FolkWorld #79 11/2022
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FolkWorld 25th Anniversary 1997-2022

Miteinander: 50 Jahre - 70 Lieder

Zupfgeigenhansel

Im Frühsommer 1972 packten Thomas Friz und Erich Schmeckenbecher, in Stuttgarts Schulstraße, erstmals ihre Gitarren aus und präsentierten staunenden Passanten: Volkslieder. Frisch, frech – neu und anders.. Zupfgeigenhansel nannten sie sich. Paradiesvögel in einer Zeit des Glamrock und Prog. Was folgte, war eine atemberaubende Karriere – mit begeisterten Auftritten, Platten, die sich über einer Million Mal verkauften, Dutzenden TV Auftritten, auch in Shows wie »Bei Bio« oder »Einer wird Gewinnen« und viele Auszeichnungen. Doch nach intensiven zehn Jahren Plattenkarriere war 1986 alles vorbei. 2022, zum 50-jährigen Jubiläumsjahr, will das kleine schwäbische Label D7 diese großen Erneuerer der Volksliedszene wieder in den Fokus bringen: Außer digitalen Wiederveröffentlichungen der Original-Alben wird es auch eine »Best Of« geben: »Miteinander: 50 Jahre – 70 Lieder« heißt die 3CD Box, die auch bislang unveröffentlichte Aufnahmen des legendären Duos enthält! Auf CD1 sind Studioversionen der Zupfgeigenhansel-Klassiker enthalten, CD2 wartet mit einem bisher unveröffentlichten kompletten Livemitschnitt eines Konzertes aus dem Jahre 1984 auf. Ganz besondere Raritäten finden sich auf CD3: Ebenfalls bisher unveröffentlichte Aufnahmen aus dem Jahre 1974 – also bevor Zupfgeigenhansel überhaupt einen Plattenvertrag erhielten. Abgerundet wird das akustische Vergnügen mit einem prächtig ausgestalteten Booklet inkl. ausführlicher Linernotes zur Bandgeschichte – ein Muss für alle Zupfgeigenhansel-Fans!


Zupfgeigenhansel ist ein von Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz gegründetes deutsches Folk-Duo, das in den 1970er und 1980er Jahren neun Alben veröffentlichte.

Name

Die Gruppe benannte sich nach dem bekannten Wandervogel-Liederbuch Der Zupfgeigenhansl, das 1909 erschienen war. Das Repertoire der Gruppe überschneidet sich allerdings nur teilweise mit dem Inhalt des Liederbuchs.

Geschichte

Die 1970er Jahre

Zupfgeigenhansel

Zupfgeigenhansel "Miteinander:
50 Jahre - 70 Lieder", D7, 2022


Zupfgeigenhansel @ FROG

www.zupfgeigenhansel.de

Zupfgeigenhansel folgte zunächst der Idee, deutsche Volkslieder mit freiheitlichem Charakter wiederzuentdecken, teilweise mit eigenen Melodien zu versehen und diese wieder populär zu machen. In den Volksliedern ging es um das Leben der „einfachen“ Leute der vergangenen Jahrhunderte. Inhaltlich handeln sie von Liebe, Not und Wagnis, Unternehmungslust, dem Stolz libertärer Geister, der Verachtung gegenüber Obrigkeit und Pfaffen sowie dem Widerstand gegen Militarismus. Anfang der 1970er Jahre begann in Westdeutschland die große Zeit der Folkbewegung, an der Zupfgeigenhansel mitwirkte.

Schmeckenbecher und Friz lernten sich 1972 kennen und musizierten gemeinsam zunächst als Straßenmusiker. Ab 1974 traten sie unter dem Namen Zupfgeigenhansel in verschiedenen Folkclubs hauptsächlich in Süddeutschland auf. Es folgten einige Rundfunkauftritte in der Sendung Liederladen des Südwestfunks und in der FS-Sendung Nachklapp des Saarländischen Rundfunks. 1976 erschien ihre erste LP Volkslieder I im Verlag Pläne und im folgenden Jahr die LP Volkslieder II. Dafür wurden sie 1977 für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert.

1978 erhielten sie die Auszeichnung Künstler des Jahres 1978 – Ensemble Pop national von der Deutschen Phonoakademie und veröffentlichten ihr erstes Liederbuch mit 222 Volksliedern unter dem Titel: Es wollt ein Bauer früh aufstehn (Gesamtauflage über 250 000). Mit der LP ’ch hob gehert sogn erschien 1979 eine Platte mit jiddischen Liedern.

