"Wißt Ihr, was Tonys Name bedeutet? McManus ist irisch, gälisches Irisch, es bedeutet: Ein Mann mit 36 Fingern. (Ha,ha,ha) Es hört sich jedenfalls so an, wenn er spielt. Es ist erstaunlich, wenn man bedenkt, daß vor fünf oder sechs Jahren niemand wußte, wer Tony McManus war. Und er lebt in der selben Stadt wie ich, meiner Heimatstadt, Paisley (Schottland). Er kam damals immermal in den Folkclub, bat: 'Entschuldigen Sie, Mister, würden Sie mich ein wenig spielen lassen?' - 'Ach ja, ich denke schon, doch.' Und dann fing dieser vollkommen unbekannte junge Mann an zu spielen und hat uns allen den Atem genommen. Es ist großartig, daß er heute die Aufmerksamkeit erhält, die er verdient. Er ist wohl einer der besten Gitarristen Europas. Und allmählich kriegen die Leute mit, daß es diesen Mann gibt. Seine neue CD enthält die beste Gitarrenmusik, die ich seit langem gehört habe. Aber er spielt auch Banjo, und man kann gut mit ihm scherzen. Er ist eine außergewöhnliche Kombination: Er ist ein Mann, der ein Suprem-Gitarrist ist, aber andere Dinge genausogut machen kann." So beschreibt Danny Kyle, "Mister Folkmusic of Scotland" (so Tony), seinen Freund Tony McManus. Der irische Sänger Seán Keane beschreibt Tony als "einzigartig", und "wenn er spielt, ist er wirklich eins mit der Gitarre".
Tony McManus, heute einer der gefragtesten Gitarristen Schottlands, hatte seine ersten Musikerfahrungen nicht auf der Gitarre, sondern auf der Geige: Als er sieben war, bekam er in der Schule seine ersten Violinenstunden. "Ich war wirklich sehr schlecht darin. Die Finger waren OK, aber mit dem Bogen klappte es überhaupt nicht. Und ich bin Linkshänder - links klappte es gut, rechts nicht. Jedenfalls - ich liebte es. Und ich war ziemlich frustriert, daß ich nicht so gut war." Irgendwann kaufte sein Vater ihm eine Mandoline, und mit der kam er wesentlich besser zurecht, weil es "wesentlich einfacher ist, ein Plektrum zu benutzen als einen Bogen". Ein Jahr später, als er 10 Jahre alt war, bekam der Junge eine Gitarre, auf der er sich das Spielen selbst beibrachte. Daß im Hause seiner Familie immer Musik war, hat ihn stark beeinflußt; und es war hauptsächlich irische Musik, weil seine Familie aus Irland stammt, auch wenn Tony in Paisley geboren und aufgewachsen ist.
Vor seinem Leben als professioneller Musiker hat sich Tony mit "jeder Menge Mathemtik" beschäftigt. Nach der Schule ging er direkt zur Uni, um Mathematik zu studieren. Insgesamt blieb er dabei fünf Jahre "unten in England", wovon er ein Jahr - zwischen Studium und Promovieren - in einem Buchladen gearbeitet hat. 1993 dann zog er zurück nach Schottland, bereits mit dem Ziel, Fulltime-Musiker zu werden. "Ich spielte einfach drauflos, hatte für einige Zeit nur grauenhafte Auftritte für kein Geld." Dick Gaughan bekam Interesse an diesem begabten Gitarristen, wollte für ihn ein Album produzieren, wozu Dick allerdings wegen anderweitiger Beschäftigungen nicht kam. So spielte Tony ersteinmal mit verschiedenen Musikern zusammen in Schottland und in Irland. Bis er dann den genialen Fiddler/Songwriter/Gitarristen Brian McNeill im Sommer 1994 auf dem Mull of Kintyre Festival in Campbeltown traf. Und schon im darauffolgenden Herbst war er mit Brian auf Deutschlandtour.
So plötzlich mit diesem bekannten Musiker zusammenzuarbeiten, das war für Tony ersteinmal ziemlich ungewohnt. Viel geholfen hat ihm, daß Brian immerzu versucht hat, ihn zu überzeugen, daß er genau der war, den er suchte. Dennoch war es ersteinmal harte Arbeit. "Brian hat einen recht starken Charakter, und die erste Probe mit ihm, das war wie ein Tag auf der Baustelle oder in einer Fabrik oder so. Ich mußte arbeiten, arbeiten, arbeiten. Aber wir schafften eine ganze Menge. In den ersten paar Tagen hatten wir fast das gesamte Repertoire unserer ersten Tour eingeprobt."
Auf seiner CD (auf Greentrax veröffentlicht) interpretiert Tony viele Stücke für Fiddle, Pipes "und so ziemlich jedes andere Instrument". "Ich sehe die Tunes nicht als spezifisch für ein bestimmtes Instrument an - sie gehören jedem, zumindest die traditionellen Stücke. Schon oft habe ich auf der Gitarre gespielte Stücke gehört, bei denen die Leute aus den Stücken Gitarrenmusik gemacht haben. Ich will das nicht tun. Ich möchte einen traditionellen Tune nehmen, ihn auf der Gitarre spielen, und ihn dann als traditionellen Tune belassen. Ich will ihn nicht in einen Gitarrentune umwandeln."
