FolkWorld Artikel von Michael & Christian Moll: Susane; photo by The Mollis

Traditionen aus den Bergen Galiciens

Die junge Dudelsackspielerin Susane Seivane


Die Musik Galiciens ist erst seit einigen Jahren international bekannt geworden, dank Leuten und Gruppen wie Carlos Núņez, Berrogüetto und Milladoiro. Auch wenn die Musik erst kürzlich populär geworden ist, lebten doch schon immer die Traditionen in einigen Regionen in ihrer puren Form, auch während der Zeit der Franco-Diktatur, die offiziell gegen die Musik vorging. Aus einer solchen abgelegenen Region und einer Familie, die sich schon etliche Generationen der galicischen Musik widmet, stammt Susane Seivane, eine junge Dudelsackspielerin, der wohl noch eine große Zukunft bevorsteht.

Die Provinz Lugo im Nordosten von Galicien gehört zu den abgeschiedensten und einsamsten Teilen der nordwest-spanischen Region. Es ist eine sehr bergige Region nahe Asturiens, mit vielen landschaftlichen Höhepunkten, in die man viel Zeit mitbringen muss, um sie zu genießen und auf den kleinen gewundenen Straßen die einsameren Gegenden zu erkunden. Wenn Galicien schon insgesamt abgeschieden ist, dann ist es das bergige Inland erst recht; in einer Gegend von Galicien hatte man sogar zwei Jahre lang nicht gewusst haben, dass der Bürgerkrieg vorbei war.

Sierra O Courel; photo by The Mollis Kein Wunder, dass sich in dieser Abgeschiedenheit auch die Musiktraditionen besonders gut erhalten konnten, wesentlich besser als in den Städten. In dieser Gegend gibt es einige Dudelsackspieler, die schon immer traditionelle Musik gespielt haben, und die die Basis gelegt haben für den derzeitigen Boom galicischer Musik. Aus den einsamen Bergregionen sind - im Gegensatz zu den Küstengebieten - in den vergangenen Jahrzehnten keine Galicier ausgewandert, weil es eben so abgeschieden ist. Heute findet man im Bergland Lugos in jedem Haus einen Musiker, vor allem Dudelsackspieler oder Pandereiteras. Es gibt nach wie vor dort noch alte oder ältere Leute, die Musik machen.

Susane Seivane ist in diesem Umfeld aufgewachsen, und ihr gefallen die Melodien von dort besonders gut: "Weil durch die Abgeschiedenheit die Stücke sehr pur, sehr rein geblieben sind, und man merkt, dass sie sich sehr gut im wohl originalen Stil erhalten haben." Susane spielt hauptsächlich traditionelle Stücke, in erster Linie aus dieser Gegend; sie wurden überliefert oder in den letzten Jahren in "Feldarbeit" zusammengetragen. Susane spielt auch einige Stücke von Komponisten von heute, die zwar neu, aber ganz in der traditionellen Linie sind, sowie einige wenige Eigenkompositionen.

Susane; photo by The Mollis Susane nimmt mit dem Dudelsackspielen eine Familientradition auf. Ob man nun bei drei Generationen von einer Dynastie sprechen kann, kann diskutiert werden; auf jeden Fall wurde die Dudelsack-Dynastie der Seivanes von Susanes Großvater angefangen, der seit 60 Jahren in Galicien Dudelsäcke baut. Diese Tradition ist übernommen worden von ihrem Vater und ihrem Onkel, und nun auch von ihrer Schwester und ihrem Bruder. Susane selbst arbeitet auch mit in der Werkstatt, wenn sie Zeit hat, will sich aber eher aufs Spielen konzentrieren. Auch ihr Großvater hat früher gespielt, mit einem traditionellen Quartett. Bereits in den Generationen vor ihrem Großvater war Musik in der Familie; so war Susanes Urgroßmutter Sängerin, die Gaita-Tradition der Familie wurde jedoch erst von ihrem Großvater begonnen.

Der Dudelsackverkauf läuft derzeit sehr gut in Galicien - kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es mehr als 15.000 Dudelsackspieler in der nordspanischen Region gibt. Wer bei den Seivanes einen Dudelsack bestellt, muss ein Jahr darauf warten, obwohl immerhin vier bis fünf Leute in dem Familienbetrieb arbeiten. Ohne Bestellung bekommt man keinen Dudelsack. "Mein Vater fragt sich manchmal, woher die ganzen Dudelsackspieler kommen - so viele Dudelsäcke gehen heraus!"

Ist es denn nun etwas besonderes, dass Susane als Mädchen den Dudelsack spielt? "Geschichtlich gab es immer Dudelsackspielerinnen, schon seit sehr langer Zeit ", erklärt Susane, "viel weniger als Männer natürlich. Aber es gab auch eine Zeit, in der Dudelsackspielen selbst für Männer keinen guten Ruf gehabt hat, und für Frauen dem entsprechend dreimal so sehr. Heutzutage als Solistin zu spielen und im Ausland aufzutreten, ist natürlich für eine Frau ungewöhnlich. Dennoch, bei dem immensen galicischen Boom für Dudelsäcke kann man doch sagen, dass er zu fast 50 % von Frauen getragen wird; von den jetzigen Anfängern, den Schülern, sind die Hälfte Frauen. Es wird also nur eine Frage der Zeit sein, dass mehr Frauen als Solistinnen oder in bekannteren Gruppen auftreten werden - Berrogüetto haben ja auch schon eine Dudelsackspielerin in ihren Reihen."

