FolkWorld Ausgabe 37 11/2008; Buchrezensionen von Walkin' T:-)M


Carl Spitzweg ,Der arme Poet', www.spitzweg.de
T:-)M's Nachtwache
Balkan-Blues & Reservation-Rock

"Das schrille Quieken einer Klarinette durchschneidet die Luft - und hier kommen sie schon. Eine gewaltige Masse von sich schwindelerregend drehenden Tänzern, die sich an den Händen halten und mit den Füßen kicken, ein beweglicher, sich alles einverleibender Kreisel, der einem riesigen, in sich selbst verwickelten Tausendfüßler zu ähneln beginnt. Das ist es! Der Horo, getanzt zu einer Triobegleitung von Akkordeon, Klarinette und Basstrommel - höchste Gypsy-Glückseligkeit in Bewegung." Mit Garth Cartwright auf Balkan-Odyssee und mehr.

Nach Garth Cartwright sind die Roma die besten europäischen Musiker, denn ihr Spiel kommt aus der Seele. Das Gefühl ist es,

Garth Cartwright, Balkan-Blues und Blaskapellen - Unterwegs mit Gypsy-Musikern in Serbien, Mazedonien, Rumänien und Bulgarien

Garth Cartwright, Balkan-Blues und Blaskapellen - Unterwegs mit Gypsy-Musikern in Serbien, Maze-donien, Rumänien und Bulgarien. Koch/Hannibal, 2008, ISBN 978-3-85445-284-3, 318 S, €24,90.

das die Gypsy-Musik so einzigartig macht.
Sie haben überall Spuren ihrer Präsenz hinterlassen und eine Brücke zwischen Ost und West geschlagen.

Die im 20. Jahrhundert begonnene Liebesaffäre mit amerikanischer Musik - dazu Europas katastrophale Kriege mit all ihren neuen Grenzziehungen - ließ einen Großteil der Gypsy-Musik zur Nebensache verkommen. Dennoch haben die wenigen Künstler, die letztlich den Durchbruch schafften, dazu beigetragen, die moderne Musik neu zu gestalten: Django Reinhardt, der in Belgien in einem Wohnwagen aufwuchs, fand als Europas erster wirklich herausragender Musiker Anerkennung. Joe Zawinul, Spross einer österreichischen Roma-Familie, der mit der Familiencombo schon im zarten Alter von sechs Jahren auf dem Akkordeon Gypsy-Musik spielte, schaffte den großen Durchbruch. Er spielte später mit Cannonball Adderley, Miles Davis und Weather Report und erweiterte so die klanglichen Grenzen des Jazz.

Befragte Garth osteuropäische Bekannte jedoch nach den Roma ihrer Nation, dann bekam er oft eine Litanei von Beschimpfungen zu hören: Die Gypsies sind dreckig und gefährlich. - Hast du jemals einen von ihnen getroffen? - Neeee, aber ich weiß Bescheid. Ergo ist Balkan-Blues und Blaskapellen das Resultat des Wunsches, Bescheid wissen zu wollen -

Schreiner/Kolb, Indie Travel Guide UK & Europa

Auch ein Reisebuch ... Wer kennt seine Heimatstadt besser, ist in ihre Abgründe hinabgestiegen als ein dort aufgewachsener oder lebender Indie-Musiker? Über 80 Bands und Musiker aus Europa berichten über ihren Lebensmittelpunkt, und manchmal wird einem klar, warum sie Musik machen, so Björn Agren, Gitarrist von Razorlight: Lidköping ist ziemlich langweilig und wenn dir langweilig ist, kriegst du schon mal seltsame Ideen. Sie diskutieren Banalitäten, geben aber auch Insider-Tips über Sehenswürdigkeiten, Galerien, Museen, Restaurants, Clubs und Pubs, Plattenlieder, Klamottenläden, Schuhgeschäfte usw. Der Schwerpunkt liegt auf den Britischen Inseln (wozu auch Irland gerechnet wird), allein London hat 27 Beiträge, Skandinavien kommt auf 12, West-Europa (deutschsprachige Länder, Benelux, Frankreich) auf 24 und Südeuropa (Spanien, Italien) noch ganze 4. Die Hauptstädte werden abgehandelt, aber wer hat je von Bexhill-On-Sea oder Borlänge gehört? Die meisten Reiseleiter, u.a. Matmatah-Gitarrist Tristan Nihouarn (-> FW#19) und Roddy Woomble, der jüngst mit John McCusker (-> FW#26) und Kris Drever (-> FW#33, FW#36) konzertiert, sind mir unbekannt. Folkies sollten nicht zu viel erwarten. Dass z.B. Salford Ewan MacColls (-> FW#37) "Dirty Old Town" ist, findet keine Erwähnung mehr. Vielleicht weil sich die Stadt herausgeputzt hat in den letzten Jahren. Immerhin werden in Edinburgh, Belfast, Downpatrick und Dublin traditionelle Musik-Sessions erwähnt, allerdings darauf hingewiesen: Warnung: beschissene Akustik-Gitarren-Mucke! Haltet großen Abstand zu Geschäften und Örtlichkeiten, die einen Fernseher im Fenster stehen haben, in dem ein Video läuft, auf dem irgendwelche Leute irische Tänze aufführen!!! Der Indie Travel Guide ersetzt keinen herkömmlichen Reiseführer, ist aber grundsätzlich eine nette Idee und wäre sicherlich auch etwas für den Folk-Bereich. Also bekommt er immerhin Note: interessant und skurril.

Manuel Schreiner & Mirjam Kolb, Indie Travel Guide UK & Europa. Rockbuch Verlag, 2008, ISBN 978-3-927638-46-4, 576 S, €19,90 (indietravelguidebook)

jenseits der "Gypsies, Tramps and Thieves" des Cher-Songs und "Lustig, lustig ist das Zigeunerleben".

Serbien

Garth stieg in die Mahalas hinab, den Roma-Ghettos, wo nichts passiert und für die meisten auch nie etwas passieren wird. Außer vielleicht Musik.

Tito, der um die internationale Anziehungskraft von Musik wusste, nutzte die traditionelle Musik der Region, um kulturelle Brücken zu schlagen. In Jugoslawien war die Folklore ein vom Staat befürworteter Soundtrack, eine Musik, die die Werte Bruderschaft und Einheit untermauerte. Doch nach Titos Tod wurde die Musik allmählich zum Opfer nationaler Rhetorik. Zur gleichen Zeit wurde der Balkan von einer in Belgrad gestarteten musikalischen Revolution überrollt: Der Turbofolk verquickte serbische Folksongs mit zunehmend glatteren Klängen aus der Türkei, Ägypten und dem vorrevolutionärem Iran. Dergestalt kreierte der Turbofolk eine wirksame heimische Alternative zum Pop und Rock westlicher Provenienz.

Emir Kusturicas Film "Time of the Gypsies" hat 1989 den internationalen Markt für Gypsy-Musiker geöffnet; das Filmthema "Ederlezi", arrangiert von Goran Bregovic, ist heute die berühmteste Balkanmelodie. Garth trifft auf den Geiger Aca Sisic, Dragan Ristic's Gruppe Kal und den kürzlich verstorbenen Saban Bajramovic (-> FW#37). Und er besucht das Guca Festival.

Trompeten zerschneiden die Luft. Mutierende donnernde Kesselpauken entfesseln ein dröhnendes sonisches Gewitter. Guca ist der Austragungsort des größten Drei-Tage-Musikfestivals auf dem Balkan. Orkestars aus ganz Serbien kommen hierher, um nonstop zu spielen, 'ne Menge schweißfeuchter Dinare zu kassieren, weitere Buchungen auszuhandeln und, vielleicht, auserkoren zu werden für die vorletzte aller Blasmusikehren, die Goldene Trompete. Hitzeleutelärm: Alles verquickt sich zu einer einzigen flimmernden Kakofonie. Guca feiert 2003 den zweiunddreißigsten Jahrestag, dass die Balkanbläser die Herrschaft über die Stadt übernommen haben. Ursprünglich initiierte man das Festival mit dem Titel Dragacevski Sabor Trubaca, um die Tradition der Blasorchester am Leben zu erhalten. Titos Jugoslawien förderte folkloristische Dinge aller Art, und irgendein Apparatschik mit weit offenen Ohren, dem aufgefallen war, wie die ständige Abwanderung vom Land in die Stadt die Blasorchester dezimierte, hatte die Idee zu einem Festival/Wettbewerb. Anfangs war es ein eher bescheidenes Ereignis, doch nach den riesigen Erfolgen von Emir Kusturicas Filmen, die von Goran Bregovics Arrangements mit Blasmusik des Balkans untermalt waren, begannen die Orkestars, Rock und Rave als serbischer Partymusik die Plätze streitig zu machen.