Die 1980er Jahre

Zupfgeigenhansel, Volkslieder II

In den frühen 1980er Jahren ebbte mit dem Aufkommen der Neuen Deutschen Welle das Interesse an Folkloremusik und der Musik der Liedermacherszene allmählich ab. Zupfgeigenhansel erweiterten ihr Repertoire und versuchten vermehrt, mit selbstgeschriebenen Liedern und Gedichtvertonungen ihr Publikum zu gewinnen. So schrieb auch Dieter Süverkrüp einige Lieder für die Gruppe. Für ihr letztes Werk wurden Texte des fast vergessenen österreichischen Dichters Theodor Kramer verwendet. Vor der anschließenden Tournee 1986 kam es zu internen Streitigkeiten, die letztendlich zur Auflösung der Gruppe führten. Den letzten offiziellen Live-Auftritt hatte Zupfgeigenhansel 1986 als Überraschungsgast beim Konzert Pete Seegers in der Zeche Bochum.

Wiedersehen nach 35 Jahren

Nach mehr als 35-jähriger Trennung begannen die Musiker im Oktober 2021 mit der Erarbeitung einer Werkschau mit dem Titel Miteinander: 50 Jahre – 70 Lieder, einer 3er-CD-Box mit 4 Booklets, die zu ihrem 50-jährigen Jubiläum im Sommer 2022 erschien. 50 Lieder darauf waren bislang unveröffentlicht, darunter ein komplettes Club-Konzert aus dem Jahre 1975. Gleichzeitig wurden Zupfgeigenhansel für ihre fünf ersten Alben mit IMPALA-Awards in Gold (1×), Doppelgold (3×) und Diamant (1×) geehrt, mit denen nachgewiesene Album-Verkäufe von jeweils mehr als 75 000 (Gold), 150 000 (Doppelgold) 200 000 (Diamant) ausgezeichnet werden.

Zu einer Antikriegshyhme entwickelte sich 2022 das Lied Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne. 1976 erstmals auf dem Album Volkslieder I veröffentlicht, erfuhr das Werk nach seiner digitalen Wiederveröffentlichung innerhalb von sechs Monaten mehr als 2,5 Millionen Abrufe (Stand 25. August 2022) allein auf den Streamingplattformen Youtube und Spotify. Seit einigen Jahren werden Zupfgeigenhansel-Werke verstärkt von Gruppen anderer Genres entdeckt – allen voran der Titel Es wollt ein Bauer früh aufstehn, der inzwischen zum Standard-Rerpertoire bekannter Mittelalterbands wie Die Streuner, Des Geyers Schwarzer Haufen oder Rockbands wie Feuerschwanz gehört.

Im Sommer 2022 wurde Waldfest, 1982 ihr einziger in den offiziellen Deutschen Radiocharts notierter Titel, von der Punkband Normahl neu aufgenommen. Im September 2022 traten sie erstmals nach 36 Jahren wieder auf: Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Stuttgarter Live Clubs Laboratorium spielten sie eine 15-minütige Einlage. Im Oktober veröffentlichten sie Bella Ciao als Single. Ihr Jubiläum feierte Zupfgeigenhansel im Oktober zusammen mit Musikern, die eigene Versionen ihrer Songs spielten, bei zwei ausverkauften Auftritten in der Stadthalle Lorch. Thomas Friz kündigte danach seinen endgültigen Bühnenabschied an.

Erich Schmeckenbecher

Erich Schmeckenbecher

Erich Schmeckenbecher @ FROG

www.erich-schmeckenbecher.de

Erich Schmeckenbecher (* 31. März 1953 in Stuttgart) ist ein deutscher Musiker, Sänger und Liedermacher. Er spielt Gitarre, Mandoline, irische Bouzouki, Akkordeon wie auch Mundharmonika.

Schmeckenbecher wurde ab 1974 zusammen mit Thomas Friz als das erfolgreiche Folk- und Volkslied-Duo Zupfgeigenhansel bekannt. Bis 1985 veröffentlichten Zupfgeigenhansel neun Langspielplatten, zwei Liederbücher und verkauften über eine Million Tonträger. Nach der Auflösung von Zupfgeigenhansel 1985 arbeitete Schmeckenbecher u. a. als Studiomusiker und Produzent. Die Idee, Volksmusik und Rockmusik zu verbinden, führte 1992 zur Gründung des kurzlebigen Band-Projekts Erich und das Polk.

Nach der Trennung von Erich und das Polk arbeitete Schmeckenbecher als Solokünstler und veröffentlichte 2001 unter dem Titel Schmeckenbecher eine eigene CD. Im selben Jahr war er Gründer des Vereins für Menschlichkeit und Toleranz e.V. (MUT), dessen Erster Vorsitzender er auch wurde. Im Dezember 2004 feierte Schmeckenbecher sein 30. Bühnenjubiläum, das mit einem Auftritt unter dem Motto „Leben ist Poesie“ und mit Gästen aus der Folk- und Liedermacherszene, u. a. Hannes Wader, Konstantin Wecker und Klaus Lage, im Theaterhaus Stuttgart begangen wurde. Der vierstündige Konzertmitschnitt wurde später als 4-CD-Set veröffentlicht. 2007 veröffentlichte er seine auf „Heimat“ und „Romantik“ bezogene CD Schmeckenbecher 2007.

Neben eigenen Liedern vertonte Schmeckenbecher als Komponist hauptsächlich Gedichte von Klassikern wie Heine, Goethe, Schiller, Eichendorff, Novalis, Fritz Graßhoff und Theodor Kramer (u. a. Andre, die das Land so sehr nicht liebten). Seine Volksliedtextvertonungen (Ein stolzes Schiff, Fordre niemand mein Schicksal zu hören etc.) sind heute Folkstandards und wie viele seiner Vertonungen in zahlreichen Liederbüchern zu finden.

Vielbeachtet sind auch seine Lieder mit Auftragstexten von Autoren wie Steffen Mensching, Diether Dehm, Hans-Eckardt Wenzel, Claire Beyer, Horst Dillmann, Klaus Lage, Bernie Conrads u. v. a. ebenso wie seine komplett eigenen Lieder.

Thomas Friz

Thomas Friz
@ FROG

Thomas Friz

Thomas Friz (* 5. März 1950 in Stuttgart) ist ein deutscher Musiker.

Thomas Friz sang bereits als Kind, zehn Jahre war er Mitglied der Stuttgarter Hymnus-Chorknaben. Dort sang er u. a. die Matthäus-Passion und die Motetten von Johann Sebastian Bach, vorwiegend geistliche Musik und erhielt eine solide Stimmbildung. Er nahm Unterricht für Querflöte, erlernte weitere Instrumente, natürlich auch das Gitarrenspiel.

Seine musikalische Karriere begann 1971 mit kleinen Solotourneen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Von 1974 bis 1986 musizierte er mit Erich Schmeckenbecher als Duo unter dem Namen Zupfgeigenhansel (benannt nach dem Wandervogel-Liederbuch Der Zupfgeigenhansl von Hans Breuer). 1978 wurden sie als Künstler des Jahres von der Deutschen Phono-Akademie ausgezeichnet. Anschließend war er mit jiddischen und deutschen Volksliederprogrammen wieder solo aktiv.

1986 präsentierte Thomas Friz zusammen mit dem Gitarristen Gerhard Graf-Martinez sein Programm mit jiddischen Liedern und Texten, weitere Programme folgten, ebenso Filme und Rundfunkfeatures. 1992 feierte er 20 Jahre Liederleben auf den Bühnen, 1993 stellte er sein Kirchenprogramm Ich steh an deiner Krippen hier vor. Mit Volksliedern, Oster- und Passionsprogrammen, mit Widerstandsliedern und mit jiddischen Liedern und Texten ist Thomas Friz auf Tonträgern wie auf der Bühne zu hören.

Zu seinen Vertonungen gehören u. a. Texte von Theodor Kramer, Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Kurt Tucholsky. In Zusammenarbeit mit Ingvo Clauder entstand 2001 das Album Endlich, bei dem erstmals nicht die Gitarre, sondern das Klavier als Begleitinstrument im Vordergrund steht.

Im Januar 1994 war er in Göppingen von rechtsradikalen Skinheads so brutal zusammengeschlagen worden, dass er danach erst mühsam wieder lernen musste, die Hand so zu bewegen, um wieder Gitarre spielen zu können. Infolge seines Alkoholmissbrauchs war auch seine Stimme schwer in Mitleidenschaft genommen.

1996 kam bei Pläne seine CD Lieb Heimatland, Ade heraus, 2001 bei Conträr Musik seine CD Endlich. 2008 erschien unter Mitwirkung des Dresdner Quartetts Pankraz wieder eine CD von ihm mit Liedern und Texten von verfolgten Dichtern der NS-Diktatur, ebenfalls bei Conträr Musik.

2006 erhielt Thomas Friz einen Schallplattenpreis von der Akademie Charles Cros in Paris für eine 2 CD-Produktion Seeds of Peace mit internationalen Folkmusikern aus Belgien, Frankreich und Großbritannien Comp de Cent.





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Date: November2022.



Photo Credits: (1)-(2) Zupfgeigenhansel "Miteinander: 50 Jahre - 70 Lieder", (3) "Volkslieder II", (4) Erich Schmeckenbecher (unknown/website); (5) Thomas Friz (by Walkin' Tom).


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