Mit den Pipetunes ist es allerdings etwas anders, weil die Pipes eine ganz Instrumenten-spezifische Tonleiter haben. Das konnte Tony, der Pipetunes äußerst ansprechend findet, aber nicht abhalten, trotzdem etwas damit zu machen. Von Dick Gaughan stammt die Idee, für die Pipetunes zwei der Gitarrensaiten auf dieselbe Note zu stimmen, um so eine Art Drone zu bekommen - "so hat man dann die Drones auf der Gitarre, anstatt daß sie über der Schulter dröhnen". Tony hat diese Idee übernommen und etwas abgewandelt, und entsprechend interpretiert er nun Pipetunes. "Einigen Dudelsackspielern gefiel es; und bisher hat mich noch kein Piper dafür geschlagen, was ganz OK ist." Auch die Ornamentierungen der Pipetunes versucht Tony auf der Gitarre nachzuahmen, wie z.B. die Triplet-"Burls", die er mit drei Fingern der rechten Hand zu imitieren versucht. Sehr exakt kann man diese Ornamentierungen nicht nachempfinden, man kann nur eine gewisse Idee davon vermitteln. Und "im Prinzip sind es einfach sehr attraktive Tunes, und wenn ich einen attraktiven Tune höre, dann will ich ihn auch spielen."
Auch neben seiner Tätigkeit als Duopartner von Brian ist der Schotte, dem nach eigenen - kichernden - Worten an seinem Land am besten das Wetter gefällt, ein vielbeschäftigter Gitarrist. Auf dem Isle of Bute Folk Festival '96, wo wir dieses Interview geführt haben, war er wohl der meistbeschäftigte Musiker: Samstag abend trat er mit der Mick West Band (einer hervorragenden, traditionellen jazzigen Band um den Sänger Mick West) auf, Sonntag dann bereits am frühen Morgen ein Guitar Masterclass zusammen mit Mike Whellans, nachmittags dann auf auf der Ceilidh-Bootsfahrt des Raddampfers Waverley spielte er sowohl mit der Mick West Band als auch mit Brian McNeill, abends dann noch ein Konzert mit Brian; und unermüdlich, wie Tony nun mal ist, tanzte er wild bei der anschließenden Ceilidh mit und spielte schließlich noch bis in den nächsten Morgen hinein in der Late Night Session im Festivalclub.
Im Jahr 1996 war er neben Auftritten mit Brian und der Mick West Band schon mit der Seán Keane Band in Deutschland unterwegs, mit der Celtic Fiddle Festival Tour (mit Martin Hayes, Natalie McMaster und Brian McNeill) in Amerika. Dann war da noch die Tour durch die Bretagne + Paris mit zwölf Musikern aus Irland und der Bretagne ("Ich war mir nicht sicher, ob ich als Bretone oder Ire gehandelt wurde"). Außerdem noch einige Solokonzerte. Auf jeder Menge von CDs erscheint Tony als Gastmusiker: Bei Tabache (trad. irisches Duo Fiddle/Flöte, siehe Nei'gedidschd), Isla St. Clair (trad. schottischer Gesang), Rod Paterson (eine Robert Burns CD), Kate Rusby (engl. Sängerin und Fiddlerin von den Poozies), Seamus Tansey (legendärer Flötist aus Irland), Gordon Duncan (Pipes), Eilidh Shaw (Fiddle) und so weiter und so weiter.
Aber viel Spaß hat er trotz - oder auch gerade wegen - seiner vielfältigen Tätigkeiten. Sein lustigstes Erlebnis in Deutschland, so sagt er, ist wirklich nicht druckreif. "Was kann ich jetzt erzählen, was Ihr auch noch drucken könnt?? -- Nun. Ich war mit Brian auf einem Gig zusammen mit der Battlefield Band in Potsdam. Den nächsten Tag hatten wir frei. Und ich wollte so gerne nach Berlin, weil ich noch nie vorher dort gewesen war. Und nach dem Konzert gab es eine Party in John McCuskers Zimmer. Die ging eigentlich die ganze Nacht hindurch, glaube ich. Jedenfalls ging ich ins Bett um 8.30 Uhr am Morgen, es war wunderbarer Sonnenschein, ein herrlicher Tag. Ich war in einem verzweifelten Zustand an jenem Morgen. Brian bestand jedoch darauf, mich nach Berlin mitzunehmen. Und Brian hatte seinen Spaß, weil er sehr früh zu Bett gegangen war. Und ich wollte immer nur ins Krankenhaus. Er bestand darauf, mir Berlin zu zeigen, wo die Mauer gefallen ist, das Brandenburger Tor, und ich: Aaaaahhhhh, bitte, bring mich ins Krankenhaus. - Aber ich habe immer viel Spaß in Deutschland. Es ist ein gutes Land, um dort zu touren."
Newsflash: Tony hatte im Herbst 1997 seine letzte Tour zusammen mit Brian McNeill. Nun arbeitet er vor allem solo, aber auch beispielsweise mit Alasdair Fraser im Duo sowie mit Bretonen und Kanadiern... Außerdem ist er noch immer und immer mehr beschäftigt - in Schottland war er dieses Jahr nur sehr selten, dafür wohl an fast jedem anderen Ende der Welt.
Photo credits and comments:
Tony McManus with Ian MacDonald. Photo by The Mollis
Die CDs von Tony McManus sind erhältlich bei: Greentrax
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Zum Inhalt des FolkWorld online musikmagazins Nr.2
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