Peter Hogan, Johnny Cash - Story und Songs kompakt

Country-Ikone Johnny Cash [-> FW#25, #26 #27, #29] ist nach Peter Hogan eine Kreuzung aus einem Revolver-helden und einem Prediger, ein voller, tiefer, dröhnender Bariton, der sich anhörte, als wäre er im Kreuzfeuer der Elemente gealtert. Johnny Cash - Story und Songs kompakt ist ein Band aus einer Reihe, in der auch die Beatles, Eric Clapton u.a. abgehandelt werden. Album für Album werden besprochen, mit ein paar Seiten Hintergrund der jeweiligen Aufnahmen, die Biografie Cashs während dieser Zeit, die Sessionmusiker (sofern bekannt); dann Song für Song mit Erklärungen und Kommentaren. Von der Sun-Records-Ära (1955) bis zu den American Recordings (2003), vom "Folsom Prison Blues" über "Ring of Fire" und "Man In Black" bis Tom Pettys "I Won't Back Down" und U2s "One" hat Johnny Cash 1-2 Platten pro Jahr aufgenommen. Er hat Country und Blues, Folk und Gospel eingespielt; eigene Stücke, Cover-Songs von Hank bis Hardin, seltener Traditionelles (wobei Stücke wie "Sloop John B", "My Grandfather's Clock" oder "Casey Jones" unter eigenem Namen veröffentlicht worden sind). Hogans Kommentare zu den einzelnen Aufnahmen reichen von unglaublich ergreifend und fast schon episch über hätte ein Hit werden müssen bis zu ekelhaft sentimental und überproduzierte Sauerei. Mein subjektiver Eindruck ist, dass mehr verrissen als gelobt wird, wobei die gelungeneren Aufnahmen nie hoch in den Charts gestanden haben. Hogans Kompilation ist kein Lebenswerk, sondern eine endliche Arbeit, drum fehlen Besprechungen von nicht mehr erhältlichen Alben wie z.B. "Rainbow" von 1985. Dieses wurde so schlecht vertrieben, dass viele nicht einmal an seine Existenz glauben. Er ist auch nicht fehlerfrei; über "Silver" von 1979 heisst es an einer Stelle, es hätte keine Hit-Single enthalten, an anderer Stelle wird korrekt festgestellt, dass das nicht ganz unbekannte "Ghost Riders In The Sky" Platz zwei der Country-Charts erreicht hätte. Verständlicherweise fehlen auch die zahllose Gastauftritte auf diversen Platten oder die gefloppten Singles, die nie auf Studioalben auftauchten. Wer eine vollständige Cash-Diskographie haben will, muss auch das entsprechende Geld anlegen. Als Gesamtschau über das Lebenswerk eines der bedeutendensten Künstlers des 20. Jhds. wird es den meisten Ansprüchen genügen.

Peter Hogan, Johnny Cash - Story und Songs kompakt. Bosworth Edition, 2008, ISBN13 978-3-86543-290-2 , 292 S, €9,95.

Am Samstag abend spielt das
Boban Markovic Orkestar (-> FW#23):
Während die übrigen Orkestars alle identisch gekleidet sind (lange Hosen und kurzärmelige Hemden waren die gängige Uniform), sieht Boban mit seinen langen, widerspenstigen Haaren und seinem Aufzug so aus, wie Jazz- und Rockmusiker aussehen sollen. Und dann ist da Marko, Bobans fünfzehnjähriger Sohn, der die Trompete rockt Im Rock versierte Kids üben sich im Headbanging, andere tanzen Cocek, schwenken ihre Hüften zu den Breaks des Rhythmus. Bobans Orkestar funktioniert folgendermaßen: Eine Goc (Basstrommel) und Dobos (Snares) halten donnernd ihre Schlagzahl, während die Tenorhörner und die Basstuben satte und fette Bläserrhythmen pumpen. Boban und Marko teilen sich die Soli, bauen spiralförmige Notenmuster auf, drängen mit schrägen, eckigen Sound vorwärts. Boban Markovics Spiel vereinigt einen lyrischen Stil und eine Technik, die imstande sind, Jazzfans zu fesseln, während sein Orkestar einen harten Romani-Funk bläst, der bei Ravern aller Altersstufen ankommt. Und mit einem Sohn wie Marko, der nicht nur ein Trompetentalent ist, sondern auch dieses dunkle, geschmeidige Aussehen besitzt, das man etwa einem Enrique Iglesias nachsagt, sind nach oben keine Grenzen gesetzt.

Mazedonien

King Naat Veliov & The Original Kocani Orkestar

King Naat Veliov @ FolkWorld: FW #19, #24, #36

Icon Sound @ Speed, Peking Delire

Icon Movie @ www.youtube.com

www.kingnaatveliov.com.mk

In Mazedonien trifft er auf Ferus Mustafov und Sängerin Esma Redzepova, die sagt: Die Roma haben nie gegen andere gekämpft, waren nie an Kriegen beteiligt und haben nie irgendeine andere Nation besetzt. Die Roma haben kein Land, das sie ihr eigen nennen können, und daher sollten alle zu ihnen aufblicken, denn sie sind kosmopolitische Menschen.

Garth macht Bekanntschaft mit einer mazedonischen Kleinstadt namens Kocani:

Jens Holzäpfel, Radlieder - Von heute und aus der Pionierzeit des Radfahrens

Müht euch nicht mit Flugmaschinen, seht das Gute liegt so nah; wozu schuf uns die Draisinen Drais, des Radsports Großpapa. Oder grober: Jeder Popel fährt nen Opel. Das Fahrradfahren (hier nicht im Sinne von nach oben buckeln und nach unten treten) ist heutzutage mit dem unangenehmen Beigeschmack des Dopings verbunden, dabei ist es mindestens so gesund wie das Singen. Der begeisterte Radsportler Jens Holzäpfel wurde durch einen Besuch im Deutschen Volksliedarchiv Freiburg dazu inspiriert, selber deutsch- und englischsprachige Radlieder zusammenzutragen. Seine Sammlung enthält bekannte Popsongs wie Queen's "Bicycle Race", Klassiker wie Ralph McTells "Girl on a Bicycle" (in Deutschland besser bekannt als Herman van Veens Übertragung "Kleiner Fratz"), alternatives Liedgut von David Rovics "Bicycle Song" (-> FW#32) und Liedermacher wie Luka Bloom (-> FW#36) und Tom Waits (-> FW#31). Zwei Stücke stammen von Ringsgwandl (-> FW#19), überhaupt gibt es im Bayerland eine besondere Affinität zum Radlfahrn und Mountainbikes, deren Fahrer immer Mike heißen: schau, da kommt der Mikel, mit seinem geilen Mountainbikel, neonbunt erscheint er uns gekleidet, vogelwild er durch die Schluchten ridet. Harry Dacres "A Bicycle Built for Two" von 1892 und Richard Dehmels "Radlers Seligkeit" von 1891 sind richtige Oldies; 6 Lieder sind Faksimile aus dem Ellwanger Radliederbuch von 1896. Radlieder wird vielleicht nicht das Liederbuch der Szene werden, aber ist das ideale (Weihnachts-)Geschenk für Zweiradbegeisterte. Also: Brust raus, Mund auf, frisch, fromm, frei.

Jens Holzäpfel, Radlieder - Von heute und aus der Pionierzeit des Radfahrens. Freiburg, 2008, 9-783000-235948, 61 S, €9,80 (www.radlieder.de).

Vielen wird der Name Kocani nicht viel sagen. Doch für die meisten Roma-Blasmusiker hat Kocani einen ähnlichen Ruf wie New Orleans für Jazz- und Bluesliebhaber. Und heutzutage dreht sich in Kocani alles um die stattliche Figur von
Naat Veliov.

Der sagt: Wir leben nicht für das Morgen. Wir leben für das Heute. Und das hört man unserem Spiel auch an - wir packen einfach alles hinein, Herz und Seele. Unsere größte Glückseligkeit ist es, Musik zu machen, und wir lieben es, unser Glück mit anderen zu teilen. Zudem kommt Garth zu der Erkenntnis:

Das beste Ganja auf dem Balkan habe ich in Skopje geraucht. Wenn man bedenkt, dass Cannabis eine in Indien heimische Pflanze und Teil des religiösen Rituals der Hindi-Sadhus ist, dann frage ich mich, ob das Ganja nicht mit den Roma nach Europa gekommen ist - was eine nette Erklärung für die explosiven Konturen der Gypsy-Musik sein könnte.

Rumänien

In Ru-Mania gibt es den Akkordeonisten Constantin Fulgerica und natürlich die Taraf de Haidouks (-> FW#35) und Fanfare Ciocarlia.

Der Belgier Stephane Karo stellte aus einem Pool ständig wechselnder Musiker eine dreizehnköpfige Band zusammen. Taraf ist ein arabisches Wort, das Festmusiker bedeutet, und die Haidouks waren sagenumwobene Outlaws. Tony Gatlifs Film "Latcho Drom" (Gute Reise) trug dazu bei, die Tarafs auf die Bühnen der großen Konzerthallen zu katapultieren.

Im rumänischen Teil Moldawiens liegt Zece Prajini, ein Ort mit rund 400 Einwohnern, davon sind 80 Musiker. Zece ist der Heimatort von Fanfare Ciocarlia, der wohl fleißigsten und bestbezahlten Gypsy-Band der Welt. Fanfare-Manager Henry Ernst erinnert sich, dass ihm 1996 ein Bauer von einem Dorf erzählte, in dem viele Blasmusiker lebten. Er stellte eine Blaskapelle zusammen.

Fanfare ist ein französisches Wort, das in die rumänische Sprache Einzug fand, und hier verwendet man es, um eine Blaskapelle zu benennen. Ciocarlia ist die rumänische Bezeichnung für ein spaßiges Lied. Ich verkaufte mein ganzes Hab und Gut, um eine Tournee zu veranstalten. Es war zwar ein gewaltiger Erfolg, finanziell jedoch eine einzige Katastrophe. Dennoch waren es die besten vierzig Tage meines Lebens. Zwei Monate später rief mich ein Radiosender an und wollte die Band für ihr Weltmusikfestival buchen. Das war das Signal, die Band auf eine professionelle Schiene zu bringen, und daher gründete ich noch am selben Tag mit meinem Freund Helmut Neumann die Firma Asphalt Tango.
Die Fanfare haben seitdem mehrere Alben veröffentlicht, ihr harter Balkanfunk lockt Punks, Raver, Headbanger und Anzugträger an.

Indian Summer Sounds - Musik der Indianer Nordamerikas

Vor langer Zeit wurde prophezeit, es dauere sieben Generationen, bis das indigene Amerika seine Sprachlosigkeit überwinde und sein Schweigen ablegen werde. Nun ist diese siebte Generation herangewachsen und artikuliert sich. Die Krieger haben Pfeil und Bogen beiseite gelegt, sie trommeln, singen und spielen Gitarren. So schreibt Michael Schlottner. Die Musik ist äußerst vielfältig, sie umfasst traditionelle Klangweisen als auch moderne Popmusik. Die heutige Powwow-Musik, das Repertoire für indianische Tanzfeste, geht zurück auf die Säkularisierung von Kriegertänzen des 19. Jhds. Die Wurzeln des Rez Rock (Reservation Rock) gehen auf erste weiß-rote Kontakte des 19. Jhds. zurück, als indianische Musiker Interesse an fremden Instrumenten und Genres fanden, vor allem Saiteninstrumente, die es nicht gab (siehe z.B. Floyd Westerman -> FW#36, oder Sierra Noble -> FW#37). Die beiden CDs des Büchleins Indian Summer Sounds enthalten Aufnahmen von Canyon und Makoche Records, die es schon mal als einzelne CDs gab (-> FW#30, FW#31). Indigene Popmusik, Folk und Rock sowie traditionellere Weisen jenseits aller Karl-May-Romantik. 21 Interpreten wie die Navajo-Punkrocker Blackfire (-> FW#31), die mal sagten: Wir möchten uns bei der Regierung der USA bedanken. Sie kotzt uns so sehr an, dass wir all diese Lieder schreiben müssen. Zedernholzflöten-Virtuose R. Carlos Nakai (-> FW#31), aber auch Singer-Songwriter wie Joanne Shenandoah und Annie Humphrey, die mit mit dem Indianer-Aktivisten John Trudell kooperiert. Die Wiederveröffentlichung wird ergänzt durch 20 Seiten Hintergrund über die Musik im roten Amerika, sowie ausführlichen Informationen über die Interpreten. Aus zuvor zwei netten Kompilations-CDs ist endlich ein ansprechendes Werk geworden.

Indian Summer Sounds - Musik der Indianer Nord-amerikas. Vive La Difference/Heupferd, 2008, ISBN 978-3-923445-06-6, 58 S (inkl. 2 CDs).

Allerdings sind sowohl die Fanfare als auch die Tarafs fast nur für das Publikum des Westens existent.. Die örtlichen Roma hören sie nicht, sie wollen nur
Manele-Sänger hören, diese bunte Mixtur aus Folk und Pop.

Fanfare Ciocarlia, Rudolstadt 2008

Fanfare Ciocarlia @ FolkWorld: FW #32, #33

Icon Sound @ Kan Marau La, Pana Can, Sandala

Icon Movie @ www.youtube.com

www.fanfare-ciocarlia.com

Bulgarien

Bulgarien ist schließlich die letzte Station. In vier Kapiteln erzählt der gebürtige Neuseeländer Garth Cartwright gänzlich unsentimental und ohne Glorie, aber viel Verständnis von den Gypsies (um vermeintlich politisch korrekt nicht Zigeuner sagen zu müssen) und ihrer Musik. Der deutsche Titel verbirgt eher, dass es nicht um Balkanmusik im allgemeinen, sondern einzig um Roma-Musik geht. Das Buch enthält zahlreiche Fotos, eine ausgewählte Bibliografie, Diskografie sowie Filmografie (hier hätte ich mir etwas ausführlichere Beschreibungen erwünscht). Es gibt zudem ein aktuelles Nachwort, das englische Original "Princes amongst Men" ist ja bereits 2005 erschienen. Den Begleit-Soundtrack zum Buch, der bei Asphalt Tango erschienen ist, haben wir leider nicht zur Rezension erhalten.

Garth Cartwright kommt zu dem Schluss:

Verständlicherweise spricht uns die Gypsy-Musik an, denn der allergrößte Teil der Musik, die wir heutzutage im Westen konsumieren, ist statisch, selbstgefällig, gehemmt, unerträglich zögerlich, bar jedweder Magie und unfähig, die Stimmung des Augenblicks einzufangen, da sie in sich schon niedergeschlagen ist. Während die populäre Musik des Westens immer banaler wird und immer mehr zur bloßen Ware verkommt, sind es die Roma und ihre Gypsy-Musiker, diese Songwahrsager, denen wir uns mehr und mehr zuwenden. Wenn Musik die Seele der menschlichen Kultur ist, dann sollte man die Roma dafür feiern, dass sie Europas Seele permanent befruchten, dass sie der Kultur dieses Kontinents weiterhin ihre Frische verleihen,

T:-)M's Nachtwache FW#36
Englische Titel

wo sich doch derart viele daran beteiligen, ihre eher entmenschlichenden Elemente zu vermarkten.

Wie man in HipHop-Kreisen so schön sagt: this is the shit. Das Buch macht Lust auf die Musik, weniger auf die bereisten Länder.


Zurück zum FolkWorld-Inhalt
Zur englischen FolkWorld

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2008

All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission. Although any external links from FolkWorld are chosen with greatest care, FolkWorld and its editors do not take any responsibility for the content of the linked external websites.


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Home
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld