Branko Galoić tanzt zum Klang der Freiheit.
Branko Galoić komponiert und schreibt alleine, und der kreative Schaffensprozess ist für ihn immer noch ein Mysterium. Als er vor zwei Jahren mit der Arbeit an seinem achten Album begann, hatte er jedoch eine fixe Idee im Kopf: Er wollte einige seiner früheren musikalischen WeggefährtInnen auf einem Album und in einem kollektiven Prozess zusammenbringen. Der kroatische Komponist hat die erste Hälfte seines Lebens in einem Land verbracht das es nicht mehr gibt, und das Gefühl der Entwurzelung ist seit Jahrzehnten sein treuester Begleiter. Er hat KünstlerInnen zur Mitarbeit eingeladen, mit denen er in der Vergangenheit gerne gearbeitet hatte, wie zum Beispiel die Akkordeonistin Merima Ključo und die Sängerin Jelena Milušić, die im Titel Magic Carpet zu hören sind.
Mehr als 15 MusikerInnen, Aufnahmesessions in Paris und Amsterdam, Silvolde (NL), Novi Sad, Sarajevo... Danse de la Liberté ist vor allem das Ergebnis von im Laufe der Zeit gewachsenen Beziehungen. Zu Beginn in Serbien, und später mit den Mitgliedern seiner Brassband in Amsterdam. Mit MusikerInnen aus Brankos Berliner Jahren. Und natürlich in Paris, wohin er der Arbeit wegen kam und wo er sich schliesslich endgültig niederliess.
Schliesslich ist dieses sein achtes Album auch das Ergebnis seiner Wiederbegegnung mit dem Regisseur und Produzenten Thomas Couzinier. „Ich bin erschöpft aber glücklich. Das ist mein ehrgeizigstes, aber ich glaube auch mein bestes Album. Ich konnte jeden Track auswählen, und die Produktion war eine wunderbare Erfahrung. Ich hatte auch das Glück mit Jean-Christophe Vareille zu arbeiten, einem absoluten Meister auf seinem Gebiet, und mit Thomas, dessen Gehör rein gar nichts entgeht. Wir hatten genug Zeit und noch dazu ein kleines Budget, um ohne Druck arbeiten zu können, was heutzutage immer seltener wird. Thomas hat das Projekt in jeder Hinsicht unterstützt. Die Studios und alle Beteiligten waren ebenfalls sehr gut.“
Branko schöpft seine Inspiration ganz selbstverständlich aus den verschiedensten Quellen. Seine Wurzeln liegen in der Musik und den Brassbands des Balkan. Natürlich denkt man da gleich an den Meister des Genres Goran Brégović, aber in den Kompositionen schwingt auch eine Affinität zur Filmmusik mit, insbesondere zum grossen Nino Rota. Das Album durchzieht auch eine unruhige und zutiefst verletzliche Rock-Energie à la Hendrix, Santana und Clapton, die Brankos früheste Helden waren.
Wir denken an die Zartheit von Leonard Cohen, besonders in dem Song If You Want to Love Me. Unter den für ihre Meisterschaft und subtile Mischung von Liebe, Poesie und Humor bekannten Chansonniers erwähnt Branko einige in Westeuropa unbekannt gebliebene kroatische Namen ebenso wie Charles Aznavour, Jaques Brel und auch Tom Waits. Sie alle leben zwischen den Zeilen dieses Albums, und besonders in der in zwei Versionen eingespielten Single Million Ways. Zuerst auf Englisch, der Sprache in der der Immigrant Galoić am häufigsten kommuniziert, dann auf Kroatisch. „Ich wollte dieses Stück wirklich teilen, und der Refrain fiel mir ganz natürlich auf Kroatisch ein. Den Rest hat ein befreundeter Dichter übersetzt...“
Ein Stück von Brankos frühen kroatischen Jahren wird mit dem wunderbar charmanten Cover von Don’t Let Me Be Misunderstood auf unerwartete Weise wiederbelebt: „Meine Schwester und mein Bruder waren älter als ich, sie waren in den 70er Jahren aufgewachsen. Sie waren besessen von ihrem Grammophon und ihrer Vintage Plattensammlung. Santa Esmeraldas Version von Don’t Let Me Be Misunderstood ist die die ich als Kind kennengelernt habe. Eines Tages sah ich mir einen Film von Tarantino an, und bumm! Da war sie wieder! Jahre später spielte ich sie auf der Gitarre und beschloss, sie durch das Balkan-Prisma neu zu bearbeiten. Es ist gefährlich sich an solche Meisterwerke heranzuwagen, ich habe also versucht dem Stück meine persönliche Note zu verleihen.“
Der Titel des Albums kommt von einem der Instrumentalstücke. Tanz der Freiheit ist mehr ein Widerhall von Brankos persönlichem Freiheitsgefühl als eine politische Forderung, die er nicht sucht in seinen Liedern. Auch wenn das weltweite Ansteigen des Nationalismus ein konstanter Grund zur Sorge ist für ihn, der so viel Jahre als Immigrant ohne offiziellen Status gelebt hat, erlaubt ihm das Komponieren – zumindest eine Zeit lang – das alles zu vergessen.
Ein anderes Ventil fern der großen Themen unserer Zeit ist die Bühne, die Branko wie allen anderen KünstlerInnen dieser Tage grausam fehlt. Danach gefragt, muss er einfach lachen: „Live zu spielen ist das Beste an meiner Arbeit. Viele Leute sagen uns sogar dass wir auf der Bühne besser sind als im Studio...!“ Die Band will sobald als möglich wieder öffentlich auftreten, vor einem Publikum das sie immer begeistert aufnimmt, egal wo. Galoić hat mehr als tausend Konzerte gegeben, von ganz klein bis ganz groß, wie zum Beispiel beim legendären Rudolstadt Festival 2017 vor zehntausend Leuten.
„Meine Musik spiegelt meine Vision der Welt wider. Dieses Album mit Serben und Bosniern, auch wenn es spontan und ohne konkreten Plan entstand, ist eine Revolte gegen den grassierenden Nationalismus, gegen die ständigen Anti-Migrations-Aktionen und gegen den manipulativen Geist, der weltweit in der Politik herrscht.“
Der Komponist, Gitarrist und Singer-Songwriter Branko Galoić verbindet den
mächtigen Klang der Brassband mit einer an Bob Dylan erinnernden Stimme
und einer Vorliebe für Gypsy Swing. Er ist zutiefst in der Tradition des Balkan
verwurzelt und erforscht und mixt zugleich die unterschiedlichsten Stile und
Einflüsse von Rock bis Filmmusik, vom Reggae zum Swing bis hin zu Latino-,
arabischen und mediterranen Sounds. Galoić wurde in Zagreb geboren,
Amsterdam nahm ihn auf und Berlin applaudierte ihm, bevor ihn Paris
willkommen hieß, wo er seit einigen Jahren lebt.
Photo Credits / Branko Galoić:
(1)-(2) unknown/website; (3) by The Mollis (Rudolstadt Festival 2017).