, teils Indie-mäßigen Unterton. Durch die traditionellen Instrumente sind sie am besten als „Neo Folk from the West of Ireland“ zu fassen.
Benedict Morris & Cormac Crummey - High voltage tradition
Dieses Duo steht unter Strom. Das fühlt man von der ersten Note an. Einmal ist es der exquisite Ton, den beide Cracks aus ihren Instrumenten heraus kitzeln. Die Fiddle von Benedict Morris hat eher einen Schmelz, wie ihn nur die Stars der Klassikszene erstrahlen lassen. Gepaart mit der ungestümen Energie der Folkmusik entsteht ein ganz besonderer Aha-Effekt. Cormac Crummey an der Gitarre treibt Bene mit allerlei groovigen Riffs nach vorne. Wenn Bene sich so richtig in Rage spielt, dann fängt er ihn sanft auf. Cormac hat von Jazz, Funk, Rock oder irischer Tradition Pur das ganz breite Spektrum an Harmonien und Rhythmen drauf, um immer für eine Überraschung zu sorgen.
Das Duo hat schon eine ganze Begleitband um sich geschart. Aber wir vom IFF wollen nicht gleich alle Karten auf den Tisch legen und holen sie erst einmal unplugged. Das letzte Jahr war für die jungen Himmelstürmer sehr aufregend. Zunächst gewann Bene das Finale des „BBC Scotland‘s Young Traditional Music of the year“ Wettbewerbs. Dann wurden sie beim All Ireland Fleadh vom irischen Fernsehen 20 Minuten live gesendet und spielten bei den Belfastern „Proms in the Park“ mit dem Scottish BBC Symphony Orchestra. Man arrangierte aus diesem Anlass gleich ein halbes Dutzend Kompositionen der beiden für ein Orchester. Die Debüt CD der beiden heißt „Wavelength“ und ist von Anfang bis Ende „high voltage tradition“.
Aoife Scott & Andrew Meaney - Award winning duo
Die junge Frau kommt aus der irischen Folk Dynastie der Black Family. Ihre Tante ist Mary Black und ihre Mutter Francis Black. Lieder gehörten zum Alltag der Familie. Aber auch das Gespür, welche Rolle einem Folksänger oder einer Folksängerin in der Gesellschaft zufällt und welche Aufgaben daraus erwachsen, wurde gepflegt.
Begleitet wird sie von Andrew Meaney an der Gitarre. Dieser Name sollten den Besuchern des IFF doch irgendwie bekannt vorkommen…. Ah ja! Er hat mit FullSet 2014 die Hallen tierisch gerockt.
Aoife (gesprochen: Ifa) und Andy verstehen sich als die Stimme des einfachen Volkes. Es geht ihnen um soziale Gerechtigkeit. Sie wissen, wie viel die Bevölkerung in der Bankenkrise auszustehen hatte und wie sie jetzt durch den Brexit leidet. Das Duo gehört zu den wenigen Künstlern, die thematisieren welche Eliten und Hedgefonds dafür Verantwortung tragen. In Irland werden sie immer öfter als „ keen voices of social justice“ bezeichnet.
Aoife wurde in den letzten Jahren immer wieder ausgezeichnet. So hat sie z.B. die „Irish Post“ als „Folk Act of the Year“ gekürt. Irlands wichtigste TV Show – die „Late Late“ hat sie als Stargast begrüßt und im irischen Rundfunk gehört ihr Hit „All along the wild Atlantic way“ zu einem der meist gesendeten Stücke. Zum IFF bringt das Duo ein neues Album mit und das ist gespickt mit prominenten Gästen.
The Armagh Rhymers - Mysterious masks, myths and music
Kaum zu glauben, aber es gibt immer noch kleine Nischen innerhalb der irischen Volksmusik, die bisher noch nicht entdeckt worden sind. Mumming ist eine davon. Mumming ist eine Art Volkstheater. Die Darsteller tragen aus Weidezweigen kunstvoll gefertigte Masken. Die überdimensionalen Masken sind Tierköpfe wie Pferd, Schwein, Rind oder Ziege und lassen ihre Träger wie Riesen erscheinen. Dazu ziehen sich die Darsteller, die Mummers genannt werden, Kostüme aus Lumpen an. Ein Mummer ist wegen seiner Größe eine imposante, ja sogar Furcht einflößende Erscheinung. Er erinnert an die Hexen wie man sie aus der alemannischen Fastnacht kennt.
Die Mummers vollführen einen Riesen-Hokuspokus, der den Anwesenden unter die Haut geht. Sie setzen einen Scat-ähnlichen Sprechgesang ein, lärmen mit Rasseln, bimmeln mit Schellen und spielen auf ihren Instrumenten. Es gibt aber auch mystische und spirituelle Elemente, die auf über zweitausend Jahre alte Bräuche zurückgehen. Da wirken die Mummers wie keltische Schamanen und Voodoo-Priester. Der irische Kalender bietet einige Anlässe, an denen Mummers in Aktion treten und spezielle Lieder und Rituale zum Besten geben. Dabei ziehen sie von Haus zu Haus und führen diese in Küchen und Wohnzimmern auf.
Leider ist diese Tradition nur noch in ein paar ländlichen Gebieten lebendig. Eine echte Mumming-Nische ist die Grafschaft Armagh. In ganz Irland gibt es nur eine professionelle Gruppe und das sind die Armagh Rhymers. Sie sind mit über 40 Jahren die dienstälteste Theatergruppe Nordirlands und haben mit ihrer Kunst Brücken zwischen den sich argwöhnenden Konfessionen und sozialen Lagern geschlagen. Das IFF freut sich außerordentlich, diese Rarität endlich auf Tour zu bringen. Vor genau fünf Jahren waren sie schon mal als Trio da und weil es so viel versprechend war, kommen sie jetzt als Quintett.
Photo Credits:
(1) Armagh Rhymers,
(2) Billow Wood,
(3) Petr Pandula (Magnetic Music),
(4) Aktion Ticket Behalten,
(5) Benedict Morris & Cormac Crummey,
(6) Aoife Scott
(unknown/website).