FolkWorld Ausgabe 37 11/2008; Live-Bericht von Christian Zastrow


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Tønder Festival
28.–31. August 2008

Icon Movie @ www.youtube.com

www.tf.dk

Tønder 1998-2007

Leise und laut wechseln sich ab
Tønder Festival, 28.-31. August 2008

Bei einem ersten Gang über das Festival-Gelände staune ich über die Ausmaße. Die Verzehrstände und das Instrumentenzelt sind bereits dicht belagert. Auf dem Weg in die Innenstadt erklingt Musik in Kneipen und Kneipenzelten. Die Eröffnung des Festivals findet traditionell auf dem Marktplatz statt. Währenddessen ist Hagges’s Pub bereits gedrängt voll.

Wir kommen um 12:00 Uhr an und erwischen noch den vorletzten Parkplatz an den Hallen. Bei einem ersten Gang über das Festival-Gelände staune ich über die Ausmaße (die zwei großen und die vielen kleinen Zelte). Überall wird noch gebaut, allerdings soll die Eröffnung auch auf dem Marktplatz stattfinden, das Programm auf dem Festival-Gelände beginnt erst abends. Am Souvenir-Shop herrscht bereits Andrang. Nachdem wir unsere Presseausweise abgeholt haben, trinken wir in der Backstage-Bar erstmal einen Kaffee. Beeindruckend ist die große Zahl an Helfern (2000 sollen es sein).

Um 14:00 Uhr hat sich das Gelände spürbar belebt, die Verzehrstände und das Instrumentenzelt sind bereits dicht belagert. Auf dem Weg in die Innenstadt erklingt Musik in Kneipen und Kneipenzelten. In der Fußgängerzone verstärken Indios mit Federschmuck und Kriegsbemalung ihre (immerhin selbstgemachte) Musik rücksichtslos, aber als noch rücksichtsloser erweist sich ein junger Jongleur, der sich fünf Meter weiter aufbaut und zu CD-Musik jongliert. Beim Einkaufsbummel trifft man Künstler, Straßenkünstler und Besucher, die sich für Künstler halten – die Grenzen sind fließend.

Freitag Nachmittag

Die Eröffnung des Festivals findet traditionell auf dem Marktplatz statt. Obwohl der Himmel von dunklen Wolken bedeckt ist, ist es weitgehend trocken, nur etwas windig. Pünktlich um 15:00 Uhr betritt ein junger Mann die Bühne und begrüßte (für Nichtdänen unverständlich) die Anwesenden. Dafür versucht Breabach mit „Moin“ und „Hey“ die Internationalität wieder herzustellen. Die junge, dynamische Band beginnt mit einem langsamen Stück, wird aber bald schneller. Ihre Instrumente zeigen, dass sie sowohl der Tradition verwurzelt sind (Dudelsack, Fiddle, Flute, Tin Whistle usw.), aber auch, dass sie musikalisch eigene Wege gehen (z. B. Kontrabass).

Die Stimmung unter den Zuschauern ist noch verhalten, auch als einer der Musiker ein Tanz-Solo auf die Bühne legt. Man steht in kleinen Gruppen und unterhält sich.
Breabach, Tonder 2008

Breabach/Patsy Reid @ FolkWorld: FW#27,#37

Icon Sound @ www.breabach.com

Icon Movie @ www.youtube.com, www.bbc.co.uk

Ein nachfolgendes zartes Liebeslied geht im Gesprächslärm fast völlig unter. Weiter geht es mit mehr Power und zwei Dudelsäcken. Ein Set von Reels wird modern und fetzig dargeboten, wobei die Geige nicht nur Melodie spielt, sondern auch schon mal mit perkussiven Geräuschen die Begleitung übernimmt. Auch mehrstimmigen Harmoniegesang beherrscht die Band hervorragend. Trotzdem bleiben die Beifallsstürme verhalten, eine Zugabe kommt nur auf Intervention des Moderators zustande.

