FolkWorld #81 11/2023
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Folk & Folktronic Finland

Frigg: Mit Volldampf in die dritte Dekade Bandgeschichte!

Frigg

Artist Video Frigg @ FROG

www.frigg.fi

Nach 20 Jahren, zehn Alben, mehr als tausend Gigs in dreißig Ländern weltweit und zigtausend zurückgelegten Tour-Kilometern brennt in Frigg immer noch dieselbe Leidenschaft wie in den Anfangstagen. Das finnische Septett überzeugt sein Publikum seit dem selbstbetitelten Debütalbum aus dem Jahr 2002 mit einer unwiderstehlichen Mischung aus Irish Folk, keltischen Klängen, amerikanischen Bluegrass-Einflüssen und energetischen Polka-Elementen. Bekannt sind Frigg vor allem durch ihren charakteristischen Geigensound. Die Musiker bezeichnen ihren Stil gerne als „Nordgrass“. Live bringen Frigg das Publikum in Minutenschnelle zum Mittanzen. Kein Wunder, wenn vier Geigen rasend schnell spielen und durch Gitarre, Mandoline und Kontrabass verstärkt werden! Frigg zählen heute zu den erfolgreichsten Bands der skandinavischen Folkszene. Das Album „Polka V“ wurde im Jahr 2012 zum finnischen Folk-Album des Jahres gekürt und für den renommierten finnischen Teosto-Preis nominiert.

Frigg

Frigg "Perintö-Heritage", Nordic Notes, 2023

Das neue Album „Perintö-Heritage“ besteht aus traditionellen Volksliedern aus verschiedenen Teilen Finnlands. Frei nach dem Motto: viel Altes, ein wenig Neues und genau die richtige Portion Gefühl! „Frigg erzählen hier die Geschichte der finnischen Folk-Musik von ihrer besten Seite“, lobt die finnische Fachpresse. Das Ensemble nähert sich den Melodien aus verschiedenen Teilen Finnlands auf einzigartige und individuelle Weise an: Einige Songs funkeln durch putzmuntere Verspieltheit, in anderen stehen rhythmische Elemente im Mittelpunkt. Polkas, Walzer und andere Tanzmelodien sind teils für die ganze Band, teils für kleinere Gruppen arrangiert. Selbst bei scheinbar simplen Songs beweisen Frigg ein echtes Händchen für kunstvolle Arrangements.

Paradebeispiel hierfür: Der muntere Walzer „Palokankaan Poikien Parempi Valssi“ aus dem westfinnischen Kaustinen eröffnet das Album. Dieser Walzer gehört zum Standardrepertoire jedes lokalen Fiedlers in der für seine lebendige Folkszene bekannten Region. Übersetzt heißt der Track „Der bessere Walzer der Palokangas-Jungs“ und erinnert an musikalische Brüder aus dem Haus der Palokangas im Dorf Tastula nahe Kaustinen. Besonders beliebt war einer der Brüder, Kalle Tastula (1870-1936), der neben seiner Arbeit als Schuhmacher auch ein versierter Geigenspieler war und auf vielen Hochzeiten in Kaustinen und Umgebung spielte.

Frigg spielen heute in der Besetzung Tommi Asplund (Geige), Tero Hyväluoma (Geige), Alina Järvelä (Geige), Esko Järvelä (Geige und Harmonium), Juho Kivivuori (Bass), Topi Korhonen (Gitarre) und Petri Prauda (Mandoline).



Emilia Lajunen: Die finnische Folk-Violinistin Emilia Lajunen hat sich auf ihrem Soloalbum „Legacy of the Dead: Deep in the Dregs“ viel vorgenommen...

Sie will ein ganzes Dorf voller leidenschaftlicher Fiddler aus den Archiven auferstehen lassen! Dabei verbindet sie die uralte Kunst der finnischen Fiddler mit ihrem eigenen, unverwechselbaren Spiel. Weitere Akzente entstehen aus der engen Kooperation mit dem Elektronik-Soundtüftler Eero Grundström, mit dem die Musikerin bereits seit 20 Jahren zusammenarbeitet.

Emilia Lajunen

Artist Video Emilia Lajunen @ FROG

www.emilialajunen.fi

Die beiden Titelsongs stammen von zwei legendären, längst verstorbenen finnischen Fiddlern, Jalmari Siiriäinen und Juho Laitila. „Das Erbe der Toten ist der Bodensatz der Volksmusik, der auch dann bleibt, wenn heutige Interpreten etwas Neues erschaffen. Der Bodensatz der Volksmusik, die einzigartigen Spielweisen, die Geschichten und Schicksale, die in den Archiven ruhen, all das ist für mich wichtig“, sagt die Musikerin zum Hintergrund des Albums. „Früher lebten die Menschen langsam und schwelgten in stiller Verzückung. Ihre Musik erreicht das Hier und Heute durch Jahrhunderte vergessener Erzählungen. Wegen dieser großen Entfernung müssen wir dieser Musik unsere Phantasie und vor allem unsere Zeit schenken“, empfiehlt Emilia Lajunen.

Sie verbindet auf ihrem Album die aus den Archiven gehobenen historischen Aufnahme mit Tanz, Bewegung und Spiel, um ganz neue Töne zu erzeugen. Entstanden sind die Albumtracks für Lajunens Bühnenprojekte. „Es war ein langer, interessanter und neuartiger Weg“, blickt die Musikerin zurück. Und obwohl hier der Fokus auf der Tradition liegt, entpuppte sich das Projekt bei den Konzerten in der Sibelius Akademie in Helsinki als experimentell und kreativ. „Meine Kombination aus Tanz, Musik, persönlicher Kreativität und Tradition ist derjenigen der alten finnischen Fiddler sehr ähnlich“, blickt Emilia Lajunen zurück. Der finnische Choreographin Marjo Kuusela, eine zentrale Figur des zeitgenössischen Tanzes, hatte zudem großen Einfluss auf ihre Projekte, betont die Musikerin.

Emilia Lajunen

Artist Audio Emilia Lajunen "Vainaan perua: Satavuotinen sakka", Nordic Notes, 2023

„Natürlich erscheinen Eeros Electronics und Synthesizer-Sounds auf dem Album sehr modern. Aber wie man hoffentlich hört, will Eero immer, dass alles sehr analog und natürlich klingt. Alle Beats und Rhythmen auf dem Album kommen direkt aus seinen Bewegungen, nicht aus Maschinen! Die Art und Weise, wie Eero neue Instrumente und Klänge kreiert, und die Tatsache, dass es auf der Bühne eine riesige Menge an buntem, chaotischem Kabelsalat gab, wirkten auf mich sehr traditionell und sogar ländlich“, erläutert die Musikerin.

Zufälligerweise feiert der finnische Volksmusikverband im Jahr 2023 ein Themenjahr mit dem Titel „Arkistojen Äärellä" (In den Archiven). „Das passt! Ich arbeite schon seit vielen Jahren in den Archiven, sie sind für mich eine natürliche Quelle der Kreativität“, betont Lajunen. Für Volksmusikexperten ist es aus ihrer Sicht interessant, dass sich die Musik auf ihrem Album zwischen zwei verschiedenen finnischen Traditionen bewegt: Dem archaischen, minimalistischem „Runo"-Gesang aus der Kalevala-Tradition, der hauptsächlich aus Ostfinnland stammt. Und der tanzaffinen, internationaleren Geigenmusik „Pelimannimusiikki“ des 19. Jahrhunderts, die hauptsächlich aus westlichen oder zentralen Teilen Finnlands stammt.

Emilia Lajunen ist nicht nur als Solomusikerin aktiv, sondern hat schon mit vielen finnischen Folkmusikern zusammengearbeitet. Sie hat als Teil eines Duos ein Album mit der Fiddlerin Suvi Oskala veröffentlicht. Zudem ist sie mit Eero Grundström als Teil des Duos Juuri & Juuri aktiv und ebenso bei Ritva Nero.



Emmi Kuittinen: Wo ist der Kummer geboren?

Emmi Kuittinen

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Diese Frage stellt sich die finnische Folkmusikerin, Sängerin und Multi-Instrumentalistin Emmi Kuittinen im Titelstück ihres Debütalbums „Surun Synty“ (übersetzt: Die Geburt des Kummers). In der karelischen und finnischen Beschwörungs-Tradition liegt eine große Kraft darin, generell vom Ursprung einer Sache zu wissen. Kuittinen hat ihre ganz eigene Idee entwickelt: Wer die Geburt des Kummers kennt, kann diesen auch beherrschen. Dann kann der Kummer verschwinden, oder er verändert sich zumindest. Auf „Surun Synty“ finden sich alte finnische Runenlieder ebenso wie traditionelle Klagelieder und moderne Schlager. Neben Emmis eigenen Kompositionen und Texten sind auch Klänge aus Karelien, Ingermanland, Finnland und Schweden zu hören. „Ich wollte die Natur des Kummers in unserer Musiktradition erforschen und ausloten, wie unterschiedlich die Melancholie klingen kann”, erzählt Emmi zum Hintergrund des Albums. Und so erinnern wir uns hier gemeinsam mit der Musikerin an unbeschwerte Jugendtage, marschieren im Takt der Trauer oder sehnen uns nach geliebten Menschen.

Wer nun ein sehr melancholisches und düsteres Album erwartet, liegt völlig falsch: Denn der Longplayer startet mit dem beschwingten „Hyvä Ol“ (Es war gut), in dem man sich an glückliche Jugendtage erinnert. Der Track „Kuin Muistuu Mieleheni“ (Wenn ich mich erinnere) stammt aus dem 19. Jahrhundert und gehört seit vielen Jahren zu Emmis Repertoire. Plötzlich wurde er im vergangenen Frühjahr nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine sehr aktuell, denn er erzählt von der Sehnsucht nach der fernen Heimat und der Familie dort.

Emmi Kuittinen

Artist Audio Emmi Kuittinen "Surun Synty", Nordic Notes, 2023

„Kurja Kyynelikko“ (Unglücklich und in Tränen) hat einen Klagetext, der von einem Mädchen erzählt, das sich nach seinem Bräutigam sehnt, der weit weg ist. Das gemütvolle , von Geigen- und Harmonium-Klängen umschmeichelte „Niin Aikaisin“ (So früh) beschreibt das Unterwegssein an einen schönen Sommermorgen. Eine ganz neue Perspektive auf Spaziergänge in der Natur bietet das balladige Lied „Rentun Ruusu“ (Die Rosen des Landstreichers), das ein berühmter finnischer Schlager ist. Es handelt von einem Alkoholiker, der seine Versprechen bricht, aber ein Weideröschen (also die Rose des Landstreichers!) mit nach Hause bringt, das er im Straßengraben gepflückt hat. Das letzte Stück „Kaiho“ (Die Sehnsucht) ist eine Mischung aus einem Volks- und Klagelied. Es wurde in einem Wald aufgenommen und wird von Vögeln begleitet. Die Melodie hat eine für Klagelieder typische Abwärtsbewegung. Traditionell wurden die Klagelieder solo und nur mit Gesang vorgetragen. In diesem Stück erklingt die Klage zum Klang der Flöte. Die Musikerin sehnt sich nach den geliebten Menschen, die bereits ins Jenseits gegangen sind, und bittet die Vögel, zu ihnen zu gehen und ihnen ihre Grüße zu überbringen

Emmi Kuittinen ist eine Folkmusikerin, Sängerin und Songschreiberin, die sich auf die Musik von Karelien und Ingermanland sowie auf Klagelieder spezialisiert hat. Emmi konzentriert sich auf den Gesang, aber sie spielt auch Keyboard, Akkordeon, Ukulele und das finnisch-karelisch Instrument Kantele. Die Musikerin lebt in Helsinki, aber ihre Wurzeln liegen im westlichen und östlichen Teil Finnlands und in Karelien gleichermaßen. Sie tritt sowohl solo als auch mit Bands auf und hat in der Vergangenheit interdisziplinäre Performances mit Tänzern und Zirkusakrobaten initiiert. Außerdem gibt sie in Finnland regelmäßig Kurse für Klagegesang.

Emmi hat einen Master-Abschluss in Musik und Musikpädagogik erlangt und eine spezielle Ausbildung zur Gemeindemusikerin absolviert, mit Schwerpunkt auf dem Musizieren in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Auf „Surun Synty“ arbeitet Emmi Kuittinen mit Antti Rask (Gesang, Ukulele, Cello), Mimmi Laaksonen (Blasinstrumente, Harmonium, Gesang) und Kirsi Vinkki (Fiedel, Jouhikko/Bogenleier und Gesang) zusammen.

Jenni Venäiläinen: Uralte Tanzmelodien und moderne Partymusik zusammenbringen, funktioniert das?

Und wie das funktioniert! Die finnische Kantele-Spielerin Jenni Venäiläinen hat die „Melkutus Party“ ins Leben gerufen, um den Beweis anzutreten: Zu traditionellen Klängen aus den Archiven tanzten die Menschen vor hundert Jahren, warum sollte das also heute nicht mehr funktionieren? Jenni Venäläinen hat sich auf ihrem Debütalbum viel vorgenomme: Sie kreiert ihre ganz eigene Party-Musik auf der finnischen Kastenzither Kantele. Hier passen elektronische Beats bestens zu den Maanitus-, Melkutus- und Ripatska-Melodien, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in vielen finnischen Dörfern bei den Festen zu hören waren.

Jenni Venäiläinen

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www.jennivenalainen.com

Jenni Venäläinen spielt meist auf einer 19-saitigen Kantele. Im Track „Širgo“ verwendet sie eine Kantele mit zehn Saiten und Holzwirbeln. In „Melkutus“ kommt ein ganz besonders Instrument zum Einsatz: Die seltene Nowgoroder Leier-Kantele: Ein Instrument mit neun Nylonsaiten, das nach einem archäologischen Fund dieses Instruments aus dem Staat Nowgorod im Mittelalter gebaut wurde. Zudem ist die Musikerin auf ihrem Debütalbum auch als Sängerin zu hören.

Jenni Venäläinen ist eine vielseitige finnische Kantele-Spielerin, Komponistin und Absolventin der renommierten Sibelius-Akademie in Helsinki. Sie hat sich auf Improvisation, nordische Volksmusik und insbesondere die Kantele-Tradition aus Karelien spezialisiert. Diese Region, die heute sowohl zu Finnland als auch zu Russland gehört, ist die Heimat ihres Großvaters. In dieser Tradition werden kleine Themen endlos variiert. Auf dem Album entstehen süchtig machende polyrhythmische Muster, die der modernen elektronischen Tanzmusik durchaus verwandt sind!

Jenni Venäiläinen

Artist Audio Jenni Venäiläinen "Melkutus Party", Nordic Notes, 2023

Das Album „Melkutus Party“ wurde von Jenni Venäläinen und ihrem Co-Komponisten, Arrangeur und Produzenten Antti Elias Huuskonen aufgenommen. Gemeinsam sind sie tief in die hypnotische Mischung aus Tradition und Elektronik eingetaucht. Die Tracks „Juhlat“ (die Party) und „Pläššimizeh Soitanda“ (zum Tanz aufspielen) sind in Zusammenarbeit mit den beiden Klangkünstlern Janne Storm und Miro Mantere entstanden. Die Mehrzahl der Stücke ist traditionell und nach den Kantele-Spielern benannt, die diese Melodien gesammelt haben. Es finden sich aber auch Eigenkompositionen, bei denen sich die Musikerin von Klanglandschaft und der rhythmischen Welt der alten Tradition finnischer Tanzmusik inspirieren lässt.

Jenni ist fasziniert vom reichen Klang der Kantele, von den fesselnden Geschichten aus den Archiven und von den starken Gefühlen, die das Leben bereithält. Eine dieser Geschichten wird in „Melkutus“ dargestellt. Das dazugehörige Musikvideo wurde von Geschichten inspiriert, die sie in finnischen Literaturarchiven fand. In diesen Geschichten wurde erzählt, dass der Melkutus-Tanz mehrere Tage und Nächte lang getanzt wurde, manchmal sogar bis zum Tod des Tänzers. Teufels- oder Pferdebeine wurden unter den Tänzern gesichtet. Diese Geschichten ähneln dem Phänomen des „Tanzwahns“ in Mitteleuropa, der zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert zu beobachten war. Die Protagonistin des Videos versucht, ihren quälenden Gedanken durch Tanzen und Feiern zu entkommen, muss sich aber schließlich doch ihrem Gegner stellen. Das Video wurde bereits auf internationalen Film- und Musikvideofestivals mit Preisen ausgezeichnet.

Sähköpaimen: Eigenwillige Geschichten und seltsame Klänge aus der Twilight Zone.

Archaik trifft auf Elektronik: Sähköpaimen, das finnische Trio um den Synthesizer-Spezialisten Eero Grundström, bürstet traditionelle Folkmusik aus Finnland, Karelien und der historischen Region Ingermanland rund um Sankt Petersburg gehörig gegen den Strich. Die Band bringt Gegensätzliches zusammen: Tradition trifft auf moderne Sounds, Organisches verschmilzt mit Elektrischem, Improvisation geht auf Kollisionskurs mit rhythmischen Beats. Übersetzt aus dem Finnischen bedeutet Sähköpaimen „elektrischer Hirte“ oder „elektrischer Zaun“. Trotz ihrer Unterschiede sind archaische und elektronische Musik Seelenverwandte: Sie teilen eine Vorliebe für Minimalismus und für die Kunst der ständig wechselnden Variationen. Ihre gemeinsame Lötstelle ist Sähköpaimen.

Sähköpaimen

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Das zweite Album „Hämära“ (übersetzt Dämmerung oder Zwielicht) lässt sich vom schattenhaften Moment zwischen Licht und Dunkel, Neuem und Altem inspirieren. Sähköpaimen erzählen eigenwillige Volksmärchen und erschaffen seltsame Sounds aus den Grenzgebieten der Dämmerung. Die Dämmerung (die in Finnland sehr lang ist!), spielt in dem nordischen Land eine wichtige Rolle: Familien und Freunde sitzen zusammen, um Geschichten und Lieder von einer Generation an die andere weiterzugeben. Um die mit der Dämmerung verbundene Tradition besser zu verstehen, haben Sähköpaimen in den Archiven der Finnischen Literaturgesellschaft gestöbert und sind insbesondere in der Sammlung „Suomen Kansan Vanhat Runot“ (Die alten Lieder des finnischen Volkes) fündig geworden, die auch karelische und ingrische Volksdichtungen enthält.

Sähköpaimen

Artist Audio Sähköpaimen "Hämära", Nordic Notes, 2023

Auf „Hämärä“ ist im Song „Jyrinpäivä“ der Dorfchor Li Magnoutou dabei, dessen Mitglieder Franco-Provençal sprechen, eine italienische Minderheitensprach. Ihre piemontesischen Zaubersprüche, Viehrufe und traditionellen Lieder verschmelzen mit der Musik von Sähköpaimen und werden zu einer Brücke zwischen den verschiedenen Regionen Europas. Auch die Geräusche der lokalen Kühe und ihrer bimmelnden Glocken sind zu hören: Man kann sogar eine besonders muntere Kuh ausmachen, die das Aufnahmemikrofon ableckt! Die finnnische Roma-Sängerin Hilja Grönfors ist im Lied „Koivumetsä“ (Birkenwald) dabei: Karelischen Tanzmelodien und der Roma-Tradition begegnen sich im abendlichen Wald, wo sich Liebende heimlich treffen. Die Stimme der französisch-provenzalischen Folksängerin Gigi Ubaudi verwandelt den Song „Tuli Tuli Painajainen“ (Feuer, Feuer, Alptraum) vom wilden Hexensabbat in ein sanftes Wiegenlied.

Uralte Blasinstrumente wie Hirtenpfeifen, Holzhörner und die Klarinette Liru bringen eine ganz eigene Farbe in den Sound der Band. Die Musik, die von Hirten gespielt wurde, war früher jedem vertraut und gehörte zum Dorfleben. Mit dem Verschwinden dieser Kultur ist Hirtenmusik kaum noch zu hören. Die archaischen Klänge überzeugen auch heute noch durch ihre Ausdrucksstärke.

Die Beats und Loops von Sähköpaimen klingen irgendwie vertraut, aber dennoch fremd. Sie spielen mit der Vorstellung, wie elektronische Musik klingen würde, wenn sie nicht auf heutigen Sounds, sondern auf der karelischen Kantele- und Jouhikko-Tradition (einer Art Bogenharfe) basieren würde. Und was wäre passiert, wenn ein Laptop und ein Sequenzer bei einer Dorfhochzeit in der Region Suistamo im Jahr 1864 zum Einsatz gekommen wären?

Sähköpaimen besteht aus Eero Grundström an den Synthesizern, Amanda Kauranne ist für Vocals, Maultrommel und Looping verantwortlich, während Kirsi Ojala mit Blasinstrumenten und Maultrommel musiziert und singt. Die Bandmitglieder sind allesamt alle Absolventen der Volksmusikabteilung der renommierten Sibelius-Akademie in Helsinki spielen in verschiedenen finnischen Folk-Ensembles wie Sväng, Suistamon Sähkö, Wind on Wind, Tuultenpesä, Emmi Kuittinen & Ikuisen Ikävän Orkesteri.



Pekko Käppi & K:K:H:L: Fast könnte man auf die Idee kommen, dass die Finnen schon vor hunderten von Jahren Rock und Blues zelebriert haben, wenn man Pekko Käppi lauscht.

Pekko Käppi

Artist Video Pekko Käppi @ FROG

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Denn der Teufelskerl aus Tampere spielt seine teils elektrifizierte finnisch-karelische Leier Jouhikko mit solcher Leidenschaft, dass man sich mitunter auf dem legendären Tuska-Festival in Helsinki wähnen könnte! Seine musikalischen Mitstreiter K:H:H:L (was übersetzt so viel heißt wie „die Knochen des toten, verrückten Pferdes“) stehen ihm hier in nichts nach. Aber der Reihe nach: Pekko Käppi hat in Finnland maßgeblich zur Renaissance der fast schon vergessenen Jouhikko beigetragen. Gemeinsam mit seinen als Querköpfen bekannten Mitmusikern Nuuti Vaapaavuori am Bass, Tommi Laine an der Gitarre und Gilbert Kuppusami an den Drums taucht Pekko Käppi kopfüber in die heidnische finnische Vergangenheit ein. Er beweist, dass die archaischen Klänge bestens mit rauem Südstaaten-Blues und kernigem Rock harmonieren. Als GastsängerInnen sind auf „Credo“ Laura Moisio und Kielo Kärkkäinen mit dabei. Den eigenen Stil beschreibt die Band treffend als „Scandinavian Voodo“.

Dass Pekka Käppi früher in einer Rockband gespielt hat, erstaunt nicht wirklich. Sein Jouhikko-Spiel ist eine schmutzige, schweißtreibende Angelegenheit. Uralte finnische Flüche spielen in seinen Songs eine maßgebliche Rolle, wenn der Meister in die sommerlichen finnischen Sümpfe abtaucht. Bei meinem Blut, Mama: Diese Truppe würde in Wacken nicht als Außenseiter auffallen! Der junge Pekko hatte das Glück, als Austauschstudent in den USA sein ganz eigenes Erweckungserlebnis zu haben: Er sah die Grateful Dead live! Dass Jerry Garcia in seinen Arrangements auch Folk-Elemente verwendet, hinterließ bei dem Finnen einen nachhaltigen Eindruck.

Pekko Käppi & K:K:H:L

Pekko Käppi & K:K:H:L "Credo", Nordic Notes, 2023

„Credo“ ist bereits das fünfte Album von Pekko Käppi & K:H:H:L. Eigentlich hatte die Band nicht vor, so zügig mit neuen Aufnahmen zu beginnen. Aber im April 2022 erhielt Pekko die Nachricht, dass das legendäre, vollständig analoge Musikstudio „The Sound of JJ“ in Tampere schließen würde. Der Besitzer Juuso Nordlund hatte das Studio im Jahr 1980 gegründet und hunderte wichtiger Alben der finnischen Musikgeschichte hier aufgenommen.

Sofort buchte Pekko zwei Tage im Studio und trommelte seine treuen musikalischen Mitstreiter K:H:H:L zusammen. Sie hatten keinen Plan, aber ein Ziel: Die Handwerkskunst der analogen Aufnahme in ihrer schönsten Form zu erleben! Sie stimmten ihre Instrumente, und nach acht Stunden hatten sie neun Songs aufgenommen. Den zweiten Tag verbrachten sie mit Kaffeetrinken und bewunderten gebannt den Abmisch-Prozess.

Bei „Credo“ geht es vor allem darum, den flüchtigen Moment einzufangen. In die neun Songs sind zahlreiche musikalische Traditionen aus Finnland eingeflossen. Und die Impulse, die der auf Mauritius lebende Schlagzeuger Gilbert Kuppusami mitbrachte. Es geht aber auch um den analogen Prozess der Musikaufnahme. Fun fact: Das Album enthält mit „Melanz Kiltir“ en ersten finnischen Folk-Rock-Song, der in mauritischem Kreol gesungen wird! Zudem sind hier zwei Songs vertreten, die auf dem Repertoire des legendären finnischen Folksängers Taavi Uutela (1883 bis 1969) basieren. „In your face, artificial Intelligence!“, bringt Pekko die Dinge auf den Punkt. Und was bedeutet der Titel des Albums? Das können die Hörerinne und Hörer selbst entscheiden, sagt die Band. Aber der Titel hat auch mit der finnischen Redewendung zu tun: „Was bleibt, wenn nicht mehr viel übrig ist?“


Maija Kauhanen gewinnt den Nordic Council Music Prize 2023

Die finnische Folkmusikerin, Singer-Songwriterin und Kantele-Künstlerin Maija Kauhanen hat den Musikpreis des Nordischen Rates 2023 gewonnen. Kauhanen ist eine starke und vielseitige Musikerin, die eine beeindruckende internationale Karriere gemacht hat. Kauhanen erhielt den Preis am Dienstagabend bei einer Preisverleihung in der norwegischen Oper & Ballett in Oslo. Die samische Musikerin Kajsa Balto überreichte den Preis. Die Gewinnerin erhielt außerdem die Nordlys-Statuette und 300.000 DKK.

In der Begründung der Jury heißt es: “Die Folkmusikerin, Singer-Songwriterin und Kantele-Spielerin Maija Kauhanen ist ein explosiv starkes, vielseitiges Ein-Frau-Orchester, das in kurzer Zeit eine beeindruckende internationale Karriere hingelegt hat. Kauhanen ist vor allem als Multiinstrumentalistin bekannt, die live als Ein-Frau-Orchester auftritt. Auf der Bühne kann man gleichzeitig ein wildes Kantele-Spiel, kraftvolle Gesangsausdrücke und ein Schlagzeug-Arsenal hören, das aus Dutzenden von Instrumenten besteht, von Zimbeln über Glocken und Schalen bis hin zu verschiedenen Gefäßen. Kauhanen beherrscht alles auf einmal und variiert und improvisiert das Ganze immer wieder mit unglaublichem Geschick. Das Ergebnis dieser Verschmelzung verschiedener Epochen, Techniken und Stile ist ein kraftvolles Spektakel, das das Publikum überall verzaubert.”

Das Komitee schreibt auch, dass “die Geschichten und Worte der Sängerinnen, in denen es oft um das Schicksal der Frauen in verschiedenen Epochen geht, eine wichtige Rolle in Kauhanens kraftvoller Interpretation spielen. Auch die alten Volkslieder werden gekonnt in die Gegenwart gestellt. Obwohl die oft feministischen Texte von Herausforderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen, häuslicher Gewalt und Angst handeln, gibt es auch Raum für Freude, Trost und Hoffnung.”

Der Musikpreis des Nordischen Rates wurde 1965 zum ersten Mal verliehen und würdigt die Schaffung und Aufführung von Musik auf hohem künstlerischen Niveau. Der Preis wird abwechselnd in einem Jahr an ein Werk eines lebenden Komponisten und, wie in diesem Jahr, an ein Ensemble oder einen Künstler verliehen. Insgesamt waren 13 Künstler, Gruppen und Ensembles für den diesjährigen Musikpreis nominiert.


Womex Label Award 2023: Jedes Jahr wird der Womex Award auch für Labels verliehen. Nordic Notes hat zusammen mit CPL-Music eine Platzierung unter den Top 20 erreicht. Vielen Dank an alle Künstler*innen, Partner, den Leuten von den Worldmusiccharts Europe und Transglobal Worldmusiccharts



Photo Credits: (1) Frigg (Walkin' Tom); (2) Emilia Lajunen, (3) Emmi Kuittinen, (4) Jenni Venäiläinen, (5) Sähköpaimen, (6) Pekko Käppi, (7) Maija Kauhanen (unknown/website).

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