FolkWorld Live Review 10/99:

Italienische Folk-Poesie mit Angelo Branduardi

Der Traum vom jugendlichen Altern


Von Christian Rath

Angelo Branduardi beim Freiburger Zeltmusikfestival mit folk-inspirierter italienischer Poesie.

Der wuschelige Lockenkopf ist schon etwas angegraut, und man sieht Angelo Branduardi seine bald 50 Jahre durchaus an. Doch ist der italienische Sänger, anders als viele alternde Showstars kein bißchen feist geworden. Wenn er in schwarz gewandet auf der Bühne steht - im kragenlosen Kittel, barfuß in den Schuhen - verkörpert er ganz den Traum vom jugendlichen Altern. In diesem Sommer gastierte der (Lom)Barde mit einem umjubelten Auftritt beim Freiburger Zeltmusikfestival.

Drawing by German artist Annegret Haensel Es war ein heiteres Konzert an einem milden Sommerabend. Auch Branduardi war gut aufgelegt, plauderte zu Beginn etwas mit dem Publikum und versuchte sich von seinem Softi-Image zu distanzieren. "Viele denken, ich mache nur Musik für Vegetarier, für gute Menschen - kein Wein, keine Zigaretten, keine Frauen. Aber Gott sei Dank bin ich sehr böse." Davon war im Konzert dann aber wenig zu spüren. Branduardi ist eben kein Gangsta-Rapper, sondern ein folk-inspirierter italienischer "Cantatore". Ein Sänger mit einer Stimme, so hell und warm, daß jeder Heiratsschwindler neidisch werden müßte.

Die angekündigte "Brutalität" seiner Show bestand letztlich nur darin, daß einige der Stücke recht poppig vorgetragen wurden. Auch "böse" Playbacks benutzte Branduardi, zur Enttäuschung mancher Fans, gelegentlich. Auf Streicherarrangements wollte der Meister selbst live nicht verzichten.

Zuerst aber spielte der Lombarde einige Stücke "nackt", wie er sagte, das heißt: allein auf der Bühne. Doch auch als seine vierköpfige Begleitband mit Blockflöte, Gitarre, Baß und Schlagzeug hinzustieß, stand Branduardi ganz im Mittelpunkt. Dabei posierte der schöne Italiener zwar recht viel. Aber kein Zweifel: der Mann hat Ausstrahlung und Charme. Man(n) versteht, warum manche Frau an diesem Abend den verklärten Blick bekam.

Gesprochen hat Branduardi mit seinem Publikum dann allerdings kaum noch. Nicht einmal seine Lieder sagte er an. Wer kein italienisch verstand, mußte sich mit dem Wissen begnügen, daß die Inhalte sehr poetisch sind und vom Mond, Clowns und der Kraft der Phantasie handeln. Vielleicht würde Branduardi mehr über die Texte sprechen, wenn er sie überwiegend selbst geschrieben hätte.

Auch musikalisch setzte das Konzert keine Maßstäbe. Viele der Melodien waren zwar gefällig, aber zugleich recht nichtssagend. Dazu kam, daß der Sound im Zirkuszelt eher mäßig war, es störten vor allem die scheppernden Bässe. Und Branduardis Stimme wurde gelegentlich so im Hall versenkt, daß sie kaum noch zu hören war.

Der Begeisterung im Publikum tat das alles aber keinen Abbruch. Kein Wunder, daß Branduardi seine deutschen Fans als "die besten" bezeichnet. In der dritten Zugabe schließlich spielte er "La Pulce d'Acqua" aus dem Jahr 1978, seinen immer noch größten Hit. Beschwingt wie ein Bach-Konzert wurde das Lied über den Wasserfloh dargeboten - so unbekümmert und ausgereift, wie der Meister selbst sich präsentiert.


Mehr Infos zu Angelo auf der Homepage!

Zeichnungen von Annegret Haensel; mehr Infos zur Künstlerin auf ihrer Homepage


Zur Übersicht der FolkWorld Artikel & Live Reviews
Zum Inhalt des FolkWorld online magazins Nr. 11

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/99

All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission.


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Home
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld