FolkWorld Live Review

Tønder Festival '97

28. bis 31.8.1997


Einblicke in europäische Traditionen

vom Tønder Festival '97

Von Michael & Christian Moll

Danú aus Irland
Sonntag, 31 August, 1 Uhr morgens. Die Türen zum Visemøllen 'After Hours' Konzert werden gerade geöffnet, ein enthusiastischer Haufen von Folkies kommt hereingestürmt, um sich die besten Plätze zu sichern. Das folgende Konzert ist etwas ganz besonderes - Danú im vollen Fluge.
Tonder Logo Die sieben jugendlichen Iren von Danú weisen ein schier unglaubliches Können verbunden mit einer unermüdlichen Spielfreude auf. Die Musiker Daire Bracken (Fiddle), Tom Doorley (Flute), Eammon Doorley (Bouzouki), Donnchadh Gough (Uilleann Pipes, Bodhràn), Benny McCarthy (Akkordeon) und Timmy Murray (Gitarre) fliegen virtuos durch die Jigs und Reels, Barndances, Slides und Hornpipes und spielen auch mal einen wunderschönen langsamen Air. Hinzu kommen ruhige gälische Lieder, die Càrthach Mac Craith solo oder einfühlsam begleitet im traditionellen Sean-Nòs vorträgt. Die Zuschauer diese Konzertes kann man in drei Sparten unterteilen: Einige sind hin und weg von der Musik, andere sind zu betrunken, um die Musik voll zu genießen und der Rest schließlich hängt in seinen Stühlen und kämpft gegen die Müdigkeit. In dieser hervorragenden Atmosphäre machen Danú mit ihrer Musik die Nacht zum Tage. Um 3.15 Uhr schließlich ist das Konzert zu Ende - das Publikum will sich aber auch nach zwei Zugaben noch nicht zufriedengeben. Dürften sie, würden die Musiker noch bis weit in den Tag hineinspielen. Für nächstes Jahr wurden Danú übrigens direkt wieder eingeladen.

Eine Momentaufnahme des diesjährigen dänischen Tønder Festivals. Ein ganzes Tønder Festival ausführlich zu besprechen, würde selbst den Rahmen des gesamten Infos sprengen. Wir haben deshalb entschlossen, dieses Mal fünf Momentaufnahmen europäischer Kulturen zu beleuchten - es gab natürlich viel mehr, und schlecht war nichts, was wir gesehen haben. Ganz kurz die diesjährigen Fakten: 1.400 freiwillige Helfer; 26.300 Tickets im Verkauf, wovon alleine 19.200 am ersten Vorverkaufstag verkauft wurden (wer erst beim Festival Karten kaufen wollte, konnte nur noch Karten für Donnerstag und Sonntag erhalten, Freitag und Samstag waren vollkommen ausverkauft). 34 Gruppen und Solisten, die in 23 Konzerten in sieben Venues spielten. Halt eines der besten Festivals der Welt.

Wolfstone - ein Abschied?
Freitag, Zelt 1, etwa um Mitternacht. Schon seit über einer Stunde spielen die sechs Jungs von Wolfstone. Dem mitgerissenen Publikum ist klar: Nach diesem Konzert wird es in Kontinentaleuropa nur noch einige wenige Auftritte in Spanien geben. Danach löst sich diese einzigartige Band wegen Rechtsstreit auf (das Info berichtete) - zumindest vorerst. Der Stimmung tut dies aber keinen Abbruch: in den bestuhlten Reihen springen die Zuschauer auf und ab. In diesem Moment wird gerade von den Helfern das 'Wohnzimmer' auf die Bühne getragen - denn die Musiker meinen, das Tønder Festival ist für sie wie ein Wohnzimmer. In den Sesseln legen sie ein Acoustic Set ein. Nach mehr als drei Stunden und unzähligen Zugaben sind sich alle (inklusive der Musiker) in Zelt 1 sicher: Das kann nicht das entgültige Ende dieser Band sein - in drei Jahren oder so sieht man Wolfstone auf dem Tønder-Festival wieder...

'The Canadians are coming' - mit kanadisch-europäischen Traditionen
2 Barachois; photo by The Mollis Samstag, Zelt 1, etwa drei Uhr Nachmittags. Diesem Nachmittag ist 'The Canadians are coming' auf die Fahnen des Zelt 1 geschrieben. Nach kurzen Sets von dem Singer/Songwriter/(E-)Gitarrist/Fiddler J.P.Cormier, der diesen Nachmittag vor allem mit seinen eigen Liedern glänzte und dem jugendlichen Fiddler Richard Wood mit Trio mit abgedrehter Bühnenschau (Richard rennt auch mal beim Fiddlespielen von den Bühne ins Publikum, legt dort einen kleinen Steptanz ein und rennt dann wieder zurück!), sind im Augenblick die Franko-Kanadier Barachois an der Reihe. Albert schlägt gerade auf den Papphut auf dem Kopfe seines Agenten rum, dieser macht wie die anderen drei (un)glücklichen Opfer gute Miene zum bösen Spiel.
Durch mitreißende Pianoriffs sowie Fußpercussion, fetziges Fiddlespiel, Gitarre und hervorragende Harmoniegesänge stellen die anderen drei (Albert aber auch) sicher, daß die Musik höchste Qualität hat. Bei noch keiner anderen Folkband haben wir bisher solche Tränen gelacht. Hervorragende Comedy gepaart mit französischen Traditionen, Spielfreude und schiefen Grimassen. Barachois ist definitiv die beste Liveband die wir bisher gesehen haben. Ihre Debut-CD auf dem schottischen Iona Label können wir übrigens auch nur wärmstens empfehlen. (Danke auch an den schottischen Labelchef, der den kanadischen Trend in Europa mitausgelöst hat, und der für den Presseempfang an diesem Morgen 600 Dosen kanadisches Bier von der kanadischen Botschaft organisieren konnte - für vielleicht 15 Journalisten und 20 Musiker; thanks Ronnie, you made us happy for the following afternoon!)

Llan de Cubel aus Asturien (Nordspanien)
2 Llan de Cubels; photo by The Mollis Samstag Abend, 20.30 Uhr, Kulturhuset. Die Musik klingt vertraut keltisch - obwohl - irgendwie doch nicht ganz so vertraut. Kein Wunder, so oft kriegt man schließlich in unseren Breiten nicht asturische Musik zu hören. Llan de Cubel, sechs junge Männer aus dem grünen Nordspanien, spielen Musik, die auf der Gaita, dem asturischen Dudelsack, basiert. Fröhliche akustisch asturische Klänge von Gaita, Querflöte, Fiddle, Trommeln, Gitarre und Bouzouki und ein paar Lieder in spanischer Sprache machen den Auftakt dieses Abends (zwei weitere Gruppen folgen noch) unvergeßlich; und wieder einmal merkt man, wie wenig man doch eigentlich über die vielen regionalen Kulturen Europas weiß.

Die Donal Lunny Band leitet das Finale ein
Tonder Finale mit Allan Taylor, Danny Kyle, Sharon Shannon, Joannie Madden; photo by The Mollis Sonntag gegen Ende des Festivals, Zelt 1. Die Donal Lunny Band gibt gerade ihre letzte Zugabe. Die zwei hübschen blonden Geigerinnen bewegen sich anmutig zu der Musik, die das gesamte Publikum in Trance versetzt. Um Mairead Nesbitt und Nollaig Casey mit ihren Fiddles herum gruppiert finden sich einige weitere der bekanntesten Musiker der irischen Szene: Die attraktive Sharon Shannon spielt lächelnd ihr Akkordeon, Donal Lunny daneben; auf der anderen Seite der Bühne Uillean Piper John McSherry. Zuzüglich Drums, Percussion, Bass, Keyboards. Nach einem der letzten von vielen Standing Ovations dieses Wochenendes kommt nocheinmal ein Großteil der Festivalmusiker auf die immer voller werdende Bühne, um u.a. mit John Jones (von der Oyster Band), Eleanor Shanley und Maighread Ní Dhomhnaill den Tønder Klassiker 'Will The Circle Be Unbroken' anzustimmen. Nun muß man wieder 12 Monate warten, bis man endlich wieder nach Tønder fährt...

Was für ein Festival - tak, Carsten, see you next year!

Photo Credits und Erklärungen:

  1. (links) 2 Barachois; photo by The Mollis
  2. (rechts) 2 Llan de Cubels; photo by The Mollis
  3. (links) Tonder Finale mit Allan Taylor, Danny Kyle, Sharon Shannon, Joannie Madden; photo by The Mollis

Infos zum nächsten Festival gibt es auf der Homepage unter http://www.tf.dk


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/97

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