FolkWorld #73 11/2020
© Magnetic Music

Herzschlag der irischen Nation

Irish Heartbeat

24. Feb. - 28. März 2021

Irish Heartbeat @ FROG

www.irishheartbeat.eu

Die Iren haben bekanntlich ein großes Herz. Ein Herz voll von Geselligkeit, Witz und Leidenschaft. All das sind ausgezeichnete Voraussetzungen, um ein Land zu sein, das immer wieder beeindruckende Geschichtenerzähler, Tänzer, Sänger und Musiker hervorbringt.

3 ON THE BUND

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Insbesondere rund um den St. Patrick’s Day steigt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Iren und ihrer Freunde – egal wo sie sein mögen – ganz besonders stark an. Man spürt die unsichtbaren Bande, wie sie nur Kultur über den Erdball spannen kann. Am irischen Nationalfeiertag hat irische Kultur Hochkonjunktur. Insbesondere Irish Folk lässt die Herzen der Iren höher schlagen. Aber nicht nur die der Iren… „Irish Heartbeat“ ist eine Tour, die die Hand am Puls der irischen Musikszene hat. Es bringt seit 32 Jahren sowohl ihre traditionellen als auch innovativen Elemente auf Tour.

3 ON THE BUND – A sound address for Irish music

Manche Bands haben ganz schön kuriose Ursprünge. So richtete das chinesische Kulturministerium eine Anfrage an die Uni im Limerick, wo man Irish Folk studieren kann, ob man zur Feier des St. Patrick’s Day ein paar der besten Studenten schicken könnte? Gesagt getan. Ein paar Wochen später sitzen vier hochbegabte Studenten*innen im Flieger und zerbrechen sich den Kopf darüber, wie man hoppla hopp ein abendfüllendes Programm zusammenstellen könnte. Einen Sound, der frisch und voll mit neuen Ideen steckt, haben sie schnell gefunden. Jetzt fehlt nur noch der Bandname.

Am Ende ihrer Chinareise haben sie nicht nur viel Lob im Gepäck, sondern auch diesen: Die Bund-Promenade in Shanghai hat ihnen ganz besonders gefallen. An der Hausnummer 3 haben sie sich zum Spaziergang verabredet. So kam es zu „3 on the Bund“. Eine gute Adresse für Musik aus Irland. Das Programm des Quartetts ist ein Spaziergang nicht nur durch irische Tradition, sondern auch ein Ausflug in die Weltmusik. Seán Kelliher (Gitarre), Rebecca McCarthy Kent (Fiddle), Aisling Lyons (Concertina) und Simon Pfisterer (Uilleann Pipes) sind ein tolles Beispiel, wie weltumspannend irische Musik inzwischen geworden ist: Ein junger Mann aus Deutschland beschließt, Irish Folk in Irland zu studieren, findet sich mit seinen irischen Freunden in China wieder und wird dann zur IHB Tour in D, CH und A eingeladen.

BRISTE – Tradition with a smile

BRISTE

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www.bristemusic.com

Die drei jungen Frauen aus Nordirland kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Dank dem Engagement ihrer Eltern, die sie Monat für Monat den „Circuit“ der „Fleadhs“ bzw. Festivals in ganz Irland bereisen lassen, jammen sie mit Gleichgesinnten. Sie schnappen viele musikalische Ideen in ganz Irland auf. Aber sie messen sich auch im musikalischen Wettkampf mit den besten ihrer Generation.

Emma Robinson, Alison Crossey und Joanna Boyle räumen in ihrer Jugend so machen Ulster oder All Ireland Champion Titel ab. Aber erst 2015 ist es so weit, dass sie sich zu einem Trio zusammenfinden und ihre Musik auf ein neues und vor allem internationales Level heben wollen. Sie haben jede Menge spannende Ideen für ungewöhnliche Gesangsarrangements und pfeilschnelle Instrumentals. Aber ein guter Bandname … Der fällt nicht einfach so vom Himmel. Dafür aber reichlich Missgeschick: Immer wieder reißende Gitarren- und Banjo-Saiten sind noch das geringste Übel. Gebrochene Gliedmaßen und vor allem gebrochene Herzen sind nicht schnell und einfach zu heilen. Aber die Liebe zur Musik gemischt mit einer Portion schwarzen Humors ist die beste Medizin. Der schwarze Humor steht sogar Pate für den Bandnamen. Das gälische „briste“ bedeutet zerbrochen oder kaputt.

Damit können sie sich identifizieren. Emma, Alison und Joanna meistern aber den ab und zu vorkommenden Scherbenhaufen und setzen all die Scherben zu einem neuen frischen Sound zusammen, der nicht nur auf sie sondern auch die Zuhörer eine heilende Wirkung hat. Sie tun es zudem mit einem bezaubernden Lächeln. Ja, das ist „Tradition with a smile“.

GREEN ROAD

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www.greenroadmusic.com

Ihre internationale Karriere beginnt in den USA. Es ist also kein Zufall, dass etwas Country und Americana in das Repertoire Eingang findet. Vor allem bei der Mehrstimmigkeit des Gesangs hört man die amerikanischen Roots. Mit dem in Irland anerkannten Produzenten Dónal O’Connor, dessen Vater Gerry O’Connor übrigens schon vor 25 Jahren beim IHB gespielt hat, nehmen sie ihr feines Debüt-Album auf.

GREEN ROAD – irish ballads revisited

Als “green road” werden in Irland die Landstraßen in abgelegenen Gebieten bezeichnet. Oft bringen uns diese einspurigen, von grünen Hecken und Trockensteinmauern gesäumten Straßen an Stellen mit wunderschöner Natur und Aussicht. Sie bringen uns zu Irland pur. Mit all den Kurven und Schlaglöchern laden sie zu einem beschaulichen Reisen ein. Sie entschleunigen den Reisenden und bringen ihn dahin, wo der Pauschaltourist nie hinkommt. Also ein passender Name für das Quintett aus Waterford, das sich auf die Suche nach der traditionellen Musik aus dem ländlichen Irland gemacht hat.

Die Jungs von Green Road nehmen die Zuhörer mit auf die Reise zu den schönsten Balladen der grünen Insel. Sie schlagen mit ihren Arrangements einen neuen Weg ein und polieren teilweise in Vergessenheit geratene Songs auf Hochglanz.

Leadsänger PJ Sinnott hat eine Reibeisenstimme, die für dieses Genre einfach ideal ist. Die Kollegen steuern packenden Harmoniegesang dazu bei. 5-string-Banjo, Mandoline und Gitarre bilden dichte rhythmische Strukturen, so verschlungen wie Hecken an einer Landstraße. Aber auch in der Abteilung Melodie ist die Band mit dem virtuosen Uilléan Piper und Whistler Ned Wall gut aufgestellt. Am Bodhrán und Schlagzeug brilliert das Urgestein des Irish Folk, Frank Torpey. Frank gehört zu den Gründervätern des IHB. Er war schon 1995 mit NOMOS dabei. Der Gitarrist Fergal O’Hanlon und Alan O’Dwyer an der Mandoline und Harmonika vervollständigen den Sound, der das Dunkelbier am St. Patrick’s Day einfach noch einen Tick besser schmecken lässt.



Memory Lane

The Rapparees


IRISH HEARTBEAT - EIN RÜCKBLICK

Das Irish Heartbeat bzw. St. Patrick's Day Celebration Festival - wie es damals noch genannt wurde - war bei der Debüt Tournee ein Zusammenschluss von Gruppen, die sich seit Jahren freundschaftlich verbunden waren. Manus Lunny & Andy M. Stewart, Tannahill Weavers und die Anne Wylie Band haben viele Sessions bei Sommerfestivals zusammen gespielt. Man kannte sich gut und alle drei Bands hatten eine BOSE PA. Also konnte man diese zu einer großen PA zusammenstecken, die auch große Räume beschallen konnte. Es gab damals auch keinen Toningenieur. Die Bands mischten sich gegenseitig selbst!

