FolkWorld #51 07/2013

CD & DVD Reviews

Lenka Lichtenberg "Songs for the Breathing Walls"
Sunflower records, 2012

English CD Review

www.lenkalichtenberg.com

Für Menschen, die nicht aktiv dem jüdischen Glauben folgen, sind die liturgischen Gesänge in den Synagogen schwer zugänglich. Die kanadische Sängerin Lenka Lichtenberg näherte sich diesen Gesängen auf eine außergewöhnliche Weise. Sie suchte über Jahre hinweg verschiedene Synagogen in Tschechien auf und nahm in diesen Häusern mit einem kleinen Ensemble Lieder aus dem jüdischen Musikschatz sowie Psalme aus dem Alten Testament auf. Instrumentiert mit Tabla und Geige, Didgeridou, Barockflöte, Gitarre und Piano wirkt die Musik, wie aus alter Zeit. Der warme Gesang der Sängerin Lenka Lichtenberg strahlt dabei eine angenehme Ruhe aus, die die Musik der CD "Songs for the breathing wall" zu einem meditativen Erlebnis werden lässt. Das aufwendig gestaltete Booklet dokumentiert zudem die Orte der Aufnahmen in Foto und Erklärung. Dies allerdings auf Tschechisch und in einer englischen Übersetzung.
© Karsten Rube


Staff Benda Bilili "Bourger Le Monde"
Crammed Discs, 2012

www.staffbendabilili.com

In der Gegend des Zoos von Kinshasa in der Repubik Kongo leben einige Obdachlose. Manche von ihnen sind behindert. Mit ausrangierten und ramponierten Musikinstrumenten versuchten sich einige der dort lebenden Kongolesen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So bildete sich die Band Staff Banda Bilili, die vor allem aus Leuten mit aus Polioerkrankungen resultierenden Gehbehinderungen besteht. Der französische Dokumentarfilm "Benda Bilili" porträtierte ein paar Straßenmusiker Kinshasas und traf dabei auch auf die Musiker von Staff Benda Bilili. Das plötzlich einsetzende Interesse brachte ihnen die Möglichkeit ein, eine CD zu produzieren und auf Tournee zu gehen. Mittlerweile ist die zweite CD "Bouger Le Monde" auf dem Crammed Disc Label erschienen. Der Sound ist rockig, stark vom Afropop des Kongo geprägt und wird nach wie vor von zum Teil nervenzerrüttenden Instrumenten gespielt. Die kongolesische Rumba, der Soukous, besitzt neben den afrikanischen Rhythmen auch deutliche Latineinflüsse. Gesungen wird in verschiedenen kongolesischen Dialekten sowie auf Französisch. Die Musiker der Band Staff Benda Bilili haben sich dank ihres Erfolges von Obdachlosenasylbewohnern zu Hausbesitzern entwickeln können. Ihre Projekte, Behinderten und Obdachlosen ihrer Heimat zu helfen, sind engagiert und werden über die Grenzen des Kongos respektvoll betrachtet. Erfolg schützt aber auch diesen Personenkreis nicht vor Eitelkeit. Im Zuge zahlloser Streitereien mit Management und untereinander hat sich die Band entschieden, vorerst keine weiteren Konzerte zu geben.
© Karsten Rube


Chicha Libre "Canibalismo"
Crammed Disc, 2012

www.chichalibre.com

Die Chicha ist ein Musikstil, der sich in den Slums peruanischer Städte aus der kolumbianischen Cumbia,indianischer Musik und afrikanischen Einflüssen entwickelt hatte. Man nahm sich eine Surfgitarre und wer hatte eine E-Orgel und spielte, was eigentlich für Akkordeon und Flöte erdacht war. Der in Brooklyn lebende Franzose Oliver Canon hat diesen Sound bei einer Reise nach Peru zum ersten Mal gehört und war begeistert. Mit seiner New Yorker Band Chicha Libre versucht er nun, diesen Stil aus den peruanischen Slums in die Metropolen der Welt zu holen. Mit schrillen Orgeln und rotzigen Gitarren, ein paar Reggaeanklängen und der deutlichen Betonung der Cumbia serviert Chicha Libre nun ihr zweites Album "Canibalismo". Seltsame Texte über den Erfinder einer psychedelischen Droge, über den Mathematiker Carl Friedrich Gauß und über die Erinnerung an die "gute alte Zeit" surfen bei Chicha Libre auf den Rhythmen von Dub, Cumbia und dem Thema von Richard Wagners "Walkürenritt". Den verfremdet die gurgelnde E-Orgel auf eine Weise, bei der man sich an populäre Weltraumserien aus den sechziger Jahren erinnert fühlt. "Canibalismo" ist überaus unterhaltsamer musikalischer Irrsinn.
© Karsten Rube


Mikea "Hazolava"
Music & Words?, 2013

Eigentlich kann man ja in dieser grenzarmen Gegenwart aus so ziemlich jeder Ecke der Welt Musik importieren. Trotzdem gibt es noch Gegenden, aus denen es vergleichsweise selten mal etwas zu hören gibt. Madagaskar zum Beispiel besitzt eine recht lebendige Musikszene, von der man hierzu Lande kaum etwas mitbekommt. Théo Rakotovao ist der Kopf der Band Mikéa, die auf der Insel bereits drei CD's produziert hat. Die Neueste heißt "Hazolava" und wurde, wie auch die beiden Vorgänger im musikalischen Stil "Beko" aufgenommen, einer Gesangsform, die vor allem im Süden von Madagaskar zu finden ist. Dezent begleitet von Gitarre, Bass und etwas Schlagzeug ruft Mikéas Musik die ganze Bandbreite der Problematik Afrikas auf. Krankheit, Einsamkeit, Hunger, Armut, beschäftigt sich aber auch mit den Umweltproblemen, die dieser Insel zusetzen. Madagaskar ist wegen seiner Abgeschiedenheit für viele Tier- und Pflanzenarten eine Art evolutionäre Arche Noah, da sich dort noch Spiezies erhalten haben, die auf dem afrikanischen Festland längst ausgestorben sind. Ob Mikéas Musik mehr tun kann, als Aufmerksamkeit zu erregen, bleibt abzuwarten. Aber ein hörenswerter Versuch ist diese CD auf jeden Fall geworden.
© Karsten Rube


