Michael Jonathon "Afterburn: Folk at Arena Level"
Eigenverlag, 2021
Folk ist wichtig, hat eine Menge anderer Musikformen beeinflusst, sagt Michael Jonathon aus den USA, deshalb gehört er in die großen Arenen. Er zeichnet Entwicklungslinien von Woody Guthrie über Bob Dylan zum Rap, und er vergisst natürlich auch nicht, dass Woody Guthrie seine Musik auch von irgendwem hatte. Folk ist schön auf der Veranda vor dem Haus, aber besser noch ist er im Stadion, und wer wollte da widersprechen. Auf seiner CD führt er vor, wie arenenfüllender Folk klingen kann. Sehr gut, das stellt er hier unter Beweis, wobei er, anders als Woody Guthrie, gern großes Orchester dazu nimmt, macht aber nix. Er fängt wuchtig mit einer Wall of Sound an, um sich dann mit Gitarre und Gesang einzuschalten. Mit einem Lied nach dem Muster des altbekannten „Paddy works on the railway“, nur geht er hier die US-Präsidentschaftswahlen seit Richard Nixon durch, und das ist hinreißend. Er hat alle Lieder selbst geschrieben, bis auf das letzte, „Shady Grove“, ein Liebeslied, das er hier schmissiger vorträgt als es sonst üblich ist, und dabei geht es doch um einen unglücklichen Liebenden. Hinreißend eben!
© Gabriele Haefs
Neear Nesañ "Beyond the pier"
Eigenverlag, 2022
Neear Nesañ ist eine vierköpfige Band, die sich Musik aus der Bretagne und von der Isle of Man verschrieben hat. Richtig, Isle of Man, Ellan Vannin, in der inseleigenen Sprache. Manx, oder Gaelg ist eine dem irischen und schottischen Gälisch eng verwandte Sprache, die aber ganz anders geschrieben wird. Auf dieser CD können wir hören, wie schön Manx klingt – aber das gilt natürlich auch für das Bretonische. Diese beiden Sprachen kommen hier zu ihrem Recht, dazu gibt es Instrumentalstücke aus beiden Ländern und sogar einen Tango, der beweist, dass sich Ellan Vannin hinter Argentinien oder Finnland wahrlich nicht zu verstecken braucht. Die Pier, von der im Titel die Rede ist, liegt übrigens in Peel auf Man, einem Ort, in dem es nach eigener Aussage 176 Menschen gibt, die Gaelg sprechen, trotz aller englischen Versuche, die Sprache für tot zu erklären. Eine wunderbare CD, gesanglich, instrumental (vor allem: die Harfe von Mera Royle und die Geige von David Kilgallon), der Rezensentin Lieblings-CD der Saison, die nicht heiß genug empfohlen werden kann!
© Gabriele Haefs
The Celtic Duo "The Celtic Duo"
Eigenverlag, 2021
In ihrer schwedischen Heimat nennen sich die beiden Herren Keltiska Duon, international scheinen sie die englische Bezeichnung vorzuziehen. Leicht übertrieben wirkt beides, schon der erste Blick auf das Album zeigt: nicht ein einziges Lied oder Stück mit einem Titel in einer keltischen Sprache. Der zweite Blick findet ein englisches Lied, ein australisches Lied … der Verdruss über diesen Etikettenschwindel verfliegt dann aber, denn die beiden machen wahrlich schöne Musik. Die beiden sind Jonas Liljeström, der sich als wahrer Teufelsgeiger erweist, und Emil Bernblad, der Gitarre und Bouzouki spielt. Als Gast im Studio ist unbedingt zu nennen Johan Asplund mit seinem Flügelhorn. Gemeinsam bringen sie also Instrumentalstücke vor allem aus Schottland, eins aus Wales und ein bisschen was von Carolan. Alles wunderschön gespielt, ein wahrer Ohrenschmaus. Es wird auch gesungen, auf Englisch natürlich, wobei der Sänger zwischendurch arge Probleme mit der Aussprache hat. Macht aber nichts, das nächste Stück ist dann immer wieder Instrumental und abermals eine Wonne.
© Gabriele Haefs
Tobias Bäckstrand "Heal"
Paraply Records, 2022
Tobias Bäckstrand kommt aus Schweden, spielt Gitarre und Bouzouki und singt, und er hat die meisten Lieder auf dieser CD selbst geschrieben. Das lässt jedenfalls das Beiheft vermuten, das einen Preis für Unübersichtlichkeit und Verworrenheit verdient hätte. Er hat allerlei Gäste dazugebeten, z.B. die Flötistin Magdalena Gerberg, die auch ein Lied geschrieben hat. Und immer, wenn sie die Flöte an die Lippen hebt, wird es traumhaft schön. Tobias Bäckstrand bewegt sich lässig durch die Genres, internationaler Liedermacherstil, Rock, Renaissancemusik, County, alles erledigt er mit gleicher Virtuosität, dazu singt er auf Schwedisch und auf Englisch. Ein Abstecher in die ostasiatische Musik ist seiner Frau Xiaohong gewidmet und trägt den Titel „Gao Shan Liu Shui.“
© Gabriele Haefs
James Keelaghan "Second Hand"
Borealis Records, 2022
Fans von Gordon Lightfoot, bitte, ganz tapfer sein: Der beste Songwriter Kanadas legt ein neues Album vor, und James Keelaghan heißt der gute Mann. Die Bezeichnung stammt von der Presse-Info und wir wollen sie einfach mal so weitergeben. Mit einem Achselzucken. Trotzdem lohnt sich das Anhören, James Keeleghan hätte es verdient, auch hierzulande viel häufiger gehört zu werden. Er spielt Gitarre, pflegt einen bluesigen Gesangsstil, es sind durchaus Gospel-Anklänge zu hören, aber dann wird es plötzlich sehr folksingerig, wobei er sich auch aktuellen Themen widmet, Krankheit, Depression, dem Zwang, immer alles auszuhalten und stark zu sein („The Benefits of Surrender“). Über sein Lied „Before the morning sun“ meint er, es hätte auch von Johnny Cash gesungen werden können. Es handelt von jemandem, der Selbstjustiz geübt hat und nun durch sein Zellenfenster zusehen muss, wie der Galgen aufgebaut wird, und ja, es wäre ein Lied für Johnny Cash gewesen, und das ist doch ein hohes Lob! Und dann ist da noch „Alberta“, das nichts mit Leadbelly zu tun hat, sondern eine Liebeserklärung an seine kanadische Heimatprovinz ist. Wirklich eine spannende Bekanntschaft.
© Gabriele Haefs
Happy Traum "There’s a bright side somewhere"
Eigenverlag, 2022
Happy Traum, was für schöne Erinnerungen bringt dieser Name! Daran, dass dieser Name vor 50 Jahren klang wie ein typischer Bandname aus der Hippiezeit! Groß die Verblüffung, als sich dann bei den ersten Aufritten in Europa (wie auf dem legendären Festival von Kertalg, 1974) herausstellte, es ist nur einer und der heißt wirklich so! Inzwischen ist er Mitte 80, und es ist wunderbar zu hören, dass er noch immer aktiv ist. Seine Stimme klingt älter als 1974, als er mit „When I paint my masterpiece“ das Publikum verzauberte, ist aber so faszinierend wie eh und je. Auf dem neuen Album führt er sein virtuoses Fingerpicking vor und singt ansonsten Lieder u. a. von Woody Guthrie, Bob Dylan, Brownie McGhee, es gibt traditionelle Sachen und eigene Werke. Mit einem Grinsen (das wir uns vorstellen müssen) teilt er in den beigelegten Infos mit, die Lieder seien allesamt älter als er selbst. Sie haben aber keinerlei Rost angesetzt, so wenig wie der unverwüstliche Happy Traum, dem wir für diese musikalische Erinnerung an seine Existenz ewig dankbar sein sollten.
© Gabriele Haefs
Peter Mulvey & Sista Strings "Love is the only thing"
Eigenverlag, 2022
Die Pressemeldung sagt, das sei die CD für den Sommer… aber wenn sie doch erst im Herbst eintrudelt, was dann? Aber auch bei Nebel und Regen lässt sie sich gut hören. Peter Mulvey, Liedermacher aus den USA, trifft sich mit dem Duo Sista Strings (Cellistin Monique Ross und Geigerin Chauntie Ross), und sie bringen Mulveys Lieder zu Gehör. Allerdings nicht nur, es geht los mit dem altbekannten „Shenandoah“, zu dem Mulveys leicht brüchige Stimme perfekt passt (es ist nicht einfach, dieses Lied zu singen, ohne mit einem Fuß in den Schmalznapf zu treten …), dazu also die hinreißende Violinenbegleitung von Chauntie Ross. Bei den selbstgeschriebenen Liedern geht es um Kleinstadtmentalität, die ja leider in Großstädten genauso floriert, Intoleranz, Stammtischargumente. Es geht um Covid und um die vergebliche Hoffnung, das Virus werde beim Auftauchen eines Impfstoffes sofort verschwinden. Es geht um Michael Brown, eins der vielen Opfer von Polizeigewalt, und immer wieder um die Verzweiflung an dem Zustand, in den sich die USA gebracht haben. Absolut hörenswert.
© Gabriele Haefs
Barry Oreck "Leap Year"
Eigenverlag, 2022
Zwei Jahre hat es gedauert, bis Barry Orecks Schaltjahrmusik als CD erscheint, also genau zwischen zwei Schaltjahren, und das ist irgendwie symbolisch. Er erzählt, wie er sich mit vielen Freundinnen und Bekannten am Schalttag des Jahres 2020 in Manhattan traf, sie wollten feiern und Musik machen und alle umarmten und küssten einander, wie sich das gehört bei einem großen Freundschaftstreffen. Sie hatten zwar Gerüchte gehört von der Seuche, die angeblich näherrückte, beschlossen aber, das nicht so ernstzunehmen. Schaltjahr heißt auf Englisch „leap year“, also „Sprungjahr“, und damals machten sie alle einen Sprung ins Ungewisse, und diesen Sprung schildert die CD. Alle Lieder wurden von Barry Oreck geschrieben, aber er hat eine Menge Gäste dabei, so viele, dass die Namen der Mitwirkenden auf dem Cover mehr Platz einnehmen als die Infos zum Album. Gleich beim ersten Stück brilliert Jesse Miller mit seiner Mandoline, und so schön und klangvoll geht es weiter. Barry Oreck hat ein Talent für eingängige Melodien, dauernd denkt man, „das Lied kenn ich doch“, aber es ist von ihm, hat nur eben Ohrwurmqualität!
© Gabriele Haefs
Ticket to Happiness "Roaming Riders"
Eigenverlag, 2022
Rogue Country aus Siegen und Münster, naja, woher auch sonst? Alle Stücke sind von der Band selbstgeschrieben, alle auf Englisch oder auf Spanisch, ganz schöne Leistung, aber eben, Siegen und Münster. Es geht los mit der Western-Ballade „Videosa“, fetzig und dramatisch, aber immer, wenn man dann denkt, den Stil vom Ticket erfasst zu haben, wechseln sie wieder. Spanische Einflüsse, Trompeten, Tango, sentimentale Liebe, vielsagende Titel wie „Sheer Ecstacy“ oder „Mutiny“, am Ende „Bedlam“, so genannt nach dem Londoner Irrenhaus aus dem 17. Jahrhundert, es ist einfach verwirrend, am besten; einfach zuhören, keine Fragen stellen, und immer, wenn es spanisch wird, stellt sich das richtig schön El Paso-Gefühl dann ein.
© Gabriele Haefs
Giulia Millanta "Woman on the Moon"
Eigenverlag, 2022
Böse starrt sie vom Cover her in die Kamera, als wären die Wahlergebnisse aus ihrer alten Heimat bereits bekannt gewesen, als das Foto gemacht wurde. Die Signora stammt nämlich aus Florenz, lebt aber seit geraumer Zeit in Austin/Texas. Ihre Texte schreibt sie deshalb auf Englisch, mit italienischen Einsprengseln hier und da. Nun legt sie als ihr achtes Solo-Album vor, das mit besagtem bösen Blick. Trotz desselben singt sie eher zärtlich, freundlich, mit ziemlich glockenheller Stimme. Weshalb irgendwelche Kritiker sie als „weiblichen Tom Waits“ bezeichnet haben, wie die Presseinfo stolz verkündet, bleibt da ein Rätsel. Manchmal wird es dramatisch in der Melodieführung, z.B. bei „Run away“, wo eine bedrohlich klingende Trommel den Takt angibt. Der Titel des Albums ist nicht wörtlich zu nehmen, es geht hier um keine Astronautin, sondern um das Universum in uns selbst, um die Strecke zwischen den Sternen und dem Sonnenaufgang.“ Ein Album mit viel Phantasie und vielen schönen Klängen.
