FolkWorld Live Review 04/04 von Karsten Rube

Veranda
Weltmusik aus Deutschland


VerandaWer auf einer Veranda sitzt hat's gut. Er weiß, wo er sich befindet und bekommt doch all die Einflüsse mit, die seine Umgebung auf ihn einstürzen lässt. Auf einer Veranda ist man entspannt und weltoffen. Dies ist eine Assoziation, die ich mit dem Namen Veranda verbinde. Der andere hat was mit Gerümpel zu tun, der dort ganz gut lagern kann, den man vergisst und später wieder findet. Häufig entdeckt man dort Dinge...

Wahrscheinlich gibt es noch eine Menge anderer Interpretationen und Spekulationen darüber, welche Bedeutung der Name "Veranda" für das spielfreudige Trio hat, das ich bereits vor geraumer Zeit in der Alten Bahnhofshalle Friedenau in Berlin erleben und entdecken durfte. Für Leute, die beneidenswerterweise ihre Gliedmaßen im Tanz zu koordinieren wissen, ist Veranda alles andere als ein Geheimtipp. Sie sind im Bereich Folkdance gut bekannt. Anders als bei ihrem Aufspiel zum Tanz geben sich die drei Musiker konzertant. Zu dritt und ohne direkte Aufforderung zum Mittanzen, veranstalteten sie ein reines Akustikkonzert. Damit tut sich das Berliner Publikum leider etwas schwer und so blieb es ein recht intimer Abend, der allerdings einiges an Begeisterung aus den Besuchern herauskitzeln konnte.

Jan BudweisJan Budweis bediente das Akkordeon, besser, er bediente zwei und tat das sehr hingebungsvoll. Ich war etwas verwundert zu erfahren, dass er kein Vollzeit-Berufsmusiker ist, sondern Instrumentenbauer. Bettina Wunderlich spielte die Querflöte und setzte dezente percussive Akzente durch Kalimba und einen Besen, mit dem sie sacht über die Trommel fegte. Der dritte im Bunde heißt Wolfgang Meyering und braucht Folkauskennern kaum weiter vorgestellt werden. Seine Spielfreude wirkt vitalisierend, seine Ansagen sind immer amüsante kleine, nicht übermäßig ernstzunehmende Anekdoten. Seine musikalischen Spielwiesen erstrecken sich von diversen Flöten bis hin zur unüberschaubaren Menge zupfbarer Instrumente, wie Mandolie und Mandola. Meyering ist ein Herzblutmusiker. Das sieht man sofort, wenn er spielt. Die Frage, wieviel Zeit er am Tag ohne Musik verbringt, habe ich nicht gestellt, da ich sie für überflüssig hielt. Wenn er nicht spielt, wird er zumindest dran denken.

Angekündigt werden Verandakonzerte als Weltmusikveranstaltung. Im Gegensatz zur weitläufig vertretenen Ansicht, Weltmusik solle doch ein paar Latino- oder wenigstens Orientalanflüge aufweisen, bleibt Verandas Musik bodenständig europäisch. Ihre Inspirationsquellen überziehen dabei Europa wie der Frühling. Sie beginnen im äußersten Südwesten und zupfen an ein paar sephardische Blüten, bewegen sich langsam nach Norden, wo sie sich aus Frankreich ein paar Tänze mitnehmen, streifen den Norden Deutschlands, was nicht ganz von ungefähr kommt, denn Wolfgang Meyering hat dort seine Wurzeln. Schließlich finden sie sich in Skandinavien wieder. Nur einmal unternahmen sie einen weiteren Abstecher, denn sie hatten unter dem Titel "Nichts als Sommersprossen" einen Nicaraguaurlaub zu verarbeiten. Der osteuropäische und der Balkanraum spielten bei diesem Konzert keine erkennbare Rolle. Bettina Wunderlich

Während Meyerings Spiel fröhlich ist und euphorische Momente aufblitzen lässt, übernahm Jan Budweis' Akkordeon den melancholischen Part. Das liegt vielleicht am Akkordeon, denn ich kenne kaum ein Instrument, das melancholischere Stimmungen schaffen kann - sieht man mal vom Cello ab. Bettina Wunderlichs Flötenspiel hingegen wirkte wie ein Brückenschlag, das verbindende Element, das den Widerstreit zwischen den beiden Stimmungen gekonnt zu einer zuhörenswerten Plauderei verwandelte. Das Konzept des Trios stimmt, die Zusammensetzung auch. Ein Trio den man gern zuhören mag.

Venue Homepage: www.alte-bahnhofshalle.de/
Kontakt zu Veranda: veranda-berlin@t-online.de

Photo Credit: Von der Homepage des Löwenzahn Verlags


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 04/2004

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