Ausgabe 7 12/98

FolkWorld Live Review

Der mit der Sackpfeife tanzt

"Faubourg de Boignard" im Freiburger Jazzhaus


Von Christian Rath

Wenn Folkies ins Konzert gehen und ihnen hinterher die Ohren weh tun, dann muß es wohl Folk-Rock gewesen sein. Am 15. September haben im Freiburger Jazzhaus die Ohren ordentlich gebrummt. Zu hören war exzellenter Folk-Rock von der Gruppe "Faubourg de Boignard" aus dem Herzen Zentralfrankreichs.

Biniou, Photo by The Mollis Dort, im Morvan, wo man bei Dorffesten noch die Bourrée zu tanzen pflegt, tat sich vor zwölf Jahren der Dudelsackspieler Raphael Thiéry mit dem Keyboarder Christophe Raillard zusammen. Nach und nach kamen ein Geiger, ein Schlagzeuger, ein Bassist und zuletzt ein Gitarrist hinzu. Den fulminanten Live-Sound prägt heute vor allem der mit allen Wassern gewaschene Jazzrock-Schlagzeuger Thierry Clement. Ihm ist es zuzuschreiben, daß "Faubourg de Boignard" live deutlich härter klingen wie auf ihren bisher zwei CDs.

Doch natürlich saß auch bei "Faubourg" der Schlagzeuger hinten in der Ecke, während im Mittelpunkt der Bühnen-Show ein anderer stand: Raphael Thièry mit seinem Dudelsack - dem er dank regelmäßigen Biergenusses immer ähnlicher zu werden scheint. Doch was heißt schon "Bühnen-Show" bei "Faubourg de Boignard"? Glamour und Action sind jedenfalls nicht ihre Stärke.

Entsprechend in sich versunken und unprätentiös präsentierten sie auch ihr Programm. Die Melodien trug überwiegend der Dudelsack, nur gelegentlich mit Akkordeon und Geige verwoben. Das könnte langweilig sein, war es jedoch keinen Augenblick. Neben traditionellen Stücken aus dem Morvan gab es viel Überraschendes zu hören, etwa einen Tanz aus Bulgarien oder eine arabisch klingende Soundcollage. Und das alles im kompakten und durchaus unverwechselbaren Gruppensound.

Biniou, Photo by The Mollis Gegen Ende des Konzerts wurde Thiéry sogar übermütig und begann, sich mit seiner Sackpfeife im Bourré-Schritt zu wiegen. Das wurde belohnt: auch das Publikum tanzte plötzlich um die Tische im Jazzhaus-Keller. An die zarten Ohren dachte man erst viel später wieder.

Für Faubourg de Boignard war dieses Konzert Teil einer vom französischen Bureau Musique in Mainz gesponsorten Mini-Tour mit vier Konzerten in Deutschland. Für die Band ist das deutsche Publikum sehr wichtig. "Denn in Frankreich", so Thiéry nach dem Konzert, "sitzen wir mit unserer Musik zwischen allen Stühlen. Auftrittsmöglichkeiten gibt es entweder für Folk- oder für Rockbands, aber kaum für Musik wie die unsrige."

Photos by The Mollis


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/98

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