Ausgabe 6 10/98

FolkWorld Szene von Innen

Leiern in den Tropen

Ein kleiner Erlebnisbericht aus Borneo


Von Marlis & Dennis Merbach

Um endlich einmal wieder zum Spielen zu kommen, hat Marlis auf die Forschungsreise nach Brunei Darussalam (der Zwergstaat des reichsten Sultans der Welt, was wir hier tun seht ihr unter http://www.rz.uni-frankfurt.de/~marlis/nepenthes) ihre Leier mitgenommen. Das Klima hier - tropisch heiss, und derzeit haben wir zwar theoretisch Trockenzeit, aber dank La Nina, dem Gegenstück zu El Nino, war der August hier der bislang regenreichste Monat überhaupt - tut so eigenwilligen Instrumenten eigentlich gar nicht gut. Webber Booth, Marlis' Counterpart von der hiesigen Uni, hat sein Klavier zum Beispiel beheizt. Darmverstimmung ist noch das geringste Leiden, dem eine Leier hier erliegen kann, Notenverklemmung und Tastaturschwellung sind schon schwerwiegender. Nach einigen Tastenentgratungen kann die Leier nun jedoch das Prädikat "Tropentauglich" erhalten.

Die Drehleier von Hoelderlin Express' Elke Rogge; photo by The Mollis Als bekannt wurde, was für ein exotisches Instrument wir dabei haben, mußten wir natürlich überall vorführen, auf der Party bei unserer Nachbarin Bandu (aus Sri Lanka - sie hat gleich im Internet recherchiert und uns begeistert berichtet, dass die Leier aus Frankreich stammt), bei Webber und Familie (Neuseeland/Philippinen), und Webbers Töchter haben ganz begeistert ihrer Musiklehrerin von dem seltsamen Gerät berichtet.

Also hat Marlis gestern in der International School vor Lindseas Klasse vorgespielt und über die Drehleier und ihre Geschichte erzählt, und die Lehrerin hat sie gleich dabehalten, um in der nächsten Stunde der nächsten Klasse auch noch eine Vorführung zu geben.
Es wird wohl die erste Leier sein, die auf diese Insel vorgedrungen ist, wir warten eigentlich nur noch darauf, dass die Kunde an des Sultans Ohr dringt. Ein Konzert im Palast, das wär's doch... ;-)

Hat von den Bands in dieser Runde jemand Interesse an Auftritten in Südostasien? Auf einer Party habe ich mich heute Abend mit Phil, dem Vize der hiesigen Music Society unterhalten. Die sind offen für gute Musiker aus allen Stilrichtungen. Gage klang nicht schlecht, plus Unterkunft und Verpflegung, nur herkommen muss man selbst (manchmal sponsort angeblich Royal Brunei Airlines). Ein paar andere Music Societys auf der Insel suchen ebenfalls Musiker. Wer also gut genug ist und den Südostasientrip mit Musik finanzieren will... Kontakt: Deutsche Botschaft in Bandar Seri Begawan, Brunei Darussalam.

Gegen das, was die Music Society hier durchmacht, scheinen die Schwierigkeiten eines deutschen Folk Clubs übrigens klein und unbedeutend. Es fängt damit an, dass gemäss Sicherheitsverordnung sind alle Veranstaltungen mit Musik und mehr als sechs Personen schon einmal verboten sind (Bandus Geburtstagsparty glitt mit Marlis' erstem Leierton abrupt in die Illegalität ab) und endet damit, dass vor einer Veranstaltung das ganze Programm incl. Dekoration, Bühnenkleidung,... erst einmal vor dem Zensurkomitee aufgeführt werden muss. Phils Anleitung für die Musiker: "wenn Fragen gestellt werden, antwortet einfach mit 'I don't know'."...

Grüsse aus der Tropenhitze

Dennis

Wenn es Euch interessiert: ein wenig mehr kann man sicher von Phil Spires selbst erfahren.

Photo credit and comments: Die Drehleier von Hoelderlin Express' Elke Rogge; photo by The Mollis


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/98

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