Die Pause zieht sich hin, obwohl die Umbautätigkeiten längst abgeschlossen sind. Dafür bricht plötzlich Sonne durch die Wolken. Um 16:15 Uhr betritt eine junge Frau die Bühne. Obwohl es sich um ein Mitglied des dänischen Parlamentes (Ellen Trane Nørby) handeln soll, wird die Stimmung während ihrer zehnminütigen dänischen Ansprache nicht besser. Auch die einheimischen Zuschauer um mich herum unterhalten sich weiter. Nach einer weiteren Ansprache eines Vertreters der Künstler (diesmal in Englisch) betreten nun endlich um 16:30 Uhr einige graubärtige Herren in bunten Hemden die Bühne. Einer stülpt sich ein Susaphon über, und weiter geht’s mit flotter Jazzmusik aus der Zeit, als Charles Lindbergh den Atlantik überflog, garniert mit etwas Klamauk: Bob Kerr’s Whoopee Band! Inzwischen hat sich auch der Marktplatz gut gefüllt, noch immer strömen Leute herein, und am Rand herrscht teilweise etwas mehr Stimmung.

Um 18:00 Uhr wird es wieder etwas seriöser. Das Burich-l’Etienne New Orleans Ensemble spielt Dixieland-Jazz vom Feinsten. Das inzwischen etwas dezimierte Publikum hat sich eingegrooved, klatscht mit (brav im vorgegebenen Offbeat) und applaudiert bei den zahlreichen Soli. Erste rhythmische Körperbewegungen werden sichtbar, und beim Tango wird sogar neben der Bühne getanzt. Das ist Gute-Laune-Musik, die in die Beine geht! Dazu passend hat sich inzwischen auch der Himmel völlig aufgeklart, es herrscht blauer Himmel und Sonnenschein.

Währenddessen ist Hagges’s Pub um 16:45 Uhr bereits gedrängt voll, die Leute stehen bis an die Tür und an den Fenstern (dieser Zustand sollte sich an diesem Wochenende als Normalzustand herausstellen). Drinnen spielt Brian McNeill mit seiner Band Drones & Bellows, während draußen auf der Straße eine Blaskapelle vorbeizieht. Auch an anderen Orten ist bereits viel los. Im Clubzelt auf dem Festival-Gelände spielt z. B. gegen 19:30 Uhr Tullamore Tales. Vier Männer verschiedenen Alters bieten Tunes und Songs im Stil der Dubliners dar. Obwohl die Band etwas introvertiert wirkt, geht das Publikum gut mit und klatscht im Takt.

Freitag Abend

In der Halle 1 wird das Konzert eröffnet durch die international besetzte Gruppe Valravn. Es beginnt mystisch mit einem Bordun auf der Geige und der ausdrucksstarken Sängerin. Das zweite Stück wird noch archaischer mit Drehleier, Davul und zwei Blechflöten im Quintabstand, auf der mit der rechten Hand und mit der linken Hand gleichzeitig eine Melodie gespielt wird, und die zwischendurch auch als Percussion zusammengeschlagen werden. Wuchtige Trommelschläge dröhnen durch den Raum. Die Melodiebegleitung im Quintabstand und die Bordunbasis verweisen in die Tradition der mittelalterlichen Musik, die mystischen Elemente erinnern an die Band „Faun“, während die Darbietung stark an Punk oder Rock denken lässt. Bass und tiefe Trommel dröhnen manchmal unangenehm in der sonst ausgewogenen Klang- und Licht-Show.

Nebenan ist Kontrastprogramm: Harald Haugaard und Morten Høirup. Erstaunlich, wie zwei Leute mit leisen Instrumenten wie Geige und Gitarre mit ihrer Musik ebenfalls einen riesigen Saal füllen können (obwohl – das sollte ich an diesem Wochenende noch häufiger erleben). Eine brillante Technik des Geigenspiels (ein warmer, voller Ton, genau abgemessene Vorhaltnoten, Flageolett und Pizzicato) werden kombiniert mit einer abwechslungsreichen Interpretation (Dynamik): leise und laut wechseln sich ab. Auch Gesang ist dabei.
Sierra Noble, Tonder 2008
Icon Sound Draggin the Bow, Grandma Blanche,
       Orange Blossom Special

Icon Movie The Red River Jig

www.sierranoble.ca
Der Saal hat ebenfalls eine ganz andere Atmosphäre als Halle 1: Tische statt enger Sitzreihen, Kerzen auf den Tischen statt Dunkelheit. Überhaupt die Hallen: beeindruckend. Halle 1 hat eine Tribüne und fasst 700 Sitzplätze, Halle 2 mit Empore sogar 850 Plätze.

