FolkWorld Live Review 12/99:

Obertöne und Pferdegroove

Das Folklore-Ensemble Huun-Huur-Tu aus Tuva


Von Christian Rath

Diese Musik trägt den Rhythmus der Pferde in sich. Trappel-Getrappel-Getrappel, so klingt die Percussion, so swingt auch das Toshpulur, ein altertümliches Steppen-Banjo. Die Gruppe Huun-Huur-Tu hatte Anfang Dezember bei ihrem Auftritt im Freiburger Jazzhaus nicht nur exotischen Kehlkopf- und Obertongesang zu bieten.

Huun Huur Tu Huun-Huur-Tu kommen aus Tuva, einer autonomen Republik im Südosten der russischen Föderation, im Norden liegt Sibirien, im Süden die Mongolei. Und während in Tuva nur rund 300 000 Menschen Leben, ist das Land doch vier mal so groß wie Baden-Württemberg. Früher war die Bevölkerung überwiegend nomadisch und zog mit ihren Herden über das weite Steppenhochland. Heute ist der klappernde Groove in der tuvinischen Volksmusik immer noch zu spüren.

Was das Publikum jedoch meist mehr interessiert, ist die besondere Gesangstechnik, die in Tuva und umliegenden Gebieten gepflegt wird. Da ist zum einen der archaische Kehlkopf-Gesang, bei dem die menschliche Stimme sich dem tiefem Fauchen eines Raubtiers verblüffend annähert. Gleichzeitig vermögen die tuvinischen Sänger die natürlich mitschwingenden Obertöne so zu verstärken, dass sie als eigene sphärische Melodie erscheinen. Ein einzelner Sänger kann so zwei oder gar drei Töne gleichzeitig erzeugen. Ein immer wieder faszinierendes Erlebnis, auch wenn der Oberton-Gesang in der deutschen Esoterik-Szene dank Michael Vetter und anderer Protagonisten längst fest verankert ist.

Ihre Konzerte bestreten die vier Tuviner in traditionellen goldbestickten Festgewändern. Klar, dass dabei ein eher folkloristischer Eindruck entsteht. Doch als Botschafterin der tuvinischen Kultur sieht sich die Gruppe durchaus. Huun-Huur-Tu präsentieren in ihren Konzerten einen potpourri-haften Querschnitt durch die tuvinische Tradition. Vorgestellt werden verschiedene Obertontechniken und Musikstile, die in ihrer Heimat nicht unbedingt zusammengehörten.

Huun Huur Tu Neben Gesang und Steppen-Groove noch bemerkenswert: wehmütige Balladen, die von der Pferdegeige Igil geprägt waren. Die Igil ist ein senkrecht gehaltenes zweisaitiges Streichinstrument mit stilisiertem Pferdekopf. Im Jazzhaus wirkten Huun-Huur-Tu eher in sich gekehrt. Das Eis zum Publikum brach erst gegen Ende bei einer kunstvoll-kitschigen Vogelstimmen-Nummer.

Als Huun-Huur-Tu 1992 gegründet wurde, waren die Ziele ehrgeizig. Man wollte ein Folk-Ensemble auf künstlerischem Weltniveau schaffen. Das ist nur zum Teil geglückt. Zwar gilt Huun-Huur-Tu in der internationalen Weltmusik-Szene heute als feste Größe und hat auch schon mit Ry Cooder und den Chieftaines gespielt. Doch der kreativste Kopf der Gruppe, Albert Kuvezin, verließ Huun-Huur-Tu schon nach einem Jahr im Streit und ist heute mit dem Folk-Rock-Ensemble Yat-Kha ebenfalls erfolgreich. Übrig blieb bei Huun-Huur-Tu sozusagen eine marktwirtschaftliche Variante der alten sowjetischen Folklore-Staatsensembles.

Tradition auf hohem Niveau, aber etwas uninspiriert.

Weitere Infos auf der Jaro Homepage


Zur Übersicht der FolkWorld Artikel & Live Reviews
Zum Inhalt des FolkWorld online magazins Nr. 12

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/99

All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission.


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Home
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld