Issue 8 2/99

FolkWorld Szene von Innen:

Deutsche Traditionen in Amerika

Drawing by Annegret Haensel Vor einiger Zeit erhielt FolkWorld eine CD aus Amerika - mit deutscher Volks- bzw. Folkmusik. Die Sterndreher heißt das Trio, und "Die blaue Blume - German Folk Songs" die CD. Und auf diesem Album finden sich insgesamt 24 deutsche Volkslieder wieder, allesamt von der Instrumentierung (guitar, violin, flute etc) her folkig arrangiert. Der Gesang ist zumeist dreistimmig in akzentlosem Hochdeutsch; stilistisch geht es in Richtung gemischter, kleiner Chor. Insgesamt klingt es alles durchaus nett - wobei die Auswahl der Lieder zum Teil eben doch bei einem deutschen Jugendlichen gemischte Gefühle hervorruft. Es finden sich all jene Lieder wieder, die man in der Schule gelernt und gesungen hat - mit sehr zwiespältiger Begeisterung... einige Beispiele an Liedern: 'Nun will der Lenz uns grüßen', 'Hejo spann den Wagen an', 'Horch was kommt von draussen', 'Die Gedanken sind frei' oder 'Der Mond ist aufgegangen'.

Nun, die CD hat FolkWorld's Interesse an den Hintergründen dieser CD geweckt - wie sieht es mit deutschen Communities und Traditionen in Amerika aus? Deswegen dieses Mal in der FolkWorld Szene von Innen das Ergebnis eines Online Interview mit Adi Pieper von den Sterndrehern aus Amerika.

Nebenbei bemerkt: Die Sterndreher sind noch auf der Suche nach einem geeigneten Label für ihre CD. Falls denn ein Label mit Interesse an deutschen Volksliedern fernab von Musikantenstadl und Co. hat, melde es sich bitte bei Klaus Pieper!


Wie drei Deutsche fernab von ihrer Heimat die Lieder ihrer Kindheit wiederentdecken

Von Adi Pieper

Santa Fe ist eine Stadt in der sich viele unterschiedliche Kulturen treffen. Es gibt hier eine relativ große Zahl Deutscher, aber nur sehr wenige sind irgendwie organisiert. Es gibt einen deutschen Klub, der sich regelmäßig trifft, zu dem wir aber kaum Verbindung haben.

Wir - die Sterndreher - sind drei Musiker im Alter von 35 bis 50 Jahren. Alle drei sind erste Generation Deutsche in den USA. Alle leben seit 10 bzw. 16 Jahren in den USA. Unsere Familien (Eltern) leben in Deutschland. Wir sprechen untereinander Deutsch, aber im täglichen Leben meistens Englisch.
Da wir in Deutschland aufgewachsen sind, wurden wir mit den deutschen Volksliedern schon in der Kindheit vertraut gemacht. Jedoch hat keiner von uns seit Abschluß der Schulzeit irgendwelche Volkslieder gesungen. Wir sind ja ursprünglich ausgezogen, um neue Kulturen zu entdecken und waren daher nicht mehr so sehr an unserer eingenen interessiert. Es war auch sozusagen nicht mehr „in", deutsche Volkslieder zu singen.

Zeichnung von Annegret Haensel Es gibt hier ein deutsches Restaurant, Renate´s Restaurant, in dem wir regelmäßig auftreten. Alles begann vor etwa drei Jahren, als Renate ein Oktoberfest plante und die Idee aufkam, einige Volkslieder zur Unterhaltung vorzutragen. Irgend jemand fand ein altes Liederbuch und wir setzten uns zusammen und sangen mit Gitarrenbegleitung, was immer uns bekannt vorkam. Dabei entdeckten wir, daß wir zum einen große Widerstände hatten, „die alten Schnulzen" zu singen, zum anderen aber auch viel Spaß und nette Erinnerungen.
Das Publikum war jedoch begeistert und so wurden wir gefragt, wann wir wieder auftreten würden. So entstand unsere Gruppe, die sich seitdem mehrmals gewandelt hat. Seit etwa einem Jahr nun sind wir ein festes Team und proben mehrmals in der Woche. Unser Publikum ist gemischt aus Deutschen und Amerikanerm (von denen ein Großteil sowieso deutschstämmig ist).

Wir haben uns als Gruppe auf deutsche Musik spezialisiert, haben jedoch individuell die unterschiedlichste Musikkarriere.
Anntette hat ursprünglich klassischen Gesang in Wien studiert und singt jetzt ihre eigenen Improvisationen auf gregorianische und indische Gesänge. Sie arbeitet mit C.G. Deuter an einer CD, die diesen Sommer auf den Markt kommt und meditative „New Age Music" ist. Deuter ist seit dreißig Jahren international bekannter Musiker im Bereich „New Age Musik" und hat über 40 Albums veröffentlicht. Adi spielt die verschiedensten Instrumente, und über einen Zeitraum von 15 Jahren spielt er mit Deuter gelegentlich zusammen bei Life Auftritten und Studioaufnahmen.

Bei der Auswahl unseres Repertoires lassen wir uns von Erinnerungen treiben und singen, was uns gefällt und wovon wir meinen daß es inhaltlich und musikalisch vertretbar ist. Unsere Musik hat nichts mit der „Humtata Musik" zu tun, die die meisten Leute hier mit deutschen Volksliedern verbinden. Vielmehr haben wir in der Freude am gemeinsamen Gesang erfahren, daß deutsche Volksmusik ebenso bezaubernd, besinnlich und heiter wie amerikanische, engliche oder keltische Musik sein kann. Daß dies zutrifft, sehen wir an unserem Publikum, das sich eben nicht nur aus Deutschen zusammensetzt, sondern eher aus Amerikanern, und auch nicht aus einer bestimmen Altersgruppe besteht.

Wir versuchen, in diesem Jahr auf verschiedenen internationalen Folkfestivals zu singen. Wir sind auch noch immer auf der Suche nach einer Record Company, die an unserer Musik interessiert ist.

Wir glauben, daß deutsche Volkslieder, eine Renaissance erleben können, besonders wenn sie volkloristisch vorgetragen werden und nicht durch Bierzelt-, Pfadfinder- und Kunstliedmentalität verzerrt werden.

Zeichnungen von Annegret Haensel; mehr Infos zur Künstlerin im Impressum.


Zum Inhalt des FolkWorld online musik magazins Nr. 8

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 2/99

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