FolkWorld Live Review 4/2001: Orginalabdruck ist in der lag folk news.
Nicht zu fassen, nun hat es doch mal geklappt - in den vergangenen Jahren wechselten sich Einladungen und Ablehnungen des Programmrates und unsere Absagen wg. schulischer Aktivitäten ab, aber nun also endlich! Obwohl ... Bernd stand natürlich bis zur letzten Minute bei einer Schulverabschiedung und musste über Hamburg und Leipzig eingeflogen werden, die anderen verteilten sich auf zwei Autos und ab ging es gen Südost.
Nachdem klar war, dass zwei einstündige Auftritte auf uns zukamen, hatte Vater Uhlmann uns noch zwei Mitsingworkshops aufs Auge gedrückt, eine immer wiederkehrende Veranstaltung mit großen Publikumsinteresse. Der Terminplan war also reichlich voll. Das Schmelztiegelprogramm war minutiös festgezurrt worden, Texte extra auswendig gelernt und überflüssige Instrumente gleich zu Hause gelassen. Als Mitsingprogramm hatte ich mutigerweise unsere Hof-Akkerboom-Liederhefte angeboten, die ja bekanntlich nicht viel mit Folk zu tun haben - aber die Festivalleitung ließ sich auch nicht durch deutsche Schlager, Beatles oder andere Hits beirren. "Macht, was ihr wollt" - und das machten wir dann auch. Bis zuletzt wurden Texte ausgewählt und kopiert. Und siehe da, der "Schminkkasten" war an beiden Tagen brechend voll, Stimmung prächtig, und Jung und Alt legte sich begeistert ins Zeug.
Aber der Reihe nach: Am Freitagabend wurde die Unterkunft gefunden, Samstag wartete erstmal Dauerregen auf uns. Das erste Konzert sollte mittags im Heineparkzelt sein. Rechtzeitig zum Soundcheck traf per Taxi Bernd ein und, oh Wunder, langsam näherte sich das Publikum, und nachdem ich die letzten Gummistiefel des Ortes mit Schirm gekauft hatte, hörte auch der Regen auf. Sogar einige treue Fans aus Schleswig-Holstein waren im Publikum, und wir brachten unseren Auftritt ordentlich über die Bühne. Zwischen unseren Auftritten entkamen immer mal einige Bandmitglieder und versuchten, Eindrücke vom Treiben um uns herum zu sammeln - schnell ein Blick in die Gasse der Instrumentenbauer, ein Ohr auf die Straßenmusik, T-shirts kaufen, Bekannte begrüßen, CDs durchkämmen und schnell weiter zum nächsten Soundcheck. Die Gassen der abgeriegelten Innenstadt waren voller Folkfans jeden Alters, mit wetterfester Kleidung, Rucksack und zum Äußersten entschlossen.
Der zweite Auftritt für uns war am Rande der Innenstadt, und nach mehreren Einkreisungsversuchen mit unseren Fahrzeugen gelangten wir schließlich zur Bühne, mit charmanter Hinterhofatmosphäre, sehr hautnah mit dem Publikum. Die Leute vom Soundcheck schienen nach 10 Stunden Programm schon etwas am Ende mit den Nerven zu sein - und dann noch unser Sammelsurium von Instrumenten! Na ja, schließlich holten wir mit Hilfe des Publikums den Ansager auf die Bühne und los ging's. Um 23 Uhr dann Schluss, an diesem Tag hatten wir schon drei Auftritte hinter uns. Schnell noch ein Bad in der Menge und versucht, etwas vom Festivalprogramm mitzubekommen.
Während wir im Cateringzelt etwas Nahrung zu uns nehmen konnten, drangen schon merkwürdige Töne an unsere Ohren, es klang wie der neuseeländische Rugbyhaka, mit dem nach maorischer Art die Gegner durch grobe rhythmische Rufe eingeschüchtert werden sollen; wir also raus: auf der Bühne war der finnische Chor der Brüllenden Männer, die gerade versuchten, ihrem Dirigenten die Haare vom Kopf zu brüllen - pardon, singen. Sehr eindrucksvoll: "Freunde, nicht diese Töne, sondern andere Töne" mit finnischem Akzent.
Etwas weiter dann Lecker Sachen aus Köln - Kultband für Folkhiphopper (gibt es das überhaupt?) - schon, na gut, vielleicht kommen wir ja so zum Nachwuchs. Dann ein paar Minuten Cubanisch oder tschechisch, Südseefolkpop oder Balkangeigen, und überall eine tanzende Menge vor den Bühnen. Zwei von uns schleppten sich noch auf die Heidecksburg hoch über der Stadt und wussten von einer baskischen Dudelsackspielerin zu berichten. Im Tanzzelt Jo Meyers Tanzkapelle mit Tanzmeister und ebenso die Italiener B.E.V. Leider gehören wir eher zu den Nichttänzern, also weiter - noch etwas Afrikanisches aus Burundi (wenn man nur eine Trommel dabei hätte!) oder ein paar Takte junge polnische Folkmusik - langsam vermischt sich alles, hier noch 'ne Wurst, da noch ein Bier bzw. Saft! Irgendwann möchte man dann doch ins Bett. Vielleicht findet man ja noch eine CD.
Am Sonntag dann nochmal unser Mitsingen; danach zum MDR in eine Livesendung, husch husch aufgebaut, Interview - Martin Carthy wartete schon als nächster - und schnell auf die Autobahn. In der restlichen Livesendung (übers Autoradio) bekamen wir immerhin die Preisträger des Folkförderpreises zu hören. Dort hörten wir auch die Konzerte zum Thema 'Stimme' oder 'England' als Schwerpunkt; zu Waterson:Carthy hatten wir angestanden, immerhin! Aber leider aus-verkauft. Erst zu Hause angekommen, konnten wir im Fernsehen weitere Eindrücke sammeln. Was hätte man alles sehen können und müssen! Den Rest gab es dann in einer dicken Pressemappe. Eigentlich haben wir uns wie auf einem großen Jahrmarkt der sogenannten Weltmusik gefühlt, nur schade, dass wir kaum Zeit hatten, in einem der Karussells mitzufahren. Etwas weniger an Programm wäre sicher ratsam, aber schön war's doch!
Übrigens: Das nächste Tanz- und Folkfest in Rudolstadt findet am ersten Wochenende im Juli statt (6. - 8. Juli 2001).
Weitere Infos auf der hompage von Rudolstadt
Photo Credit:
(1) Schmelztiegel, Pressefoto; (2 & 3) by The Mollis: (2) TFF Rudolstadt 2000, (3) Junge Polnische Folkmusik mit 'Kapela ze wsi Warzsawa', Rudolstadt Festival 2000
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Zum Inhalt des FolkWorld online magazins Nr. 18
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