© Gabriele Haefs
Doc Taylor and the Redhaired Girl "Around the Irish Sea"
Prosodia, 2022
Doc Taylor, das sind die Herren Nico Schneider und Tim Liebert, auch bekannt durch ihre Mitwirkung bei der Band Hüsch. Die rothaarige Dame stammt aus Wales und heißt Jenny Price. Sie singt auf dieser CD auf Kymrisch, was eine wunderbare Sprache ist, die man hierzulande viel zu selten hört. Highlights der CD sind z.B. „Sosban fach“ (ein Lied, in dem der kleine Topf auf dem Feuer vor sich hinbrodelt, während so allerlei passiert), und „Cyfrir Geif’r“ („Ziegen zählen“), ein Lied voller Zungenbrecher, und ach, warum stehen im Beiheft nicht die Texte, anstelle von überflüssigen Informationen, wie dass Tim Liebert einer der wenigen Thüringer ist, die kymrische Zungenbrecher aussprechen können, zumal er den Beweis schuldig bleibt? Wunderbar sind auch die Instrumentalstücke, immer wieder überwältigt das virtuose Banjospiel. Auf Englisch singen vor allem die Herren, und ihre Liebe gehört einwandfrei den Shantys wie „Hal away Joe“ oder „Rolling down to old Maui“ (das offenbar gerade in Shantykreisen total angesagt ist, und man kann es wirklich nicht oft genug hören).
© Gabriele Haefs
Steve Wallis "Nothing stays the same for long"
Eigenverlag, 2022
Steve Wallis stammt aus Australien, und mit einem Heimatort namens Byron Bay musste er natürlich zum Poeten heranreifen. Später ließ er sich in Paris nieder, aber wer nun auf australisch-französische Fusionsmusik gespannt ist, wird enttäuscht, es klingt alles sehr US-inspiriert folkig, und in der Presseinfo wird er nicht ohne Grund mit
Townes van Zandt oder John Prine verglichen – wegen der „bittersüßen Traurigkeit seiner Werke“. Der Titel ist Programm, auf nichts ist Verlass und alles ändert sich dauernd, und gleich das erste Lied, „The Loneliest“ ist eine perfekte Einführung in die Melancholie für Fortgeschrittene. Steve Wallis legt uns hier jedoch keine deprimierende CD vor, zu überzeugend sind seine Kunst und sein Gesang, es klingt einfach zu gut, um traurig zu werden. Einige Titel haben durchaus Ohrwurmqualität, „Amsterdam“ z.B., und „Starting tomorrow“, im leichten Walzertakt, macht eben doch optimistisch.
© Gabriele Haefs
Die vermutlich fünfköpfige Band SeeD aus Utrecht spielt nach einer Aussage „pagan folk“, außerdem lieben sie farbenfrohe und kreativ designte, aber ziemlich unübersichtliche Beihefte, deshalb die Vermutungen. Die Rezensentin gerät in pingelige Stimmung und möchte anmerken, dass „téigh tri’n doras a leanbh“ durchaus nicht „tritt durch die Tür, mein Kind“ bedeutet, sondern „tritt durch die Tür, Kind“, je nach Kind kann das einen gewaltigen Unterschied ausmachen. Nach dem anfänglichen Stirnrunzeln aber ist die Musik dann eine angenehme Überraschung. FAE singen auf Irisch, Englisch und Niederländisch, sie spielen eine Vielzahl von Instrumenten, Einflüsse von Renaissancemusik und gregorianischen Chorälen sind deutlich, dazu schottische: Das Instrumentalstück „Twig“ z.B. bietet Variationen zur Melodie von „The Makin‘ o‘ Geordie’s byre“. Überhaupt überwiegen auf diesem Album die Instrumentalstücke, und alles wird virtuos gespielt. Wenn FAE singen, dann neigen sie zu leisen Tönen, sie säuseln gern, wie zu Beschwörungen. Was an dieser Musik heidnisch sein soll, erschließt sich nicht, jedes Stück könnte problemlos in der esoterischen Abteilung eines jeden evangelischen Kirchentages erklingen. Schöne Musik passt eben überall hin.
