Ausgabe 4 5/98
"Iain MacKintosh likes big men", war der Kommentar eines Gastes, der sich offenbar an die Kombination des schmalen schottischen Sängers mit dem Schwergewicht Hamish Imlach erinnerte. Der 'big man' auf der Bühne der Kellinghusener Ulmenhofschule an diesem Abend war jedoch Brian McNeill, Multi-Instrumentalist, Sänger, Songschreiber und Showman der Extraklasse. Iain MacKintosh hielt sich, wie es seine Art ist, stärker im Hintergrund; seine ruhige Stimme und seine leiseren Instrumente - hauptsächlich Banjo und Concertina - wurden von der Anlage leider auch nicht immer so zur Geltung gebracht, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Die Stimmung im vollen Saal wurde dadurch allerdings nicht beeinträchtigt.
Die Zuschauer waren bereit, sich mittragen zu lassen von der Atmosphäre
zwischen den beiden so unterschiedlichen Künstlern. Iain und Brian
verstanden es, den Eindruck zu erwecken, als spielten sie hauptsächlich zum
gegenseitigen Vergnügen.
Das Programm bildete eine sorgfältig ausbalancierte, locker vorgetragene
Mischung aus politischen Liedern, Traditionals und Instrumentalsets. Brian
setzte seinen vollen Instrumentenwald ein: Neben der Concertina umgaben ihn
eine Mandoline, zwei Gitarren und zwei Geigen. Der ruhige Anfang mit
'Traveller's Moon' ließ Raum für Steigerungen, 'Lord Franklin's Lament' gab
Iain Gelegenheit, seine Baß-Concertina hervorzuholen. (Seit Neujahr 1996
hat er es leider aufgegeben, sie mit den Worten anzukündigen: "We call it
Hamish!") Spätestens bei 'The Bonnie Wee Lassie Who Never Said No' mit
einer irrwitzigen Fiddle-Improvisation auf 'I Can Get No Satisfaction' war
das Publikum dann fürs Mitklatschen reif, nutzte die Gelegenheit zum Glück
jedoch sparsam. Man war in erster Linie zum Zuhören gekommen - was den
Kellinghusenern von Brian den 'Vorwurf' eintrug: "Ihr seid so norddeutsch!".
Wer ihn bisher nur solo gehört hatte, dürfte erstaunt gewesen sein, daß
Iain, dessen Ruf eher auf seiner Persönlichkeit als auf überragenden
instrumentellen Fertigkeiten beruht, durchaus in der Lage war, bei Sachen
wie dem schrägen 'Dallas-Domestic-Fort-Worth-Nothin'-Texas-High-Heel-Terminal-Two-Step', bei
Ragtime-Titeln oder dem klassischen 'Roslin Castle' mit Brian Schritt zu
halten.
Überhaupt gewannen viele der Lieder durch die ungewohnte Ergänzung
eine neue Note, so 'You Can´t Take It With You' oder 'The Wind and Rain'
durch Brians Fiddle oder 'No Gods and Precious Few Heroes' durch Iains
Mundharmonika. Letzteres für mich einer der Höhepunkte des Programms und
eins der besten Lieder von Brian McNeill: Es verweist die heroische
Überlieferung Schottlands auf den Platz, auf den sie seiner Meinung nach
gehört: auf den Scheiterhaufen der Geschichte.
Wer schreibt heute noch Gewerkschaftslieder? 'Sell Your Labour, Not Your Soul', von Brian a cappella mit kaum gebändigter Wut vorgetragen, gehört zum Eingängigsten, was zu diesem Thema seit langem zu hören war: ein Agitationslied im besten Sinn des Wortes.
Als Haupt-Zugabe mußte dann der Ohrwurm kommen, der bei jedem Hören länger wird: 'Oor Hamlet', die Geschichte des Prinzen von Dänemark in vier Strophen, von Iain in zungenbrecherischer Geschwindigkeit vorgetragen zur Melodie von 'The Mason's Apron'. Brian nahm sie auf, um sie mit allerlei Improvisationen und Querschlägern von Bill Haley bis Edvard Grieg in ihre Einzelteile zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Iain überließ dem Freund über weite Strecken dieses letzten Sets neidlos die Bühne.
Zum Schluß waren nicht nur Künstler und Publikum zufrieden, sondern auch
PEP - ein Zusammenschluß junger Leute aus Kellinghusen und Umgebung, die es
sich zum Ziel gesetzt haben, Kultur und Kleinkunst, die sie interessiert,
in ihre Nähe zu holen. Als Großstädterin blickt man neidvoll auf die
Unterstützung, die sie von ihren örtlichen Geschäftsleuten genießen!
Falls jemand Appetit bekommen hat: Die beiden planen im September und im Dezember einige gemeinsame Termine in Deutschland.
Photo: Iain MacKintosh und Brian McNeill auf dem Tondern Festival 1996; Photo by the Mollis
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