Eine Band mit drei Pipers - ist das nicht ein bißchen verrückt?
"Nein", meinen Fred und Rory entschieden. Und die beiden können uns in unserem Gespräch auch schnell davon überzeugen, daß die drei Dudelsackspieler in THE BIG SPREE durchaus ihren Sinn haben, und daß diese Band wohl mit das spannendste ist, was seit langem in Schottland geboren ist. Veranstalter in ganz Europa haben bereits über das Line-Up von THE BIG SPREE gesagt, daß genauso ihr Traum-Line-Up ausieht.
Wie? Na folgendermaßen:
(Foto: Fred Morrisson, by The Mollis)
Warum also drei Dudelsackspieler in einer Band? Fred: "Die Idee, die hinter den drei Pipes steckt, ist, die unterschiedlichen schottischen Pipes zusammen zu präsentieren. Die Reel Pipes sind ziemlich laut so wie die Highland Pipes, aber ein bißchen kleiner. Und dann sind da noch die anderen, nicht so lauten Pipes, die Small Pipes." Die Highland Pipes sind die Dudelsäcke, die fürs Ausland die 'schottischen' Dudelsäcke sind, und die bekanntlicherweise mit dem Mund geblasen werden, während Reel und Small Pipes zu den sogenannten 'Bellow Pipes' (Blasebalg-Dudelsäcke') gehören. "Die verschiedenen Pipes können ziemlich leicht zusammen gespielt werden. Und wenn wir alle drei verschiedenen Arten von Pipes gemeinsam verwenden, mit ihren verschiedenen Drone-Bordunklängen, verschiedenen Chanter-Sets - das ergibt einen sehr schönen Gesamtklang. Du hast einen vollen Bordunklang und eine sehr harmonische Frontline."
Fred Morrison ist anerkannt als vielleicht bester schottischer Piper und wird in Frankreich als 'Roi de Cornemuse' (=König des Dudelsacks) bezeichnet; Rory Campbell ist einer der besten Nachwuchs-Piper und ist gut bekannt als Mitglied von Deaf Shepherd. Entstanden ist THE BIG SPREE, als Fred mit Rory für dessen neues Album "The Piper's Whim" zusammenarbeitete. Fred: "Ich war beeindruckt von den Tunes, die Rory für das Album geschrieben hat. Ich finde, sie sind wirklich gut, weil sie zeitgenössisch klingen, aber immer noch das Gefühl der Vergangenheit haben. Sie haben die Vergangenheit, das Gälische in sich, sie sind aber wie die Tunes von heute. Und ich dachte mir, das ist das, was ich auch schreibe. Und ich meinte, es wäre eine gute Idee für uns beide zusammenzuarbeiten."
Rory: "Eigentlich gibt es zwei Piper, die Frontline Pipers sein werden..." Fred: "Das bin ich und Malcolm. Haha..." - "Malcolm wird zwar Pipes und Whistles, aber auch Bouzouki und Gitarren spielen. Nur manchmal wird es drei Pipes geben, oder drei Whistles, oder Pipes und Whistles. Es gibt einfach mehr Raum für Variationen." In THE BIG SPREE wird viel Material von Schottlands Westküste sehr kraftvoll interpretiert, und als Harmonien für die Highland Pipes braucht man auch ein großes Line-Up als Unterstützung. Rory: "Viel von dem Material, was wir schreiben, braucht einfach die Percussion und die Drums dabei, und auch die ganze Back-Line, um alles zusammenzuhalten und dem Ganzen die Atmosphäre zu geben, die Schwere, die Leichtigkeit, je nach Stück. Es sind alles großartige Musiker in der Band."
(Foto: Rory Campbell and Malcolm Stitt in Deaf Shepherd; Photo by The Mollis)
Und wie klingt THE BIG SPREE nun? - Fred: "Das ist, was wir im englischen eine rhetorische Frage nennen: Du weißt die Antwort auf die Frage schon, bevor Du sie stellst. Wie klingt es? Ihr habt mich gehört - ich bin ein wundervoller Piper. Ihr habt Rory gehört - er ist fast genauso wundervoll. Ihr wißt also, wie es ist: Es ist Doppelt wundervoll!" Trotzdem bekommen wir auch eine richtige Antwort: "Unsere Musik ist sehr kraftvoll, sehr vorwärts gerichtet, sehr stark, sehr - vielleicht für Euch schwer vorstellbar, aber es hat ein sehr ernstes Gefühl in sich. Wir verwenden viele stark ethnische, gälische Rhythmen, die sehr stark auf Grooves basieren und sehr schottisch klingen." Fred wird von einigen der Dinge, die Runrig tun, beeinflußt. "Einige ihrer sehr schweren, kraftvollen Lieder - THE BIG SPREE ist etwas wie Runrig, nur mit Highland Pipes:"
Fred und Rory wollen in THE BIG SPREE neben ihren selbstgeschriebenen Tunes auch traditionelles Material verwenden, wobei gerade Rorys Vater Roddy Campbell eine reiche Quelle für u.a. Waulking Songs ist, genau wie Freds Vater es war. Viele der selbstgeschriebenen Stücke ändern die musikalische Richtung: So kann eine Komposition ziemlich langsam und atmosphärisch anfangen, danach kommt ein sehr kraftvoller Teil, und zum Schluß wird es noch einmal atmosphärisch. Dabei wird viel improvisiert, was für schottisches Piping etwas neues ist. Auf die Frage nach der Akzeptanz in Schottland bei solchen Improvisationen meinen beide, daß sie damit keine Probleme haben. Fred: "Ich denke, wenn du nicht Grenzen überschreitest, wirst du die Tradition nicht bewegen; und die Tradition lebt, sie stirbt nicht aus!" Rory ergänzt, "Wir schreiben und spielen unsere Musik auch nicht, um Dinge vorwärts zu treiben, es ist einfach das, was wir machen wollen, was wir fühlen. Und die Leute in 1940 haben schließlich auch nicht so gespielt wie die Leute in 1840, ohne Absicht, sie haben sich nicht gedacht, laß uns anders spielen und die Dinge vorwärts treiben." Fred gibt auch noch zu bedenken, daß heute viel mehr Möglichkeiten gegeben sind als früher, es gibt Schlagzeuger und Keyboards im Folkbereich und es gibt auch bessere Materialien. Die Leute früher hätten diese Hilfen bestimmt auch genutzt.
Wir sind uns sicher, daß diese außergewöhnliche Band einen so interessanten, vollen und gälischen Klang haben wird, wie bisher noch nie gehört. Um selbst zu erfahren, in welche Richtung die Musik von THE BIG SPREE geht, können wir nochmals Rorys Soloalbum 'The Pipers Whim' empfehlen. Der Klang von THE BIG SPREE wird noch viel voller sein, denn da spielen ja bis zu drei verschiedene Pipearten gleichzeitig.
Newsflash: Die Gruppe gibt es nicht mehr - trotz allem ist der Artikel interessant genug, um hier noch einmal zu erscheinen ;-)
CDs von Deaf Shepherd bei Greentrax
CDs von Rory Campbell bei KRL/Lochshore Records
CDs von Fred Morrison bei Lismor Label
Zurück zum Inhalt der FolkWorld Artikel
Zum Inhalt des FolkWorld online musikmagazins
All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission.