FolkWorld Ausgabe 41 03/2010; Kolumne von Walkin' T:-)M


Die FolkWelt zwischen Harz und Heide:
Es folkt in Stadt und Land

Es war etwas ruhiger um die Jahreswende 2009/2010 in der Region Braunschweig-Salzgitter-Hildesheim. Aber nicht nur mit der neuen Bluegrass-Jamboree-Tour und dem kleinen, aber feinen Folk-in-der-Burg-Festival ist versucht worden, etwas Schwung in die Bude zu bekommen.

Presseschau

Sympathisches Ausnahmetalent

Bischofsmühle, Hildesheim. Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass ein Geigenbogen Feuer fängt? Zumindest, wenn man, bei einem Celtic-Folk-Konzert im Publikum stehend, schon den Eindruck hat, als würden die Saiten zu glühen beginnen? Zugegebenermaßen sind die real-physikalischen Gegebenheiten höchstwahrscheinlich nicht so, dennoch stellte sich genau dieses Gefühl beim Konzert der Cape-Breton-Geigerin Jennifer Roland [FW#39] und ihrer Band ein. [HAZ, 09.11.2009]

Heimatmusik für Weltreisende

Trillke-Gut, Hildesheim. Einen Auftritt der legendären Balkan-Punk-Metal-Gypsy-Riot-Band KulturShock aus Seattle im Trillke-Gut – da geht ein Wunschtraum in Erfüllung, auch fürs Publikum. Diese Band ist schlicht ein phänomenales Ereignis. Und zwar eins, das knallt. Allen voran der urwüchsige Sänger Gino Yevdjevich, von Herkunft bosnischer Serbe. Dass dieses hünenhafte Urtier früher einmal jugoslawischer Popstar gewesen sein soll, kann man sich kaum vorstellen. [HAZ, 17.11.2009]

Singender und tanzender Harlekin

Stadthalle Braunschweig [Herman Van Veen] ist Musiker, Liedermacher, vor allem aber auch ein begnadeter Entertainer und intellektueller Harlekjin. Das Traurige lustig zu erzählen und das Lustige nicht um seine ernste Substanz zu betrügen, das gelingt ihm mit souveräner Leichtigkeit. Seit den 60er Jahren steht er auf der Bühne. "Neulich hat dieses Lied rund die Hälfte meines Publikums spontan mitgesungen. Wissen Sie warum nur die Hälfte? 53 Prozent meines Publikums sind mittlerweile gestorben." Was Van Veen singt, ist oft nicht sonderlich originell, weder textlich noch musikalisch, aber es ist hervorragend musiziert. Niemand drängt sich in den Vordergrund, gleichberechtigt erzeugen sie ein sehr dichtes, atmendes Gewebe, zwischen Liedermacherei, spanischer und osteuropäischer Folklore und klassischen Anklängen. [BZ, 27.11.2009]

Wenn der Vater mit dem Sohne …

Kniestedter Kirche, Salzgitter-Bad. Die Kniki ist am Wochenende bei beiden Konzerten der Cannons [FW#23, #34, #36, #38, #39] ausverkauft. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Dubliners-Sänger Seán Cannon und sein Sohn James in besonders guter Spiellaune sind. Schon der erste Teil des Konzerts am Samstag dauert länger als von den Musikern ursprünglich geplant. Die beiden haben einfach noch keine Lust auf eine Pause, spielen lieber ein paar weitere irische und schottische Folk-Klassiker. Handwerklich perfekt an den Gitarren, ergänzen sich die beiden Musiker auch stimmlich. Während Seán Cannon für die höheren Tonlagen zuständig ist, begeistert der 32-jährige James mit seiner sanften, sonoren Stimme das Publikum und erntet dafür kräftigen Applaus und anerkennende Pfiffe. Eine Titelreihenfolge haben die beiden nicht. Sie spielen frei aus dem Bauch heraus, mal singt der Vater ein Stück, mal rückt der Sohn ins Scheinwerferlicht, mal gibt es ein Duett. Abwechslungsreich ist das Programm – und informativ, hat der 69-Jährige doch immer eine Geschichte zu den Liedern parat. Sein Wissen? Das habe er von Wikipedia, outet sich der Sänger augenzwinkernd und setzt zum Beweis an: "Schiller wurde 1759 geboren. Das ist das Jahr, in dem die Guinness-Brauerei eröffnet wurde." [SZ, 18.01.2010] [SZ, 28.11.2009]

