Leilía ist wohl die bekanntest Band, die die einzigartigen Gesangstraditionen Galicias (Nordspanien) der Welt präsentiert.
Leilía, das sind sechs junge Frauen, die allesamt äußerst kraftvolle Stimmen haben und nebenbei Pandeireta (Handtrommel mit Schellen) spielen. Auch ohne weitere Begleitmusik ergibt sich so ein sehr volles und beeindruckendes Klangbild.
Bei Konzerten haben die Mädchen ein raffiniertes und effektives System entwickelt, um die Traditionen voll zur Geltung zu bringen: Zu Beginn des Konzerts kommen sie alle in traditioneller Kleidung auf die Bühne und präsentieren traditionelle Lieder in ihrer puren Form, nur begleitet von der Pandeireta. Etwa nach der Hälfte des Konzertes verläßt eine der Frauen die Bühne, während die anderen fünf noch ein Lied singen. Die sechste kommt dann in 'moderner' Kleidung wieder auf die Bühne, und gibt mit einem Solo-Lied den anderen fünfen die Möglichkeit zum Umkleiden.
Nicht nur die Kleidung wird mit der zweiten Hälfte gewechselt, sondern auch die Herangehensweise an die Musik: nun werden die Mädchen von einer (männlichen) Begleitband unterstützt, unter anderem auf Gaita (Galiciens Dudelsack), Gitarre, Piano, Percussion, etc).
"Der wichtigste Bestandteil der Gruppe ist, die Traditionen zu zeigen. Die Lieder werden so interpretiert, wie wir sie von alten Leuten gelernt haben, die Melodien werden nicht verändert. Und das in Konzerten wiederzugeben ist seit 10 Jahren unsere Aufgabe - seit Lelía gestartet wurde. Im zweiten Teil versuchen wir mit den begleitenden Musikinstrumenten, diese alte Tradition, die wir von den alten Leuten überliefert haben, auch für jüngere Leute ansprechend zu arrangieren. Die Melodien bleiben immer die gleichen traditionellen, es kommen halt andere Instrumente, mehr Instrumente, eine größere Formation hinzu. Hinzu kommt dann auch die moderne Kleidung. So wollen wir die Vergangenheit, die Traditionen im heutigen Leben anbringen. Um beides aneinander anzunähern, um die Traditionen, die alte Leute uns vermittelt haben, einem jungen Publikum nahe zu bringen. Das ist die Idee."
Wie gerade schon angedeutet, liegt für Leilía der wichtigste Weg zu traditionellem Liedgut aus Galicien in der Befragung alter Leute. "Wir suchen in kleinen Städten und Dörfern, fragen dort die alten Leute, die um die 80 Jahre alt sind, nach ihren Liedern. Als diese Leute jung waren, haben sie genau diese Art von Liedern gesungen. Und sie haben die Lieder damals von ihren Eltern, von ihren Großeltern, von ihren Familien übernehmen können; es ist eine sehr alte Tradition. Oft hat man sich nach getaner Arbeit zum Singen getroffen"
Eigentlich geht es gar nicht so sehr um musikalische Traditionen, sondern viel mehr um Alltagsleben. "Diese Familien haben über viele Jahrzehnte, Jahrhunderte die Traditionen übertragen. - Die Lieder handeln von der Liebe, von der täglichen Arbeit, von Hochzeiten - es ist eine mündliche Überlieferungsform."
Traditionell ist es normalerweise, daß das ganze Dorf zusammen singt. Das ganze ist häufig auch mit Tanz verbunden. "Sie singen und beantworten sich gegenseitig und dann wechselt es, so daß die, die vorher gesungen haben, dann tanzen und umgekehrt."
Die Tradition des gemeinsamen Gesang kennt nur wenige Ausnahmen. "Also manchmal schon, wenn jemand auf dem Weg zur Arbeit ist oder so, dann singt er alleine - aber das Normale ist, daß die Strophen in Gruppen gesungen werden. Einer beginnt und die anderen antworten und dazu wird getanzt. Und das ist alltäglich."
Einen tiefen Einschnitt in diese Tradition hat die Diktatur unter Franco ausgemacht, denn jede Art der Versammlung - schon wenn mehr als drei Leute zusammen kamen - war unter Franco verboten. Deswegen konnte in der Zeit während der Diktatur praktisch überhaupt nicht zusammen gesungen werden, "Die Tradition war damals komplett gestoppt. Erst danach konnte sie weitergeführt werde."
Die Gesangstradition in Galicia wird und wurde vor allen von den Frauen getragen. "Früher war es üblich, daß die Frauen in Galicien zumeist auf dem Land gearbeitet haben, und nach der Arbeit haben sie dann gesungen. Und auch heute ist es so, daß die Männer außer Haus sind, während die Frauen zu Hause sind und singen. Die Frauen führen die Tradition also noch heute fort. Aber es gibt auch Anlässe, bei denen Männer mitsingen, entweder mit Frauen zusammen singen oder auch einzelne Strophen übernehmen. Aber eigentlich ist es so, daß die Frauen singen, und auch die Art der Musik, die Melodien zu den Liedern erfinden und weitergeben."
Zu guter Letzt noch zu der Frage, die Musiker aus Nordspanien immer wieder hören müssen und die in Galicien oft debattiert wird: Handelt es sich bei ihren Traditionen um keltische Traditionen oder nicht?
"Die Wurzeln der Gesangtraditionen in Galicien sind auf jeden Fall vielfältig. Es gibt keltische Wurzeln, aber genauso arabische und spanische und somit romanische Wurzeln. Jedes Dorf ist auf unterschiedliche Art beeinflußt worden und entwickelt die Traditionen auch nach seiner eigenen Art weiter."
Leilía kümmern sich seit nunmehr 10 Jahren darum, daß die Tradition der weiblichen Gesänge Galiciens auch international zu hören ist. Die starken Stimmen von Leilía sind immer wieder in Live ein eindrucksvolles Erlebnis.
Photo Credit: Leilía at Rudolstadt festival, Germany; all photos by the Mollis
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Zum Inhalt des FolkWorld online musikmagazins Nr. 13
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