© Gabriele Haefs
Marcas Mac an Tuairnir "Speactram"
Eigenverlag, 2022
Marcas Mac an Tuairnir vertritt das Genre GaelPop, das klingt nach Pop in gälischer Sprache, aber so schlimm kommt es dann doch nicht. Das Gael bezieht sich auch auf die Musik, nicht nur auf die Sprache, und so finden wir doch immer wieder schottische Einflüsse in Melodieführung und Gesang. Vor allem sein Duett mit Rachel Walker klingt wie alles, was uns an schottischer traditioneller Musik lieb und teuer ist. Aber ja, Pop ist da, Schlagzeug, hämmernder Rhythmus ab und zu, und um das Gemisch komplett zu machen ein zwischendurch ein überaus dominierendes Saxophon. Marcas Mac an Tuairnir hat alle Lieder selbst geschrieben, nach eigenen Worten möchte er der gälischen Musik einen „urbanen Sound“ geben. Seine Themen sind aus dem Leben von heute gegriffen, LGBTQI+ und schwules Leben in Schottland sind wichtig dabei. Das letzte Lied auf der CD, „Érigh!“, („Steht auf!“) bringt den Aufruf, steht auf und lasst in den Straßen Edinburghs eure Stimmen erschallen! Auf sehr hörenswerte Weise ist hier ein Anfang gemacht.
© Gabriele Haefs
Trio Rop "Mellan oss"
Eigenverlag, 2022
Das Trio Rop kommt aus Schweden und besteht aus zwei Sängerinnen und einer non-binären singenden Person, und alle drei singen zusammen a-capella vom Feinsten. Sie kommen einwandfrei von der schwedischen Tradition her, manches klingt wie ein uralter Lockruf, aber alles ist von den drei selbstgeschrieben. Und auch wenn es traditionell klingt, die Texte handeln von ihrem Alltag in Schweden, „vom Leben um uns herum und dem kleinen Menschen.“ Die drei singen seit 2016 zusammen und haben bisher eine EP herausgebracht. Jetzt also ein ganzes Album, und das lädt zum Schwärmen ein. Wie sie die ganz hohen Töne schaffen, wie ihnen die Harmonien gelingen, wie sie althergebrachte schwedische Stile mit Einflüssen aus Pop, Moderne und Klassik mischen, was jedem Lied einen ganz eigenen Sound gibt und Rop doch unverwechselbar macht, das muss man einfach hören und genießen. Alle drei arbeiten auch mit anderen Bands zusammen, wir können nur hoffen, dass sie ihr geniales Trio darüber nicht vernachlässigen, sondern bald Tourneen und weitere CDs folgen lassen werden!
© Gabriele Haefs
Stephen Doster "Over the red sea"
Eigenverlag, 2022
Stephen Doster, Liedermacher aus den USA, derzeit in Austin/Texas angesiedelt, ist schon in jungen Jahren durch die Welt gereist, in allerlei Ländern und Kontinenten zur Schule gegangen (sogar im Taunus!), ohne dass das in seiner Musik irgendwelche Spuren hinterlassen hatte. Macht ja nix, überrascht nur. Und alles, was in der Rockmusik Rang und Namen hat, hat er auch getroffen, das erzählt uns seine Website, wo ihm so ganz nebenbei der Sexismus des Jahres unterläuft. Blind Faith hat er auch erlebt, und zwar stand er auf der Bühne hinter den Kulissen, zu verdanken hat er das „Ginger Baker’s wife“, wer es nicht weiß: Liz Finch ist der Name). Neben Name-Dropping (oder eben nicht) bringt die Website kaum Informationen, aber die Musik gleich alles auf. Feiner zurückhaltender Gesang, Lieder über Alltag, verlorene und gewonnene Hoffnungen, die Titel sprechen für sich: „The Rooster Crows“, „We still have today“, sehr amerikanisch und schön folkig, zwischendurch Country- Einsprengsel, absolut verständlich, dass in die Hall of Fame seines Staates aufgenommen wurde.
© Gabriele Haefs
John McCutcheon "Leap!"
Eigenverlag, 2022
Über John McCutcheons vorige CD hieß es, dass der Liedermacher aus den USA offenbar eine heimliche Liebe zu Roger Whittaker hat, und dieser Verdacht verstärkt sich beim Album dieses Jahres. Einige Lieder klingen wirklich so, wie Mr Whittaker hätte klingen können, wenn er nicht so schreckliche Sachen gesungen hätte. Aber diesmal sind auch Anklänge an Gordon Lightfoot zu hören, (das ooo-ooo-ooo gelingt John McCutcheon fast so gut wie GL im „Steelrail Blues“). Weiterhin spielt er grandios Gitarre und hat sich wunderbare Gäste ins Studio geholt, um nur einige zu nennen: den Fiddler Stuart Duncan, die Sängerin Kathy Mattea und bei einem Lied mit Nordirland-Bezug Tommy Sands. Das Lied „The Troubles“ bezieht sich allerdings nicht nur auf die Six Counties, es gibt erstaunliche Vergleiche, Katholiken und Protestanten stehen einander feindlich gegenüber, wie auch Faschisten und Kommunisten, Republikaner und Demokraten. Abgesehen davon, dass die Lieder der CD musikalisch ein Genuss sind, so regen, wie dieses Beispiel zeigt, viele Texte zum genauen Hinhören ein, zu der Frage, was der Dichter und wirklich sagen will.
© Gabriele Haefs
Päivi Hirvonen "Kallio"
Nordic Notes, 2022
Die finnische Geigerin steht auf dem Cover wie der Fels in der Brandung – sehr symbolisch, Kallio, der Titel der CD, bedeutet schließlich „Fels“. Sie hält die Geige in der Hand und schaut in die Ferne. Die Geige kommt dann gleich im ersten Stück zur Geltung, in „Kultkijat/Travellers“, zuerst summt die Künstlerin und zupft ganz zart, doch dann folgt die geballte Stimmkraft, oft auch Wut, denn in ihren allesamt selbstgeschrieben Liedern von der genialen Künstlerin. Kraft ist ein Stichwort bei diesen Texten, Mut und Wut will Hirvonen ihren Zuhörerinnen machen. Frauen in der Mitte des Lebens sollen sich besonders angesprochen fühlen, es geht um Rechte von Mädchen, Liebes- und Freundschaftsbeziehungen, um psychische Gesundheit und die ewige Verantwortung, die auf die Schultern vieler Frauen drückt wie eine Ladung Fels. Hoffnung finden wir in Solidarität, der Erinnerung an unsere Ahninnen und deren Weisheit, und in unserer eigenen Stärke. Und nebenbei zeigt Päivi Hirvonen ein weiteres Mal, dass sie eine wahre Teufelsgeigerin ist!
© Gabriele Haefs
Günter Gall "… und reisen quer durch die Zeit"
Eigenverlag, 2022
Fünfzig Jahre auf der Bühne, so schnell vergeht die Zeit, und sich selbst und seinen vielen Fans und Landsleuten vom Niederrhein (Heimat der Rezensentin, Tränen der Rührung also bitte verzeihen) schenkt Günter Gall eine neue CD. Die vielleicht ein Querschnitt durch sein Werk ist, wobei das Werk so reichhaltig ist, dass wir vermutlich alle eine total andere Auswahl getroffen hätten. Er greift hier zu Texten bedeutender KollegInnen, nennen wir nur Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Mascha Koléko oder Georg Herwegh, oder Bellman, damit klar ist, es geht nicht nur ernst und kritisch zu. Zu viel Schriftdeutsch, zu wenig Niederrheinisch, könnte man denken, andererseits kommt auch unsere Sprache zu ihrem Recht, z.B. bei „Helden“, gerade wieder ungeheuer aktuell, oder, in rechtsrheinischer Form, in Aletta Eßers „Eugen Pohl“. Und, wie unser großer Landsmann Hanns Dieter Hüsch sagte, im Beiheft zitiert: „Niederrhein ist überall“. Das Album zeigt die Spannbreite des Schaffens eines großen Künstlers, zugleich ist es ein Schnitt durch die Gegenwart, denn keins der historischen Lieder ist weniger relevant als zum Zeitpunkt seiner Entstehung, und wer möchte, kann zudem eine dicke Prise Heimatgefühl in dieser Musik finden.
© Gabriele Haefs