Explosive Mischung ergibt Klangkosmos

Kirche Heilige Dreifaltigkeit, Salzgitter-Bad. Eine Wortspielerei durchzieht inhaltlich das neue Programm der Dresdner Formation Das blaue Einhorn [FW#41]. Die vier Musiker beschäftigen sich mit dem Übersetzen in jeder Hinsicht: im Sinne von ans andere Ufer zu gelangen, sich etwas Fremdes zu eigen zu machen oder aber irgendwo anders anzukommen. Musikalisch erwächst aus diesem Ansatz eine Bandbreite von Emigranten- und Fährmannsliedern, Folklore, Tänzen und Liebesliedern aus vielen Ländern sowie Chansons vom Weggehen und Ankommen. Das blaue Einhorn nimmt das Publikum mit auf eine Reise in ferne Länder, andere Kulturen und Mentalitäten. Die Musiker spielen sich in Ekstase, lassen die in den Liedern und Stücken ausgedrückten Gefühle lebendig werden und versetzen so die Zuhörer, die sich ganz auf das Konzert einlassen, in Verzückung. Das Raue und Explosive der Straße sowie das Differenzierte, Filigrane und Präzise der Kammermusik treten in ein selbstverständliches Miteinander und ergeben einen wahren Kosmos an Klängen, Rhythmen und Impressionen. Der Gruppe gelingt eine perfekte Mischung, die sowohl den Besucher klassischer Konzerte als auch Freunde leichterer Muse und folkloristischer Musik begeistert. [SZ, 26.01.2010]

Botschafter schottischer Folkmusik

Forum, Peine. Auf der Bühne sah es aus wie in einer kleinen Musikalienhandlung. So viele Instrumente lagen oder standen da – zum Greifen nah. Das Motto der [Battlefield] Band [FW#40] lautet "Forward with Scotland’s Past" – "vorwärts mit Schottlands Vergangenheit": Die Gruppe vereint schottische Musik – Lieder und Instrumentalstücken – mit neueren Stilrichtungen. Mike Katz, der Dudelsackspieler mit dem langen Bart, der fast bis zum Bauchnabel reicht, und Alasdair White, der unter anderem die Fiedel (Geige) spielt, treiben sich gegenseitig immer wieder zu noch höherem Tempo. Alan Reid, der Senior der Gruppe, beherrscht die vielen Tasteninstrumente. Er und Sean O’Donnell, der Gitarrist, übernehmen auch Gesangsparts. "Die Batties", wie sie von ihren Fans liebevoll genannt werden, haben in den vergangenen 40 Jahren gewissermaßen als Botschafter ihrer Heimat dazu beigetragen, dass "Scottish Folk", schottische Volksmusik eben, zu einem weltweit anerkannten Musikstil geworden ist. [BZ, 01.02.2010]

Verletzlich und entspannt

Alte Stellmacherei, Lahstedt-Gadenstedt. Der Auftritt des Musikers aus Holland begeisterte die zahlreichen Zuhörer und zauberte ein Lächeln auf so manches Gesicht. Im Stile des urwüchsigen Kanadiers Neil Young präsentierte [Ad] Vanderveen [FW#36] druckvolle Songs – irgendwo im weiten Feld zwischen Folk und Rock. Mal streifte er die Verletzlichkeit einer Emmylou Harris mal die sanfte Entspanntheit eines Mark Knopfler. Und manchmal meinte man sogar den knorrigen Countrybarden Willie Nelson zu hören. Die perfekte Musik also für einen Abend in der heimeligen Atmosphäre der Alten Stellmacherei mit Schmalzbrot und Rotwein. [PAZ, 31.01..2010]

Koptische Musik der Nachwelt gesichert

Hildesheim. Sie hatten nur einen Versuch: Entweder es gelang im ersten Anlauf, die bis zu 60 Jahre alten Tonbandaufnahmen zu digitalisieren, ohne die Magnetschicht abzulösen. Oder diese Musik der Kopten wäre für immer verloren gewesen. Dank Rieseneinsatz gelang der Versuch. Und so konnte gestern im Center for World Music [FW#40] die gelungene Digitalisierung des Tonbandmaterials der koptisch-orthodoxen Kirche aus Kairo in der Timotheuskirche gefeiert werden. „Dieses Projekt ist eine wunderbare Visitenkarte der Ökumene plus Politik und Wissenschaft“, ist der koptische Bischof für Deutschland, Anba Damian, dankbar. Musik sei die Sprache des Herzens, sie verändere Gefühle. Musik zu fördern, sei ein Friedenswerk. [HAZ, 02.02.2010]

Irische Lebensfreude in schnellen Schritten

Aula des Gymnasiums Salzgitter-Bad. Die Zeitreise beginnt Mitte des 18. Jahrhunderts: Wandernde Tanzlehrer, so genannte "Dance Masters" reisen in Irland von Dorf zu Dorf und bringen der ländlichen Jugend das Tanzen bei. Die Geschichte des irischen Stepptanzes erzählt die Show Dance Masters! Best of Irish Dance. Rasante Stepptanz-Elemente mit einer beeindruckenden Fußarbeit und ballett-ähnliche Darbietungen in schillernden Kostümen wechseln einander ab. Abgerundet werden die Tanzvorführungen mit Live-Musik in typisch irischer Klangfärbung. Klassische, moderne und folkloristische Elemente ergänzen sich zu einem tänzerischen und musikalischen Gesamtkunstwerk, das das Publikum vom ersten bis zum letzten Ton in den Bann zieht. Stürmischer Applaus am Schluss ist die Belohnung für die schweißtreibende Darbietung der sympathischen Akteure. [SZ, 06.02.2010]

Bluegrass Jamboree

Geschickt gepickt

Kulturfabrik Löseke, Hildesheim. Es ist ein neues Kleinod in der Festival-Landschaft Hildesheims aufgetaucht: Das Bluegrass-Jamborée – Festival Of Bluegrass And Americana Music bedient eine ganz spezielle Ausrichtung von Folk, Country, Jazz und Blues. Wer dachte, es wäre kein Platz mehr für ein solches „Exotenfestival“, hat sich geirrt. Das Gegenteil ist der Fall. So zeigt sich die große Halle der Kulturfabrik Löseke nicht nur gut gefüllt, sondern auch in bester Laune. Der „Bluegrass-Virus“ ist auf einen äußerst fruchtbaren Nährboden gefallen. [HAZ, 21.12.2009]

The Toy Hearts & Steep Canyon Rangers @ FolkWorld: FW#41, #41

Bluegrass Jamboree Session



www.thetoyhearts.com

www.smithnjones.net

www.steepcanyon.com



"Bluegrass Jamboree!"

Im Herzen der Region Braunschweig liegt die Stahlstadt Salzgitter. Folk-Veranstaltungen haben es in der Arbeiterstadt nicht immer leicht, gegen die Konkurrenz von Pop-Cover-Bands und Boulevard-Komödien zu bestehen. Da haben in der Vergangenheit auch zugkräftige Namen aus der Folk-Szene nichts genutzt.

Gelegentlich aber geschieht doch noch ein Wunder. Und seitdem das Salzgitteraner Folk-Festival vom Sommer in den Winter und vom Freibad in die Wasserburg Gebhardshagen verlegt worden ist, kann man das Festival als vollen Erfolg bezeichnen - obwohl seitdem nur noch regionale Bands vertreten waren.

Statt Folk on the Water also Folk in der Burg! Von der Bezeichnung Wasserburg sollte man sich nicht allzusehr beeindrucken lassen: Viele historische Gebäudeteile sind nicht mehr zu sehen; die Truppen des Bischofs von Hildesheim haben nämlich anno 1406 den größten Teil des um das Jahr 1000 erbauten hus to dem Haghen zerstört, und die Anlage hat zuletzt als landwirtschaftliche Domäne ihr Dasein gefristet.

Matthias Lenz

Matthias Lenz @ FolkWorld: FW#39

Icon Movie @ www.mucklum.de

Drei ganz unterschiedliche Beiträge aus dem weiten Spektrum der Folkmusik standen nun wieder auf der Bühne im ehemaligen Pferdestall, um die dunkle Jahreszeit zwischen Fasching und Ostern unterhaltsam zu verkürzen:

Dun Aengus hissten die irische Nationalflagge; Matthias Lenz fingerpickte im Geiste des von ihm verehrten Gitarrenvirtuosen Tommy Emmanuel; Weepin' Willow brachten die sich zwischen amerikanischem Folk, Country und Pop bewegenden Eigenkompositionen von Frontfrau Konni Selonke auf die Bühne. Für jeden Geschmack war etwas dabei, und auch der kurzzeitige Stromausfall im ganzen Stadtviertel konnte weder dem Enthusiasmus der Bands etwas anhaben, noch die gute Stimmung im Publikum trüben.

Weepin' Willow

Icon Sound @ www.weepingwillow.de

Termine 2010

2Duos

März - November 2010 - ZWISCHENTÖNE
Großraum Braunschweig; www.wilde-toene.de

1./2. Mai 2010 HIGHLAND GATHERING
Peine; www.highlandgathering-peine.de

5.-16. Mai 2010 MASALA WELTBEAT FESTIVAL
Hannover; www.masala-festival.de

8. August 2010 - KLESMER-FESTIVAL
Salzgitter-Bad; www.salzgitter.de

Iontach


6 Jahre Folk Festival SZ:
FW#31,#32,#34,#32,#38

Die FolkWelt zwischen
Harz & Heide (FW#40)
Photo Credits: (1)-(2) Bluegrass Jamboree Session (unknown); (3) Matthias Lenz, (4) Weepin' Willow (by Ralf-B. Poschadel); (5) 2Duos (by Cara); (6) Iontach (by Walkin' T:-)M).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 03/2010

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