Faela "Conmigo"
Flowfish, 2013

www.faela.com

Die multikulturelle Truppe Faela, hat sich vor reichlich sechs Jahren in Malmö gegründet, also ausgerechnet da, wo vor kurzen noch der europäische Schlager auf dem Eurovisions Song Contest seine Blüten trieb. Ganz andere Blüten treibt die Musik Faelas, denn die Musiker stammen aus Argentinien, Bosnien, Chile und Schweden und so bunt, wie die Nationalitäten, aus denen sich die Band zusammensetzt, ist auch das Gemisch an musikalischen Stilen. Die dritte CD von Faela bleibt musikalisch den Vorgängern treu, ohne dabei gleich zu klingen. Wieder trifft hier Latinsound auf Swing, Balkangipsy auf Reggae und wieder ist es eine gelungene Gute Laune CD geworden, die unverkrampft und voller Spielfreude daherkommt.
© Karsten Rube


Superbelle "Superbelle"
Eigenverlag, 2012

www.myspace.com/superbelle

Über die Band Superbelle gibt es nicht viel zu sagen, da sie sich mit Informationen reichlich bedeckt hält. Offensichtlich handelt es sich um drei Leute, die diese Band betreiben, denn als bildliche Präsentation stellen sie sich als drei Playmobilfiguren da. Musikalisch mischt die Band die irisch-schottische Folkszene mit elektronischen Elementen auf. Diese Electro-Celticszene findet in den letzten Jahren immer mehr Zulauf, was logisch scheint, da die Zielgruppe auf Elektronik heute ebensowenig verzichten will, wie auf Spaß im Festzelt. I-Pad und Rasterlocken passen heute genauso gut zusammen, wie Fiddel und Computertastatur. Entsprechend frisch klingt die Musik von Superbelle, die sich ausnahmslos irische Traditionells ausgesucht hat, um sie mit Akkordeon, Fiddel und Computerprogrammierung vorzutragen. Das mag Traditionspuristen die Zornesröte ins Gesicht treiben. Ich halte das für eine von vielen spannenden Spielarten, die man im Umgang mit Musik ausprobieren sollte. Eine tolle Tanzmugge ist es in jedem Fall.
© Karsten Rube


Wolfgang Muthspiel "Vienna Naked"
Material Records, 2012

www.viennanaked.com

Es wurde ja auch mal Zeit, dass so ein hervorragender Musiker, wie Wolfgang Muthspiel aus dem Schatten der großen Bands und Vorbilder heraustritt, für die er seit gut 25 Jahren hervorragende Arbeit leistet. Maria João, Paul Motion, John Patitucci, Rebekka Bakken schwärmen von dem Österreicher und seiner Gitarre. Gary Burton holte ihn in seine Band, als Metheny sie verließ. 2012 veröffentlichte Muthspiel in seiner Heimat Österreich die CD "Vienna Naked" und wagt sich in ein neues Gefilde. Muthspiel tritt als Liedermacher mit Jazzhintergrund auf. Vierzehn sentimentale und ergreifende Songs hat er geschrieben. Poetisch, leidenschaftlich und voller Wärme kombiniert er einen überraschend klaren Gesang mit der virtuosen Leichtigkeit seines Gitarrenspiels, das oft an sein Vorbild Pat Metheny erinnert. "Vienna Naked" ist eine Art Liebeserklärung an Wien, an die Musik, an das Leben, wie er es bisher erfahren durfte. Muthspiel hat bisher viel Erfolg und Anerkennung in seiner musikalischen Laufbahn bekommen, was dem positiv wirkenden Album anzuhören ist. Das Soloprojekt, das er mit "Vienna Naked" begonnen hat, hat das Zeug, bei der einen oder anderen Jazzradioredaktion zur Lieblingsplatte zu avancieren. Wolfgang Muthspiel betritt mit Leichtigkeit und Eleganz Solopfade. "Vienna Naked" tut einfach gut.
© Karsten Rube


Sigurd Brokke "Munnharpe"
Etnisk Musikklubb, 2012

Sigurd Brokkes Instrument ist die Munnharpe - oder deutsch die Maultrommel. Ob es wirklich sinnvoll ist, eine ganze CD diesem Instrument zu widmen, will und kann ich nicht beurteilen. Ich bin kein allzu großer Verfechter von Maultrommelsolos, weshalb ich der Doppel-CD des Norwegers nicht viel abgewinnen kann. Sigurd Brokke kann aber nicht genug davon bekommen, abwechslungsreich an seinem Mund herumzuzupfen und bringt mit der CD "Munnharpe" das Instrument gleich als Doppelwopper in den CD-Player. Zugegeben, dem Musiker war der Klang der Maultrommel als Soloinstrument dann an einigen Stellen selbst zu überraschungsarm, weshalb er auch mal eine Fidel einsetzte, um den von traditionellen Weisen inspirierten Zupfgeräuschen etwas Erholsames hinzuzufügen. Jede Nische benötigt ihre Aufmerksamkeit. Für Freunde des Instrumentes sind diese knapp 75 Minuten Plöng-Plöng sicher ein erhebendes Erlebnis, denn vermutlich ist Sigurd Brokke so etwas, wie der Clapton der Maultrommel. Es sei allen gegönnt, die es mögen und ich hoffe, sie wissen diese CD mehr zu schätzen, als ich.
© Karsten Rube


Rabies "Mountshannon Pub Crawl"
Eigenverlag, 2012

www.rabies-online.de

Wer die lange Anreise nach Irland scheut, sollte aus dem Fenster gucken, während es regnet und im CD-Player die CD "Mountshannon Pub Crawl" von der Recklinghausener Folkband Rabies läuft. Die Band ist seit knapp 20 Jahren im Geschäft und hat bereits einige Pubs "gerockt". Na vielleicht ist "gefolkt" das bessere Wort. Sie spielen die bekannten Klassiker des Irish Folk auf eine angemessen originale Weise, sind mit Western- und Stromgitarre streckenweise aber auch originell. Sänger Karsten Fechner mag es, die gleiche Kantigkeit in seine Stimme zu legen, wie Christy Moore. Die Songs auf "Mountshannon Pub Crawl" besitzen schönen Wiedererkennungswert und sind gut geeignet, sich ein Kilkenny auf die Lippen zu wünschen. "Galway Girl", "Long Way to Tipperary" und natürlich "Whiskey in the Jar" kann man hören. "Ride on" darf auch nicht fehlen und erscheint hier im Gewand eines langsamen Western Waltz. Mit "Mountshannon Pub Crawl" erinnert sich die Band an ihren Besuch im Pub in Mountshannon am Lough Derg so ziemlich in der Mitte Irlands. Die Musik lädt den Hörer ein, diesem Pub einen kleinen virtuellen Besuch abzustatten, wenn auch nur akustisch. Eine Einladung, der man gern Folge leistet.
© Karsten Rube


Peter Blaikner "Boulevard Villon"
Tukan Records, 2013

www.blaikner.at

Der Gitarrist und Sänger Peter Blaikner wählt den fiktiven Boulevard Villon als Ziel einiger der berühmtesten Dichter und Sänger Frankreichs: Wilhelm von Aquitaninien, Francois Villon, Georges Brassens und H.C Artmann. Blaikner greift auf provencalische Weisen zurück, auf Lieder aus Mittelfrankreich und auf die Texte von Brassens und komponiert seine Melodien um die von ihm selbst ins Deutsche übertragenen Texte. Ungewöhnlich ist die Mischung aus mittelalterlichem Versmaß und moderner Melodieführung. Dazu setzt er neben der klassischen Gitarre auch E-Gitarren ein und Bass. Die Lieder stecken voll lyrischem Leben, spiegeln Zerrissenheit, zeigen Erotik und Melancholie, sind stellenweise deutlich alkoholischen Inhalts, gelegentlich versaut und besitzen damit alle die Qualitäten, die französische Chansons ausmachen. Das Blaikner dies auch für die des Französischen weniger mächtigen umgesetzt hat, ist höchst lobenswert. Ein wunderbares französisches Album, komplett auf Deutsch. Wer Lust darauf bekommen hat, kann sich Blaikners CD "Boulevard Villon" auf dessen Website www.blaikner.at bestellen. Ich kann sie nur empfehlen.
© Karsten Rube


BalandaBeat "Far away and closer to"
Donner, 2013

www.balandabeat.com

Da die Deutschen besonders weit auf der Welt herum kommen, ist es auch nicht verwunderlich, dass besonders viel Weltmusik in Deutschland gespielt und produziert wird, besonders von Reisenden, die aus der weiten Welt zurückgekehrt sind. Eins von vielen Beispielen stellt die Band BalandaBeat aus Remscheid dar. Ihr zweites Album "Far Away And Closer to" beginnt wie eine meditative Reise in die Welt der australischen Ureinwohner. Doch belassen sie es nicht beim Besuch in Australien, sondern führen die Reise weiter über Indien, Arabien, Afrika bis hin nach Brasilien und Lateinamerika. Mit Didgeridoo und Conga, Tabla und Djembe, E-Gitarre und elektronischen Soundprogrammierungen schließen sie den Weltkreis von einer der ältesten Kulturen der Welt bis in die Neuzeit. Es groovt und das rund um die Welt. BalandaBeat zitieren dabei frei aus allen musikalischen Kulturen bis hin zum Gitarrensound von Carlos Santana. Diese Mischung besitzt eine Form rhythmischer Hypnose, der man sich schwer entziehen kann. Wer die Band 2011 in Rudolstadt erlebt hat, weiß, dass zwischen Entspannung und Ekstase bei dieser Musik alles möglich ist.
© Karsten Rube


Corbefin Marsac "Bal Gascon"
AEPEM, 2013

myspace.com/duocorbefinmarsac

Die traditionelle Musik aus den verschiedenen Regionen Frankreichs zu bewahren, ist eine Aufgabe, die mit fortschreitender Modernisierung der Hörgewohnheiten immer schwieriger wird. Vieles wird kaum noch gesungen und gespielt. Anderseits besitzt die moderne Technik auch die Möglichkeit, traditionelle Musik aufzunehmen und für eine gewisse Zeit zu bewahren. Das Duo Corbefin Marsac hat sich seit einer ganzen Weile auf das Liedgut Südwestfrankreichs spezialisiert. Auf ihrer CD "Bal Gascon" tragen sie Tänze und Arbeitslieder aus der Gascogne, aus dem Cahor und von der Garonne vor. Alles a capella. Wer diese Region bereist hat oder sich für die Kultur des Occitan interessiert, wird auf dieser CD einige schöne Stimmungen heraushören können. Doch dies nur, wenn ihm ein näherer Blick in die Gewohnheiten der Bevölkerung des französischen Hinterlandes gewährt wurde. Dass der etwas grummelige Bauer an der Landstraße nach Condom ein begnadeter Sänger ist oder die junge Frau mit dem Tatoo auf dem Markt in St.Gaudens sich abends im Trachtenkleid zum Dudelsack dreht, sind sentimentale und herzliche Momente, die dem einfachen Reisenden leider verborgen bleiben. Einen kleinen Einblick in diese verborgene Welt gewährt uns das Duo Corbefin Marsac mit der schönen CD "Bal Gascon".
© Karsten Rube


Kitty Hoff "Argonautenfahrt"
Herzog Records, 2013

www.kittyhoff.de

Bei Kitty Hoffs Vorliebe fürs Maritime musste es ja mal so weit kommen. Wer für Leichtmatrosen schwärmt, geht irgendwann mit einem Papierschiffchen auf großer Fahrt. “Argonautenfahrt” heißt ihr neues Album, doch wer denkt, jetzt kommen wir zu den Klassikern der griechischen Antike sieht sich, wie so häufig bei Frau Hoff auf ein Nebengleis gelenkt. Sie sagt, sie fand das Wort so gut und wollte es irgendwann man anbringen. Kitty Hoff und Forêt Noire haben sich für ihre neue CD wieder einmal entschlossen den Hörer auf allerhand verschlungene Pfade zwischen Glück und Verzweiflung zu führen. Dass der Hörer dabei auch mal verwundert erkennen muss, wie sich innerhalb eines Liedes die Perspektiven ändern, gehört ebenso zu Kitty Hoffs künstlerischer Stilistik, wie ihre angenehme Hingezogenheit zum sentimentalen Kitsch. Mit der CD “Argonautenfahrt” erklärt sich Kitty Hoff wieder einmal zur hoffnungsvollen Romantikerin.
© Karsten Rube


Maria Rita "Redescobrir" [Do-CD]
Universal Music, 2012

www.maria-rita.com

Wenn man die Tochter einer der berühmtesten Sängerinnen Brasiliens ist, muss man sich schon ziemlich strecken, um aus deren Schatten zu treten. Maria Rita ist die Tochter von Elis Regina, die man oft als die Königin der Música Popular Brasileira bezeichnete. Elis Regina starb mit 36 Jahren sehr jung. Ihre Tochter Maria Rita ist erst seit 10 Jahren als Musikerin erfolgreich. Ihre intensive Art zu singen und zu interpretieren, macht sie heute bereits zu einer der bedeutendsten Interpretinnen des brasilianischen Liedes und des neuen brasilianischen Jazz. Intensivität im Ausdruck und komplizierte Melodieführung sind ihr Markenzeichen. Ihren Fans fällt es trotzdem nicht schwer, ihre Lieder text- und melodiesicher mitzusingen. Mit dem Live aufgenommenem Doppelalbum „Redescobrir“ widmet sich Maria Rita nun intensiv der Musik ihrer Mutter. 28 Songs, mit denen Elis Regina berühmt geworden ist, interpretierte sie im Dezember 2012 hochschwanger in ihrem Heimatland. Wie jede ihrer Aufnahmen ist auch dieses Album umwerfend, berauschend und kaum zu fassen. Ihre Stimme haucht, schreit, erhebt sich an die Saaldecke und schwebt über das Publikum, trifft aber mit jedem Ton ins Herz. Ihre Fähigkeit musikalisch in Gefühlen zu rühren ist außergewöhnlich. Von einem Schatten ihrer Mutter, in dem sie stehen könnte, ist längst nichts mehr zu sehen. Sie wirft inzwischen selbst einen, in dem andere stehen. Ihre im Studio aufgenommenen CDs sind alle großartig. Live muss sie einfach unwiderstehlich sein. Als junge Mutter hat sie ihr Tourneeprogramm jedoch etwas eingedampft und Europas Fans müssen, bis auf die wenigen Glücklichen in Porto und Lissabon, wohl auf längere Sicht vergeblich auf sie warten.
© Karsten Rube


Kevin Selfe "Long Walk Home"
Delta Groove Music, 2013

www.kevinselfe.com

Den Bluesmusiker Kevin Selfe kann man sich kaum als Wetterfrosch einer amerikanischen Fernsehstation vorstellen. Doch Selfe schloß sein Meteorologiestudium mit Bestnoten ab und suchte dann einen Job. Wie viele Studenten, widmete er sich nebenbei einem Hobby. Seins war das Gitarrespielen. Drei Alben erschienen, ehe er mit seiner Gruppe Kevin Selfe and the Tornados etwas Beständigkeit in sein Tun brachte. "Long Walk Home" ist die neueste CD von Kevin Selfe und eine der heißesten Blues-CDs des Jahres. Songs im Breitwandformat gewissermaßen, in denen er die Möglichkeiten des Bluesgenres voll auslotet. Zwischendrin driftet er in den Mississippistil ab, was seiner Sicht des Blues' eine zusätzliche Facette gibt, Selfe begleitet sich meist selbst auf der Slidegitarre und beweist auf diesem Instrument, dass er ein hervorragender Instrumentalist ist. Doch kann man seine Band ebenfalls als eine Truppe bezeichnen, die den Blues volltönend herausschreit. Mal breit und rotzig, mal mit verspielten Jazzelementen untersetzt. "Long Walk Home" ist eine CD, an der man als Bluesfreund nicht vorbeikommt.
© Karsten Rube


Maira Freitas "Maira Freitas"
JBJ&Viceversa, 2011

www.mairafreitas.com.br

Zum Thema Töchter berühmter Künstler und deren Schwierigkeiten, eigene Wege zu beschreiten kann man allerhand Beispiele bringen. Da wären die Töchter von Ravi Shankar oder das Beispiel Elis Regina und Maria Rita. Auch Maira Freitas und deren Vater Martinho da Vila gibt einen guten Stoff ab. Martinho da Vila ist einer der bedeutendsten Sambakomponisten der Gegenwart. Seine Sambaschule gewinnt den Karneval in Rio in beständiger Regelmäßigkeit. Seine Tochter Maira Freitas könnte also ohne Weiteres in die Sambaschuhe treten und es ihm gleich tun. Doch, nein, sie musste ja unbedingt klassisches Klavier studieren und dann mit einem Abschluss abgehen, der ihr zahllose Türen öffnete, ohne auf ihren Vater verweisen zu müssen. Meisterkurse in Deutschland und Brasilien folgten, Preise blieben auch nicht aus. Doch irgendwann begann ihr Blut in dem Rhythmus zu pulsieren, der ihr in die Wiege gelegt wurde. Der brasilianischen Musik widmet sie ihre erste CD, die sie schlicht mit ihrem eigenen Namen betitelt. Der Schleier der klassischen Musik umweht ihre Interpretation brasilianischer Lebensfreude. So mischt sich Chopin mit Chico Buarque, Bach mit Paulinho da Viola. Das sind alles große Komponisten,alles Klassiker. Die einen jedoch sind Klassiker der brasilianischen Popkultur. Freitas CD beginnt mit einer Art Piano-Etüde, einer Spielübung, fast als würde sie sich die Finger locker spielen wollen. Im zweiten Titel rutscht sie sofort hinüber in den Brasil-Jazz. Freitas Liebe zum Jazzpiano scheint an vielen Stellen ebenso deutlich durch, wie ihre Liebe zur Samba. Sie hat einige der Songs selbst komponiert, fast alle selbst arrangiert. Ihr Debüt ist durchaus überzeugend. Eine gelungene Verquickung von Klassik und Musica Popular Brasileira.
© Karsten Rube


Louisa Lyne & di Yiddishe Kapelye "Debyut"
Maestro Music, 2012

www.louisalyne.de

Die aus Malmö stammende Sängerin Louisa Lyne vertont auf ihrer Debüt CD einige klassische jüdische Lieder auf ihre eigene einfallsreiche Weise. Zusammen mit ihrer Yiddishen Kapelye tanzt sie souverän zwischen Klezmer, Tango, Kunst- und Volkslied. Über weite Strecken der CD bestimmt eine getragene, eher leise Stimmung die Arrangements. Wunderschön sind dabei Lieder anzuhören, wie "Ikh shtey unter a bokserboym", eines der bekannteren jüdischen Volkslieder. Etwas temporeicher geht es dann beim Lied "Dos keshenever shtikele" zu, in dem die Musiker mit Perkussionsolos für eine im Klezmer eher untypische musikalische Abwechslung sorgen. "Debyut" ist eine sehr gelungene CD, die die Wandlungsfähigkeit der gegenwärtigen jüdischen Musik einmal mehr unter Beweis stellt.
© Karsten Rube


UKW-Band "Happy End mit Akkordeonspieler"
Flowfish, 2013

www.ukw-band.de

Die Musiker der UKW-Band sind vom Film vorbelastet. Zahlreiche Kompositionen des Bandleaders Ulrich Kodjo Wendt haben bewegte Bilder bereichert. Deshalb ist die Musik der UKW-Band auch so dynamisch. "Happy End mit Akkordeonspieler" wirkt wie ein deutscher Unterhaltungsfilm: bildintensiv, erzählfreudig, manchmal etwas platt, aber insgesamt kurzweilig. Wendt hat schon für Fatih Akins Film "Kurz und schmerzlos" Musik beigesteuert. "Das Räuberlied" aus dem Film "Das Wirtshaus im Spessart" ist ein nettes Filmzitat, das beinahe ein wenig zu albern daherkommt. Prägendes Element der CD ist das flink gespielte diatonische Akkordeon Wendts und das Flötenspiel von Anne Wiemann, die neben der Flöte auch schon mal zum Saxophon oder zur Luftpumpe greift. Die CD strotzt vor sommerlaunigem Esprit.
© Karsten Rube


Otros Aires "4"
Galileo MC, 2013

www.otrosaires.com

Die Welle des Electrotangos, die vor mehr als zehn Jahren als musikalische Revolution aus den Clubs von Montevideo, Buenos Aires, Paris und Basel schwappte, rollt unvermindert weiter um den Planeten. Neben Bajofondo hat nun auch Otros Aires ein neues Album aufgenommen. Anders als Bajofondo, die deutliche Dancefloorakzente bevorzugen, greift Otros Aires bewusst auf den schmachtigen Gesang des Tangos alter Schule zurück. Doch dank der zum Teil überraschenden Soundsamplings und den eingefügten Rapelementen, lassen Otros keinen Zweifel daran, dass auch ihr viertes Album keine Rückbesinnung zum Tango Classico sein soll. Der klassische Tango bleibt jedoch Grundelement, wie das sich immer wieder aufbäumende Akkordeon beweist. Mundharmonika zu programmierten Beats habe ich bisher auch erst sehr selten gehört. Vielleicht beherrscht es kaum einer so gut, wie Otros Aires, diese gegensätzlichen musikalischen Mittel zu verbinden. Otros Aires Album Nummer 4 ist wie ein Bild mit zwei Seiten, die man so schnell hin und her dreht, bis ein einziges gemeinsames Bild entsteht. Ob das nun nach moderner Nostalgie oder nostalgische Moderne aussieht, liegt im Auge des Betrachters. Gelungen ist diese CD auf jedem Fall.
© Karsten Rube


Kyle Pederson "Renewal"
Eigenverlag, 2009

www.kylepederson.com

Der amerikanische Pianist Kyle Pederson widmet sich auf seiner CD "Renewal" den klassischen Hymnen der christlichen Erweckungsmusik. Leider wird man davon überhaupt nicht wach. Seine Arrangements mit fließenden Pianoklängen, säuselnder Oboe und beruhigendem Cello lassen den Hörer eher an die leisen Hintergrundgeräusche im Ruhebereich einer Sauna denken. Fast vierzig Minuten plätschert es aus dem Lautsprecher in beeindruckender Abwechslungsarmut. Musikalisch sauber gespielt ist die CD sonst eher erfrischend wie ein trockener Keks.
© Karsten Rube


Xosé Manuel Budiño "Sotaque"
Fol Musica/BOA, 2013

English CD Review

www.xosemanuelbudino.com

Xosé Manuel Budiños sechstes Album setzt Akzente. Wieder einmal. Budiño gehört zu den ungewöhnlichsten Gaitaspielern Galiziens, sieht man mal davon ab, dass Gaitaspieler aus Galizien ohnehin recht eigenwillige Persönlichkeiten sind. Budiño hat "Sotaque" in seinem eigenen Studio eingespielt. Verschiedene Dudelsäcke kommen dabei zum Einsatz, die er ganz seinem Stil treu bleibend mit elektronischen Elementen bereichert und von treibender Perkussion begleiten lässt. Budiño gelingt es wieder einmal, zeitgemäße Kompositionen auf der Basis traditioneller Musik zu erschaffen. Häufig tanzbar, manchmal wunderbar verträumt, niemals altbacken. Neben der für galizische Musik typischen Folklore besitzt diese CD auch noch eine etwas ruhigere Seite. "Deíxane adiviñar" ist ein wunderbar sentimentaler Song mit einem Text von Carlos Blanco. Mit "Sotaque" setzt Budiños seinen Weg als eigenwilliger Gaitaspieler, meisterhafter Komponist und einfallsreicher Arrangeur konsequent fort.
© Karsten Rube


Maurizio Geri Swingtet "Tito Tariero"
Materialisonori, 2012

myspace.com/mauriziogeri

Als Manouche Stil bezeichnet man oft den musikalischen Stil, den Django Reinhardt begründete. Manouches nennt sich auch die Gruppe der in Frankreich und angrenzenden Ländern lebenden Sinti. Django Reinhardt ist auch heute noch ein großes Vorbild, für Jazz- und Sintiswingmusiker in aller Welt. Das italienische Maurizio Geri Quintett gehört dazu. Ihre CD "Tito Tariero" wandelt auf den Spuren Reinhardts, wie auf denen der französischen Caféhausmusik. Beste Musik zum "Konditorn gehen", sagt die Erinnerung an den Geschmack, den meine Oma hatte - musikalisch, wie kulinarisch und das war nicht der Schlechteste. Tatsächlich besitzt die Musik den Charme der Nostalgie und wirkt auf sympathische Weise altmodisch. Dabei sind die meisten Songs offensichtlich von Geri selbst. Ausnahmen sind ein traditionelles Stück, sowie die "Melodie de Crepuscule" die ebenso von Django Reinhardt stammt, wie "Hunn o Pani Naschella", das einst von Reinhardt zusammen mit Titi Winterstein geschrieben wurde. "Swingtet" klingt wie die gelungene Fortführung dessen, was Django Reinhardt begründete. Vielleicht würde er heute genau so klingen.
© Karsten Rube


Sofia Rei "De Tierra y Oro"
lilihouse music, 2012

www.sofiamusic.com

Die argentinische Sängerin Sofia Rei lebt seit einigen Jahren in New York. Die Paarung ist eine gelungene, denn sie wird von der New Yorker Latinszene ebenso begeistert aufgenommen, wie von der Jazzszene. Elf Eigenkompositionen präsentiert uns die Sängerin auf der CD "De Tierra y Oro". Lateinamerikanische Folklore webt sie darauf ebenso geschickt ein, wie gefühlsschwere Jazzimprovisationen. Sie erzählt Geschichten, von Liebesbriefen in New York, von Hahnenkämpfen in Cartagena und Alpträumen in Buenos Aires. Lateinamerikanische Mythen und New Yorker Gegenwart sitzen sich bewegt gegenüber. Ihr Gesang ist von samtigen Schwermut geprägt und von sinnlicher Weiblichkeit. Ihre Einflüsse reichen von Elis Regina bis Lila Downs, von Ella Fitzgerald bis zu den Bulgarian Voices. Interessant ist, dass diese Einflüsse kaum durchscheinen. Sofia Rei hat ihre eigene Form entwickelt. Eine Form von lateinamerikanischem Jazz, der sich nicht auf einem Punkt der Landkarte festlegen lässt, sondern frei und voller Hoffnung durch den Raum schwebt.
© Karsten Rube


Sanubar Tursun "Arzu"
Felmay, 2012

Im chinesisch-mongolischen Grenzgebiet sind die Uyghurs zuhause. Die Uiguren sind eine recht autonom agierende Volksgruppe im großen China und wirklich zufrieden ist Peking mit diesen Menschen nicht. Immer wieder kommt es zu Protesten und Unruhen und Chinas Politik ist gewillt, diese Minderheit genauso deutlich in seinen Rechten einzuschränken, wie sie es bei jeder anderen Minderheit und leider auch bei der Mehrheit der chinesischen Bevölkerung praktiziert. Der Uigure Nur Mehemmet Tursun war ein berühmter Musiker und Spieler auf der Satar, einem Saiteninstrument mit drei bis fünf Saiten. Er war vielleicht der einzige chinesische Musiker, der außerdem eine Flamencogitarre besaß und zu spielen wusste. Seine Schwester Sanubar Tursun wiederum hat es geschafft, zu den ergreifendsten Stimmen ihres Volkes zu werden. Auf dem Album "Arzu" kann man das Geschwisterpaar gemeinsam erleben. Es ist ein für europäische Ohren schwer zu fassendes Werk zentralasiatischen Musikschaffens, exotisch, fremd und verzaubernd zugleich.
© Karsten Rube


Mamud Band "Afro Future Funk"
Felmay, 2013

www.mamudband.com

Wer Afrofunk hören will, kommt am Erbe des großen Fela Kuti nicht vorbei. Die Mamud Band, um den italienischen Schlagzeuger Lorenzo Gasperoni versucht erst gar nicht, sich an der Legende vorbei zu mogeln, haben sie doch bereits das Album "Oposite People" dem nigerianischen Bandleader gewidmet. Das neue Album "Afro Future Funk" führt das fort. Lorenzo Gasperoni hält wieder den Funk afrikanischer Spielart hoch, mit Jazzbläsern, schrillen Gitarrensolos und latinorientierten Beats. Reggaerhythmen und Dubbeats treiben die Songs an. Ein Album, das für Knieprobleme sorgt, denn man ist ständig bemüht, sich in wilden, höchst ungesunden Verrenkungen zu ergehen. Zum Stillestehen ist diese Musik nicht gemacht und ganz bestimmt nicht dafür, lange darüber zu sinnieren. "Afro Future Funk“, das ist Tanzmusik als Droge. Schnell, laut und von enormer Dynamik. Fela Kuti wäre begeistert.
© Karsten Rube


Calaita "Flamenco Son"
Eigenverlag, 2013

www.calaitaflamenco.com

Hinter dem Namen Calaita verbirgt sich eine Flamencoband aus Manchester. Glenn Sharpe ist ein profilierter Flamencogitarrist aus England, der bereits einen großen Teil der Welt gesehen hat und auf zahllose musikalische Einflüsse zurückgreifen kann. Sein besonderes Können liegt aber im Flamenco. Mit dem aus Sevilla stammenden Sänger Chico Pere, dem Percussionisten Leo Paredes, der auch afrikanische Djembe und arabische Darbuka in den Flamenco einführt, sowie der Sängerin Diana Castro gründete Glenn Sharp ein klassisches Flamencoquartett. Als der Jazzsaxofonist Matt Nickson wenig später dazustieß, wurde aus Calaita ein experimentelles Flamencoquintett, das auch jazzige Momente einbindet. "Flamenco Son" ist eine abwechslungsreiche Flamenco-CD, die sich traditionell gibt, aber dem Drang zur Jazzimprovisation gern folgt. Und doch bleibt "Flamenco Son" durch und durch Flamenco vom Feinsten.
© Karsten Rube


Buena Vista Soneros De Verdad "Un, Dos, Tres Soneros"
Connector, 2012

www.sonerosdeverdad.com

Es ist die nächste Generation des Buena Vista Social Clubs, die mit Frank Arias und den Sonores de Verdad bereitsteht, um den kubanischen Son am Leben zu erhalten. Die CD "Un, Dos Tres Soneros" der achtköpfigen Band würzt die Musica Cubana zudem mit einem gut gezielten Schuß Salsa Picante. Da bleibt bei Livekonzerten kaum ein Bein auf den Boden. Die Songs der CD wurden fast ausnahmslos von Luis Frank Arias komponiert und arrangiert. Meistens agiert er dabei auch noch als Frontmann und beweist sein großes Bandleadertalent, das ihn in einer Reihe mit Tito Puente und Juan Formell, dem Begründer von Los Van Van stehen lässt. Eine stimmungsvolle Latin-CD, die in ihrer Länge jedoch etwas abwechslungsreicher hätte sein können.
© Karsten Rube


Faun "Von den Elben"
Koch/Universal Music, 2013

www.faune.de

Faun gehören seit Jahren in Deutschland zu den Heroen des Mittelalterfolks. Nun lebt aber auch der größte Held nicht allein von der Vergötterung. Faun hat sich dieser Tage einer massiven Diskussion in Fankreisen zu stellen, denn sie wechselten - zum großen Graus einiger treuer Anhänger - zu einem Major-Label. "Sie haben sich dem Teufel Kommerz verschrieben" hört man aus Kreisen, die ungern zugeben, dass die Mittelalterszene ein nicht gerade unergiebiges kommerzielles Umfeld besitzt. Der Wechsel zu Universal Music brachte einige Veränderungen im musikalischen Bild der Gruppe mit sich. Doch wer Faun bereits länger kennt, weiß, dass sie kein Interesse daran haben künstlerisch auf der Stelle zu treten. Warum also nicht mal eine Lanze für den Schlager brechen? Crossover ist doch in jede Richtung erlaubt. Und musikalische Missionsarbeit tut besonders am deutschen Schlagerpublikum not.
"Von den Elben" ist das achte Album der Pagan-Folker. Und so pop- bis schlagerorientiert der Gesamteindruck ist, vergessen sie an keiner Stelle ihre Wurzeln. Spätestens mit dem Lied "Andor II" solltes dies auch dem letzten Nörgler klar sein. Es blasen die Dudelsäcke kräftig zum Angriff und die Stimme der Sängerin Sonja Drakulich versteigt sich zu mystischen Höhen. "Minne Duett", hier im Zusammenhang mit Subway to Sally aufgenommen, schafft es die Komplexität des Minnegesangs, mit der lyrischen Bescheidenheit der neuzeitlichen Schlagerdichtung zu verbinden. Hier sollte man den Musikern auch mal einen Hang zur Satire zugestehen. Faun wollen nichts Geringeres, als mit mittelalterlichem Hintergrund und auf der Basis von Mystik und Märchenhaftigkeit ihr Publikum gut zu unterhalten. Das gelingt ihnen mit diesem Album und sie erreichen damit sicher ein weites Publikum, welches sich der dem Album innenwohnenden Romantik nicht verschließen will. Für mich ist "Von den Elben" eine musikalisch durchaus stimmige Produktion.
Eine Botschaft an all die Fans, die sich jetzt verstoßen sehen, haben sie immerhin noch in das Lied "Warte auf mich" gelegt, was den Back to the Roots Gedanken in sich trägt. Spätestens zu ihrer Akustik-Tournee werden sie ihre Bodenständigkeit zu beweisen haben.
© Karsten Rube


Faun "Von den Elben"
We love music/Universal, 2013

www.faune.de

Seit elf Jahren begeistert Oliver s. Tyr (Gesang, keltische Harfe, Bouzouki, Maultrommel) mit seinem Mittelalter Projekt Faun seine Fans. Vom Trio hat sich die Band mittlerweile zu einem Sextett erweitert. Neben Oliver drückt vor allem Fiona Rüggeberg (Gesang, Flöten, Dudelsack) dem Sound ihren Stempel auf. Der Meister Perkussionist Rüdiger Maul, Katja Moslehner (Gesang), Stephan Groth (Drehleier, Cister, Gesang) und Niel Mitra (Synthesizer, Sampler, Keyboards) ergänzen das Line-up.
Fiona singt die poppig lebensfrohe Frühlingshymne "Mit dem Wind", getrieben vom stampfenden Rhythmus und dem Sound des Dudelsacks, einer von vier Originalsongs. Der Titelsong ist inspiriert von einem Text des Minnesängers Heinrich von Morungen, Fiona und Katja erzählen die mystische Ballade mit wunderschön verführerischem Gesang und die Flöte spielt ihr verträumtes Lied. "Tanz mit mir" (H. Krech/M. Nissen/F. Ramond) ist ein mittelalterliches Trinklied mit einem Duett von Katja mit Santiano Sänger Björn Both und dem Chorgesang des Komponisten-Teams von Elephant Music und "Schrei es in die Winde" ein rockiger Eluveitie Cover. Das traditionelle schottische Lied "siuil a ruin" wurde von Frank Ramond mit einem deutschen Text versehen und Faun interpretieren es als orchestrale Rock Ballade. Sonja Drakulichs mystische Vokalartistik verzaubert "Andro II", ein Instrumentalstück das Faun seit Jahren immer weiterentwickelt, Dudelsack, Drehleier, Bouzouki und der mitreißende Rhythmus bitten zum Tanz. Beim Subway to Sally Cover "Minne Duett" singen Katja und Eric Fish ein romantisches Duett und Ingo Hampf gastiert an der Laute, nicht der einzige Gastauftritt der Subway to Sally Mitglieder.
Das neue Album von Faun ist selbstverständlich wieder perfekt produziert, arrangiert und aufgenommen, mir fehlt aber ein wenig die Originalität, die Faun auf ihren anderen Alben zur Schau stellen. Hier könnt ihr direkt rein hören.
© Adolf „gorhand“ Goriup


Boxhagener Stadtmusikanten "Tanz aus der Reihe"
Eigenverlag, 2011

www.boxhagener-stadtmusikanten.de

Es sind diese kleinen Momente am Rande langer Straßen, wo hinter Holzzäunen, die eher einladen, als abweisen Tanztee und Geselligkeit locken. Musik, die den warmen Sommertag begleitet, lädt ein zum Anhalten. Man steigt vom Rad für eine Berliner Weiße oder eine rote Brause und nimmt Platz in einer Gesellschaft, die plappert und schunkelt zu Musik, wie sie die Boxhagener Stadtmusikanten auf ihrer CD „Tanz aus der Reihe“ vortragen. Mit Trompete, Klarinette, Gitarre und Akkordeon spielen die Musiker einem die Laune schwindelig. Klezmermelodien, Gassenhauer, Polka, Tango, alles, was man gerne hört, wenn einem der Sinn nicht nach komplizierter Kunst, sondern nach freundlicher Gelassenheit steht. Die hauptsächlich auf mehrstimmigen Bläsersatz angelegten Arrangements hört man auf Stadtteilfesten, auf Volksveranstaltungen und auch mal zum Tanztee in der Nachbarschaft.
© Karsten Rube


Boxhagener Stadtmusikanten "Frühlingsregen"
Eigenverlag, 2010

www.boxhagener-stadtmusikanten.de

Der Boxhagener Platz in Berlin Friedrichshain ist eine der Attraktionen der Hauptstadt und die Boxhagener Stadtmusikanten spielen tanzbare Weltmusik in traditioneller Besetzung. Das achtköpfige Ensemble unter Klarinettist und Komponist Wolf Bayer, bestehend aus zwei Sopran-Saxophonen, Trompete, Klarinette, zwei Akkordeon, Gitarre und Kontrabass, hat vier Coverversionen, zwei traditionelle und vier eigene Stücke eingespielt.
Die CD beginnt mit Bayers rhythmisch verspieltem Stück "Lilos Geburtstag", die Musikanten spielen schöne Soli und erzeugen einen tollen Sound. Dann hat Bayer ein Thema von Robert Schumann bearbeitet und nennt es "Fröhliche Biobauern", ein großartig eingespielter Mix aus tanzbarem Jazz und dem volkstümlichen Thema. "Hasta siempre" vom Kubaner Carlos Publa besticht mit cool jazzigem Latino Groove, das traditionelle "Mazl Tov" ist ein rasant jazziger Klezmer und "El Choclo" ein klassischer Argentinischer Tango von Angel Villoldo. Das acht Minuten lange Titelstück beginnt mit einem fröhlichen Walzer und endet nach einer kurzen Pause mit einem feurigen Foxtrott.
Die Musik der Boxhagener Stadtmusikanten ist Tanzmusik für die Straße, für Märkte und Feste wie es das traditionelle Erbe verlangt, der Boxhagener Platz ist ein Schmelztiegel der Nationen und daher spielen sie auch tanzbare Weltmusik.
© Adolf „gorhand“ Goriup


Reza "Supermaan"
French Toast, 2012

www.reza-music.com

"Supermaan" hat nichts mit Kerlen zu tun, denen Stahlwolle auf der Brust wächst, sondern ist ein niederländischer Begriff für einen besonders großen Vollmond. Reza ist zwar kein Holländer, sondern Pariser mit iranischen Wurzeln, doch die Thematik, die der Songwriter bereits auf dem Vorgängeralbum "Moonless" anführte, setzt er auch auf "Supermaan" fort. Es geht um all die Themen, die für Schlaflosigkeit sorgen. Tod, Veränderung, Angst, Einsamkeit. und die Sehnsuchst nach Liebe, also alle persönlichkeitsrelevanten Themen einer Gesellschaft, die eigentlich nicht erwachsen werden will und dabei nicht bemerken will, dass sie es längst ist. Geschichten von Leuten, die auf der Suche nach dem perfekten Individualismus ziellos durch die Einsamkeit stolpern. Musikalisch unterscheidet er sich dabei kaum von den Songwritern, die er zu seinen Vorbildern zählt. Da wird die Individualität uniform, denn so angenehm sich seine sanfte Stimme auch in die Hörgänge schleicht, so austauschbar sind seine Lieder letztlich. Reza entspricht ganz dem Klischee des verletzlichen Poeten auf der Suche nach Anerkennung und Trost. Aus welcher Kultur Songwriter stammen ist hierbei kaum wichtig. Am Ende klingen sie alle wie Leonard Cohen.
© Karsten Rube


Reza "Supermaan"
French Toast, 2012

www.reza-music.com

Der Pariser Singer/Songwriter Reza Hatami (Gesang, Akustikgitarre) hat mit seiner Band ein neues Album mit neun Originalsongs und einer Coverversion aufgenommen. Das Line-up von REZA besteht aus E-Gitarre, Kontrabass, Drums, Keyboards, Mandoline und Cello.
Es beginnt mit der sanft psychedelischen Ballade "Playground", schleppenden Rhythmus und sonorem Sprechgesang. "Love goes on" wurde vom Australischen Komponisten Duo der Go-Betweens Robert Forster und Grant McLennan geschrieben, REZA interpretieren den Americana Song mit einschmeichelnden mehrstimmigen Gesängen und rockigem Groove. Es folgen psychedelische Rock Balladen mit elektronischen Effekten wie "A day of my life", das gemeinsam mit Frank Zeisel (Gesang) geschriebene "Monkey's laughter", ein melancholischer Song in sanftem Rhythmus und mit tollem Gitarrenspiel, oder das rasante "Flying girl II" (Text Sotiris Varduakis) mit rockigem Orgel Sound und treibendem Rhythmus.
REZA bieten auf ihrem aktuellen Album 30 Minuten Indie Pop-Rock mit folkigen Elementen.
© Adolf „gorhand“ Goriup



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