Shannon Heaton

Petr Pandula war damals in der Anne Wylie Band als Piper und Keyboardspieler aktiv. Er hatte damals die Mehrzahl der Konzerte für diese Debüt Tour gebucht. Die anderen kamen von Detlef Lüthje vom Bremer Konzertbüro, der leider kurze Zeit später verstarb. Als die Festivalsession in Hamburg sieben Zugaben bekam, dachte sich Petr, dass es doch viel zu Schade wäre, es bei einer einmaligen Angelegenheit bewenden zu lassen. Um die Tournee auf eine professionelle Grundlage zu stellen, wurde 1990 Magnetic Music gegründet und für das Projekt ein Patent beantragt.

Bei der Tour 1991 spielten dann lauter gute alte Freunde von Petr mit, die er z.B. bei seinen Irland Reisen kennen gelernt hat. Damals gab es noch kein Internet, kein Fax und kaum ein Musiker hatte ein Telefon. Man konnte sich 1990 nicht als "Agent von Internets Gnaden" durchhangeln. Um Künstler zu buchen, musste man in der Tat nach Irland reisen und das Land kennen lernen. Das war gut für die Kultur. Die Trittbrettfahrer des IHB haben seit der Einführung des Internet eine deutlich einfachere Arbeit. Ohne dass je in Irland waren und sich mit der Kultur auskennen, können sie so lange nach Irish Folk Gruppen im Internet suchen und Einladungen verschicken, bis sie ein Programm beieinander haben.

Petr Pandula

Viele unserer Mitbewerber, die klischeehafte Bands und Tanzshows auf Tour schicken, wissen schlicht weg nicht, was gut und schlecht ist, was den jeweiligen Weltmusikstil vorantreibt oder abmindert. Statt am Kulturleben aktiv gestalterisch teilzunehmen, beschränken sich viele nur aufs Verkaufen. Diese Internet abhängigen Mitbewerber können nicht hinter die Kulissen schauen und überprüfen, ob die schön programmierte Website auf der Bühne einlöst, was sie im Internet verspricht. Da sie nie oder kaum vor Ort waren, haben sie keine Peilung, wie die Künstler und der zugehörige Kulturkreis tickt, was den Menschen in Irland wichtig oder unwichtig ist. Die „Agents von Internet Gnaden“ – wie ich sie nenne - gehen immer ein „blind date“ ein. Manchmal geht es gut, manchmal geht es aber voll ins Auge.

Natürlich stand das Irish Folk Festival, das damals von Carsten Linde betreut wurde, als leuchtendes Vorbild da. Petr hat aber einen großen Wert darauf gelegt, ein anderes Konzept zu verfolgen. Die Gruppen bekamen mehr Spielzeit, aber dafür konnten es nur drei sein. Es wurde immer eine Band eingeladen, die auch Celtic Rock spielte. Das war beim Irish Folk Festival zu Lindes Zeiten eher selten der Fall. Vor allem erschloss Petr völlig neue Städte und Veranstalter, so dass es nie zu einem Bruderkampf der Festivals kam. Das war wohl auch einer der ausschlaggebenden Punkte, warum Carsten Linde das Irish Folk Festival im Jahre 2000 nach 25 Jahren an Petr übergab. Die organisatorische Arbeit seit 1991 war so intensiv, dass Petr sich zwischen Musiker oder Veranstalter als Beruf entscheiden musste. Er entschied sich für das zweite. Wenn man fast 30 Jahre später einen Rückblick wagt, war es wohl die richtige Entscheidung.




Photo Credits: (1) Irish Heartbeat, (2) 3 on the Bund, (3) Briste, (4) Green Road, (7) Petr Pandula (by Magnetic Music/Websites); (5) The Rapparees, (6) Shannon Heaton (by Walkin' Tom).


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