Susane as three year old girl, photo taken from her debut CD Mit 23 Jahren schon eine international bekannte Dudelsackspielerin zu sein, ist eine gute Leistung, aber auch die wohlverdiente Belohnung für 20 Jahre langem Erlernens. Mit 3 Jahren mit Dudelsackspielen anzufangen, ist natürlich sehr ungewöhnlich. Susanes Vater erzählt immer gerne die Geschichte, wie seine Tochter damals immer in die Werkstatt gekommen ist und alles ausprobiert und darauf rumgespielt hat. Daraufhin hat er ihr einen Dudelsack gebaut, extra für sie in der entsprechenden Größe. Diese Spezialanfertigung war auf D gestimmt war, entsprechend ihrer D-Schalmei, war aber entsprechend verkleinert. Durch diesen Kinder-Dudelsack hatte sie einen Vorteil gegenüber all den Kindern, die nicht in einer Familie von Dudelsackbauern wohnten.

Susane erinnert sich: "Ich habe dann versucht, einfach alles, was ich gehört habe, auf Schalmei und Dudelsack, und auch auf kleinen Keyboards nachzuspielen. Das ging von traditionellen Liedern über Popmusik bis zu Kinderkassetten - einfach alles." Bald spielte sie in verschiedenen traditionellen Gruppen. Und bereits mit 12 Jahren hatte sie das erste Angebot, eine Platte aufzunehmen; sie war jedoch so vernünftig, und erkannte, dass sie sich in dem Moment noch nicht reif genug fühlte. Zum Plattendebut kam es erst, als sie aus dem Teenager-Alter herauskam und immer mehr Leute - zuerst ihre Familie, aber dann auch Musiker wie Milladoiro, ihr zuredeten, eben doch den Schritt zu tun und eine Platte aufzunehmen. Susane wollte sicher sein, dass die Debut-CD gut werden konnte, und als Rodrigo Romaní (damals noch Mitglied von Milladoiro) ihr anbot, das Album zu produzieren, konnte sie sich guten Gewissens ans Werk machen. Und das Ergebnis befriedigte nicht nur sie selbst, sondern auch die Journalisten und Musikliebhaber in Spanien und rund um die Welt.

Auf der CD haben sehr viele Gastmusiker mitgewirkt, die Crème der galicischen Musiker. Aus der jetzigen Susane Seivane Band waren nur der Akkordeonspieler, und in zwei Stücken der Percussionist dabei. Auch die Sängerin von der CD gehört eigentlich zur Gruppe, aber da sie vor kurzem erst 16 geworden ist, sind internationale Tourneen mit ihr bisher nur sehr schwer zu realisieren. Nach der CD-Produktion hat Susane sich noch die drei anderen Musiker (Bouzouki, Geige, Gitarre) gesucht.

three members of the Susane Seivane band; photo by The Mollis Bei der Zusammenstellung der Band hat sich die junge Musikerin an ihren Hintergründen orientiert: "Für mich waren die musikalischen Vorbilder immer alte Dudelsackspieler, als erstes mein Grossvater, und dann andere alte Musiker, die entweder inzwischen schon tot, oder im Alter zwischen 70 und 90 sind, also Musiker vom Anfang des Jahrhunderts." Diese Vorbilder schlagen sich auch in ihrer Vorstellung von der Musik wider: Basis ist die traditionelle Musik, die erweitert wird durch Instrumente, die nicht aus der galicischen Tradition kommen, die aber das Klangbild erweitern - das sind Gitarre und Bouzouki. Die traditionellen galicischen Elemente der Band sind neben der Gaita die traditionelle Percussion, aber auch Instrumente, die früher in Galicien gespielt worden sind, jetzt aber nicht mehr soviel gespielt werden, wie Akkordeon und Geige.

Seit der CD spielt Susane vollberuflich. Trotz allem hofft sie, ein wenig Zeit in der Werkstatt ihrer Familie verbringen zu können. Sie möchte gerne den Bau von Dudelsäcken erlernen. Einfach nur aus Interesse...


CDs von Susane Seivane sind bei Dofol/Boa Music erschienen, und in Deutschland erhältlich bei Endirecto.com


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Um mitzumachen, sag uns einfach, wie der Dudelsack in Galicia, Italien und der Bretagne genannt wird!
Antworte bis zum 17.12.2000.

Photo Credit: All photos (exept no 4) by the Mollis: (1, 3, 6) Susane Seivane, (2) Sierra O Courel, abgelegene Bergregion in der Proviz Lugo, (4) Susane als 3 jähriges Mädchen (Foto aus Susane's Debut CD), (5) 3 Mitglieder der Susane Seivane Band


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/2000

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