FolkWorld Ausgabe 36 07/2008; Artikel von Claus Biegert


Ein Kämpfer mit Gitarre
Zum Tode des indianischen Sängers Floyd 'Red Crow' Westerman

Seine Stimme ließ alle aufhorchen: etwas Johnny Cash und viel, viel Prärie. Zuerst sang er und wurde als Krieger mit Gitarre ein Wortführer der indianischen Welt, dann betrat er die Leinwand und war fortan als Hollywood-Indianer ein Idol der weißen Welt.

Er kam aus dem Studio, öffnete seinen schwarzen, mit Aufklebern gepflasterten Gitarrenkoffer und nahm daraus ein rötliches, langfasriges Stück Stoff, es sah aus wie dreckiger Filz, davon riss er etwas ab und reichte es mir mit den Worten:
Floyd Westerman
Floyd 'Red Crow' Westerman
17. Aug. 1936 - 13. Dez. 2007

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Ausgewählte Filmographie:

  • The Tillamook Treasure (2006)
  • Hidalgo (2004)
  • Grey Owl (1999)
  • Naturally Native (1998)
  • The Brave (1997)
  • Dusting Cliff 7 (1996)
  • Jonathan degli orsi (1993)
  • Clearcut (1991)
  • The Doors (1991)
  • Dances with Wolves (1990)
  • Renegades (1989)
  • www.imdb.com
    "Deer meat. Try it." Ich nahm das getrocknete Hirschfleisch und kaute noch daran, als wir den Radiosender WBAI verließen und er in den Tiefen der New Yorker Subway entschwand. Das war im September 1975. Es war der Beginn unserer Freundschaft. Ich kaue noch immer an diesem zähen Stück Hirschfleisch.

    Floyd wurde am 17. August 1936 auf der Sisseton-Wahpeton Reservation im US-Bundesstaat South Dakota geboren und erlebte seine Kindheit auf die, für die Stämme im Mittelwesten damals typische Weise - er wurde auf Geheiß des B.I.A., der Indianerbehörde in Washington, von seinen Eltern getrennt und nach Flandreau in eine Boarding School verfrachtet. Dort versuchte man ihm Sprache und Werte der Sioux auszutreiben; später ließ Floyd keine Gelegenheit verstreichen, dem Bureau of Indian Affairs seine Kritik singend entgegen zu schleudern.

    Auf der Flandreau Indian School schloß er Freundschaft mit einem Jungen vom Stamm der Chippewa aus dem Reservat Leech Lake in Minnesota. Der Junge hieß Dennis Banks und sollte 1968 zu den Gründern der Widerstandsbewegung American Indian Movement (AIM) gehören. 1969 veröffentlichte Floyd, der inzwischen das College absolviert und sich als Countrysänger in Folkclubs einen Namen gemacht hatte, sein Album "Custer Died for your Sins" (Custer starb für Eure Sünden). Die Platte schlug ein, wie zuvor das Buch mit dem gleichen Titel, mit dem sein Freund, der Schriftsteller und Historiker Vine Delorias Jr. aus dem Nachbarreservat Standing Rock, dem indianischen Widerstand literarischen Beistand leistete. Floyd begleitete von nun an die Aktionen von AIM mit seinen Songs. Und da der Widerstand einher ging mit Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, ersetzten die traditionellen Stammesnamen bald die kolonialen Benennungen - Dakota und Anishinabe traten an die Stelle von Sioux und Chippewa. Floyd holte seinen indianischen Namen Kanghi Duta (Rote Krähe) aus der Versenkung und war fortan Floyd Red Crow Westerman. Und seine Musik wies zunehmend indianische Klangelemente auf.

    In den Achtziger Jahren erhielt Floyd einen Anruf von Kevin Costner. Man suchte einen Darsteller für die Rolle eines Häuptlings in einem Western. Red Crow sprach vor - und wurde Chief Ten Bears in "Dances with Wolves" (Der mit dem Wolf tanzt) - dies war der Beginn seiner Schauspielkarriere. Man sah ihn künftig in TV-Serien und Kinofilmen, und illuster ist die Liste der Personen, die mit ihm arbeiteten: Jackson Brown, Harry Belafonte, Joni Mitchel, John Trudell, Kris Kristofferson, Buffy Sainte Marie, David Amram, Johnny Depp, Marlon Brando. Der Film mit Brando und Depp erreichte leider nie die Öffentlichkeit.
    Floyd Westerman
    Icon Sound Custer Died For Your Sins, They
           Didn't Listen, Quiet Desperation

    "Ich war am Flughafen in Chikago. Eine Frau kam zu mir und fragte: Darf mein Sohn deine Hand schütteln? Er hat noch nie einen echten lebenden Indianer gesehen. Ich sagte: Ja. Und der Junge fragte: Tötest Du noch? Und sie sagte: Er hat es nicht so gemeint. Aber ich wollte den Jungen nicht im Regen stehen lassen, denn so denken sie nun mal über uns, als ob wir die Wilden aus den Filmen wären." 1978 erzählte Floyd Westerman diese Anekdote bei einem Konzert in Göttingen. Damals begann in Europa, in Deutschland, das Bewußtsein gerade zu wachsen, daß die "real existierenden" Indianer nichts gemein haben mit dem Winnetou von Karl May oder den Bösewichten der Hollywood-Filmindustrie. Floyd Westerman hat zu dieser Imagekorrektur manches beigetragen. Daß er sich als Musikstil die Country and Western Musik wählte, wird ihm zuweilen zum Vorwurf gemacht, denn sie sei doch die Musik der Weißen und nicht gerade indianisch. 1985 sagte er dazu: "Meine Heimat ist Süd Dakota und wir hören im Radio Country- und Folkmusik. Folkmusik ist eine Ausdrucksart, die in allen Kulturen benutzt wird. Ich mache Folkmusik und spreche damit die Denkgewohnheiten an, die die Leute in sich haben." (Yvonne Bangert)
    Mit Sting tourte er 1989 um die Welt, um Öffentlichkeit für den Kampf der Kayapo zu schaffen, deren Regenwald-Heimat von dem Wasserkraft-Projekt Altamira bedroht war.

    Das Gleichgewicht zwischen Popularität und Politik bestimmte ständig sein Leben. Wenn er als Medienstar interviewt wurde, betonte er immer wieder: "Der, den alle von der Leinwand kennen, der bin ich nicht." Er sah sich als Aktivist, und die Achtung der Stammesältesten war ihm wichtiger als die Meinung der Studios. Hollywood war nur ein Job. Mitunter sah man ihn auch in Genf, wo in den Achtziger Jahren eine Arbeitsgruppe der UNO ihre Arbeit aufgenommen hatte. Als im September 2007 dann nach 25 Jahren zäher Arbeit die "Deklaration der Rechte indigener Völker" verabschiedet wurde, war er glücklich. Zählte er doch zu den Hunderten, die mitgearbeitet hatten.

    Er sagte nie ab, wenn er um Hilfe gebeten wurde. Zum Beispiel 1992 als in Salzburg das World Uranium Hearing stattfand, zögerte er keinen Moment und kam mit offenen Ohren: Wir sahen ihn jeden Tag, eine Woche lang, in intensiven Gesprächen mit den indigenen Menschen aus allen Kontinenten, die gegen Uranabbau, Atombombentests und radioaktiven Müll kämpften. Seinem Song "They didn't listen" fügte er damals eine neue Strophe an: "I told them not to dig for uranium, cause if they did the children would die."

    Das Musik-Label "Trikont-Our Voice" verlegt in Europa seine Musik. Wie es dazu kam, verdient erzählt zu werden: Ein Jahr nach unserer ersten Begegnung - bei einem Telefonat über den Atlantik - stellte ich die Frage, ob er bereit sei, "Custer died for your Sins" in Europa zu veröffentlichen. Okay, sagte Floyd, aber ich müsste mich mit Jimmy Curtis in Verbindung setzen. "Jimmy will handle everything." Jimmy Curtis hatte die Texte der Lieder geschrieben und das Album produziert. Ich rief ihn in New York an. "Great, but we have a problem", sagte Jimmy. Das Problem: Es gab kein Master Tape mehr, es war auf rätselhafte Weise verschwunden. Platten hatte Jimmy auch keine mehr. Also gab er mir folgenden Rat: Ich solle durch den Westen reisen, von Powwow zu Powwow, und vielleicht würde ich bei einem Stand, bei dem Musik angeboren würde, ein noch nicht gespieltes Album finden. "This will be the new master - I wish you luck!" Er lachte und im Lachen waren die Zweifel am Gelingen meiner Mission. Im Herbst 1977 war ich auf einem Powwow in Minneapolis und fand "Custer died for Your Sins". Später, als Floyd sein eigenes Label installierte, war das Trikont-Album aus München sein Master.

    Im Alter von 68 Jahren überstand er eine Lungentransplantation. Während er sich von der Operation erholte, begann er zu modellieren und schuf Bronzeplastiken berühmter Häuptlinge. Dann holte er noch einmal tief Luft und nahm noch ein Album auf - "A Tribut to Johnny Cash".

    Als im Oktober 2007 in Salzburg der 10. Nuclear-Free Future Award verliehen wurde, war Floyd in einer Videobotschaft dabei - vom Krankenbett ließ er die Preisträger wissen, wie wichtig ihm der Kampf für eine Welt ohne Atomwaffen und Atomenergie ist.

    Floyd starb am 13. Dezember 2007. Walk in Beauty, Red Crow! And thank you for your songs, for your friendship, for your support - and for the deer meat.

    Die Texte wurden mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift der Gesellschaft
    für bedrohte Völker (www.gfbv.de), Nr. 246 (2008) und 160 (1991), entnommen.

    Photo Credits: (1)-(2) Floyd 'Red Crow' Westerman (by Wikipedia, Trikont).


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    © The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 07/2008

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