FolkWorld Live Review 11/2002 von Walkin' T:-)M:

P wie Polska, S wie Stolpern

Jochen Schepers im Cuba-Cultur, Münster

Ein Comeback nach über zehn Jahren Pause: Mit traditioneller Musik und Geschichten aus dem schwedischen Älvdalen kehrte Jochen Schepers auf die Folk-Bühne zurück. Mit vertrackten Tanzmelodien auf der Geige und der etwas ungewöhnlichen Flöte Spilopipa erzählte er von Spielleuten, von den Bewohnern der endlosen Wälder und vom ewigen Gesang der Mücken.

Das schwedische Dalarna bedeutet kilometerweit dichte Wälder und dunkle Bergseen. Aber Dalarna ist auch berühmt und berüchtigt für seine Spelmansmusik, insbesondere Darbietungen auf der Geige (-> FW#18, FW#20, FW#20).

Dalarna und dem Geigenspiel im allgemeinen und dem speziellen Repertoire und der Spielweise des nördlichen Älvdalen im besonderen Jochen Schepers ist der Münsteraner Jochen Schepers verfallen, seitdem er 1976 auf einem Folkfestival erstmals ein schwedisches Spelmanslag gehört hat. Daraufhin folgte ein Studium der europäischen Ethnologie, der Skandinavistik und der Musikwissenschaft sowie die intensive Beschäftigung mit Volksmusik und Volkstanz.

Einen gewissen Bekanntheitsgrad hat er dann durch das Folktrio Töätendierk gewonnen. Das waren noch Zeiten: Münster war, was den Volkstanz anging, ohne Zweifel ein Zentrum nicht nur NRWs, sondern Deutschlands. (B. Hanneken -> FW#23) Was Fiedel Michel (-> FW#11) für die Belebung des Gesangs bedeutete, war Töätendierk für den Tanz.

Nun ist Jochen Schepers wieder bei den Wurzeln angelangt. Mit Geige solo spielte er rund drei Dutzend Tanzweisen aus Älvdalen (d.i. das Flusstal). Die Region von der Größe des Saarland hat zwar nur eine Einwohnerschaft von etwa 5.500 Menschen, es hat aber immer wieder vortreffliche Spielleute gegeben, die eine lebendige Tradition geschaffen haben.

Brautmärsche, Langtänze, Walzer, vor allem aber Polskas, jener alte Paartanz im 3/4-Takt mit dem verdrehten Rhythmus. Man denkt dabei vielleicht an Polka. Beides soll aus Polen stammen, wobei ich das Verhältnis von Polka zu Polska so erklären würde, dass das ,S' für Stolpern steht - wenn man's tanzt.

Mit skurrilen wie lehrreichen Geschichten gelang es Jochen Schepers auch die Aufmerksamkeit des mit schwedischer Volksmusik nicht so Vertrauten zu fesseln: tanzende Trolle, der Wassergeist Neck, der den musikalischen Anwärtern das Geigenspielen beibringt, und zahlreiche Anekdoten über die Älvdalinger selbst.

Da ist ein Stück etwa nach dem mit Rinde gestreckten Brot benannt. Auf die Frage, warum die Tänze alle so traurige Melodien hätten, antwortet der Spielmann: Ja, wenn wir was zu Beissen hätten, würden wir wohl gerne fröhlich sein. Aber ob der Branntwein wirklich nur deshalb so exzessiv konsumiert wurde und wird, weil nur er ein reinliches Getränk garantierte?

Ach ja, auch die Münsteraner Zuschauer wurden vom Folk-Treff mit einem Schnäpschen begrüßt. Allerdings kein schwedischer Selbstgebrannter, so dass keine Erblindung zu befürchten war, einzig die Steigerung des Hörgenusses.

Zum Schluss und zur Krönung des Ganzen kam Marietta Schwenger als zweite Geige hinzu und Jochen Schepers verabschiedete sich mit einer Weise auf der Spilopipa, der eingeborenen Flöte aus Fichtenholz - mit einer sinnreichen Anordnung von Löchern drauf, die sich, glaube ich, eher zufällig erschlossen hat.

Links:

www.folk-treff.de
www.cuba-cultur.de

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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2002.

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