Der zweite Programmpunkt im Kunstmuseum ist die junge kanadische Geigerin Sierra Noble. Sie trägt ein langes fließendes grünes Kleid und Stiefel mit Absätzen, die sie benutzt, um ihr Geigenspiel selbst mit Percussion zu begleiten. Sonst hat sie nur einen Gitarristen aus Nova Scotia dabei. Sie spielt im Shuffle-Rhythmus mit Doppelgriffen, so dass die beiden klingen wie ein ganzes Orchester. Dabei sind sie in ein weiches oranges Licht getaucht.

Zwischendurch sagt sie auch immer wieder etwas zu den Hintergründen ihrer Musik. Sie erzählt, dass die Fellhändler, die als erste mit den Indianern Kontakt hatten, Musik machten. Die Cree hörten zunächst die Bodhran (irische Rahmentrommel) heraus und sahen darin ein gemeinsames Element mit ihrer Musik. Dann aber wollten sie auch die anderen Klangfarben hinzufügen, und so waren die ersten Dinge, die sie den Händlern abkauften, Fiddles. Da die Métis (das „s“ ist stimmlos) nichts von der europäischen Standardstimmung wussten, stimmten sie die Geige so, wie es gerade gut klang. Dadurch ist viel Umstimmen erforderlich. Das fällt aber im Ablauf des Programmes nicht weiter auf.

Dann spielt sie eine Version des „St. Anne’s Reel“, die wesentlich interessanter ist als die Melodie, die in irischen Sessions in Deutschland verbreitet ist. Zwischendurch beweist sie auch ihre stimmlichen Fähigkeiten mit einem wunderschönen Song („Possibility“) und kündigt an, dass ihre nächste CD (die im kommenden Jahr erscheinen soll) mehr einen gesanglichen Schwerpunkt haben wird. Ihr Auftritt findet einen furiosen Abschluss mit dem „Orange-Blossom-Special“. Da braucht das Publikum keine besondere Einladung, um begeistert mitzuklatschen und eine Zugabe zu fordern. Als Zugabe gibt es einen lyrischen Walzer.

In der Pause kommt Sierra Noble ins Foyer, um ihre CD zu signieren, und beantwortet geduldig meine Fragen. Sie erklärt mir, dass „Metis“ ein Sammelbegriff für die Ureinwohner Kanadas ist und die „Cree“ einen Teil davon darstellen. Sierra hat familiäre Verbindungen zu ihnen und ist in einem Dorf aufgewachsen, wo diese Tradition noch lebendig ist, und hat sich schon früh dafür interessiert.

Bei der irischen Gruppe Grada, die ab 22:30 Uhr das Abendprogramm im Kunstmuseum abschließen, handelt es sich um eine sechsköpfige Band mit zwei Fiddlern, Flute, Kontrabass, Gitarre und einer Frau an der Bodhran. Sie überraschen das Publikum damit, dass sie – nachdem sie seit 15 Jahren immer wieder in Dänemark sind – nun auch einige dänische Sätze gelernt haben. Sie beginnen schwungvoll mit einem Reel. Beim zweiten Stück (einem Song) spielt einer der Fiddler Trompete. Auch wenn dies an ihren Auftritt auf dem Burghof in Rudolstadt beim diesjährigen Tanz- und Folkfestival erinnert, ist die Stimmung mit dem mehrstimmigen Gesang doch viel intimer. Als nach zwei Songs wieder ein flotter Reel auf dem Programm steht, der von den Fiddles getragen und von wilden Einwürfen der Flute begleitet wird, erreicht die Stimmung im Saal einen ersten Siedepunkt. Danach folgt wieder ein traditioneller irischer Song („18th Of June“), der mit gedämpfter Jazztrompete begleitet wird. Ein weiterer Höhepunkt ist, als der Fiddler Sean Reagan mit seinem Mund Löffel und andere Percussion-Instrumente nachahmt. Zum Schluss gibt es noch Gelegenheit zum Mitsingen, ausgeflippte Fiddle-Solos und weitere temporeiche Reels. Die Trompete ist sicher eine Geschmacksfrage, aber sie gibt der Band ihre unverwechselbare Note.

Samstag Nachmittag

„New, original Danish music“ im Zelt 1! Der Begriff wirft Fragen auf: Soll die Musik nun neu sein oder ursprünglich? Die Musik, die ich zu hören bekomme, ist keins von beiden. Die Besetzung und Spielweise (Fiddle, zeitweise Mandoline, finger-picked Five-String-Banjo, Mundharmoika, Gitarre, gezupfter Kontrabass und Schlagzeug mit mehrstimmigem Harmoniegesang) erinnert mich mehr an Bluegrass und Country & Western.

Im benachbarten Zelt 2 spielt als zweiter Programmpunkt gegen 14:30 Uhr Ashley MacIsaac. Er trägt einen grauen Anzug, Krawatte und eine gelbe Baseball-Mütze, die er erst gegen Ende des Konzerts ablegt. Mir fällt auf, dass er die Geige linkshändig hält (beim Ceilidh am Sonntagnachmittag habe ich das noch bei einer weiteren Geigerin gesehen).

Seaquins, Tonder 2008

Icon Movie The Seaquins @ myspacetv.com

Am (elektrischen) Klavier wird er begleitet von Hilda Chiasson-Cormier, die seine Energie einfühlsam aufnimmt und mitträgt. Auch hier erstaunt mich wieder, wie das große Zelt (1100 Sitzplätze) durch zwei bzw. drei Personen musikalisch ausgefüllt wird. Leider haben die beiden nach eigenen Angaben bisher noch keine CD zusammen aufgenommen.

Zwischendurch gibt es eine Harfeneinlage von Phamie Gow. Sie spielt auf einer elektrischen Harfe, die wie eine große keltische Harfe aussieht, meditative Eigenkompositionen mit tiefen Bässen und einer interessanten Technik (sie lässt die Töne kurz klingen und dämpft sie gleich wieder ab). Dass das jeder kann, der Tai Chi macht, wie sie aufmunternd behauptet, ist zu bezweifeln. Weiter geht es mit Strathspeys, Jigs und Reels. Ashleys Experimentierfreudigkeit zeigt sich beim Spiel in hohen Lagen, Tremolo und Nachahmen von Vogelstimmen. Seine energievolle Spielweise kostet ihn das eine oder andere Bogenhaar. Er geht gut auf das Publikum ein und erfüllt als Zugabe einen Zuschauerwunsch („My Cape Breton Home“).

Weiter geht es in Zelt 2 um 15:30 Uhr mit drei etwas punkig gekleideten jungen Frauen und schwungvoller Countrymusic zu Banjo, welches zwischendurch hin und wieder mit einem Dobro vertauscht wurde, Gitarre, Kontrabass und der bereits bekannten Fuß-Percussion. Im weiteren Verlauf wurde die Musik von Baskery etwas rockiger, blieb aber dem mehrstimmigen Harmoniegesang treu.

Wem das offizielle Programm nicht reicht, der begibt sich zwischendurch noch in Hagge’s Pub, wo von 16:00 bis 18:00 Uhr z.B. The Chancers aus Kiel spielen. Hier ist es immer voll und etwas los. Wenn man allerdings etwas Zeit mitbringt und sich erstmal durch den Pfropfen an Neugierigen im Eingangsbereich hindurch gearbeitet hat, findet man mitunter sogar einen Sitzplatz im Inneren. Damit man auch weiß, wer gerade spielt, sind kleine Programmzettel ausgelegt. Tipp für Festival-Neulinge: Zu Beginn des Festivals einen dieser kleinen Programmzettel mitnehmen und ins Programmheft legen. So weiß man immer, wer dort gerade spielt. Oder einfach mal spontan vorbeischauen und Nützliches (z. B. Gulaschsuppe) mit Angenehmem (Musik) verbinden. Achtung: es gibt zwei Bühnen (eine drinnen, eine draußen).

Samstag Abend

Der Soundcheck auf dem Festivalgelände klingt schon vielversprechend. Um gute Plätze zu bekommen, bilden viele Zuschauer bereits eine Stunde vor Konzertbeginn lange Schlangen vor den Veranstaltungsorten, wobei sie es sich auf Bänken bequem gemacht haben und teilweise die Zeit für das Abendessen nutzen. Dieses Szenario erinnert mich stark an die Expo 2000 in Hannover und ich bin froh, dass die Presse sich frei bewegen kann.

Auf alten Plakaten hieß das Tønder-Festival oft „Folk- und Jazz-Festival“.
Altan, Tonder 2008
Altan @ FolkWorld:
FW #2, #3, #8, #14, #22, #29, #31, #31

Icon Sound @ www.amazon.com

Icon Movie Is The Big Man Within, John Doherty's Reels

www.altan.ie
Obwohl jetzt nur noch von einem „Musik-Festival“ die Rede ist, sind die beiden Schwerpunkte doch noch gegenwärtig. Halle 2 ist an diesem Abend ganz dem Jazz gewidmet. Den Anfang macht Neanders Jazzband. Man hatte vorne eine große Tanzfläche gelassen, die bereits beim dritten Stück vollständig gefüllt war. Zu der Tønder-Hymne „Will The Circle Be Unbroken“ passt allerdings der stampfende Rhythmus nicht so gut. Danach betritt die kleine und zierliche, aber stimmgewaltige Sängerin Lillian Boutté die Bühne und heizt der Stimmung weiter ein.

Zu Altan, die als zweiter Programmpunkt im Zelt 1 spielten, braucht eigentlich nichts weiter gesagt zu werden. In stimmungsvolles blaues Licht getaucht, beginnen sie mit einem langsamen Strathspey aus Cape Breton, der in einen schnellen Reel übergeht. Mit solchen Temposteigerungen haben sie das Publikum sofort auf ihrer Seite. Mit zweistimmigem „Twin-Fiddling“ machen sie Druck bei schnellen Tunes, bringen aber genauso überzeugend auch einfühlsame Lieder zu Gehör. Nun waren auch die letzten am Nachmittag noch freien Flächen mit Stühlen gefüllt, so dass damit wahrscheinlich die im Programmheft angebenen 2200 Sitzplätze erreicht waren.

Zwischendurch wird Tim O’Brien auf die Bühne gebeten, der mit der Geigerin gemeinsam ein Lied singt. Trotz der feuchten Abendluft schafft die Band es, ohne Unterbrechungen im Konzertablauf ihre Instrumente gestimmt zu halten. Eine kleine Missstimmung gibt es lediglich, als die Zuschauer von den Stehplätzen neben der Bühne aus lauter Begeisterung immer weiter in die Mitte drängen und damit den Sitzenden die Sicht nehmen, bis ein Ordner ziemlich rabiat einschreitet und sogar das Tanzen im vorderen Bereich verbietet. Doch als beim letzten Stück die Sängerin zum Tanzen auffordert, gibt es kein Halten mehr und alle erheben sich von ihren Sitzen. Als Zugabe gibt es ein gälisches Wiegenlied und weitere instrumental vorgetragene Tanzmelodien, zu denen nochmal Tim O’Brien auf die Bühne geholt und begeistert weiter getanzt wird.

Während es im Zelt 1 mit Eddie Reader nun besinnlicher wird, heizt die Oysterband um 23:00 Uhr im Zelt 2 nochmal richtig ein. Dieses Zelt ist wohl mehr für die jüngere Generation. Dort sind gar keine Stühle mehr zu sehen, die die Begeisterung bremsen könnten. Lediglich ein kleines Kind schafft es, seelenruhig am Rande des Zelts auf einer Decke zu schlafen. Vor dem Zelt wird mit Wasserpumpen und Tankwagen gegen eine großen Pfütze gekämpft, die sich im Laufe des Tages gebildet hatte.

Sonntag Nachmittag

Noch ist der Himmel blau, aber der Wind frischt auf. Die Pfütze vor Zelt 2 ist in der Zwischenzeit ganz verschwunden.
Emily Smith

Emily Smith @ FolkWorld: #24, #27, #31, #36

Icon Movie Bleacher Lassie O' Kelvinhaugh, May Colven,
       Sunset Hymn

www.emilysmith.org
Das Ceilidh beginnt schwungvoll mit allen Musikern auf der Bühne und „Wind Shakes The Barley“, „Wise Maid“ (andere fachkundige Zuschauer behaupten beharrlich, es wäre „Maid Behind The Bar“ gewesen) und anderen flotten Reels im gemütlichen Session-Tempo. Es sind etwa 30 Musiker auf der Bühne (davon etwa 10 Geigen), wobei Ashley MacIsaac mit Phamie Gow die Instrumente tauscht und Harfe spielt, während sie den Geigenpart übernimmt. Danach geht es schwungvoll weiter mit der Band Breabach und zwei Dudelsäcken.

Ein Höhepunkt jagt den nächsten. Es gibt so gut wie keine Umbaupausen und ein mehr oder weniger durchgängiges Programm. Es ist schön, zum Ausklang nochmal eine „Zusammenfassung“ der Bands zu erleben. Ähnlich empfinde ich auch immer beim Abschlusskonzert in Rudolstadt. Dort gibt es allerdings zusätzlich zu Anfang des Festivals noch ein ähnliches Konzert. Das hätte hier allerdings nicht den gleichen Effekt, da man sich bereits im Vorfeld für bestimmte Konzerte entschieden und Karten gekauft hat.

Harald Haugaard spielt zusammen mit vielen weiteren Geigen auch endlich etwas, was ich als Nicht-Däne für „original dänisch“ halte: einen „Hoppsa“ (schneller Paartanz). Ashley MacIsaac (diesmal mit roter Kappe und leger im T-Shirt) eröffnet sein Set durch eine mit Triolen gespickte Hornpipe. Auch die Harfenspielerin Phamie Gow kommt noch einmal zum Zuge. Nach einem weiteren, gemeinsamen Stück überrascht Ashley mit einer Improvisation über das Gewitter aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi, die er mit ein paar Takten Jig abschließt. Auch bei Altan springt er für die Geigerin ein. Mit der Oysterband klingt das Ceilidh aus.

Auch außerhalb der Veranstaltungszelte gibt es unerwartete Highlights. Während man nichtsahnend auf sein Essen wartet, spielen The Chancers aus Kiel nochmal am Verpflegungszelt.

Zusammenfassung

Nachdem ich nur durch gute Freunde auf das Festival aufmerksam wurde und das erste Mal dort war, war ich überrascht, nur wenige aus der deutschen Folkszene bekannte Gesichter dort zu sehen.
Grada, Tonder 2008
Grada @ FolkWorld:
FW #23, #23, #30, #33, #34, #34, #35

Icon Movie @ www.youtube.com

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Vielleicht liegt es daran, dass viele wie ich denken, alles was nicht mehr Deutschland ist, wäre weit weg. Ihnen sei gesagt, dass Tønder der erste Ort gleich hinter der Grenze ist, so dass man auch z. B. noch in Deutschland übernachten und nur tagsüber zum Festival fahren kann.

Allgemein beeindruckt die professionelle und erfahrene Organisation. Alle Wege sind mit Kies bzw. kleinen Steinchen aufgeschüttet, um auch im Falle von matschigem Wetter (was in diesem Jahr zum Glück nicht herrschte) begehbar zu sein. Viele Besucher haben zudem auf ihre Weise vorgesorgt: die typische Festival-Kleidung beinhaltet hohe Stiefel (z. B. Cowboy- oder Gummistiefel), die auch in den Geschäften in großen Mengen angeboten wurden.

Dass in die Veranstaltungsorte keinerlei Getränke mitgenommen werden durften, stieß bei vielen Besuchern auf Unverständnis. Einige Zuschauer kauften sich vor der Veranstaltung noch schnell ein Bier und mussten es dann an den Kontrollposten stehen lassen oder ausgießen. Angenehm empfand ich, dass man nicht bei jedem Getränk Becherpfand bezahlen und dann wieder einlösen musste. Aber dass für ein 0,25l-Getränk jedesmal ein 0,4l-Becher verwendet wurde, erzeugt eine Menge überflüssigen Müll. Vielleicht kann man hier einen sinnvollen Kompromiss finden. Eine Besuchergruppe ließ ihre leeren Bierdosen beim Gang durch die Stadt einfach neben einem Verkehrsschild stehen. Vielleicht meinten sie, eine Massenveranstaltung wird erst reizvoll, wenn man sich durch Müllberge hindurchkämpfen muss? Zum Glück war das nicht der Fall.

Wellies for sale, photo by The Mollies Etwas mehr Internationalität bei Pressekonferenzen und offiziellen Ansagen (z. B. die wichtigsten Informationen nochmal auf Englisch zusammenzufassen) wäre wünschenswert. Von einigen Besuchern wurde hinterher die Lautstärke bemängelt. Wenn man in einem Zelt bei den ruhigen Stücken den hämmernden Bass aus dem Nachbarzelt hört, ist etwas störend. Ob das früher anders war, kann ich allerdings nicht sagen. Ansonsten ein gelungenes Festival, das man durchaus in seine Jahresplanung aufnehmen kann. Ein großer Dank an die Sponsoren und die vielen Helfer, die hinter den Kulissen für einen reibungslosen Ablauf sorgten. Ohne sie wäre ein solches Festival nicht möglich.

Photo Credits: (1) Tønder Logo (by Tønder Festival); (2) Tønder Festival Site; (9) Wellies for Sale (by The Mollies); (3) Breabach, (4) Sierra Noble, (5) Seaquins, (6) Altan, (8) Grada (by Walkin' Tom); (7) Emily Smith (by Adolf „gorhand“ Goriup).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2008

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