Die CD “Midsommar” vom Duo Fjarill widmet sich dem Glück, wie es nur die Menschen im hohen Norden empfinden, die im Winter mehr Dunkelheit als anderswo aushalten müssen und deshalb die Helligkeit des kurzen Sommers umso intensiver auskosten.
Jedes Jahr erscheint der Weltglücksreport, der aufzeigt, wo auf der Welt die glücklichsten Menschen Leben. Die Kriterien dafür beinhalten neben den materiellen Standards, gesellschaftliche Akzeptanz und ja, auch ganz allgemein das Empfinden für Ruhe und Gelassenheit. Regelmäßig stehen die skandinavischen Länder an der Spitze des Rankings. Schweden tummelt sich zumindest immer unter den Top 10, während Norwegen, Island, Dänemark und Finnland sich in den letzten Jahren gegenseitig in ihrem Glück übertrafen.
Warum ausgerechnet die Skandinavier ein so hohes Glücksempfinden aufweisen, ist schwer zu analysieren. Man will das auch kaum glauben, angesichts der Menge an ziemlich brutalen Kriminalromanen, die Skandinavien jedes Jahr auf den Buchmarkt wirft. Aber ein Versuch, diesem Glücksphänomen nachzuspüren lohnt sich, wenn man sich auf die Kultur der Region einlässt.
Die Musik Skandinaviens ist stark mit der Tradition Nordeuropas verbunden. Zwar gibt es zahlreiche Popbands, Heavymusiker und eine ausgeprägte Countryszene, doch hat beinahe jeder Musiker mindestens einen Fuß in der Folklore.
Das Duo Fjarill greift tief hinein in die traditionelle Musik Schwedens. Das ist insofern bemerkenswert, da die Hälfte des Duos einen ganz anderen kulturellen Hintergrund besitzt. Während die Pianistin und Sängerin Aino Löwenmark in Schweden beheimatet ist, stammt die Violinistin Hanmari Spiegel aus Südafrika. Was verbindet die beiden? Dass sie auf einer Linie sind, merkt man schnell, doch das kann sicher nicht daran liegen, dass Kapstadt und Stockholm sich auf demselben Längengrad befinden.
Manchmal ergeben sich Gemeinsamkeiten auf Ebenen, die man nur empfindet und sich nicht erklären lassen. Die Musikerinnen von Fjarill finden diese in der Poesie und der musikalischen Sprache Schwedens, wie sie auf “Midsommar” eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Klangvoll und doch dezent zelebrieren sie den wichtigsten Zeitpunkt Skandinaviens, die Mitsommerzeit, wenn die Tage so lang sind, dass die Sonne nur halbherzig hinter dem Horizont verschwindet, um kurze Zeit später ein kleines Stückchen weiter rechts wieder aufzutauchen. Kaum wird es dunkel in Mittelschweden. Noch weniger dunkel wird es weiter nördlich. Die Wälder fangen die Feuchtigkeit der Seen und Flüsse auf und nebeln sich dezent ein. Feen und Trolle erwartet man auf den Wiesen und an den Waldrändern. Luchse und Elche bekommt man mit etwas Glück zu sehen. Eine Stimmung, die Fjarill nicht mit übertriebenen Überschwang wiedergeben. Ihre Art, das Leben zu genießen, ist nicht die des lauten Mitteleuropäers, der Spaß ohne Rücksicht sucht. Bei Fjarill klingt die Lebensfreude, als erkennen sie die Schönheit, die im Augenblick liegt und von der man selbst nur ein verschwindend kleiner Teil ist.
Es ist die Melancholie, dass in allem Schönen eine Vergänglichkeit mitschwingt, die die Musik von Fjarill so unvergleichlich macht. Nahe an der Sagenhaftigkeit sind die Themen ihrer Midsommarlieder. Von Waldnymphen, gefährlichen Frauen, Geistererscheinungen singen sie. Und von der großen Liebe, die man nicht erklären muss. Sie griffen dabei auf schwedische Volkslieder zurück, vertonten Gedichte von Pär Lagerkvist und schufen eigene, neue Lieder für dieses Album. Die wunderbar klare Stimme von Aino Löwenmark und die Reinheit im Spiel der Violine von Hanimari Spiegel sind die Grundlage für alle Lieder. Ergänzt werden sie durch Cello, sehr zurückhaltenden, aber überaus atmosphärischer Perkussion des Tingval-Trio-Drummers Jürgen Spiegel, akustischer, wie elektrischer Gitarre und einem Akkordeon.
“Midsommar” ist eine Liebeserklärung an die Schönheit des Augenblicks, wie man ihn nur mit dem Geist aufzunehmen vermag.
Photo Credits:
(1)-(2) Fjarill
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