FolkWorld #77 03/2022
© Uta Bretsch_Communications


I Way To Äl

Wenn die Weltgeschichte im Jahr 2020 nicht so komplett auf den Kopf gestellt worden wäre, hätte die Freiburger Balkan Big Beats-Band Äl Jawala ihr 20. Jubiläum mit allen Schikanen gefeiert. Zwei Jahre später surft die mittlerweile wieder in Originalbesetzung spielende Band weiter auf dem I Way To Äl und feiert stattdessen ihren 20+2. Geburtstag – und das im Jahr 2022. Da passt einfach alles zusammen.

Äl Jawala

Artist Video Äl Jawala @ FROG

www.jawala.de

Teil der Festivitäten ist der Kurzfilm I Way To Äl von Regisseur Aljoscha Hofmann, der am 04.03. Premiere im Jazzhaus Freiburg feiern wird. Am 1. April erscheint das gleichnamige Jubiläums-Album mit drei neuen Stücken, einer interessanten Auswahl bislang unveröffentlichter Versionen, Publikumslieblingen, Geheimtipps und einigen Klassikern, die allesamt frisch re-mastered den musikalischen Weg der Band nachzeichnen. Nicht fehlen dürfen Tourdaten, denn Äl Jawala ohne Bühnenbretter unter den hüpfenden Füßen ist einfach unvorstellbar.

Die Auswahl der Stücke für den bandeigenen Soundtrack war angesichts von vier Musiker*innen und der großen musikalischen Vielfalt von Äl Jawala nicht ganz einfach, so Steffi Schimmer (Altsax, Vocals): „Bei so viel Material aus 22 Jahren gab es natürlich verschiedene Favoriten bei den einzelnen Bandmitgliedern. Mehr, als letztlich auf eine CD passen. Wir sind aber allesamt mit unserer Auswahl und der Zusammenstellung auf unserem Jubiläumsalbum voll zufrieden“. Einen besonderen Stellenwert bekam das Mastering durch Vicente Celi, der „viel Tiefe und Räumlichkeit aus unseren Songs herausgeholt hat“, so Bandkollege Markus Schumacher (Keyboard, Schlagzeug, Percussion), „Der Mastering Prozess hat dem ganzen einen unglaublichen Boost verliehen. Wir waren selbst ganz überrascht, wie deutlich das zu hören ist!“

Musikalisch gesehen ist das Album ein wilder Stilritt, denn Äl Jawala überschreitet seit Beginn alle künstlichen Genregrenzen und hat einen ureigenen Weg gefunden. „Unser Sound lebt von der Mischung Balkan, Afrobeat und arabischen Elementen mit westlichen, urbanen Stilen. Als wir in den ersten Jahren in Deutschland, Frankreich, Schweiz als Straßenmusiker unterwegs waren, fanden viele Menschen unsere Musik in erster Linie ‚fremd‘ und ‚exotisch‘. Und auch faszinierend. Und irgendwie zugänglich“, beschreibt Markus Schumacher. In anderen Kulturkreisen waren die Reaktionen nicht die gleichen, wie er weiter ausführt: „Als wir die ersten Male in Rumänien, Türkei, Bulgarien unterwegs waren, standen die urbanen, jazzigen, ‚westlichen‘ Stile im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit“ und „in China bei der Weltausstellung 2010 haben wir erlebt, wie eine Menschenmenge zu einem Schwarm wurde und dieses Kollektiv jede Nuance unseres Spiels miterlebt und beantwortet hat.“ So hat jeder Mensch seinen eigenen Zugang zu Äl Jawala – auch die Musiker selbst – und dafür steht der Albumtitel I Way To Äl.

Äl Jawala

Eines der neuen Stücke ist die erste, am 04.02. erscheinende Single „Sautez!“, die mit ihrer von Afrobeats befeuerten Energie und positiven Stimmung eine Hommage an das Hüpfen, Springen, Tanzen ist. Unter den weiteren, bislang unveröffentlichten Songs sind „Stronger“ mit entspannten Afrobeats, orientalischen Synthesizern und den für Äl Jawala so typischen Saxophonen, eine Live-Version von „Like it“, in dem es „um die Jagd nach Likes, Anerkennung, Aufmerksamkeit“ in den Social Media geht, so die Band und weiter: „Problematisch vor allem bei Jugendlichen, aber auch wir als Band haben da viel drüber diskutiert, wie wir damit umgehen sollen und wollen“. „What Do You Care“ ist in einer Live Studio Session entstanden. Das Stück basiert auf einem traditionellen Rembetiko und handelt von der verbotenen Liebe zweier Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Bei den drei unveröffentlichten Live-Stücken orientierte sich die Band am Publikum und wählte mit „Step Into Jungle“, „Heymischer Bulgar“ und „Druzhno Kaifuj“ drei Live-Favoriten aus.

Neben dem Album feiert die Band mit der 30-minütigen Doku I Way To Äl im März auch ihre eigene Filmpremiere. Regisseur Aljoscha Hofmann kennt die Jawalas seit ihren Anfangstagen und fängt die Stimmung der frühen Straßenmusik-Tage vom Jahr 2000 bis heute ein. Es ist eine Reise in und durch die Jawala-Welt, mit vielen überraschenden Einblicken, guten Erinnerungen und einem „Geburtstag ohne Party“. Über die Zusammenarbeit mit Hofmann sagt die Band: „Er kennt uns besonders gut und hatte das richtige ‚Feeling‘“. In der konzertlosen Pandemiezeit durchforstete das Quartett Archive und entdeckte spannendes Material aus den Anfangstagen, das noch nie veröffentlicht worden ist.

Äl Jawala

Äl Jawala "I Way To Äl", Jawa Records, 2022

Hintergrund: Die Balkanbeat-Welle rollte im sonnigen Freiburg ein klein wenig früher los als im Rest des Landes. Grund dafür war eine junge Freiburger Band mit unaussprechlichem Namen, die den Sound des wilden Ostens im Sommer 2000 in die Fußgängerzone der Stadt trug. Vier Musikbesessene, die sich mit Anfang Zwanzig an einem Lagerfeuer kennengelernt haben, und nach ersten Jam Sessions dazu entschlossen haben, zusammen Straßenmusik zu machen.

Mit zwei Saxophonen und viel Percussion entfachten Äl Jawala (arab. „Die Wandernden“) das Feuer einer ganzen Gypsy Brass Band. Sie kombinierten urbane Beats mit wilden, orientalischen Bläsersätzen und allem, was ansonsten Spaß machte. So zogen sie immer größere Menschentrauben in ihren Bann und es dauerte nicht lange, bis die ersten Clubs und Festivals anklopften. 2005 fand der erste Tieftöner seinen Weg in die Band. Durch den begnadeten Bassisten Daniel Verdier fand Äl Jawala einen völlig neuen Sound und war fortan als Quintett unterwegs. In zwanzig gemeinsamen Jahren tourten sie um die ganze Welt – nach Indien, China, Kanada oder auch Jordanien. Über tausend Konzerte in ganz Europa liegen hinter ihnen. Mit ihrem unbeirrbarem Instinkt für gelungene Stilmixe gewannen sie den Deutschen Creole Preis für Weltmusik, veröffentlichten neun Alben, starteten einen weltweiten Remix-Contest und lieferten den Soundtrack zur MTV-Reihe „Rebel Music“.

Das Jawala-Quintett in der Besetzung Steffi Schimmer (Altsax, Vocals), Krischan Lukanow (Alt- und Tenor-Sax), Markus Schumacher (Keyboard, Schlagzeug, Percussion), Daniel Pellegrini (Schlagzeug, Percussion, Keyboard, Didgeridoo) und Daniel Verdier (E-Bass, Gitarre) spielte bis 2016 in dieser Konstellation bis letzterer zurück in seine Heimat Südfrankreich zog und Ben Krahl als Bassist und Gitarrist in die Band kam. 2020 stieg Krahl aus persönlichen Gründen aus und seitdem spielt die Band wieder in der Originalbesetzung als Quartett. Steffi Schimmer dazu: „Wir kennen uns schon so lange – musikalisch und menschlich – es fühlt sich ziemlich gut und sehr vertraut in der Ur-Besetzung an“ und Markus Schumacher ergänzt: „Kommunikation ohne Worte, Leichtigkeit, Beweglichkeit, Selbstverständlichkeit und viel Platz, was Arrangements angeht.“ Dafür könnte auch eine weitere Gemeinsamkeit verantwortlich sein, wie Schumacher anmerkt, „Wir merken bei vielen Entscheidungsprozessen, dass wir so etwas wie ein kollektives Jawala-Bewusstsein haben, das uns relativ zuverlässig leitet.“






Photo Credits / Äl Jawala: (1) Francesca Amann; (2)-(3) unknown/website.


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